Durango kämpft um seine Geschichte
Es geschah am 31. März 1937, vor etwas mehr als 81 Jahren. Bei einem Luftangriff der italienischen Luftwaffe, die Mussolini zur Unterstützung des franquistischen Militäraufstands geschickt hatte, wurde die bizkainische Kleinstadt Durango zerstört. 336 Menschen fanden bei diesem Massaker den Tod, unzählige wurden verletzt. Es versteht sich von selbst, dass in Durango jedes Jahr Ende März an diesen schwarzen Tag erinnert wird. Bis heute sucht die Stadt Justiz, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Anders als Gernika, das wegen seiner Zerstörung durch die Legion Condor weltberühmt wurde, ist die Bombardierung der nur 30 Kilometer entfernten Stadt Durango weit weniger bekannt – obwohl sie ein ähnliches Schicksal erlitt.
Seit dem 18. Juli 1936, dem Tag des Militäraufstands der faschistischen Generäle, herrschte Krieg auf der iberischen Halbinsel. Im Baskenland hatten die Franquisten Navarra und Araba praktisch kampflos übernommen, die dortigen Militärs hatten sich von Beginn an auf ihre Seite geschlagen. In Gipuzkoa dauerte es zwei Monate, bevor der baskische Widerstand niedergeschlagen war. Blieb die Provinz Bizkaia, Sitz der baskischen Regierung. An der Ostseite von Bizkaia gelegen wurde Durango zur Frontstadt. Der faschistische Feind kam nicht nur von Osten aus Gipuzkoa, sondern auch von Süden, aus der Provinz Araba, in diesem Fall über die Urkiola Hochebene.
Bis Dezember 1936 hatte es erbitterte Kämpfe gegeben um jeden Ort und jeden Berg. Danach hatten die Franquisten ihre Truppen in den Süden verlegt, um den Kampf um Madrid nicht zu verlieren. Es folgten Monate der relativen Ruhe im Baskenland. Ende März 1937 befahl der für die Nordfront zuständige General Emilio Mola dann erneut eine Offensive. Mola und der für die Legion Condor zuständige Wolfram von Richthofen ordneten vier Tage Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung an.
Die Offensive begann am 31. März gegen die Städte Elorrio und Durango. Letztere war durch ihre Frontstellung zum ersten Angriffziel der Faschisten geworden. Über viele Bombenflugzeuge verfügten die aufständischen Generäle nicht. Doch dieser Mangel wurde kompensiert durch die mit Franco alliierten Deutschen und Italiener. Mussolini schickte seine Aviazione Legionaria und Hitler die Legion Condor. Dem hatten die Republikaner nur wenig entgegen zu setzen. Die baskische Regierung ließ einen Schutzwall bauen, weil sie keine Vorstellung hatte von einem Luftkrieg, der das Vorspiel für den Zweiten Weltkrieg sein sollte. Das Baskenland wurde (wie andere Orte des Krieges) zum Testfeld für Waffen und Vernichtungs-Strategien.
Bevor sie ihren Einsatz begannen, hatten sich die Nazis von Franco die Befehlsgewalt über alle Luftstreitkräfte sichern lassen, die spanische und die italienische eingeschlossen. Nur Franco persönlich gegenüber waren sie rechenschaftspflichtig. Das bedeutete nicht, dass dieser jeden Einsatz vorher hätte billigen müssen. Schriftlich hatten sich die Deutschen von Franco versichern lassen, dass sie „Angriffe ohne Rücksicht auf die Bevölkerung“ durchführen konnten.
Dass am Morgen des 31. März 1937 vom Militärflughafen Soria neun Kampfflugzeuge zum Einsatz aufstiegen, hatte also der Condor-Chef Wolfram von Richthofen in Absprache mit dem Nordfront-General Mola zu verantworten. An jenem Tag schickte er keine Flugzeuge von der Legion Condor, sondern jene der italienischen Aviazione Legionaria.
Erinnerungs-Veranstaltungen
Die Aktivitäten zur Erinnerung an die Zerstörung Durangos begannen im Jahr 2018 bereits 10 Tage vor dem eigentlichen Jahrestag mit der Vorführung des Dokumentarfilms „Huellas del bombardeo“ (Spuren der Bombardierung). Zentraler Tag war wie immer der 31. März. Um 8:30 Uhr dröhnten wie damals die Sirenen. (1) Auf dem Friedhof wurde eine Erinnerungsfeier durchgeführt, im Stadtpark eine Blumenniederlegung. Am Nachmittag gab es begleitete Rundgänge durch die Stadt, um Interessierten die Fakten des damaligen Tages zu vermitteln. Geblieben ist nämlich nicht nur die Erinnerung, sondern auch konkrete Spuren wie Einschusslöcher in Gebäuden. Geschichte wird hier nicht nur erzählt, sie kann auch gesehen werden. Der Rundgang bewegte sich entlang der am schlimmsten betroffenen Orte und Gebäude. Um 17.45 Uhr heulten erneut die Sirenen, vor 81 Jahren war es der Moment des zweiten Angriffs. Am Abend fand in der Vorhalle der Santa-Maria-Kirche eine weitere Gedenkveranstaltung statt. Hier hatte es die meisten Toten gegeben und die schlimmsten Zerstörungen. Die Kirche war praktisch zerstört. In der damals ebenfalls schwer getroffenen Jesuitenkirche wurde eine zweitägige Foto-Ausstellung gezeigt.
In Soria und Logroño gestartet
Der Luftangriff auf Durango war der erste in der Militrägeschichte, der eine nicht militarisierte Stadt und die Zivilbevölkerung zum Ziel hatte. Gleichzeitig war er einer der folgenreichsten Angriffe während des gesamten Spanienkrieges. Am Morgen des verhängnisvollen Tages waren insgesamt 9 Savoia-Maschinen der italienischen Aviazione Legionaria vom Flugplatz in Soria (Provinz Soria, 200 km entfernt) gestartet. Ihre Ladung bestand aus jeweils zwanzig 50-Kilo-Bomben und vier 20-Kilo-Brandbomben. Fünf der Flieger waren für eine Bombardierung in Durangos Nachbarstadt Elorrio vorgesehen, vier für Durango. Einer davon musste jedoch wegen technischer Probleme nach Soria zurückkehren. Unterwegs hatten sich die neun Bomber mit 18 Jagdflugzeugen vom Typ FIAT CR32 getroffen, die von Logroño in der Region Rioja aus gestartet waren. Die fünf Maschinen mit Ziel Elorrio gehörten zur Schwadron 213 und wurden von Victtorio Cannaviello befehligt, die für Durango waren von der Schwadron 214 unter Befehl von Gildo Simiri.
Der Angriff auf Durango
Der Angriff bestand aus drei Einzelattacken, die über den Tag verteilt waren. Die erste begann um 8.30 Uhr und sollte die Attacke mit den meisten Opfern werden. Viele Einwohner*innen waren bei der Frühmesse, der Alarm erreichte sie nicht, es gab kein Entrinnen. Unter dem Vordach der Kirche war Markt, somit waren nicht nur Menschen aus Durango selbst in der Stadt, auch Auswärtige. Die Zahl der Opfer wurde dadurch erhöht. Die Angreifer wussten genau was sie taten.
Die zweite Luftattacke wurde am frühen Abend geflogen. Sie richtete sich gegen den Bahnhof und gegen Werkstätten, in diesem Fall strategische Ziele. Die dritte Attacke zielte erneut auf die Altstadt. Nach jedem Bombenangriff wurden im Tiefflug flüchtende Menschen gejagt.
Die zweite Bombardierung traf die Stadt Elorrio im Südosten Durangos. Sie hatte deutlich geringere Konsequenzen und wurde auch nicht ausführlich dokumentiert. Wenigstens sieben Personen starben im Bombenhagel, eine Reihe von Gebäuden wurde beschädigt, was zum Teil bis heute zu sehen ist.
Aufklärung, Wiedergutmachung
Nach dem Tod von General Franco (1975) und dem formalen Ende der franquistischen Diktatur wäre eine Aufklärung der Kriegsverbrechen und der vielfach begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit notwendig gewesen. Dies wurde jedoch verhindert, indem 1977 eine Amnestie für all jene Verbrechen beschlossen wurde, noch bevor die erste Regierung gewählt war.
Das bedeutet, dass bis zum heutigen Tag kein einziges Kriegsverbrechen vor Gericht verhandelt werden konnte. Kein General, Polizist, Folterer, Militär oder Politiker wurde je zur Rechenschaft gezogen. Dennoch fanden sich viele Einzelpersonen, die persönlich oder über ihre Familien betroffen waren, mit dem beabsichtigten Schlußpunkt nicht ab. Auch Gemeinden suchten nach Möglichkeiten, den Wall der postfaschistischen Amnestie zu durchbrechen.
Barcelona, Durango
Die Stadt Barcelona, die im Krieg von 1936 bis 1939 ebenfalls von der Aviazione Legionaria bombardiert worden war, erreichte, dass die Klage gegen jene Militärs vor Gericht zugelassen wurde, nachdem nachgewiesen werden konnte, dass zwei dieser Verbrecher noch am Leben sind.
Durango beauftragte Historiker*innen, die in italienischen Archiven nach den Beteiligten an der Bombardierung suchten. Und sie wurden fündig. Der Geschichts-Verein Gerediaga konnte die Besatzung der drei Bombenflugzeuge identifizieren, die am 31. März 1937 die verteidigungslose Stadt angegriffen und 336 Tote verursacht hatten. Im Juli 2017, mehr als 80 Jahre nach dem Bombenangriff, reichte die Bürgermeisterin von Durango im Auftrag des Stadtrats vor dem Amtsgericht Klage gegen die 45 beteiligten Militärs ein. Im Januar 2018 wurde diese Klage abgewiesen. Gegen diese Einstellung klagt die Stadt nun vor dem Provinzgericht in Bilbao.
Die Politik hat lange gebraucht, um sich bewusst zu werden, dass Aufklärung, Gerechtigkeit und gegebenenfalls auch Wiedergutmachung wichtig sind, um die alten Wunden zu schließen. In der Justiz hat sich diese Einsicht noch nicht durchgesetzt. Im Jahr 1977 drohten die Militärs aus dem Franquismus offen mit einem erneuten Putsch, wenn ihre Forderung nach Amnestie nicht umgesetzt würde. Diese Amnestie ist nach den Kriterien der internationalen Gesetzgebung nicht vertretbar.
Die Menschenrechts-Konvention stellt fest, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit weder verjähren noch amnestiert werden können. Die Nachfolger der lateinamerikanischen Dikaturen scheiterten mit ihren Amnestie-Versuchen, allein der spanische Staat verfolgt weiter den alten Kurs. Dass die Regierung die Konvention unterschrieben hat, kümmert in Madrid wenig. Denn die internationale Gemeinschaft hat keine ausreichenden Repressionsmittel, um die Madrider Postfranquisten in die Schranken zu weisen. Verbrechen wie Durango bleiben ohne Konsequenz. Die Franquisten fahren bis heute juristische Siege ein.
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus dem Artikel „Durango recuerda a las víctimas del bombardeo de 1937“, erschienen am 25. März 2018 in der Tageszeitung Deia (Durango erinnert an die Opfer der Bombardierung von 1937). Es handelt sich um keine Übersetzung.
ABBILDUNGEN:
(1) Bombardierung Durango
(2) Bombenfoto Durango
(3) Republikanisches Plakat 1937
(4) Zerstörte Kirche Durango 1937
(5) Gedenkakt 2018 (Diario Vasco)
(6) Bombenteppich Durango
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2018-04-03)