Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell
Für das Konzept von Energiespar-Häusern wird ein deutscher Begriff benutzt: “Passivhaus“. Erstens, weil das Konzept von einem Deutschen mitentwickelt wurde und zweitens, weil es im Baskenland keine adäquate Übersetzung gibt. An einem zentrumsnahen Platz der baskischen Hauptstadt Vitoria-Gasteiz mit guter Verkehrsverbindung wird ein Gebäude mit 180 Wohnungen auf neun Etagen hochgezogen. Die sollen zuerst verkauft und dann kurz- und mittelfristig vermietet werden, an Studierende und Nachwuchs-Unternehmer.
In Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt der Region Baskenland, errichtet ein Bau-Unternehmen ein Passivhaus mit 180 Wohneinheiten, die an private Anleger verkauft werden und anschließend zur Miete ausgeschrieben werden. Nicht zum Dauerwohnen.
Am Renaissance-Platz von Vitoria-Gasteiz hat das Bau-Unternehmen Kategora (baskisch: Ketten hoch) ein Grundstück ergattert, um ein Passivhaus-Projekt in die Höhe zu ziehen. Das Konzept garantiert 80% weniger Energiekosten und ist angelegt auf kleine und größere Wohnungen, die sich auf neun Stockwerke verteilen. 151 Wohneinheiten sind bereits verkauft, sie sollen alle vermietet werden. Verkauft – vermietet? Dahinter steht ein neuartiges Nutzungs-Konzept, das einer Erklärung bedarf. (1)
In jedem Fall wird dem Großbau ein bisher freier Platz zum Opfer fallen, der unter anderem den Namen “Plaza Green Capital“ trug – tatsächlich durfte die Stadt im Jahr 2012 den offiziellen Titel der Europäischen Green Capital tragen. Aber Plätze und Parks hat die baskische Hauptstadt so viele wie kaum eine andere in ihrer Umgebung. Green Capital ist eine europäische Initiative zur Auszeichnung von Städten mit mehr als 100.000 Bewohnerinnen, die sich um ein grünes und nachhaltiges Lebensumfeld verdient machen (2).
Passiv-Rekord
Wenn im Baskenland alternativ gebaut wird, dann soll es nicht nur um die Alternative gehen, es muss auch ein Rekord gebrochen werden. Das war vor wenigen Jahren bereits in Bilbo-Bolueta der Fall, als in einem Außenbezirk der Stadt an die Stelle einer Fabrik “das höchste Passivhaus Europas“ gestellt wurde (3). Nun ist Green-Gasteiz an der Reihe, sich um einen Platz im Guinness-Buch zu bewerben. Denn der Bau wird als “größtes Mietwohnhaus Europas mit dem Konzept Passivhaus“ gebaut, so Kepa Apraitz, Mitgründer des Unternehmens Kategora. “Wir werden alle zehn Tage ein Stockwerk fertig machen, das Konzept passt hervorragend in eine Green Capital wie Vitoria-Gasteiz“.
Passivhaus-Gebäude haben eine hohe Wärmedämmung, mögliche Infiltrationen werden streng kontrolliert, ebenso die maximale Qualität der Raumluft. Darüber hinaus wird die Sonnenenergie für eine bessere Klimatisierung genutzt und so der Energieverbrauch im Vergleich zu konventionellen Gebäuden reduziert. "Wir haben auch die Geothermie (Wärme aus dem Boden) installiert, dazu haben wir bis zu 150 Meter tief gebohrt, also fast so hoch wie der Iberdrola-Turm in Bilbao, um einen Teil der Heizungs-Energie aus dem Untergrund zu holen. Dazu kommen Solarzellen auf dem Dach", kommentiert Apraiz.
Übergabe Juni 2022
Der Termin für die Übergabe des Mietwohnungs-Gebäudes ist für Juni 2022 geplant, nach einer Investition von insgesamt 20 bis 22 Millionen Euro. Es handelt sich um einen Komplex mit 180 Wohnungen, verteilt auf neun Stockwerke mit jeweils zwanzig Wohnungen, umgeben von verschiedenen Gemeinschafts-Bereichen: Clubraum, Solarium, Schwimmbad auf dem Dach, Studien- und Arbeitsräume, sowie Erholungsräume für Gespräche oder zum Abschalten.
Die Wohn-Unterkunft ist auf ein junges und unternehmungsfreundliches Publikum ausgerichtet, "ein attraktives Ambiente für Universitäts-Studenten in fortgeschrittenen Kursen und junge Unternehmer", erklärt Apraiz. Der Komplex soll auch ein "dynamisches" Gebäude sein, das in seinen Räumlichkeiten kulturelle und informative Aktivitäten und Veranstaltungen der Stadt aufnimmt.
URA
Urban Resident Apartments (URA) ist der Name, den das Gebäude tragen soll. Der Bauleiter erklärt die beiden Hauptnutzungen. Zum einen soll es “für eine agile und schnelle Vermietung von mittlerer Dauer von drei, sechs oder neun Monaten dienen, um Personen anzusprechen, die in die Stadt kommen und schnell eine Unterkunft brauchen. "Ich weiß, dass es den Hotelsektor gibt, aber viele Leute brauchen ein Zimmer, wenn sie in einer neuen Stadt ankommen, und sind gezwungen, zu Immobilien-Agenturen zu gehen, das ist verrückt. Hier haben die Leute für einen Preis von etwa 600 Euro im Monat alle Dienstleistungen: Strom, Heizung, Internet, Wäscherei, Clubraum, Rezeption, Tagungsräume, usw." Als zweite Nutzung ist eine Kurzzeit-Vermietung vorgesehen, für einen Tag, eine Woche, ein Wochenende. Zum Beispiel in Hinblick auf Sommer, eine Zeit, in der es mehr Bewegung und Nachfrage gibt, und Gasteiz ein größeres Angebot an Unterkünften benötigt.
Kommerzielle Investitionen
Eine der Innovationen des Projekts liegt darin, dass Privatpersonen und Unternehmen diese Wohnungen erwerben, die Mietverwaltung jedoch an die Firma Kategora übertragen, die die Administration übernimmt. Derzeit läuft die Vermarktung "gut", von den 180 Wohnungen sind bereits 151 verkauft, also 85%. "Ich denke, die Lage des Gebäudes, direkt neben dem Iradier-Platz, war der entscheidende Faktor, auch die Tatsache, dass es sich um ein Gebäude mit ökologischem Konzept handelt, das nach dem Passivhaus-Standard gebaut wird", sagt Apraiz.
Zum Profil der Investoren: 30% kommen aus Araba, dazu kommen Investitionen aus Bizkaia, Gipuzkoa, Navarra, Madrid und Barcelona. "Die aktuellen Verkäufe sind verteilt auf 110 Einzelpersonen und Unternehmen, die sich für eine professionelle Anlage entschieden haben. Ein Vorteil dieser Geldanlagen ist, dass Kategora eine feste Einkommenspanne von 4% für die Eigentümer garantiert, unabhängig von der Belegung der Wohnungen. Zudem werden am Jahresende erwartete Gewinne unter den Eigentümern verteilt, je nach Anteil an der Anlage. "Ich rechne mit zusätzlichen 2% für die Eigentümer", sagt Apraiz.
Alternativ-Modell
Dieses alternative Wohnmodell entstand zu Beginn der Wirtschafts-Krise von 2008 in Mitteleuropa, um auf die zunehmende Mobilität vieler Personen zu reagieren. " Urban Resident Apartments ist kein normales Haus, in dem man dauerhaft leben kann. Es ist ein Geschäft. In Budapest und Warschau wurden die ersten Gebäude errichtet. Auf Teneriffa gibt es einen Komplex mit 122 Wohnungen direkt am Strand, ein weiteres Projekt ist in Arbeit. "Die Resonanz ist gut, außerdem haben wir zuletzt mit Telearbeit gute Erfahrungen gemacht". Nächstes Ziel wird Valencia sein, mit einer ähnlichen Initiative wie in Gasteiz. Aber "das Projekt in Vitoria wird das Wohngebäude mit der größten Kapazität an Unterkünften mit Passivhaus-Zertifikat in ganz Europa sein", resümiert Kepa Apraiz nicht ohne Stolz.
ANMERKUNGEN:
(1) “La firma Kategora levanta en Vitoria el mayor alojamiento Passivhaus de Europa” (Die Firma Kategora baut in Vitoria das größte Miet-Passivhaus Europas), Tageszeitung Noticias de Alava, Autorin: Rebeca Ruiz de Gauna, 2021-01-25 (LINK)
(2) Der European Green Capital Award ist eine Auszeichnung der Europäischen Kommission, um Städte auszuzeichnen, die sich um die Umwelt und das Lebensumfeld ihrer Einwohnerinnen kümmern. Die Stadt, die im jährlichen Wechsel die “grüne Hauptstadt“ ausrichtet, dient als Vorbild für ökologisches Handeln und teilt ihre Praktiken mit anderen Städten. 2012 trug die baskische Hauptstadt Vitoria-Gasteiz diesen Titel. (LINK) Im September 2019 erhielt die Stadt von der NGO “Global Forum on Human Settlements“ auch den “World Green City Award“ (LINK)
(3) “Höchstes Passivhaus in Bilbao – Bis zu 90% Energie-Ersparnis“, 2018-08-23, Baskultur.info (LINK)
ABBILDUNGEN:
(*) Passivhaus Gasteiz (Foto Archiv Txeng - FAT)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-03-07)