ondarroa
Vom Meer leben

Mein Vater verlor seinen Hochzeitsring im Meer. Wie alle Seeleute nahm er den Ring vom Finger und hängte ihn an seine Halskette, wenn sie die Netze zu Wasser ließen. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, dennoch verlor er den Ring eines Tages. – Einige Wochen und Fangzüge später fand meine Tante beim Ausnehmen von Fischen in den Eingeweiden eines Weißfischs einen Goldring. Sie wusch den Ring und sah Namen und Daten eingraviert. Es klang wie eine Lüge, doch es waren die Initialen und das Hochzeitsdatum meiner Eltern.

Ganz offenbar hatte mein Vater den Fisch gefangen, der seinen vor Wochen verloren gegangenen Ring gefressen hatte, auf hoher See. – Die ruhige Sommernacht bringt Landwind und Erinnerungen. Als ich in den Himmel sah, kam mir in den Sinn, dass Zufälle Planeten sind auf langer Umlaufbahn. Nur von Zeit zu Zeit sind sie zu sehen. – Die Geschichte mit dem Ring ist ein unglaublicher Zufall. Aber egal. Wichtig ist, dass die Geschichte vom Ring über viele Jahre hinweg in unseren kleinen Kinderköpfen Wirklichkeit war. (Kirmen Uribe, baskischer Schriftsteller, Original auf CD: „Zaharregi, txikiegi, agian – Zu alt, zu klein, vielleicht“. Übersetzung Baskultur.info)

guernica002

Guernica? Gernika!

Die Berliner Bezirks-Verordneten-Versammlungkümmert sich um den anstehenden 80. Jahrestag der Vernichtung der baskischen Stadt Gernika (span: Guernica) durch die nazi-deutsche Legion Condor. Der Artikel in der Berliner Woche fand eine baskisch-deutsche Antwort aus Bilbao: „Am 26. April jährt sich die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica durch die Legion Condor der deutschen Luftwaffe zum 80. Mal. Die Fraktionen der SPD, B‘90/Grüne und Linken bitten das Bezirksamt, diesen Gedenktag angemessen zu begehen. 

So soll der spanische Botschafter eingeladen und im Rathaus Zehlendorf empfangen werden. Anlieger des Guernica-Platzes wie das Hubertus-Krankenhaus, Gewerbetreibende und Kirchenkreise sollen in das Rahmenprogramm der Gedenkveranstaltung einbezogen werden. Auch eine Presseerklärung soll auf den Jahrestag hinweisen. In der Begründung weisen die Fraktionen daraufhin, dass seit den 1980er-Jahren die Gemeinde Guernica im Rahmen der Symbols for Peace-Bewegung aktiv ist, um mit Gemeinden in aller Welt das friedliche Zusammenleben der Nationen zu fördern. Zehlendorf sollte sich zum 80. Jahrestag dieses dunklen Kapitels deutscher Geschichte an dieser Botschaft beteiligen. Deutsche und italienische Truppen unterstützen im spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) General Franco, die Sowjetunion unter Stalin die Republikaner. Beim Luftangriff auf Guernica (baskisch Gernika) am 26. April 1937 durch deutsche Kampfflugzeuge wurden 80 Prozent der Stadt zerstört, mehrere Hundert Zivilisten kamen ums Leben.

Die Legion Condor war für den Hauptteil des Bombardements verantwortlich, die italienische Corpo Truppe Volontarie war beteiligt. Pablo Picasso entwarf sein weltberühmtes Monumentalgemälde 'Guernica´ kurz nach Bekanntwerden der Bombardierung. Nach der Rückkehr der Legion Condor 1939 wurde die Wannseestraße in Spanische Allee umbenannt. Seit 1998 trägt ein Platz an der Ecke Spanische Allee und Breisgauer Straße in Nikolassee den Namen der baskischen Stadt Guernica. Eine Gedenktafel erinnert an die Bombardierung. Der Antrag zur Gestaltung des Gedenktages am 26. April steht auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses der Bezirks-Verordneten-Versammlung“. (BW)

Dazu eine Antwort aus Bilbao: „Einige Bemerkungen zur begrüßenswerten Initiative der BVV in Berlin: * Die Existenz der Spanienallee ist nicht nur eine bis heute andauernde Ehrung für die Legion Condor und ihre Verbrechen, sie stellt auch eine Verehrung für den Faschisten Franco dar. * Die franquistische Seite hat immer versucht, den „Roten“ das Verbrechen in die Schuhe zu schieben und die Zahl der Opfer zu relativieren; der renommierte Historiker Xabier Irujo von der Universität Nevada spricht von mehr als 2.500 Toten in Gernika, also Vorsicht mit den Zahlen. * Picassos Bild war keine Reaktion auf die Vernichtung Gernikas, er hatte bereits vorher einen Auftrag der republikanischen Regierung angenommen, ein Bild für die Weltausstellung 1937 in Paris anzufertigen; kein Detail des Bildes weist Bezüge auf zur Vernichtung von Gernika, lediglich der Name wurde wegen des Verbrechens gewählt. * Das Bild hätte auch Durango heißen können, denn drei Wochen vorher wurde die 30 km entfernte Stadt ähnlich brutal bombardiert, in diesem Fall von der italienischen Luftwaffe unter Nazi-Befehl. Nur gab es keine Kriegsreporter in Durango, die davon hätten berichten können in der internationalen Presse. Freundliche Grüße, Kulturverein Baskale Bilbao

PS: Hieße die Straße Himmler-Allee, oder Hakenkreuzweg, wäre der Name längst entfernt – warum also nicht ein Name, der an die illegale Wiederaufrüstung der Nazis erinnert und an eine ganze Serie von Kriegsverbrechen, denn überall auf der Halbinsel gab es „Guernicas“.

170208 kolu
Gute Frage!

(2017-02-08) Tourismus im Baskenland (Spanien)? Schönen guten Abend, ich sitze gerade an meinem "Spanischvortrag" bzgl. der Tourismuszahlen im Baskenland (Spanien). Nachdem ich mich nun längere Zeit mit "googlen" und suchen beschäftigt habe und nichts gefunden habe, wollte ich fragen, ob ihr ggf. Zahlen des Tourismus im Baskenland habt oder ob Ihr mir hier eine Quelle verlinken könnt, welche mir die heutigen Tourismuszahlen des Baskenlandes aufzeigt. Ich danke Euch! (VariouZz)

Lieber VariouZz! Vielleicht hättest du dir einen Vortrag über das pubertäre Gehabe von Landhühnern an Land ziehen sollen, oder sonst ein Thema, von dem du eine Ahnung hast. Hilfreich wäre auch die Kenntnis der baskischen (nicht spanischen) Presse, da wird praktisch täglich mit subjektiv gesehen erfreulichen Zahlen jongliert – aus der Sicht der Tourismus-Begeisterten. Keine Ahnung? Also zwei Mal versagt! Nun will ich mir nicht nachsagen lassen, ich sei unbarmherziger als der berüchtigte Samariter. Hier die gewünschten Zahlen: 2016 waren es mehr als 2015, ca. 10%, vor allem aus Europa. Aber es waren zu viele. Die Altstädte sind verstopft, in den Märkten wird nicht mehr eingekauft, sondern fotografiert. Und die Leute, die in den „Kriegsgebieten“ leben, fühlen sich wie im Zoo. Reicht das? Wenn nicht: schau mal bei Baskultur.info rein, da findest du Informationen, wie es den Leuten geht, die vom Tourismus leben müssen, ein paar Tipps, wie Tourismus aussehen sollte und wie nicht. * Herzliche Grüße – und vergiss nicht, uns mitzuteilen, ob du die Prüfung bestanden hast oder nicht. * Dein unverbesserlicher Uwe Bein

170206 kolu

Wo ich will

(2017-02-02) Um eine halbwegs spannende Kolumne über das Baskenland zu eröffnen, eignet sich Bilbao als Thema. Die Bilbainos (Frauen spielen in der gesellschaftlichen Un-Ordnung eine untergeordnete Rolle) gelten als Angeber, Übertreiber. Die Metro soll an zehn Tagen gebaut worden sein, das Guggenheim in sieben. Vom übrig gebliebenen Zement wurden eine Messe und ein Kongress-Zentrum gebaut – so viel zum bilbainischen Alltag. Interessant ist, was die Bilbo-Leute über sich selbst zu sagen haben: „El Bilbaino nace donde le da la gana …“ ist ein häufig zitierter Satz, der so ungefähr bedeutet: „Der Bilbaino wird dort geboren, wo er gerade Lust hat“. Die Aussage irritiert. Wo sonst alle so stolz auf ihre Herkunft sind, soll ein Bilbaino entschieden haben, möglicherweise außerhalb geboren zu werden? Zum weiteren Verständnis ist es wichtig zu wissen, dass Bilbo ist nicht nur eine Stadt ist, sondern auch eine Welt-Ordnung. In einigen Kneipen hängt eine „Weltkarte von Bilbao“ – warum sollte es da nicht möglich sein, dass der Bilbaino irgendwo in der Welt geboren wird und nicht gerade in der Stadt selbst … und selbstgewählt?! Bizarr … doch hat die Geschichte ganz nebenbei eine integrative Komponente: denn wer auch immer sich in einem späteren Moment seines Lebens dafür entscheidet, künftig in Bilbo zu leben, kann für sich in Anspruch nehmen, ein urwüchsiger Bilbaino zu sein, der vorlebens entschieden hatte, in Kinshasa, Sankt Gallen, Shanghai oder Medellin geboren zu werden. Der Migrantin aus Senegal, die diese Anekdote zum Besten gibt, ist alle Sympathie der Gesprächsrunde sicher! Wir alle sind aus Bilbao … nur die Taliban nicht. Die leben in einer anderen Welt.

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2017-02-06)

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information