fiebel1Terror, Anschläge, Drogenhandel

Der deutsche Ex-Legionär Joachim Fiebelkorn, berüchtigter Neonazi des 20. Jahrhunderts, gegen den wegen eines Bombenanschlags in Italien ermittelt wurde und der in Bolivien wegen seiner Rolle als Kollaborateur der Diktatur zusammen mit dem Nazi-Verbrecher Barbie verhasst ist, hat in einer Festung im spanischen Alicante seinen Alterssitz eingerichtet. Dort, von Zivilgardisten, Militärs und Legionären unterstützt und verehrt, wurde er 2018 von Journalisten der linken Monatszeitung El Salto besucht.

Geschichte eines deutschen Neonazis. Zwischen Leipzig, der Spanischen Fremdenlegion, der Bundeswehr, Bolivien, dem Gefängnis und einem Alterssitz im südlichen Spanien. Begleitet von Militärs, Ultrarechten und Polizisten. Im Schatten der Gladio-Aufstandsbekämpfung.

In der Stadt Rojales in Alicante befindet sich ein Anwesen mit Türmen, Zinnen und unzähligen Überwachungskameras, das einer Festung nachempfunden ist. Zwei Königsadler bewachen ein Tor, über dem eine große spanische Flagge weht. Im Inneren befindet sich ein Hof, in dem ein Priester die Messe zelebriert, flankiert von zwei großkalibrigen Maschinengewehren, einem Christus, Franquismus-Symbolen und einem imposanten deutschen Eisernen Kreuz. (1)

Faschisten in Alicante

Sommer-Gottesdienst zu Ehren des Apostels Jakobus, mehr als ein Dutzend Angehörige der Streitkräfte singen patriotische Hymnen in einer Versammlung, die das Motto der Reconquista, der mittelalterlichen Rückeroberung Kastiliens von den Mauren verherrlicht: "Santiago y cierra España" (Jakobus und Spanien schließen). Die Veranstaltung wurde von der Bruderschaft Antiguos Caballeros Legionarios de la Vega Baja ins Leben gerufen, einer Vereinigung, die auf diesem Grundstück nationalistische Veranstaltungen feiert, bei denen Armeegeneräle und Kommandanten der Guardia Civil unter den Porträts von Millán Astray (franquistischer Radio-Journalist) oder Diktator Francisco Franco ihre Paella essen. Ohne die Großzügigkeit ihres Gastgebers, des bekannten deutschen Neonazis Joachim Fiebelkorn, wäre das alles nicht möglich. Er ist der Eigentümer des Anwesens.

Fiebelkorn erscheint uniformiert als Angehöriger der Spanischen Legion, er hat einen vorspringenden Bauch, graues Haar, helle Augen und ist verwirrt, als er nach seiner Identität und Vergangenheit gefragt wird. "Wie bist du zu mir gekommen?" antwortet er neugierig. "Woher weißt du, dass das mir gehört?" fragt er mit stechendem Blick. Der am 5. April 1947 in Leipzig geborene Mann aus einer preußischen Familie war vor 30 Jahren aus der Öffentlichkeit verschwunden und wie er zugibt: "Ich dachte, ich sei vergessen". Fiebelkorn hat sich in Rojales, einem Dorf in der Nähe des Ferienortes Torrevieja, ein neues Leben aufgebaut. Ein guter Ort, um neu anzufangen, so wie es Tausende von Deutschen taten, darunter auch viele Veteranen des Dritten Reichs, die nach dem Zweiten Weltkrieg in andere Teile Spaniens flüchteten.

Messe in Fiebelkorns Festung

fiebel2Einer der wenigen Nazis, die der Justiz nicht entkamen, war einst Fiebelkorns Kumpan. Die Rede ist von Klaus Barbie, besser bekannt als "der Schlächter von Lyon", der 1987 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde (und im Gefängnis starb; 1913-1991). "Ich hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihm. Sie haben ihn übel verfolgt", sagt der ehemalige deutsche Legionär. Es ist offensichtlich, dass Fiebelkorns Respekt für Barbie ungebrochen ist. Aber um die Verbindung zwischen den beiden zu verstehen, ist ein Zeit- und Raumsprung ins Bolivien der 1950er Jahre notwendig.

Um zu jenem Ort zu gelangen, an dem sich Klaus Barbie versteckt hielt, muss die "Straße des Todes" befahren werden, so wird die alte Straße von der Hauptstadt La Paz in die Yungas-Region in Bolivien genannt. Eine furchterregende unbefestigte Piste, die auf eine Höhe von 4.650 Metern führt, ohne einen Zentimeter Leitplanke, die Fahrzeuge vor dem Absturz in den Abgrund bewahren könnte. Der sadistische Waffen-SS-Mann, Leiter der Gestapo, Hitlers Geheimpolizei in Lyon, Klaus Barbie, kam 1951 hierher. Mit Hilfe des Vatikans und seines Netzes von Ustascha-Priestern (kroatische Faschisten) konnte Barbie aus Europa fliehen. Obwohl es sich um eine ganz besondere Flucht handelte, da er seit dem Untergang des Dritten Reichs für den US-Geheimdienst tätig gewesen war, der linke Europäer jagte und gefangen nahm. In der Stadt Chulumani wird erzählt, dass Barbie schnell zum Besitzer eines Sägewerks wurde, das er führen konnte dank Hans Ertl Graetzel, einem ebenfalls nach Bolivien geflohenen Nazi-Fotografen, der Barbie nach seiner Landung in Argentinien aufnahm.

In Nazi-Uniform

In den 1950er Jahren war Joachim Fiebelkorn ein Kind im geteilten Deutschland. Über seinen Übergang von der sowjetischen Zone in den von Briten, Franzosen und Amerikanern kontrollierten Westen ist wenig bekannt. Zeit, ihn zu seinen politischen und militärischen Ursprüngen zu fragen. Doch das Hin und Her der Gäste, als Fiebelkorns Legionärs-Gasthaus mit dem Bierausschank beginnt, macht einen Dialog unmöglich. "Ich habe Franco immer bewundert. Seit ich ein Kind war". Dann springt er ohne Erklärung zu seinem 19. Lebensjahr. "Ich bin der Spanischen Legion beigetreten, weil wir auf einer Reise in die spanische Sahara plötzlich auf sie gestoßen sind, einfach so. Ich und Kopplin haben uns zusammengetan".

Herbert Kopplin ist eine nicht weniger romanhafte Figur. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war er Mitglied der Waffen-SS an der russischen Front, woran sich Joachim mit dem Stolz eines jüngeren Bruders erinnert. "Du weißt, dass Kopplin in der SS war, nicht wahr? Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt einen braungebrannten, lächelnden Kopplin, der als Gefreiter der Legion gekleidet ein Gewehr trägt, in der Kaserne von Sidi Buya im Jahr 1967. Unmöglich, mehr über die exotische Wüstenreise zu erfahren, die Fiebelkorn erwähnt. Er bestätigt begeistert seine Zeit im Sahara Freiwilligen-Korps Don Juan de Austria, mit dem er 1966 in El Aaiún vereidigt wurde. Eine Zeit, an die sich dieser Deutsche, der härteste unter den Harten, mit dem Eifer eines Kriegers erinnert. "Wenn man einmal Legionär ist, gilt das ein Leben lang", sagt er, und kehrt zu Zweifeln und Misstrauens zurück. "Wer hat dir gesagt, dass ich heute hier sein würde?", fragt er wiederholt.

Kriegsverbrecher Barbie

In den 1970er Jahren, als Fiebelkorn nach Deutschland zurückkehrte, hatte sich das Leben des Nazis Barbie völlig verändert. Die Zeit des Sägewerks Los Yungas lag hinter ihm, der Kalte Krieg war in vollem Gange. Für die lateinamerikanische Rechte drückte sich dies in der Notwendigkeit aus, alle Volksbewegungen zu bekämpfen, die bewaffnet oder unbewaffnet in allen Ecken im Sub-Kontinent auftauchten. Bereits in den 1960er Jahren enthielten die Handbücher zur Aufstandsbekämpfung, die von der CIA an die zahlreichen mit Washington sympathisierenden Diktaturen verteilt wurden, Anweisungen, wie "das Problem des Kommunismus" auszurotten sei. Denn die "kommunistische Gefahr" umfasste aus deren Sicht Priester, Studenten, Arbeiter oder einfache Lehrer. Der Inhalt dieser Handbücher war die Summe dessen, was Nazis wie Barbie während ihrer Erfahrung im nazi-besetzten Frankreich gelernt und was die Franzosen selbst als Besatzer in Algerien und Indochina gelernt hatten.

Mit der Methode des "schmutzigen Krieges" rekrutierte die CIA Barbie erneut, diesmal als Berater, um den so genannten Condor-Plan zu entwickeln, eine brutale Offensive, die darauf abzielte, alles auszulöschen, was sich der alten Monroe-Doktrin des kontrollierten Hinterhofs der USA widersetzte, d.h. der Ausbeutung Lateinamerikas durch die Vereinigten Staaten mit Duldung der lokalen Oligarchien. So bewegte sich Barbie ungestraft in verschiedenen Ländern des Kontinents und sogar in Europa. Obwohl er die meiste Zeit in Bolivien verbrachte, wo er sich dem Waffenhandel und der Ausbildung in den Bereichen Nachrichtendienst, Folter und außergerichtliche Verfolgung widmete.

Bolivien

fiebel3Die Musik beginnt zu spielen und erste Biere werden in der Pergola der Finca del Legionario ausgeschenkt. Abgelenkt von den Gästen, die ihn begrüßen, sagt Fiebelkorn, er habe die Frage nicht gehört, ob er den Italiener Licio Gelli kenne, den Großmeister der P2-Loge, der als Falangist im Spanischen Bürgerkrieg und später mit Benito Mussolini kämpfte, bevor er 1944 nach Argentinien floh. Dieser Mann mit dem Spitznamen "der finstere Puppenspieler“ kehrte auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges nach Europa zurück. Um als Verbindungsglied zwischen der NATO und der so genannten “Schwarzen Internationale“ des bewaffneten Neofaschismus zu fungieren, die mit Fiebelkorn in Verbindung gebracht wird. In einem Interview mit der Zeitung La Vanguardia im Jahr 1990 sagte Licio Gelli, dass "Gladio spanische Legionäre einsetzte", was als direkte Anspielung auf Fiebelkorn interpretiert werden kann.

Gladio, Schwarze Internationale

Gladio war ein geheimes Netzwerk antikommunistischer Kämpfer, das von der NATO angesichts des Aufstiegs der Linken in Westeuropa ins Leben gerufen wurde. Diese Strukturen waren aktiviert und operativ von Mai 1968 bis zum Ende der Sowjetunion 1989. Die Schwarze Internationale soll eine Reihe von blutigen und willkürlichen Anschlägen verübt haben, die zunächst linksradikalen Organisationen zugeschrieben wurden. Dieser destabilisierende Prozess wurde als "Strategie der Spannung" bezeichnet, ein kalkuliertes Chaos, das die Gesellschaft von der Idee eines Kommunismus entfremden sollte. Immerhin wurde die Kommunistische Partei Italiens, PCI, bei mehreren Parlamentswahlen zur zweitstärksten Kraft.

Für die Schwarze Internationale, Gladio oder den Faschismus jeglicher Couleur war Spanien ein Zufluchtsort. Die beste Nachhut in Europa. Eine der Organisationen, die die alten Ideen des Nationalsozialismus völlig ungestraft verteidigten und zu denen auch historische Persönlichkeiten der Waffen-SS wie Otto Skorzeny und León Degrelle gehörten, war der Spanische Freundeskreis für Europa, im Volksmund auch Cedade genannt. Einer ihrer Präsidenten, Jorge Mota, unterhielt einen regen Kontakt zu Barbie und gab sogar zu, dass er ihn 1967 zum ersten Mal traf.

Madrid und Lateinamerika

Es war jedoch Ángel Ricote, einer der Gründer der Cedade, der am meisten die Zusammenarbeit mit einer Organisation förderte, die der Schlüssel für die zukünftige Zusammenarbeit der Organisation mit einer Handvoll junger Neonazis war, die nach Madrid gereist waren, um der Justiz für in Italien begangene Verbrechen zu entgehen. Die Avanguardia Nazionale, eine Struktur, deren informelles Büro die Pizzeria El Appuntamento in der Nähe der Gran Vía von Madrid war. Nach ersten Kontakten zwischen den beiden Formationen empfing Ricote Stefano Delle Chiaie, den Gründer der Avanguardia Nazionale und Leutnant von Licio Gelli, bei sich zu Hause.

Mitte der 1970er Jahre, nach einer frenetischen Aktivität in Europa und Afrika, reiste Delle Chiaie mit einem Dutzend Militanten nach Chile und war zu allem bereit. Er begann sofort, mit der DINA (Geheimpolizei des Pinochet-Regimes) zusammenzuarbeiten und war dort, aber auch in Peru, Argentinien, Paraguay, Bolivien an Verschwörungen beteiligt, natürlich auch in Europa. Mit ungewöhnlicher Leichtigkeit an Mitteln und Bewegungen, auf die nur jene setzen können, die die Komplizenschaft der CIA hinter sich haben, wie Jahre später von Opfergruppen und Menschenrechts-Aktivisten festgestellt wurde.

Bundeswehr – Paraguay

In Deutschland zog Fiebelkorn durch die Frankfurter Nacht, um schließlich zur Bundeswehr zu gehen. Was er nicht nur bestätigt, sondern bei der Gelegenheit auch korrigiert: "Ich war kein Deserteur, wie geschrieben wurde, ich habe meinen Dienst bei der Bundeswehr abgeleistet". Zu einer Panne wollte er sich jedoch nicht äußern, in die er nach einem Bericht des Bundes-Kriminal-Amtes im Zusammenhang mit dem Besitz mehrerer Schusswaffen verwickelt war. Doch unabhängig von seiner Situation in Deutschland beschloss Fiebelkorn, in die Ferne zu ziehen. Kein besseres Ziel als Paraguay, wo der Sohn eines Deutschen, Diktator Alfredo Stroessner, das Land mit eiserner Faust regierte. Laut dem Buch “Narcotráfico y Política“ (Drogenhandel und Politik, Editorial Iepala) dauerte Fiebelkorns Aufenthalt nicht lange: "Unter den Deutschen in Asunción, die alle mehr oder weniger Hitler-Nostalgiker waren, hatte Fiebelkorn einen guten Ruf. Er wohnte im Hotel Guaraní. Er besuchte Luxusbordelle wie Dardo Rojo, Casa Mami, das Imperial oder das 741, kam nachts zu Pferd und mit einer Pistole am Gürtel. Eines Abends schlug er im Bordell Red Dart vor einer schönen Prostituierten einem 63-jährigen ehemaligen SS-Mann (Adolf Meinike) vor, Russisches Roulette zu spielen. Der alte Mann zog seine P38. Fiebelkorn hatte Glück, aber Meinike brachte sich um. Stroessners Polizei verhaftete ihn. Sie folterten ihn einige Tage lang und ließen ihn dann an der Grenze zu Argentinien frei. Von dort aus reiste er aus unbekannten Gründen nach Bolivien, wo er den "Schlächter von Lyon" traf.

Fiebelkorns Sprung 1978 nach Bolivien

fiebel4Fiebelkorn lässt sich auf einem Stuhl vor einer Gruppe von Legionären nieder, um Paella zuzubereiten. "Die Gelegenheit bot sich und ich ging nach Bolivien", antwortet er. Das Thema Santa Cruz bringt ein verräterisches Glitzern in seine Augen. Das gefällt ihm, er rechtfertigt sich: "Es war ein Krieg gegen den Kommunismus, ich habe ihn geführt“. Doch in Bolivien herrschte kein Krieg. Hier neigte sich die Diktatur des ultrarechten Generals Hugo Banzer ihrem Ende zu. Eine Reihe von Militärs war tief in das Kokaingeschäft verstrickt. In Santa Cruz de la Sierra, einer blühenden und korrupten Stadt im Osten Boliviens, eröffnete Fiebelkorn die Bavaria-Brauerei. Sie wurde zu einem Ort, an dem nicht nur Faschisten der Schwarzen Internationale zu Gast waren (wie der schwer greifbare Stefano Delle Chiaie), sondern auch echte Nazis, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten und ihre Tage als Söldner in Südamerika beendeten. Zum Beispiel Hans Stellfeld, ein Gestapo-Veteran, der an einer Überdosis starb, oder (ohne weiter darauf einzugehen) Fiebelkorns unzertrennlicher Freund Kopplin, von dem er verrät, dass er "erschossen wurde".

Faschisten, Putschisten, Drogenhändler

Kämpften Sie mit Kommunisten? – Nein, das war ein Chaos ... Doch bevor er den Satz beenden kann, ruft jemand nach ihm und Fiebelkorn steht von seinem Stuhl auf, ohne zu klären, was mit Kopplin passierte. Ob tot oder lebendig, das Schicksal anderer Fanatiker ist ungewiss … wie das des Chilenen Kay Gwinner, des rhodesischen Söldners Manfred Kuhlman oder des Veterans der Geheimen Armee Organisation (OAS) Jean Le Clerc, die alle mit Fiebelkorn in Zusammenhang standen. Vielleicht hatte der Leipziger Legionär das meiste Glück in einer Gruppe, an die sich die Gesellschaft des Andenlandes noch immer mit Entrüstung erinnert.

Auf die Diktatur des rechtsextremen Hugo Banzer folgte eine Periode der Instabilität. Die schien 1979 beendet, als Lidia Guelier Tejada, die erste und einzige Präsidentin in der Geschichte Boliviens, eine demokratische Wahl gewann. Diese progressive Regierung konnte allerdings sich kaum ein Jahr halten. Am 17. Juli 1980 inszenierte General Luis García Meza einen blutigen Staatsstreich, an dem auch die CIA beteiligt war. An der Spitze des Putsches stand Major Luis Arce Gómez, ein Mann mit militärischer Ausbildung im franquistischen Spanien, der nach seiner Rückkehr nach Bolivien in die Welt der politischen Verschwörungen einstieg, um seine neue Karriere als Kokainhändler zu erleichtern.

Militärdiktatur

Arce Gómez, der in der Drogen-Diktatur von García Mesa zum Innenminister aufstieg – obwohl als "Kokainminister" bekannt – war für die Ausarbeitung eines Teils von Barbies repressiver Strategie gegen die Opposition verantwortlich. Die bestand darin, den Plan Condor (auch: Operation Condor) (2) mit neuen Verfolgungen, Ermordungen und gewaltsamem Verschwindenlassen fortzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit von Barbie, Fiebelkorn und seinen Brauerei-Freunden gegeben. Fiebelkorns Auftrag lautete, eine bewaffnete Gruppe im paramilitärischen Stil zu gründen. Was nicht schwierig war, wenn man bedenkt, wie viele Ultras bereits in dem Gebiet operierten und in vielen Fällen versuchten, mit Drogenhandel Geld zu verdienen.

Die Medien gaben dieser Bande bewaffneter Faschisten den Namen "die Vermählten des Todes", eine Anspielung auf die Vergangenheit ihres Anführers, des Ex-Legionärs Fiebelkorn. Die vorliegende Untersuchung hatte Zugang zum Gründungs-Dokument der Gruppe, die in Wirklichkeit “Grupo Comando Especial Aguila“ hieß (Spezielle Kommando-Gruppe Adler), wie Fiebelkorn ebenso enthusiastisch wie misstrauisch bestätigt: "Genau, wir waren die Gruppe Aguila. Wer hat dir das gesagt?“

Paramilitärische Terrorgruppe

Die Liste, auf der 20 "Kameraden" aufgeführt sind und die von Fiebelkorn als "erster Kommandant" unterzeichnet ist, trägt einen Stempel der örtlichen Behörden. Laut der italienischen Zeitschrift Panorama aus dem Jahr 1982 war "der General Echevarria der erste Kunde der Gruppe". Der war zusammen mit Roberto Suarez, dem wichtigsten Drogenhändler dieser Region, in den Kokainhandel verwickelt. Unter den vielen Geschichten, an die sich die leidgeprüften Bewohner*innen erinnern, gibt es eine Anekdote, die sowohl in Büchern wie auch im berühmten Panorama-Exklusiv-Bericht wiederholt wird. Als die Kolumbianer Probleme hatten, die Kokapaste zu bezahlen, ließ Fiebelkorn zwei Panzerfäuste an den Seiten der Landebahn aufstellen", heißt es. Von diesem Tag an gingen die Kolumbianer nicht mehr weg, ohne zu bezahlen".

Doch der Terror kam erst später, als der Staatsstreich von García Meza vollzogen war und Fiebelkorns paramilitärische Gruppe in Aktion trat. Bei der Informations-Quelle, die mit Panorama sprach, heißt es: "Wir haben begonnen, die Demonstranten in den Gewerkschaften zu verfolgen, Daten zu sammeln, sie zu bedrohen und Subversive zu bestrafen". Die repressive Taktik, die Barbie an die CIA verkauft hatte, wurde dank des Kokains in Bolivien wieder angewandt. Fiebelkorn ist jedoch bemüht, Barbie zu verteidigen: "Alles, was über ihn gesagt wurde, ist eine Lüge, und die lebenslange Haftstrafe ist ungerecht. Wie kann ein einfacher Gestapo-Hauptmann für so viel verantwortlich sein?“ Unabhängig vom Grad seiner Verantwortung war sein Einfluss auf die Ereignisse in Europa bedeutend, wie Barbie 1975 gegenüber dem Ermittler Michel Cojot-Goldberg in Bezug auf die Ermordung des französischen Widerstands-Führers Jean Moulin einräumte: "Ich habe den Lauf der Geschichte verändert. Moulin, und nicht De Gaulle, wäre nach dem Krieg Frankreichs Führer gewesen, und Frankreich wäre kommunistisch geworden".

Drogen und Korruption

fiebel5Die Korruption der Drogen-Diktatur war so offensichtlich und die Unzufriedenheit der Bevölkerung so groß, dass die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für das Regime von Luis García Meza zurückziehen mussten. Eine der ersten Maßnahmen, die Washington ergriff, bestand darin, den Kokainhandel nicht länger zu ignorieren und Operationen der Drogenbekämpfungs-Behörde (DEA) einzuleiten. Von einem Tag auf den anderen brach für Fiebelkorn alles zusammen. Die Brauerei wurde geschlossen, seine paramilitärische Gruppe floh mit allem, was sie mitnehmen konnte, von Kokain und Geld bis hin zu Waffen und Souvenirs vom bolivianischen Abenteuer. Aufgeteilt und auf dem Landweg entwischten einige nach Paraguay, andere nach Argentinien und die Mehrheit nach Brasilien. Als Ergebnis dieser Untersuchung und dank der brasilianischen Behörden wurde eine Akte im Ausländer-Register der Stadt Sao Paulo gefunden. Sie ist auf den 3. Juni 1981 datiert und trägt den Namen Joachim Siebelkorn (mit s statt f), dabei wurde statt der deutschen die österreichische Staatsangehörigkeit notiert ...

Die Benutzung falscher Identitäten ist für den deutschen Ex-Legionär nichts Neues. Auf der Fotokopie einer bolivianischen Erlaubnis zum Führen einer Smith & Wesson 9mm Pistole – ein Dokument, das mit Hilfe der italienischen Staatsanwaltschaft beschafft werden konnte – ist sein Foto unter dem Namen Joachin Alfred Ficbel Kroom Zehamisch zu sehen. Ein Versehen oder eine offensichtliche Fälschung? Wie dem auch sei, an Fluchtmotiven auf beiden Seiten des Atlantiks hat es ihm nie gemangelt, wobei die Anschuldigungen noch schwerer wiegen als die Verbrechen, die er in Bolivien begangen haben könnte. Eine Beschuldigung war, dass er einer der Männer war, die 1980 die Bombe in Bologna gelegt haben. Fünfundachtzig Menschen starben.

Bologna 1982

Am 11. September 1982 erließ Italien einen Haftbefehl gegen Fiebelkorn. Einige Tage später beginnt in Santa Cruz de la Sierra eine große Operation der italienischen und bolivianischen Polizei auf der Suche nach Pier Luigi Pagliai, einem neofaschistischen Mitglied der Schwarzen Internationale, der beschuldigt wird, einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker von Bologna zu sein. Mit einer Schussverletzung am Kopf landete er in Rom, wo er wenige Tage später starb. Die italienische Justiz war außer Stande, den Anschlag, die Strukturen von Gladio, Plan Condor oder der Schwarzen Internationale aufzuklären.

Am 31. Januar 1983 schrieb das Wochenmagazin Der Spiegel: "Joachim Fiebelkorn, ein 35-jähriger Neonazi, wurde am 13. Januar in Eppstein im Taunus verhaftet. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Drogenhandels in Bolivien, Anstiftung zum Drogenschmuggel in die USA und Misshandlung eines 17-jährigen Mädchens". Die spanische Tageszeitung ABC vom 8. November desselben Jahres berichtete: "Ein ehemaliger deutscher Legionär, der in Absprache mit den bolivianischen Behörden Kokain-Transporte in Bolivien organisierte und später zum Mitarbeiter der deutschen Drogenbekämpfungs-Dienste wurde, steht derzeit in Frankfurt vor Gericht. Dem 36-jährigen Joachim Fiebelkorn wird vorgeworfen, in der bolivianischen Stadt Santa Cruz de la Sierra eine paramilitärische Gruppe für die Sammlung und den Transport von Drogen angeführt zu haben. (…) Fiebelkorn wird von den italienischen Behörden wegen seiner angeblichen Beteiligung am Bombenanschlag in Bologna gesucht, bei dem 1980 im August 85 Menschen getötet wurden. Die Auslieferung wurde von der deutschen Justiz abgelehnt". Dem italienischen Gerichtshof fehlten Beweise für eine Verurteilung Fiebelkorns, der in Deutschland wegen anderer krimineller Handlungen eine Haftstrafe verbüßte. "Ich habe Jahre im Gefängnis verbracht", gesteht Fiebelkorn wütend.

Oktoberfest 1980

Verärgert war man auch in Deutschland, als am 26. September 1980 ein willkürlicher Bombenanschlag während des Oktoberfestes in München 13 Menschen das Leben kostete. An diesem Massaker, nach dem Gladio zugeschriebenen Modus Operandi durchgeführt, war ein junger deutscher Neonazi namens Gundolf Köhler beteiligt, der noch am Tatort an den Folgen der Explosion starb. Obwohl mehrere Zeugen Köhler kurz vor dem Anbringen der Bombe in Begleitung anderer Personen sahen, verfolgten die Ermittlungsbehörden diese Spur nicht weiter, so dass bis heute niemand für den brutalen Anschlag verurteilt wurde.

An eine weitere mögliche Spur, die ebenfalls Fragen nach den Hintergründen des Oktoberfest-Massakers aufwirft, erinnert der Spiegel: "Wenige Wochen zuvor hatte sich Köhlers Idol 'Karl-Heinz Hoffmann (ein historischer deutscher Neonazi mit Wehrsport-Gruppe) offenbar in Italien mit dem international gefürchteten Neofaschisten Joachim Fiebelkorn getroffen. Dieser Neonazi [...] war ein Spitzel für das Bundes-Kriminalamt BKA und für eine Reihe von Geheimdiensten. [...] Nach bisher unbekannten Stasi-Unterlagen traf sich Fiebelkorn 'auf Anweisung von Delle Chiaie' mit 'Karl-Heinz Hoffmann am 13. Juli 1980 in Rom' sowie mit französischen und italienischen Rechtsextremisten".

2009 beschwerte sich Werner Dietrich, der Anwalt einiger Oktoberfest-Opfer, gegenüber dem Journalisten Andreas Pichler, dass ein Großteil der Beweise in diesem Fall vernichtet worden sei, als sie in den Händen der Behörden waren. "Wird hier versucht, etwas zu vertuschen?", fragte er resigniert. Im Zusammenhang mit den italienischen Bombenanschlägen wurden nur zwei Geheimdienst-Mitarbeiter wegen Unterschlagung von Beweismitteln verurteilt. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Belgien, wo zwischen 1982 und 1985 mit Maschinengewehren 28 Menschen getötet wurden bei Anschlägen, die von kommando-ähnlichen Gruppen ausgeführt wurden, gab es keine Bekennerschreiben irgendeiner Organisation, keine Angeklagten und keine einzige Verurteilung. Doch während die Ermittlungen zu diesen willkürlichen Angriffen oft durch staatliche Sicherheitsapparate blockiert wurden, hatten Richter wie der Italiener Felice Casson ihre Teilnahme an Dokumentarfilmen wie “NATO's Secrets Armies“ genutzt, um ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass die Gerechtigkeit endlich Einzug halte: "Die überwiegende Mehrheit der Gladio-Anschläge ist immer noch nicht aufgeklärt". Und in einer klaren Anspielung auf die Zusammenarbeit zwischen neofaschistischen Gruppen und staatlichen Geheimdiensten fügte er hinzu: "Obwohl historisch gesehen in den Tausenden und Abertausenden von gesammelten Dokumenten etwas Wahres steckt".

Der Gönner Fiebelkorn

Es ist bereits dunkel und das Fest zu Ehren des Apostels Jakobus auf dem Anwesen des Legionärs ist auf dem Höhepunkt. Fiebelkorn steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Zivilbevölkerung, der Verantwortlichen der Armee und der Guardia Civil, die ihn seit mehr als 20 Jahren mit ihren Besuchen und ihrem Lob beehren. Im Blog eines spanischen Armee-Generals wird die Großzügigkeit des Deutschen wie folgt beschrieben: "Der ehemalige Obergefreite Joachim Fiebelkorn hat eine außergewöhnliche Finca von ca. 3.000 qm in der Gemeinde Rojales gestiftet". Tatsächlich hat das Landgut, das sowohl von seiner Größe wie von seiner Architektur her teuer gewesen sein muss, nicht nur alle Eigenschaften, die eine Festung in einem Kriminalroman haben sollte (Wälle, Türme, Alarmanlagen), es beherbergt auch riesige Telekommunikations-Antennen, die den Eindruck einer operativen Basis verstärken. Nach Angaben des Telefon-Unternehmens Telecom Ibérica hat Fiebelkorn einen Vertrag abgeschlossen, dass die beiden Antennen auch Dienste für andere Konzerne bereitstellen können.

Fiebelkorn, derzeit ohne offene Rechnungen bei den europäischen Gerichten, scheint es gut zu gehen. Ohne seinen richtigen Namen zu verbergen, aber auf seine Sicherheit eifrig bedacht, beendet der alte Neonazi das Gespräch mit einer Information, die als überzeugend interpretiert werden kann, nicht nur, weil sie eine Frage beantwortet, die niemand gestellt hat. Sondern auch, weil sie an eine Vergangenheit appelliert, die vielleicht noch gar nicht Vergangenheit ist: "Weißt du, dass es da noch einige meiner Leute gibt? Du weißt schon, von dem Team, das ich in Bolivien gegründet habe ...". Mit einem weiteren Bier kehrt er zum Legionario-Haus zurück, wo Uniformierte trinken, neben einem Porträt Francos, zwei alten Maschinengewehren und einem deutschen Eisernen Kreuz.

ANMERKUNGEN:

(1) “Historia de un neonazi alemán y su fortín de Alicante” (Geschichte eines deutschen Neonazis und seiner Festung in Alicante) El Salto Diario, Unai Aranzadi, 2018-12-01, Übersetzung Baskultur.info (LINK)
https://www.elsaltodiario.com/fascismo/historia-neonazi-aleman-fortin-alicante-rojales-joachim-fiebelkorn

(2) Unter dem Codenamen Operation Condor (spanisch: Operación Cóndor) operierten in den 1970er- und 1980er-Jahren die Geheimdienste von sechs südamerikanischen Ländern – Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien – mit Unterstützung der Vereinigten Staaten, mit dem Ziel, linke politische und oppositionelle Kräfte weltweit zu verfolgen und zu töten. In geringerem Umfang waren auch die Geheimdienste Perus, Kolumbiens und Venezuelas an den Aktionen beteiligt. Fast alle beteiligten Länder wurden zu Beginn der Geheimoperation von Militärdiktaturen oder rechtsautoritären Regimen regiert. Sie endete in den einzelnen Ländern jeweils mit deren Übergang zu formalen Demokratien. Eine wirksame juristische Aufarbeitung dieser Verbrechen kam erst vor wenigen Jahren in Gang und dauert bis heute an. (LINK)
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Condor

ABBILDUNGEN:

(*) Nazis, Gladio (el salto diario)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-04-07)

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