kolu35x00Museum, Pflege, Feministinnen

Nach dem Ende der Covid-Restriktionen dürfen wir wieder alles: feiern, saufen, reisen, küssen – nur nicht kritisch denken. Das bleibt verboten. Wo Denkverbote mit Autoritarismus kollidieren, ist Protest nicht weit. Vom Protest zum Streik ist ein kurzer Weg. Keksfabrik im Ausstand, im Guggenheim wird nicht geputzt, am 8. März auf den Putz gehauen. Für Gesundheit ohnehin. Ausbeutung und Unterdrückung haben verschiedene Facetten: patriarchal, kapital, neoliberal, mit und ohne Ismus. Widerstand ist Pflicht.

Ein konfrontativer März kündigt sich an. Krise und Coronafolgen werden auf dem Rücken der arbeitenden und zu wenig verdienenden Bevölkerung ausgetragen. Ukraine-Kriegsfolgen verschärfen die Lage. Mehr denn je zählt Klassenbewusstsein, oder ein Hauch davon.

(2022-03-31)

BOMBEN AUF DURANGO

Am 31. März 1937, vor genau 85 Jahren. Die Luftangriffe auf Durango 1937 durch Kampfflugzeuge der italienischen Aviazione Legionaria waren militärische Operationen gegen die baskische Stadt während des Spanienkrieges. Durango liegt in Bizkaia und gehörte zu jener Zeit zur Spanischen Republik, die gegen die national-katholischen Putschisten unter Franco und dessen Unterstützer kämpfte: das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland.

kolu35x31Der erste Luftangriff am 31. März 1937 zählt mit rund 256 Toten und großen Sachschäden zu den schlimmsten Luftangriffen des gesamten Krieges. Mit den folgenden Luftangriffen Anfang April stieg die Opferzahl auf 336 Tote. Die Luftangriffe erfolgten im Rahmen der beginnenden Nordoffensive der Aufständischen und wurde von deutschen Offizieren der Legion Condor geplant. Für Historiker ist Durango “die erste wehrlose Ortschaft in Europa, die erbarmungslos bombardiert wurde“. Der Angriff markiert den Beginn der deutsch-italienischen Terror-Bombardierungen gegen Städte im Baskenland. Doch wurde dem Ereignis weit weniger Aufmerksamkeit zuteil als der einige Wochen später erfolgten Vernichtung von Gernika.

Im Juli 1936 hatten ultrarechte Kreise der spanischen Armee einen Putsch gegen die Volksfront-Regierung der Spanischen Republik durchgeführt, der zu einem Krieg ausartete. Von Bürgerkrieg kann allerdings nicht die Rede sein, weil von beginn an ausländische Interessen und militärische Eingriffe im Spiel waren. Das Baskenland zerfiel dabei in zwei Teile: Die Provinzen Navarra und Araba fielen kampflos in die Hände des Faschisten, in Gipuzkoa dauerte der baskisch-republikanische Widerstand zwei Monate. Somit blieben der baskischen Regierung unter José Antonio Aguirre nur Bizkaia und die zwei Gipuzkoa-Städte Eibar und Elgeta.

Das zu Bizkaia gehörende Durango hatte 1936 eine Bevölkerung von 9.500 Personen. Diese erlitten Ende September 1936 einen ersten Luftangriff durch Kampfflugzeuge der Putschisten, bei dem 12 Menschen getötet wurden. Bis Februar 1937 hatte Durango zusätzlich 2.900 Flüchtlinge aus Gipuzkoa aufgenommen, womit die Gesamtbevölkerung am 31. März 1937 bei etwa 10.000 bis 11.000 Menschen lag.

General Franco hatte bereits am 21. März 1937 den Befehl zur Eroberung der nordspanischen Territorien um Santander, Asturien und Bizkaia gegeben. Mehrere Städte wurden als Ziele ausgewählt, darunter Durango, die als Nachschub-Umschlagplatz der Republikaner galt. Faschisten-General Mola sah es als vertretbar an, notfalls die gesamte baskische Provinz Bizkaia dem Erdboden gleich zu machen.

Der Luftangriff am 31. März 1937 wurde von den deutschen Offizieren Wolfram von Richthofen und Hugo Sperrle aus der Legion Condor geplant, jedoch von Geschwadern der im Auftrag der Putschisten operierenden italienischen Luftwaffe (Aviazione Legionaria) durchgeführt. Die italienischen Geschwader waren in Soria und Logroño stationiert. Neben Durango wurde auch Elorrio an diesem Tag Ziel der Bombardierungen.

UND SONST … Zu Beginn des Pandemie-Lockdowns kam es im Migrationsviertel San Francsico (Bilbao) zu einem brutalen Übergriff der baskischen Polizei auf eine marokkanische Frau und ihren geistig verwirrten Sohn. Eine Nachbarin filmte vom Balkon aus und wurde mit einem hohen Bußgeld bestraft. Der Prozess gegen die beiden Opfer endete nun mit einer Verurteilung für einen der Polizisten, eine geringe Strafe, aber überraschend.

(2022-03-30)

MASSENGRAB AUS DEM KRIEG

kolu35x30Auf dem Friedhof von Begoña wurde das größte Massengrab aus dem Spanienkrieg (Bürgerkrieg) im Baskenland gefunden – dies ist die Schlussfolgerung eines Teams aus Archäolog*innen und Forensiker*innen, das auf dem Friedhof von Bilbao arbeitet. Der Bürgermeister von Bilbao, die Senatorin für Gleichheit, Justiz und Sozialpolitik und der Generalsekretär der Wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi werden in Kürze weitere Informationen zu dieser wichtigen Entdeckung bekannt geben. Die Arbeit ist Teil des Projekts "Begoñako Argia" (Licht von Begoña), das von Aranzadi entwickelt und von der Stadtverwaltung finanziert wird. Es handelt sich um den ehemaligen Friedhof der Stadt, der längst nicht mehr benutzt wird und nun zu einem Park umgestaltet werden soll. Vorher sollen-müssen jedoch alle vorhandenen Leichen und Skelette geborgen werden, manche von unbekannter Herkunft.

Die Entdeckung ist das jüngste Kapitel in der Reihe von Exhumierungen von Zivilisten und Bürgerkriegskämpfern, die in den letzten Monaten auf dem Friedhof von Bilbao durchgeführt wurden. Im Dezember 2021 begannen die Arbeiten zur Bergung von 60 Leichen, die dort während des Krieges verscharrt worden waren. Die Forscher*innen haben sich zuvor mit den Familien der Kriegsopfer in Verbindung gesetzt, und sie um DNA-Proben gebeten, damit die Leichen identifiziert werden können. "Wir haben hier 14 Personen, die aus der Zeit des Krieges stammen", erklärt der Koordinator des Projekts von Aranzadi.

Im Januar dieses Jahres wurde auf demselben Friedhof die Leiche von Tomás Rubin Marín gefunden, einem Soldaten aus Bilbao, der dem 6. Bataillon ANV-1 Olabarri angehörte und in der Schlacht von Villarreal fiel. Er starb am 3. Dezember 1936, seine Nachkommen konnten seine sterblichen Überreste fast hundert Jahre später bergen. "Die Anwesenheit dieser Familie, ihre Gesten, ihre Worte, ihre Emotionen, ihre Freudentränen machen unsere Arbeit umso bedeutungsvoller", erklärte die baskische Justizsenatorin bei der Exhumierung. Die lange Zeit der Ungewissheit der Nachkommen hat die Emotionen dieses Ereignisses nicht vermindert. Der 2003 geschlossene Friedhof soll nach Abschluss der Exhumierungen in einen Park umgewandelt werden. Bei früheren Auftritten hat die Senatorin "die Verpflichtung" der Exekutive gegenüber dem historischen Gedenken bekräftigt, um die Würde der Menschen wiederherzustellen, die ihr Leben im Kampf für die Demokratie verloren haben.

GRÄBER AUS DEN KARLISTENKRIEGEN

Im Februar dieses Jahres wurden auf dem Friedhof vier Massengräber mit insgesamt 28 bis 30 Personen aus dem ersten Karlistenkrieg (1833-1840) gefunden, von denen eines die Überreste mehrerer liberaler Soldaten enthielt. Die erste Entdeckung fand in dem als "Santa Teresa A" bezeichneten Bereich des Friedhofs statt, aus dem zwischen 1935 und 1937 die Skelette entfernt worden waren. Doch unter dieser ersten Ebene von Gräbern tauchte ein früheres auf, bei dem eine Person mit dem Gesicht nach unten begraben war und die Knöpfe der Armeeuniform trug.

Historikern zufolge war Begoña ein strategischer Punkt in den "Karlistenkriegen" und Ausgangspunkt der Belagerungen, die Bilbao erlitt (Gegenüber standen sich traditionelle Karlisten, die die baskischen Selbstverwaltungsrechte verteidigten und Liberale). Die Stadtverwaltung von Bilbao beantragte zu verschiedenen Zeiten die Erlaubnis, die liberalen Soldaten auf dem Begoña-Friedhof - damals ein eigenständiger Ort - zu bestatten, da im Kloster San Agustín, das sich an der Stelle des heutigen Rathauses befand, kein Platz mehr war. Es gibt auch Belege dafür, dass die Karlisten in diesem Gebiet mehrere liberale Kämpfer erschossen haben.

UND SONST … 70% der baskischen Arbeitnehmer*innen müssen die aktuelle Preissteigerung von 9,8% ohne Ausgleich über sich ergehen lassen. Nur 26% profitieren von aktualisierten Tarifverträgen, die eine Aufstockung von 3,8% der Löhne vorsehen, nicht einmal die Hälfte der Steigerung.

(2022-03-29)

REGULARISIERUNG VON 500.000 MIGRANTINNEN

Die Bewegung #RegularizaciónYA (Regularisierung Jetzt!) versucht derzeit, mit einer Gesetzgebungs-Initiative in den spanischen Kongress zu kommen, damit die Kammer darüber debattiert, ob irregulären Migranten Papiere ausgestellt werden sollen, um ihnen Rechte zu gewähren. Um gehört zu werden, sind 500.000 Unterschriften notwendig. Ziel ist es, eine halbe Million Menschen aus der Dokumenten-Illegalität herauszuholen, die ihr Leben verkompliziert und sie zu Schattenwirtschaft, Armut und Rechtlosigkeit verdammt.

kolu35x29Eine Unterschrift pro Migrantin. Dies ist das Ziel einer Gesetzgebungs-Initiative (ILP), die von Einzelpersonen, Gruppen und Verbänden von Migranten organisiert wird, um sicherzustellen, dass eine massive Legalisierung derjenigen, die sich im spanischen Staat aufhalten und keine Papiere haben, im Kongress diskutiert wird. Die Kampagne trägt den Namen #RegularizaciónYA, und ist die zweite Runde zur Erreichung eines historischen Meilensteins. Der erste Versuch fand 2020 statt, als die regierende PSOE und Teile der Opposition sich weigerten, das Thema im Plenum zu diskutieren, obwohl Portugal und Italien auf dem Höhepunkt der Pandemie Massen-Regularisierungen von Migrantinnen durchführten. Der Slogan der selbst ernannten “fortschrittlichsten Regierung der Geschichte Spaniens“ lautete damals, "niemanden zurückzulassen", doch die Realität zeigte in eine andere Richtung.

Die Initiative hat nicht aufgegeben, sondern neue Wege gesucht, um den Kongress dazu zu bringen, über 500.000 Menschen zu sprechen, die hier leben und arbeiten, aber nicht registriert sind und keine Rechte haben. Sie wollen über eine ILP (außerparlamentarische Gesetzes-Initiative) eine halbe Million Unterschriften sammeln, um eine Debatte im Plenum zu erzwingen.

Die Kampagne erstreckt sich auf das gesamte Land und wurde in regionalen Ausschüssen organisiert. Auch im Baskenland. "Wir wollen, dass alle Bürgerinnen, nicht nur die Migrantinnen, sich beteiligen und uns helfen, denn wir halten das für ausgesprochen fair. Wir wollen nicht als Feinde gesehen werden, im Gegenteil, wir sind der Nachbar auf dem Treppenabsatz, das Kind, das im Kinderteam spielt, die Kassiererin im Supermarkt oder der Lieferant, der das Essen nach Hause bringt".

Die Unterschriften werden auf Zetteln gesammelt, die von einem juristischen Vorstand geprüft und versiegelt werden. Die Bewegung hat überall verschiedene Unterschrifts-Sammelstellen eingerichtet, auch bei Veranstaltungen oder Demonstrationen kann unterschrieben werden. Der spanische Staat hat in seiner postfranquistischen Etappe sechs außerordentliche Regularisierungen durchgeführt. Zwischen 1996 und 2008 haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union 43 Projekte genehmigt. Das Ganze ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit.

UND SONST … Die baskische Fischerei-Flotte ist wieder unterwegs, und überhaupt scheint sich die Lage wieder zu beruhigen. Viele Transportfahrer sind noch nicht einverstanden mit den vorliegenden Angeboten, weil sie noch zu niedrig liegen. Derweil gehen andere Berufsgruppen in den Streik. Die mit Putzen und Essensausgabe Beschäftigten der öffentlichen Schulen haben mit Streik begonnen, weil sie nicht mehr prekär angestellt werden wollen. Gegen Sozialkürzungen im Gesundheitsbereich streiken im April erst die Krankenstationen und dann die Hospitäler.

(2022-03-28)

STRESS IN DER BASKISCHEN LINKEN

kolu35x28Der Streit um das neue baskische Bildungs-Gesetz hat zu Ausschreitungen an der Universität von Gasteiz geführt. Dabei war nicht die linke studentische Jugend insgesamt beteiligt, sondern nur ein Teil davon. In diesem Fall waren es Mitglieder der erst vor wenigen Jahren gegründeten Gazte Koordinadora Sozialista (Sozialistische Jugend Koordination), die die Uni-Einrichtung mit Sachbeschädigungen überzogen. Die Jugend der offiziellen baskischen Linken (Ernai) hielt sich in diesem Moment zurück. Die “Dissidenten“ genannte Jugendorganisation hat nach dem Ende von ETA und der Bürokratisierung der alten baskischen Linken deutlich an Boden gewonnen, vor allem im Bildungswesen.

Die Ausschreitungen auf dem Campus von Vitoria-Gasteiz am vergangenen Donnerstag wurden offenbar von GKS-Mitgliedern provoziert, 34 Personen wurden verhaftet (sie wurden und am selben Tag ohne Anklage freigelassen). Der Vorfall hat einmal mehr gezeigt, dass die schwächste Flanke der links-nationalistischen Sortu-Partei die Jugend ist, insbesondere im studentischen Bereich. Zu den Demonstrationen hatte die Ikasle Abertzaleak (IA – Patriotische Studierende) aufgerufen, ein Kollektiv, das sich innerhalb der Gazte Koordinadora Sozialista (GKS) gruppiert. Diese Gruppen bereiten Führungen von EH Bildu, Sortu und ihrer "offiziellen" Jugend Ernai (Erben von Jarrai und Segi) große Kopfschmerzen, weil sie derzeit enormen Zulauf haben.

Der Diskurs von GKS nach Ansicht bürgerlicher Beobachter “orthodox linksextrem“, mit kontinuierlichen Verweisen zu Marx, Lenin und die "Arbeiterrevolution", gegenüber der Bourgeoisie. In der von Arkaitz Rodríguez geführten Links-Partei Sortu bezeichnet man die Gruppe als "altmodisch" und "nicht einmal in die 1960er Jahre passend". Bislang gibt es keine Partei, die diese Gruppen repräsentiert. “Es gibt keine einheitliche Stimme, es handelt sich um verschiedene Gruppierungen“. Klar ist, wie in Vitoria zu sehen, dass die neue Bewegung über die Kraft und die Fähigkeit zur Mobilisierung verfügen, die den Organisationen der offiziellen baskischen Linken immer mehr fehlt. GKS zögert nicht, Sortu als "Verräter" zu bezeichnen und sie wegen ihrer Strategie, mit dem System zu paktieren, auf die gleiche Stufe wie die baskisch-christdemokratische PNV oder die sozialdemokratische PSE zu stellen.

Das Ausbleiben von Reaktionen von Sortu auf die Geschehnisse in der Hauptstadt sind Zeichen dafür, dass die Angelegenheit fuer die offizielle baskische Linke etwas unangenehm war. Von der Sortu-Jugend Ernai kam eine schlichte Nachricht in den sozialen Netzwerken, in der "die Anwesenheit der Ertzaintza an der Universität angeprangert wurde" und "Solidarität mit den inhaftierten Jugendlichen " bekundet wurden, für die sofortige Freilassung gefordert wurde.

Obwohl die Vorfälle am Morgen stattfanden, nahm EH Bildu in Alava erst abends Stellung: "Unserer Meinung nach macht ein solches Verhalten keinen Sinn. Gleichzeitig fordern wir die Einhaltung der gesetzlichen Garantien und Rechte der Inhaftierten". Auf dem Campus der Hauptstadt ist GKS stark vertreten, aktiv wurden sie auch in den letzten Zügen der Pandemie. Ohne sich den Corona-Negationismus zu eigen zu machen haben die “Dissidenten“ der baskischen Linken versucht, “die Pandemie-Müdigkeit auszunutzen, um Anhänger zu gewinnen, ein Klima sozialer Spannungen zu schaffen und sowohl die verschiedenen Regierungen als auch die offizielle Linie von Sortu zu zermürben, die stets die Anwendung sozialer Eindämmungs-Maßnahmen zur Eindämmung des Virus verteidigte“ (Zitat El Correo). Auf ihren Mobilisierungen attackierten sie die "neue Gesundheitsdiktatur", die als "schwerer Angriff auf die Grundrechte und Grundfreiheiten" bezeichnet wurden.

UND SONST … Die baskische Fischereiflotte ist wieder aktiv. In Ondarroa wurden 5 Tonnen Fisch ausgeladen, die auch abtransportiert wurden. Bilbao legt ein Subventions-Programm auf, um Gebäude energie-effizient zu machen (10.000 Euro pro Einzelfall). Der Stadtteil Usansolo hat mi 80% Referendums-Stimmen deutlich gemacht, sich von der Stadt Galdakao unabhängig machen zu wollen.

(2022-03-27)

LÄRMBELÄSTIGUNG IN BILBO

kolu35x27Eine Studie des Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) warnt, dass 94,1% der Einwohner*innen von Bilbo gesundheitsschädlichen Lärmpegeln ausgesetzt sind. Dieser Prozentsatz ist höher als in Großstädten wie Paris (66,9%), Barcelona (83,4%) oder Berlin (29,8%) und liegt deutlich über den Werten, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen werden. Nach der Studie gehört die Hauptstadt von Bizkaia zu den Städten, deren Einwohner am meisten übermäßigem Lärm ausgesetzt sind. Die in der Zeitschrift "Environment International" veröffentlichte Studie zeigt, dass in europäischen Städten jährlich mehr als 3.600 Todesfälle durch koronare Herzkrankheiten vermieden werden könnten, wenn sie sich an die WHO-Empfehlungen zum Lärmschutz hielten. "Unsere Ergebnisse liefern zum ersten Mal ein Gesamtbild der europäischen Städte und ermöglichen ein besseres Verständnis dafür, warum verkehrsbedingter Lärm in Westeuropa die zweitwichtigste Umweltursache für gesundheitliche Beeinträchtigungen nach Luftschadstoffen ist".

"Dennoch sind wir davon überzeugt, dass die tatsächliche gesundheitliche Belastung durch Verkehrslärm viel höher ist, da das Fehlen von Daten auf Stadtebene die gesundheitlichen Auswirkungen, die wir beurteilen können, einschränkt und folglich zu einer Unterschätzung der Auswirkungen führt. Laut Studie konnte anhand der verfügbaren Daten nur die Bevölkerung analysiert werden, die mehr als 55 Dezibel ausgesetzt ist, "während vermutet wird, dass schädliche Auswirkungen auch bei niedrigeren Lärmpegeln auftreten". Eindeutig nachgewiesen ist der Zusammenhang zwischen Umgebungslärm und einer Reihe von Gesundheitsschäden, darunter Schlafstörungen, Belästigung, Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen, Geburtsschäden, kognitive Beeinträchtigungen, psychische Probleme und Beeinträchtigung des Wohlbefindens.

"Eine längere Belastung durch Straßenverkehrslärm kann eine anhaltende Stressreaktion hervorrufen, die zur Ausschüttung von Stresshormonen, erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Blutdruck sowie zu Gefäßverengungen führt, was schließlich zu chronischen Krankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Angstzuständen führen kann", so die Studienautoren. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als 48% der 123 Millionen Erwachsenen (20 Jahre und älter), die in die Studie einbezogen wurden, Lärmpegel über den WHO-Empfehlungen ertragen. In den Landeshauptstädten reicht der Anteil der Bevölkerung, der über den empfohlenen Werten liegt, von 29,8% in Berlin bis 86,5% in Wien und von 43,8% in Madrid bis 60,5% in Rom.

UND SONST … Trotz der Verhandlungs-Ergebnisse in Madrid haben die Mitglieder der baskischen Transport-Gewerkschaft HIRU eine Weiterführung des Transport-Streiks beschlossen. Die rechte Presse meldet die Gefahr von Versorgungslücken, in den Supermärkten ist dennoch alles zu finden.

(2022-03-26)

FRAGWÜRDIGE MASSENVIEHZUCHT

Nach dem Klima-Kongress in Glasgow und den kritischen Bemerkungen des spanischen Konsum-Ministers Garzon steht die Massentierzucht und ihre Folgen – endlich – im Blickpunkt der kritischen Öffentlichkeit. Valle de Odieta de Caparroso in Süd-Navarra: einer jener Makro-Betriebe voller Unregelmäßigkeiten. “Klar ist, dass das Unternehmen versucht, die Organisationen zum Schweigen zu bringen, die sich für den Schutz des Bodens, der Gesundheit und des Lebens einsetzen. Aber sie werden keinen Erfolg haben“. Sagt Pablo Lorente Zapatería, Präsident der Stiftung Sustrai Erakuntza / Wurzel-Verband.

kolu35x26Seit das Unternehmen Valle de Odieta SCL seinen Betrieb zur intensiven Produktion von Milch in Caparroso eingerichtet hat, kam es zu wiederholten Unregelmäßigkeiten in der Betriebsführung. Es handelt sich um eine große industrielle Anlage für die Aufzucht und das Melken von Milchkühen, die 2009 mit einer Genehmigung für die Haltung von bis zu 3.450 erwachsenen Kühen für die Milchproduktion und 2.920 Ersatzkälbern errichtet wurde. Von Anfang an kündigte die Geschäftsführung jedoch ihre Absicht an, den Betrieb auf die doppelte Größe, wenn nicht mehr, zu vergrößern. So leitete das Unternehmen 2013, drei Jahre nach seiner Zulassung, die notwendigen Verfahren ein, um die Zahl der ausgewachsenen Kühe auf 7.200 zu erhöhen. Gleichzeitig begann das Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen, die von verschiedenen offiziellen Stellen mit Sanktionsvorschlägen beantwortet wurden, alle wegen Verstößen gegen die vorgeschriebene Betriebspraxis.

Zwischen Mai 2014 und November 2018 wurden bei verschiedenen Umwelt-Inspektionen (Regionalpolizei Foral, Forstwache, Behörde für Umweltqualität und Klimawandel, Behörde für Kreislaufwirtschaft und Wasser, Behörde für Viehzucht) bis zu 39 Verstöße gegen die Umweltgenehmigung (AAI) des Unternehmens festgestellt. Dies veranlasste die Regierung von Navarra, bis zu elf Sanktionsverfahren zu eröffnen. Einige dieser Fälle können noch heute auf der Website der Regierung von Navarra nachgelesen werden.

Andere Sanktionsbeschlüsse mit ähnlichem Inhalt wurden zwar verabschiedet, aber nicht im Amtsblatt veröffentlicht, so dass es schwieriger ist, sie zu verfolgen. Dank der Arbeit von Einzelpersonen und Gruppen haben wir jedoch Zugang zu einigen erhalten. Der Inhalt der Entschließung 478E/2021 des Umweltministeriums, die ein neues Sanktionsverfahren gegen das Unternehmen einleitet, ist von zentraler Bedeutung und kann in vollem Umfang im Bericht nachgelesen werden, den verschiedene Kollektive den Fraktionen des Parlaments von Navarra im September letzten Jahres vorgelegt haben. Aus diesem Bericht geht hervor, dass das Unternehmen in den letzten Jahren weiterhin Anzeigen gleicher Art erhalten hat.

Bei Betrachtung der Gründe, mit denen die Regierung Sanktionen gegen das Unternehmen vorschlägt, lässt sich feststellen, dass viele davon auf schwerwiegende Verstöße gegen den Umweltschutz zurückgehen. Einige Beispiele: Bau von nicht genehmigten Ställen und Anlagen, für die keine Bau- oder Tätigkeits-Genehmigung vorliegt; Haltung einer größeren Anzahl von Tieren als genehmigt; Überschreitung der Gülle-Ausbringungs-Menge in Gebieten, die für Nitratverschmutzung anfällig sind; Absterben der Vegetation und Wasserverschmutzung durch Gülle-Ausbringung, auch in besonderen Schutzgebieten, übermäßiger LKW-Verkehr auf Straßen, die nicht für diesen Zweck geeignet sind. Tatsache ist, dass trotz aller Beschwerden kaum Sanktionen ausgesprochen wurden. Denn alle Verfahren wurden juristisch abgeblockt und gerichtlich abgelehnt. Die meisten Beschwerden blieben straflos. Auch die in den Akten vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen wurden nicht durchgeführt, wie aus den Dokumenten hervorgeht.

Das Unternehmen hat vor Gericht durchgesetzt, dass die Zahl der verdoppelt werden darf. All dies mit großem Einsatz von Juristen, die mit Hilfe von Verwaltungs- und Gerichtsbeschwerden erreicht haben, dass die von den Behörden getroffenen Maßnahmen von den Gerichten wieder aufgehoben wurden. Nun geht das Unternehmen gegen die vierzehn Kollektive vor, die im September 2021 einen Bericht über Unregelmäßigkeiten erstellt und dem Parlament von Navarra vorgelegt haben. Tage nach der Präsentation erfuhren die Kollektive aus der Presse, dass das Unternehmen wegen verleumderischer und beleidigender Äußerungen eine Schlichtungs-Verhandlung vor Gericht erzwungen hat, die am 30. März, stattfinden wird.

UND SONST … Der baskische Ministerpräsident Urkullu dankte heute der Generation, die den Spanienkrieg und die Nachkriegszeit im Baskenland erlebt hat, dass sie "uns gelehrt hat, dass der Kampf an der Front zur Verteidigung der Freiheit gegen die faschistische Aggression mit einer humanistischen und demokratischen Vision vereinbar ist". Die Zeremonie zum Gedenken an die 2.194 Menschen, die zwischen 1936 und 1945 im Baskenland erschossen oder mit der Garrotte hingerichtet wurden, hat durch den Krieg in der Ukraine eine neue Dimension erhalten. "Selbstverteidigung hat nichts mit einem militärischen Angriff zu tun“, sagte er.

(2022-03-25)

DIE BLAUE DIVISION VON DONOSTIA

Donostia fordert das spanische Verteidigungs-Ministerium auf, die Symbole der faschistischen “Blauen Division“ in der Loiola-Kaserne zu entfernen. Die Forderung geht zurück auf eine Initiative der Links-Koalition, "so schnell wie möglich" diese Symbole aus der Kaserne zu entfernen. Zur Erinnerung:  bei der “Blauen Division“ (División Azul) handelt es sich um jenes Militärkorps, das die Franquisten während des Zweiten Weltkriegs in den Reihen Nazi-Deutschlands kämpfen ließ, nachdem sich Franco gegen eine direkte Kriegsteilnahme entschieden hatte, wie Hitler dies gerne gesehen hätte.

kolu35x25Die Initiative zur Entfernung der Symbole – eine ganz direkte Verherrlichung des Faschismus – wurde vom Stadtrat von Donostia mit den Stimmen von EH Bildu und PNV gegen die Postfranquisten der PP und bei Enthaltung der Sozialdemokraten der PSE angenommen. Das Stimmverhalten der PP ist folgerichtig und logisch, dass die Sozialdemokraten gegen Faschismus nicht Position beziehen können, ist ein deutlicher Ausdruck von deren Demokratie-Verständnis. Dabei entspräche die Entfernung des Symbols der Blauen Division nur ganz banal der Umsetzung des Gesetzes zur historischen Erinnerung, das faschistische Symbole in der Öffentlichkeit verbietet. Ein Gesetz, das immerhin in der Zeit des Sozialdemokraten Zapatero verabschiedet wurde.

Im Februar befragte der Abgeordnete Jon Iñarritu von EH Bildu die spanische Verteidigungs-Ministerin zu diesem Thema, die "die Existenz einer Dauer-Ausstellung über die Blaue Division in Loiola" bestritt. Robles antwortete, es gäbe "einen Geschichtssaal, der die Geschichte des Infanterie-Regiments Tercio Viejo de Sicilia Nr. 67 abdeckt“. Dieser Saal werde durch Ankäufe, Schenkungen und Hinterlegungen gespeist, die Informationen mit dem Fortschreiten der historischen Forschung ständig aktualisiert". Also doch eine Ausstellung, wenn auch nicht zugänglich für Normal-Baskinnen.

In diesem Raum, so die Ministerin, "gibt es eine Abteilung, die den Einfluss des Zweiten Weltkriegs auf die spanische Armee und somit auf das Regiment der Loyola-Kaserne widerspiegelt, in der die von den spanischen Soldaten während des Konflikts durchgeführten Aktivitäten gezeigt werden". Sie verteidigte auch die Einhaltung der Gesetze in diesen Einrichtungen. "Es ist klar, dass Robles die Beweise leugnet und die Ausstellung über die Blaue Division in der Loiola-Kaserne mit Historismus tarnt", fügte Iñarritu hinzu.

Er erinnerte daran, dass mehrere Vereinigungen, darunter das Antifaschistische Netzwerk, diese Ausstellung verurteilen und sie als "Entschuldigung und Verherrlichung des völkermörderischen und terroristischen Nationalsozialismus in der Loiola-Kaserne" bezeichnen. Kein Grund zur Beunruhigung, der spanische Staat hat seine franquistische Etappe nie hinter sich gelassen, geschweige denn aufgearbeitet. Nicht einmal Sozialdemokraten, die damals noch als Sozialisten unter der mörderischen Diktatur gelitten hatten, sind zu einer solchen Aufarbeitung in der Lage. Die Verteidiger der franquistischen Verhältnisse sitzen fest im Sattel.

UND SONST … Der Transport-Streik droht weiter, viele Bereiche des “normalen“ Lebens lahmzulegen. Ein besonderer Streit, bei dem sich klassenübergreifend gesellschaftliche Gruppen gegenüberstehen. Denn von der Verknappung und Verteuerung sind nicht nur “die Kleinen“ betroffen, sondern auch die kapitalistische Produktion. Die Chefs von Mercedes oder Michelin sind empört über die Preispolitik ihrer kapitalistischen Kollegen von Iberdrola. Viele Kleinstunternehmer fahren ihren eigenen LKW und leben davon, andere arbeiten für Transportunternehmen, die mehrere Fahrer anstellen, diese sind in kleinen Arbeitgeber-Verbänden organisiert, die Fahrer hingegen nicht. Nur im Baskenland existiert mit HIRU eine Gewerkschaft von im Transport Beschäftigten. Ausgerechnet die sind jedoch an den nun anstehenden Verhandlungen mit der Regierung nicht beteiligt.

(2022-03-24)

LEICHEN AUS DER FESTUNG

Auf dem Friedhof von Berriozar wurden erneut Leichen gefunden von Häftlingen aus der Gefängnis-Festung von San Cristóbal (vor den Toren Pamplona). Die Grabungsarbeiten werden fortgesetzt, weil angenommen wird, dass in tieferen Schichten mehr Überreste gefunden werden können.

kolu35x24aDie Exhumierungsarbeiten werden seit dem 9. März von der wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi auf dem Friedhof von Berriozar durchführt, diese Gemeinde liegt fünf Kilometer nördlich von Pamplona (bask: Iruñea). Dabei wurden die sterblichen Überreste von fünfzehn Gefangenen aus der Festung von San Cristóbal gefunden wurden. Die Exhumierung der Leichen hat begonnen, und die Arbeiten werden fortgesetzt, da man davon ausgeht, dass sich in einer tieferen Schicht weitere Leichen befinden. Aufgrund der großen Anzahl von Überresten auf engem Raum handelt es sich um eine technisch komplexe Ausgrabung, so dass die Arbeiten in den kommenden Tagen fortgesetzt werden müssen.

Die Senatorin für Bürgerbeziehungen der Regierung von Navarra nahm an den Exhumierungsarbeiten teil, begleitet vom Generaldirektor für Frieden, Koexistenz und Menschenrechte, dem Direktor des Instituts für Gedenken von Navarra, und dem Bürgermeister von Berriozar. Anwesend auch Mitglieder von Memoria-Organisationen sowie zwanzig Studierende und zwei Lehrer des Studiengangs Soziokulturelle Animation der Pädagogischen Hochschule. Die Senatorin bekräftigte "das Engagement der Regierung Navarra für die Suche, Lokalisierung und Exhumierung der Opfer der von den Franco-Putschisten im Juli 1936 verübten Gewalt". Sie betonte, "wie wichtig es ist, die Gesellschaft im Allgemeinen und junge Menschen im Besonderen für das Grauen von damals zu sensibilisieren“. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Programm "Schulen mit Gedächtnis" des Instituts für Gedenken in Navarra. "In den letzten Tagen haben bereits vier Schulen an den Exhumierungsarbeiten teilgenommen", erzählte sie.

Die gefundenen Munitionsreste deuten darauf hin, dass es sich um die 21 Häftlinge handeln könnte (darunter mehrere Anarchisten), die unter dem vagen Vorwurf eines Fluchtversuchs aus dem Gefängnis getötet wurden. Ihre sterblichen Überreste wurden damals in einem Lastwagen nach Berriozar überführt, ein Bild, das die örtliche Bevölkerung schockierte. Bis heute erinnert man sich an den Bereich des Friedhofs, in dem die Leichen in ein Massengrab geworfen wurden. Entsprechende Informationen wurden von der Vereinigung Txinparta-Fuerte de San Cristóbal gesammelt und in den Vorbericht von Aranzadi aufgenommen. Es waren nicht die einzigen Häftlinge, die auf diesem Friedhof ihr Ende fanden, denn bis 1942 wurden hier noch 26 weitere Häftlinge begraben, die an Krankheiten starben und deren Verbleib sich als komplexer erweist.

Diese und die kürzlich in Antsoain durchgeführte Exhumierung sind Teil des Plans, den das Institut für Memoria in Navarra für das Jahr 2022 ins Leben gerufen hat. Der Plan, an dem die Gedenkvereine mitgewirkt haben, sieht dreiundzwanzig Prospektionen in verschiedenen Teilen der Region vor, um die Suche nach den Gräbern der Opfer des Militärputsches von 1936 fortzusetzen. Mit diesen fünfzehn Personen sind seit Beginn des Exhumierungsprogramms der Regierung von Navarra 136 Leichen geborgen worden. Die bis vor sechs Jahren regierende Rechte hat sich nie um solche Franquismus-Opfer gekümmert, weshalb sie zurecht als Post-Franquisten bezeichnet werden. Erst die liberale Koalition unter Ministerpräsidentin Uxue Barkos und nun die sozialdemokratische Regierung von Maria Chivite machen erste Anstrengungen zur Aufarbeitung der Verbrechen von damals.

UND SONST … Beim Streik an der Universität Gasteiz gegen das neue Bildungsgesetz kam es zu Verwüstungen in der Einrichtung und zu 34 Festnahmen von Studierenden. / Die britische Justiz hat abgelehnt, dem spanischen Ex-König Immunität oder Anklagefreiheit zu gewähren (was im spanischen Staat der Fall ist). Er ist angeklagt wegen Erpressung seiner ehemaligen Geliebten.

(2022-03-23)

VOM IRAK ZUR UKRAINE

kolu35x23Unai Aranzadi, baskischer Dokumentarfilmer: Vor drei Tagen, am 20. März, war der 19. Jahrestag der Invasion des Irak durch "unsere Demokratien". Als junger eifriger Freelance-Journalist habe ich die Ereignisse vom ersten Tag an verfolgt (die Angriffe begannen in den Bergen gegen Ansar Al Islam begann), bis zum offiziellen Ende in Tikrit, Saddams Stadt, die als letzte fiel.

Bis 2010 kehrte ich jedes Jahr in das Land zurück, um zu sehen, wie sich die Besetzung entwickelt. Ich weiß nicht, ob ich alt werde oder unsensibel geworden bin. Aber die veränderte Art und Weise, wie diese andere Invasion in der Ukraine aufgenommen und wie über sie berichtet wird, ist entsetzlich. Ich hoffe, dass die Menschen in der Ukraine niemals eine Invasion "auf die amerikanische Art" erleben, bei der wahllos Tomahawk-Raketen auf sie niederregnen, bei der niemand in der Presse und der "freien Welt" den Opfern ein Gesicht gibt, bei der niemals eine Zahl von Toten genannt und niemand auch nur die geringste Bestrafung für die Schuldigen an einem solchen kolossalen Verbrechen fordert.

Heute sind diese Führer – Bush, Aznar und Blair – Millionäre, die nie vor Gericht gestellt wurden. Ihre (unsere) Länder sind in keiner Weise sanktioniert worden. Dank der Vereinten Nationen wissen wir, dass die Zahl der Todesopfer bei etwa einer Million Menschen liegt. Das sagt sich leicht. Guten Morgen aus der Ukraine.

UND SONST … Zwar gibt es in den Supermärkten noch fast alles zu kaufen, nur die Preise steigen drastisch – der Ukraine-Krieg hinterlässt Spuren. Der Unternehmer-Verband wettert gegen die Passivität der Regierung, deren Vorschlag, den Energiepreis staatlich zu limitieren wiederum von Brüssel ignoriert wird. Industrie- und Lebensmittel-Fabriken schließen, weil Material fehlt. Die baskische Fischerei-Flotte liegt weiter in den Häfen, weil mögliche Fänge nicht abgeholt werden.

(2022-03-22)

ERFOLGREICHER STREIK

Nach 9 Monaten Kampf haben die Reinigungskräfte des Guggenheim Bilbao eine Lohnerhöhung von 20% erreicht. Die Gewerkschaft ELA hat mit dem Unternehmen Ferrovial eine Vereinbarung getroffen, die die Arbeitsbedingungen der 18 Reinigungskräfte des Guggenheim-Museums verbessern wird. Die Vereinbarung ermöglicht es den Arbeitnehmern, ganztägig zu arbeiten, was eine Erhöhung ihres Einkommens um bis zu 46% bedeutet.

kolu35x22Mit der erzielten Einigung endet der im Juni begonnene Streik. Vorgesehen ist eine schrittweise Lohnerhöhung bis 2024 um etwas mehr als 20%. Das bedeutet, dass die Bruttolöhne über 23.500 Euro liegen werden. Dazu kommt eine Vereinbarung zur Beendigung von Teilzeit-Verträgen, die für die Bekämpfung der Prekarität äußerst wichtig sind. Der Streik begann am 11. Juni 2021 und verfolgte zwei Hauptziele: eine Vereinbarung für das Zentrum zu erreichen, die die Arbeitsbedingungen des Personals verbessert, und dem Lohngefälle gegenüber männlich dominierten Gruppen, die gleichwertige Arbeit leisten, ein Ende zu setzen.

Was die gesundheitlichen Aspekte am Arbeitsplatz betrifft, so haben die Streikenden mehrfach die übermäßige Arbeitsbelastung und den Arbeits-Rhythmus angeprangert. Um Abhilfe zu schaffen, kamen die Parteien überein, eine Studie zur Messung des Zeit- und Arbeitsaufwands durchzuführen, um zu ermitteln, wie viel Personal erforderlich ist, um diese Aufgaben gemäß den vom Museum festgelegten Qualitätsstandards zu erledigen. Auch Aspekte im Zusammenhang mit dem Zugang zu einem Vertretungsvertrag sowie Verbesserungen bei den Urlaubs- und Ruhezeiten sind enthalten.

ELA bewertet die erzielte Einigung sehr positiv, sie ist Teil der Gewerkschafts-Kampagne gegen Prekarität, um Löhne unter 18.000 Euro abzuschaffen. Teil-Arbeitsverträge, von denen vor allem Frauen betroffen sind, sollen vermieden werden. Weiteres Ziel ist ein besserer Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, um die Unversehrtheit der Arbeitnehmer zu schützen. Die im Guggenheim erzielte Vereinbarung steht im Einklang mit diesen Zielen.

ELA beglückwünscht das Guggenheim-Kollektiv, das seit 9 Monaten für seine Rechte gestreikt hat. Dieser Kampf, zusammen mit dem anderer Kollektive, die sich heute im Streik befinden, dient auch dazu, die Bedingungen für die Gesamtheit der Beschäftigten im Reinigungsgewerbe zu verbessern. Aus diesem Grund haben die Guggenheim-Beschäftigten bei der heutigen Feier im Museum das Staffelholz des Streiks an das Reinigungspersonal des Provinz-Gerichts von Bizkaia weitergegeben. Dort wird ebenfalls gegen das Lohngefälle kämpft.

UND SONST … Der Transportstreik zieht Kreise. Gemüse wird teurer, weil knapp, dem folgen alle anderen Lebensmittel in unterschiedlicher Steigerungsrate. Die Versorgung ist nicht in Gefahr. Eine ganze Reihe von Fabriken schließen wegen Nachschubmangel. Das 500-Millionen-Angebot der Regierung als Krisenhilfe wurde in den Wind geschlagen. Stattdessen schlossen sich drei weitere Transport-Verbände (ohne Vertretung im Baskenland) dem Streik an. Die Regierung wartet auf Anweisungen aus Brüssel und vertröstet bis Ende des Monats.

(2022-03-21)

ZU VIELE OFFENE FRONTEN

kolu35x21Benzin, Strom, Getreide. Staatsverschuldung, Postpandemie, Einschränkungen. Der Hafen von Bilbao, wie viele andere, ist weitgehend blockiert. Die Zentral-Regierung ist das Spiegelbild für viele Fronten, die schon vor dem Krieg offen waren, die aber durch die russische Invasion verschärft wurden. Die politisch brisantesten Fronten haben sich an diesem Wochenende manifestiert. Streikposten und Sabotageakte haben sowohl die Lebensmittelverteiler als auch das Innenministerium überrascht, nun werden 24.000 Polizisten eingesetzt, um eine bisher nicht dramatische, aber reale Versorgungskrise einzudämmen, mit der nicht gerechnet worden war. Mehr als 30 Personen wurden verhaftet, in vielen Supermärkten sind Regale mit verderblichen Produkten leer. Niemand stellt in Frage, dass die Forderungen der Streikenden berechtigt sind – ein Novum. Trotz dieser Klarheit bewegt sich nichts und niemand zur Lösung des Problems.

Gestern gab es in Madrid eine große Demonstration zur Verteidigung des ländlichen Raums, der Landwirtschaft, die ebenfalls von der Krise betroffen ist, und von Vertretern der Jagd und dem Stierkampf. Sie wurde von der PP und Vox unterstützt, die auch hinter den Transport-Streikposten standen. Die Regierung spricht davon, dass die Ultrarechte hinter den Mobilisierungen steht. Ein Ablenkungsmanöver, denn auch baskische Fahnen sind zu sehen. Traktoren mit riesigen Transparenten: “Wir stehen nicht rechts und stehen nicht links. Wir stehen unten und greifen die oben an“. Das kommt der Realität näher. Klar ist, dass hier Interessen zusammenkommen, die sonst nicht in Berührung kommen.

Wirtschaftliche Folgen. Was Experten verschiedener Wirtschaftsschulen zu den Auswirkungen meinen, die der Krieg auf die Wirtschaft haben könnte: Die Verlangsamung des Aufschwungs ist unvermeidlich; und wenn sich die Dinge weiter hinziehen, könnte eine weitere tiefe Rezession entstehen. Ein Begriff macht die Runde: Stagflation. Der Strompreis. Die Regierung bemüht sich darum, dass der Gaspreis nicht den Strompreis bestimmt.

Und der Krieg? Vier von sechs. Der türkische Außenminister, der vor einigen Tagen Russland und die Ukraine besuchte, erklärte, dass beide Länder in vier der sechs Punkte, die im Mittelpunkt der Friedensverhandlungen stehen, übereinstimmen. Derweil sind zehn Millionen Menschen aufgrund des Krieges gezwungen, entweder innerhalb des Landes oder ins Ausland zu fliehen. Die Regierung Zelensky hat mehrere politische Parteien suspendiert und beschuldigt sie, "Verbindungen" zu Russland zu unterhalten. Es kursiert ein Video von Zelenski, das nicht echt ist. Darin bietet er seine Kapitulation gegenüber Russland an. Ein Beispiel von Deepfake, die bisher kreativen Charakter hatten, schlechte Witze oder persönliche Dramen darstellten, uns aber zum ersten Mal in den Abgrund der Kriegsspiele führen. Können wir dem vertrauen, was wir sehen?

UND SONST … Mit dem politischen Schwenk zum Thema Westsahara und den Konzessionen gegenüber den Autrokraten in Marokko hat die spanische Regierung eine weitere Front eröffnet. Algerien als Hauptlieferant von Gas nach Spanien ist alles andere als begeistert von der Sanchez-Entscheidung, auf die UNO-Resolution zu pfeifen und ein Referendum zu ignorieren. In der ohnehin energie-kritischen Situation sind auch noch diese Gaslieferungen in Frage gestellt.

(2022-03-20)

WÜRDIGE AUFNAHME

kolu35x20Wenn meine Freundin über die aktuelle turbulente Realität spricht, die uns entgegenschlägt, besteht sie gewöhnlich darauf, dass die rechte PNV Politik auf der Grundlage von Schlagzeilen macht, hinter denen sich nur der Rauch eines Feuerwerks verbirgt, das nie zu etwas führt. Vielleicht hat sie ja Recht. Letzte Woche wurden der Lehendakari (Ministerpräsident) Urkullu, die Senatorin für Sozialpolitik und der Direktor für Migration und Asyl der baskischen Regierung auf der Grenzbrücke Irun-Hendaia fotografiert, in einem Akt reiner politischer Propaganda.

Eine feierliche Demonstration der institutionellen "Solidarität" mit Migranten, insbesondere mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Denn nicht alle Flüchtlinge sind gleich. Manche sind gleicher. Urkullu kündigte vollmundig an, dass ein Aufnahmezentrum im Pavillon 55 der Messe Irun eingerichtet werde, für einen ersten Empfang sei alles bereit. Vier Tage später stiegen in Irun fünf ukrainische Frauen aus einem Flüchtlingsbus aus, der sich auf dem Weg nach Portugal befand, und ... es geschah das, was in der Migrationspolitik der baskischen Regierung üblich ist: Der Pavillon 55 war ein Bluff, modern ausgedrdückt ein Fake, eine weitere urbane Legende. Denn er war nicht betriebsbereit und nicht einmal die baskische Ertzaintza-Polizei  von Irun wusste, wo dieser Pavillon sein sollte. Dank der Mühe der Mitglieder von Irungo Harrera Sarea, ein städtisches Netz zur Aufnahme von Flüchtlingen unabhängig ihrer Hautfarbe, konnten die Frauen schließlich den Rest der Nacht in einem Hotel unterbringen. Am nächsten Tag war der von Urkullu angekündigte "würdige Empfang" immer noch nicht zustande gekommen.

UND SONST … Was mit einer Blockade im Hafen Bilbao begann hat zu einer Massen-Demonstration in Madrid geführt. Zum verzweifelten Notruf der spanischen Landbevölkerung in einer historischen Mobilisierung, de auf mehrere 100.000 geschätzt wurde. Eine brisante Mischung hatte sich in die Hauptstadt bewegt: Landwirte, Viehzüchter, Wasserfahrer, Fischer, Jäger und Leute aus dem Sektor Stierkampf. Forderungen der Bewegung “20Mrural“: 1. angemessene Sozial- und Gesundheitsdienste im ländlichen Raum und die Entwicklung von Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungs-Plänen zum Erhalt des ländlichen Lebens. 2. Ein Sofortplan gegen den Anstiegs der landwirtschaftlichen Produktions-Kosten und Maßnahmen, die gewährleisten, dass die erzielten Preise die Produktionskosten decken. 3. Ein Strategieplan, um die Einkommensverluste der Betriebe in Landwirtschaft und Viehzucht auszugleichen.

(2022-03-19)

BLUTGEWINNE

kolu35x19BBVA macht Millionengewinne auf Kosten von Schmerz und Blutes des Ukraine-Krieges. Anlässlich der gestrigen Aktionärs-Versammlung der Großbank in Bilbao haben Antimilitarist*innen von KEM-MOC vor den Türen der Bank mit protestiert. Als Symbol dafür, dass "die Gewinne der BBVA mit Blut befleckt sind", haben sich mehrere Aktivist*innen vor dem Eingang der Filiale an der Gran Vía in Bilbao mit roter Farbe beschmiert. Ein Bild, das die dramatischen Folgen der Aktivitäten dieser Bank für eine große Zahl von Menschen zeigt. Derweil trugen andere Aktivist*innen ein Transparent mit der Aufschrift "BBVAaren irabaziak odolez blai" und "#LaGuerraEmpiezaAqui": Der Krieg beginnt hier.

Die Protestierenden prangerten die Tatsache an, dass die BBVA in den letzten Jahren mindestens 4,45 Milliarden Euro zur Finanzierung der Rüstungsindustrie bereitgestellt hat. Zu den Vertretern dieser Branche gehören General Dymamics, Leonardo, Indra, Airbus, Aecom, Honeywel, Navantia und Maxam, die alle militärische Ausrüstung herstellen.

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das nicht nur Menschen leiden lässt, die mit den Ursachen und Interessen, die Kriege auslösen, wenig oder gar nichts zu tun haben. Krieg ist auch eine eklatante Verletzung der Menschenrechte und zwingt Millionen von Menschen zur Flucht. Tatsächlich sind bewaffnete Konflikte, wie der in der Ukraine und viele andere, über die in den Medien nicht so viel berichtet wird, die Hauptursache für erzwungene Migration.

Jeder Euro, der für Kriege verschwendet wird, geht zu Lasten unmittelbarer sozialer Bedürfnisse wie Gesundheit, Bildung und soziale Dienste. Viele Banken sind in Kriegsgeschäfte involviert, obwohl es mittlerweile auch Alternativen gibt, wie das ethische Bankwesen.

UND SONST … Sechster Tag des Transportstreiks. In Supermärkten werden Milch, Nudeln und SB-Öl gehortet, bald gibt es keine Tomaten und Fische mehr. Industriebetriebe stellen ab Montag ihre Produktion ein wegen Mangel an Elementen. Die baskische Regierung fordert schnelle Maßnahmen, die spanische will bis zum 29. März und der europäischen Entscheidung warten, ob in die Energie- und Kraftstoff-Preise staatlich eingegriffen werden soll.

(2022-03-18)

VERWECHSELT

Es ist nicht geklärt, warum Mikel Zabalza von der Guardia Civil mit einem ETA-Aktivisten verwechselt wurde. Im November 1985 wurde der aus Navarra stammende Busfahrer festgenommen und in der Kaserne von Donostia “verhört“. Mit allen Mitteln. Die Zivilgardisten wollten ein Geständnis hören, Zabalza hatte nichts zu erzählen, weil er nichts wusste. Die Folter führte zu seinem Tod, er wurde in einen Fluss geworfen und nach drei Wochen gefunden.

kolu35x18Im Baskenland glaubt (außer spanischen Ultranationalisten und Folterfreunden) praktisch niemand an die Polizeitheorie, dass Zabalza geflüchtet sei und im Fluss ertrunken. Spätestens nach der Publikation eines Telefongesprächs zwischen zwei Geheimdienstlern, die sich offen über Zabalzas Tod unterhalten, ist vollends klar, dass hier ein staatlicher Mord vorliegt. Dis baskischen Behörden haben dies öffentlich anerkannt, die spanischen nicht. Denn alle entsprechenden Akten sind Staatsgeheimnis. Noch nie hat der spanische Staat einen Polizeimord eingestanden, dabei gäbe es viele Möglichkeiten, denn die Todesfälle seit Francos Ableben können zu Dutzenden gezählt werden. Doch Mikels Familie hält daran fest, den Tod vollends aufklären zu wollen.

Zwanzig Senator*innen haben deshalb eine entsprechende Forderung an den Geheimdienst CNI gestellt, die lapidar abgelehnt wurde. Dabei leugnet der CNI nicht einmal die Existenz von Unterlagen zum Fall Zabalza, weigert sich aber, sie herauszugeben. Man beruft sich auf das Gesetz über die Wahrung von Staatsgeheimnissen. "Im Falle der Existenz der geforderten Unterlagen" sei es “rechtlich unzulässig, Zugang zu ihnen zu erhalten, ohne sie vorher freizugeben". Die Freigabe könnte von einem Gericht angeordnet werden, oder durch eine Gesetzesänderung. Beides ist nicht in Sicht. Zehn Tage zuvor hatte Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärt, dass er die Dokumente nicht freigeben werde, es sei denn, "die Justiz verlangt es". Dazu bedarf es nicht nur eines momentan nicht vorhandenen gerichtlichen Verfahrens, sondern auch einer Änderung des franquistischen Gesetzes über Amtsgeheimnisse durch die Exekutive selbst.

Die Hartnäckigkeit, mit der spanische Behörden an der Aufarbeitung von ETA-Attentaten aus den 1980er Jahren oder früher arbeitet, verkehrt sich in ihr genaues Gegenteil, wenn es sich um Fälle von Staatsterrorismus handelt. Staatsräson. In dem an die CNI gerichteten Schreiben, das von Senatoren von EH-Bildu, Geroa Bai, Más Madrid, Compromís, Més per Mallorca, Adelante Andalucía, Agrupación Socialista Gomera, PNV, ERC und Junts unterzeichnet wurde, wird daran erinnert, dass das Gesetz über das Amtsgeheimnis besagt, dass "die Erklärung von Verschlusssachen keine Auswirkungen auf den Kongress oder den Senat hat, die Zugang zu allen von ihnen angeforderten Informationen haben", obwohl im Gesetz hinzugefügt wird, dass dies "in der durch die jeweiligen Vorschriften festgelegten Weise und gegebenenfalls in geheimen Sitzungen" geschieht.

Geroa Bai wird den Antrag an den Präsidenten des Senats weiterleiten. Mit der Bitte, “dass das Präsidium, wie es im Kongress geschieht, diesen Zugang zu Staatsgeheimnissen regelt, die uns daran hindern, die Wahrheit über einen der blutigsten Fälle von Polizeigewalt zu erfahren, die wir in der Demokratie erlebt haben". Der Senator von Geroa Bai versicherte, dass "wir mit Rechtsexperten die Möglichkeit eines Strafverfahrens gegen jeden Politiker oder Beamten der öffentlichen Verwaltung prüfen, der bei der Aufklärung des Todes von Mikel Zabalza aus Navarra nicht mit der Justiz zusammenarbeitet und weiterhin Beweise verheimlicht, wie es auch heute noch, 36 Jahre nach seinem Tod, geschieht. In einem Rechtsstaat kann es keine Straffreiheit geben. Und von Geroa Bai aus werden wir nicht aufhören, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist".

UND SONST … Für die spanische Polizei war es ein kleiner, nichtig erscheinender Interessenverein von LKW-Fahrern, der zum Streik aufgerufen hatte. Was sollte schon passieren … nach drei Tagen war davon die Rede, dass es zu keinen Versorgungsproblemen kommen werde. Nach vier Tagen, dass es solche Probleme doch geben könnte. Am fünften Tag läuten die Arbeitgeber Alarm, weil die Industrie-Produktion nicht länger aushalten könnte. Ab Montag bricht die Versorgung mit bestimmten Lebensmitteln zusammen. Die Preise für Energie und Kraftstoffe sind unerschwinglich geworden. Sogar für Kapitalisten.

(2022-03-17)

ILLEGALE TOURISTEN-UNTERKÜNFTE

Die Piraten der Stadt: illegale Touristen-Unterkünfte sind in Bilbao zu einem Problem geworden. Der Nutzen des Tourismus ist nur dann positiv, wenn er zu einer gerechten Umverteilung des von ihm erzeugten Wohlstands führt. Doch das ist im Fall der Touristen-Wohnungen nicht der Fall. Es ist alltäglich geworden, durch die Hauptstraßen im Zentrum von Bilbao und sogar in einigen Stadtvierteln zu gehen und zu sehen, dass viele Türen das Zeichen AT, HT oder VT tragen. Sie belegen, dass sich in dem Gebäude eine Wohnung oder ein Zimmer befindet, die für touristische Zwecke genutzt werden. Sie zeigen auch, dass die Vermietung ordnungsgemäß registriert ist und alle städtebaulichen und steuerrechtlichen Anforderungen erfüllt.

kolu35x17In den letzten Jahren haben jedoch verschiedene Organisationen und Studien vor der immensen Zunahme von Touristen-Unterkünften gewarnt, die außerhalb der Gesetze betrieben werden. Laut einer Studie über touristische Unterkünfte und Wohnungs-Vermietung im Baskenland, die von der Baskischen Beobachtungsstelle für Wohnungswesen durchgeführt wurde, waren im Juni 2019 in Bilbao 366 Wohnungen für die touristische Nutzung registriert. Gleichzeitig werden in der Vermietungs-Plattform Airbnb 498 Objekte beworben. Mit anderen Worten: 26,5% waren nicht registriert und arbeiteten daher außerhalb der Vorschriften.

Dieser Trend hat sich fortgesetzt. Nach Angaben von Aparture, dem baskischen Verband für touristische Unterkünfte, war im März 2020 die Zahl der in Internetportalen für touristische Vermietungen gelisteten Objekte um 40% höher als die Zahl der ordnungsgemäß registrierten Immobilien dieser Art von Geschäft, das den geltenden Vorschriften entspricht. Nur 59,6% des variierenden Angebots in der Stadt entsprachen den Vorschriften. Mehr als 370 Wohnungen wurden außerhalb der Vorschriften betrieben. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Vermieter im Zusammenhang mit touristischen Unterkünften, die die Pflicht zur Registrierung bei der baskischen Regierung ignorieren und Stadtplanungs- und Steuervorschriften missachten, sprunghaft angestiegen.

Der Betrug bei Touristen hat erhebliche Folgen für die Bevölkerung von Bilbao. Konsequenzen für diejenigen, die ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den Vorschriften eine Touristen-Unterkunft unterhalten. Denn nachdem sie die Formalitäten erledigt und die entsprechenden Gebühren und Steuern gezahlt haben, stellen sie fest, dass es Unternehmen gibt, die "unter der Hand" arbeiten und somit einen vorteilhaften Zugang zum selben Markt haben. Die sich an die Vorschriften halten, haben weniger Vorteile als diejenigen, die dies nicht tun. Die Gemeinde-Verwaltungen tun nichts oder viel zu wenig, um dies zu ändern.

Für die Bewohner*innen der von Toruismus-Wohnungen betroffenen Stadtviertel hat dies Konsequenzen, ob legal oder illegal. Denn diese Art von regulierten und unregulierten Geschäften “entführt“ einen Teil des Wohnungsangebots der dauerhaften Vermietung. Dies bedeutet eine Verringerung des Angebots an Mietwohnungen für die lokale Bevölkerung, was den Zugang zu dauerhaftem Wohnraum verteuert und in bestimmten Fällen und bestimmten Stadtvierteln den Beginn des Tourismus und der Gentrifizierung fördert. Nach den Schlussfolgerungen der Beobachtungsstelle "wären mehr als die Hälfte der für die touristische Vermietung bestimmten Wohnungen im Baskenland rentabler, wenn sie zur Vermietung an Privatpersonen vermittelt und entsprechend besteuert würden. Dies würde den Druck vom regulären Mietmarkt nehmen, das verfügbare Angebot erhöhen und die durchschnittlichen Mietpreise senken".

Mit anderen Worten: Die Sättigung mit Touristenwohnungen in bestimmten Stadtvierteln (und vor allem in solchen, die nicht als solche gelten), dezimiert direkt das Recht hunderter einheimischer Wohnungsuchender aus Bilbao auf Zugang zu Wohnraum in ihrem Viertel. Private wirtschaftliche Vorteile haben somit Vorrang vor dem Recht auf Zugang zu einem Grundrecht. Der Durchschnittspreis für Mietwohnungen in Bilbao lag im Februar 2022 bei 1.103€ pro Monat, wie ein auf dieses Thema spezialisiertes Portal berichtet. Eine Person, die den garantierten Mindestlohn bezieht, müsste 110% ihres Einkommens ausgeben, um dies zu bezahlen. Weil viele sogar unter diesem Mindestlohn liegen, wird der Wohnungsmarkt für sie stark reduziert.

Drittens haben diese betrügerischen und/oder ausweichenden Praktiken Folgen für die öffentlichen Kassen. Diese nicht registrierten und nicht nach den örtlichen Vorschriften arbeitenden Touristen-Wohnungen sind ein riesiges Steuersieb, sowohl für den regionalen, wie auch für den kommunalen Fiskus, da die entsprechenden Steuern und Abgaben nicht entrichtet werden. Viele dieser "City-Piraten" arbeiten mit "Piraten-Lizenzen" unter dem Schirm von Investmentfonds, die Eigentümer der Immobilien sind. Oder von großen Unternehmen, die im Immobilien-Gewerbe aktiv sind. Sie haben ihre Sitze in Steuerparadiesen (wie der Insel Man oder Delaware) und zahlen dort ihre Steuern (oder auch nicht).

Aus genau diesem Grund und in vollem Problem-Bewusstsein hat die Provinzverwaltung von Bizkaia in ihrem diesjährigen Plan zur Bekämpfung des Steuerbetrugs die Aktivitäten illegaler Ferienwohnungen in den Mittelpunkt gestellt. Angekündigt wurde ein Programm zur Verfolgung und zum Abgleich der Daten von verschiedenen sozialen Netzwerken und Online-Plattformen für die touristische Vermietung, um Steuerhinterziehungen aufzudecken. Diese ersten, zaghaften Bemühungen stehen jedoch im Widerspruch zu der großen Passivität der lokalen Verwaltungen von Bilbao und Bizkaia, die kaum Ressourcen zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften bereitstellen.

An dieser Stelle soll nicht die Frage beantwortet werden, ob die Vorschriften und Beschränkungen zum Betrieb von Tourismus-Unterkünften ausreichend restriktiv sind. Oder ob die lange Liste von Steuer-Vergünstigungen, die bestimmte Betreiber von Touristen-Unterkünften in Bilbao genießen, nun gerecht ist oder nicht (obwohl dies Gegenstand einer ausführlicheren Debatte sein könnte). Es geht hier ausnahmsweise lediglich um Kontrolle. Um die Einhaltung von Vorschriften.

Fehlende Kontrolle hat schwerwiegende Folgen für all jene, die keine eigenen Wohungen haben und auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen sind. Das Recht auf Wohnen sollte ein Grundrecht sein – der Zugang zu diesem Grundrecht ist jedoch verstellt: durch die maßlose Förderung von Tourismus, mit all seinen Begleiterscheinungen (Preissteigerungen, Privatisierung von öffentlichem Raum, Störung des Zusammenlebens, Verteuerung und Verknappung von Wohnraum). Zehntausende von einheimischen Wohnungssuchende beobachten, wie sich Phänomene wie Tourismus in ihren Vierteln breit machen, wie sich die Gentrifizierung mit erheblichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Folgen durchsetzt, und wie in der Folge das Recht auf Wohnung verweigert wird. Vertreibung in Randviertel ist die Folge. Nachbar*innen aus der Arbeiterklasse, Migrant*innen, Flüchtlinge, Rentner*innen und Zwangsgeräumte sehen sich konfrontiert mit Finanz- und globalen Vermarktungs-Eliten. Dass erstere die Oberhand gewinnen liegt nahe. Die politisch Verantwortlichen schauen weg, die Stadt wird den Piraten überlassen.

Abgesehen von der Ausarbeitung einer konkreten Regelung in Bezug auf Stadtplanung und Nutzung von touristischen Unterkünften müssen sich die Stadtverwaltungen und die Provinzverwaltung an die Arbeit machen, verstärkte Mechanismen zur Kontrolle dieser Einrichtungen zu schaffen. Dies könnte durch mehr Personal für die Steuerprüfung vor Ort geschehen. Gleichzeitig muss der Datenabgleich zwischen den Verwaltungen verbessert werden, um betrügerische Aktivitäten aufzudecken.

Nur so kann gewährleistet werden, dass sich der Sektor der Tourismus-Vermietungen nicht der öffentlichen Kontrolle entzieht. Nur so kann das “Recht auf die Stadt“ aller Nachbarinnen und Nachbarn garantiert werden. Nur so kann gesichert werden, dass Tourismus sich in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht positiv und erträglich auswirkt, und dass sich das in den öffentlichen Kassen niederschlägt. Denn die Vorteile des Tourismus sind nur dann begrüßenswert, wenn sie mit einer gerechten Umverteilung des dadurch geschaffenen Wohlstands einhergehen.

UND SONST … Langsam fällt es schwer, im Streik-Panorama nicht den Überblick zu verlieren. Die LKW-Fahrer streiken den vierten Tag und haben Alarmstimmung erzeugt, weil es langsam an allem fehlt. Die Fischer streiken mit, weil ihre Fänge nicht mehr transportiert werden. In Bizkaia-Altersheimen wird seit drei Tagen gestreikt, weil der Arbeitsdruck nicht mehr auszuhalten ist. Und die Angestellten der Parfümerie-Kette Douglas sind in Totalstreik gegangen, weil der Multi 23 Läden schließen lassen will. Dazu wurde in den Schulen ein Streik gegen das unzureichende neue Bildungsgesetz angekündigt. Allen Streikenden ist ein langer Atem zu wünschen.

(2022-03-16)

BENITA URIBARRENA, ANTIFASCHISTIN

kolu35x16Die bizkainische Stadt Durango würdigt Benita Uribarrena heute für ihr antifaschistisches Engagement. Nach der Bombardierung ihrer Heimatstadt Durango ging Benita nach Frankreich ins Exil, an Bord des Frachters Habana. Später, während des Zweiten Weltkriegs und der Nazis-Besetzung Frankreichs, schloss sie sich der Résistance an, wofür sie ausgezeichnet wurde. Am heutigen 16. März ehrt der Stadtrat von Durango Benita Uribarrena Bollain posthum für ihre Arbeit im Widerstand gegen das Franco-Regime. Die Ehrung findet in einem Park statt, der seit 2017 Benitas Namen trägt. Genau heute wäre die antifaschistische Kämpferin 100 Jahre alt geworden. Sie starb 2011 in der Stadt El Soler in Nord-Katalonien.

Nach der Bombardierung von Durango am 31. März 1937 und mit Blick auf die bevorstehenden Niederlage der baskischen Widerstandskräfte zog Benita im Alter von fünfzehn Jahren nach Frankreich. An Bord des Frachters Habana, mit einer ihrer Schwestern und ihrer Mutter. In Frankreich verbrachte sie fast ihr ganzes Leben. Ihr Vater war zwei Jahre zuvor an den Folgen einer Krankheit gestorben, die er sich zugezogen hatte, als die Guardia Civil ihn im Dezember nach seiner Verhaftung wegen seiner Beteiligung an den Streiks vom Oktober 1934 zwang, in den Fluss zu steigen, um versteckte Waffen aus dem Wasser zu holen.

In Frankreich begann Benita Uribarrena in einem Hotel zu arbeiten. Sie befördete Post der Kommunistischen Partei Spaniens und half Menschen beim Grenzübertritt über die Pyrenäen. Während des Zweiten Weltkriegs schloss sie sich 1944 der Résistance an und wurde ein Jahr später verhaftet. Im Gefängnis war sie nur einen Monat lang, weil Frankreich vom Faschismus befreit wurde. Im Jahr 2000 wurde sie für ihre Arbeit in der französischen Résistance ausgezeichnet. Am 12. Mai 1989 kehrte Benita Uribarrena nach Durango zurück, eine Stadt, die sie 52 Jahre lang nicht mehr gesehen hatte. In dem 2017 nach ihr benannten Park ist eine Gedenktafel angebracht, als Symbol für antifaschistische Frauen.

UND SONST … Weil die LKW-Fahrer bei ihrer Arbeit drauflegen, gingen sie in Streik. Weil die Fahrer im Streik sind, wird in den Häfen der frische Fisch nicht mehr abgeholt. Weil der Fisch nicht mehr abgeholt wird, hat die Fangflotte ihre Fischzüge eingestellt. Weil kein Fisch mehr gefangen wird, gibt es keinen mehr im Markt. Weil die Fischstände im Markt nichts mehr anzubieten haben, lassen sie die Rollläden unten … wegen Kapitalismus, Militärindustrie und Krieg.

(2022-03-15)

FREISPRUCH NACH FOLTER

kolu35x15Das Politgericht Audiencia Nacional in Madrid hat einen baskischen Angeklagten freigesprochen, nachdem das Europäische Menschenrechts-Gericht (EGMR) Folter festgestellt hatte. Gorka Palacios aus Durango musste freigesprochen werden, da seine Anklage auf den “Geständnissen“ anderer Personen beruhte, die unter Folter erzwungen worden waren. Die Staatsanwaltschaft hatte 316 Jahre Haft gefordert. Bei der Entscheidung der AN wird das Kriterium des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Isolationshaft eines anderen Gefangenen (Xabier Atristain) vollständig übernommen. Jene Entscheidung liegt nur zwei Monate zurück.

Gorka Palacios wurde deshalb vom Vorwurf eines ETA-Anschlags in Madrid im Jahr 2001 freigesprochen, den er auf der Grundlage der unter Folter erhobenen Anschuldigungen zweier anderer Häftlinge begangen haben soll. Die Audiencia beschloss, dass diese Aussagen gemäß der jüngsten Rechtsprechung des EU- Gerichtshofs nicht berücksichtigt werden können, und stellt entsprechend fest, dass es keine Beweise gegen Palacios gibt und er freigesprochen werden müsse. Das von drei Richter*innen unterzeichnete Urteil stellt kategorisch fest, dass das europäische Urteil in der Rechtssache Atristain "einen neuen Standard für das Recht auf Verteidigung in einer Situation der Isolationshaft setzt" und fügt hinzu, dass "dies Konsequenzen hat alle für spanische Gerichte, einschließlich unseres Verfassungsgerichts, da diese EU-Entscheidung den wesentlichen Inhalt unserer Grundrechte prägt".

Es wird daran erinnert, dass der EGMR entschieden hat, dass eine inhaftierte Person "bereits in den ersten Phasen des Verfahrens" (also in Kontaktsperre) die Möglichkeit haben muss, einen Anwalt ihres Vertrauens zu beauftragen. IN politischen Verfahren wurde dies nie praktiziert, auch nicht in der demokratischen Phase und schon gar nicht während des Franquismus. Die 5-tägige Kontaktsperre war schon immer der ideale Freiraum für Folter aller Art und konnte sogar auf 10 Tage verlängert werden. Der EGMR führt an, dass die Gefangenen Anabel Egues und Aitor García Aliaga nicht die Möglichkeit hatten, dieses Recht wahrzunehmen, so dass die einzige Aussage, die zu Beweiszwecken berücksichtigt werden kann, diejenige ist, die sie im Prozess machen (und nicht jene aus der Kontaktsperre, allein in den Händen der Polizei).

EGUES UND GARCÍA ALIAGA

Der Freispruch besagt gleichzeitig, dass Egues vor der Audiencia Nacional erklärte, dass seine Aussagen (die von der Staatsanwaltschaft verwendet wurde, um Palacios anzuklagen) "unter Misshandlung und in Isolationshaft zustande kamen. Egues hat unterschrieben, was die Polizei von ihm forderte, aber es war nicht die Wahrheit". Später wollte Egues diese Aussagen weder im Polizeigewahrsam bestätigen noch vor Gericht aussagen.

García Aliaga hatte in der Verhandlung erklärt, dass er "die Folter beklagte, sobald er nur konnte. Als er vor dem Richter stand, stand er unter Druck. Sie zwangen ihn, auf dem Polizeirevier eine Aussage auswendig zu lernen und bedrohten ihm". Dementsprechend weist die Audiencia darauf hin, dass in beiden Fällen nur die in der Verhandlung abgegebene Erklärung berücksichtigt werden sollte und nicht die vorherigen.

KEINE WEITEREN BEWEISE

Danach wurde geprüft, ob es weitere Beweise gegen Palacios gibt. Sie kommt zu dem Schluss, dass es keine gibt. Vor der Staatsanwaltschaft angeführt wurden die üblichen "polizeilichen Geheimdienst-Erkenntnisse", die aber "weder direkte Beweise darstellen noch Indizien-Beweise ersetzen". Abschließend stellte die Audiencia fest, dass es "eindeutig an gültigen und wirksamen Beweisen mangelt, um die Unschuldsvermutung zu entkräften und eine hinreichend begründete Anschuldigungshypothese zu bestätigen". Konsequenz Freispruch. Für den Anschlag in der Calle Goya in Madrid, bei dem achtzehn Menschen verletzt wurden, war Palacios vier Mal wegen Anschlag, vierzehn Mal Körperverletzung, einem Raubdelikt und Urkundenfälschung angeklagt worden. Zigor Reizabal, der Anwalt von Atristain, wies darauf hin, dass es viele Fälle von Verurteilungen gibt, die nur durch Selbstbeschuldigungen oder Anschuldigungen von anderen in Isolationshaft (Kontaktsperre) basieren. Deshalb sei es notwendig, alte Urteile entsprechend der neuen Kriterien erneut zu prüfen.

UND SONST … Während die Parteien im Parlament ein künftiges Bildungs-Gesetz aushandeln, droht die baskische Gewerkschafts-Mehrheit mit Streik. Für den Fall, dass ihre Forderungen zum Gesetz nicht berücksichtigt werden. Dazu gehören mehr Haushaltsmittel, mehr Lehrerinnen und kleinere Klassen. * Zweiter Tag des Streiks der LKW-Fahrer (Kleinunternehmer): das Fahren lohnt sich nicht mehr, wegen der hohen Benzinkosten. Weil Transport nicht gesichert ist, geht die Fischflotte nicht mehr auf Fang. Auch sie sind von hohen Energiepreisen betroffen. Am Wochenende wird der Fisch knapp.

(2022-03-14)

STREIK DER LKW-FAHRER

kolu35x14Der Streik der Lkw-Fahrer blockiert den Transport im Hafen von Bilbao - Obwohl die zum Streik aufrufende Gewerkschaft in der Minderheit ist, haben sich die Selbständigen LKW-Fahrer des Terminals dem Streik angeschlossen. Die Fahrer streiken als Kleinstunternehmer (jeder ist sein eigener Chef) gegen den Anstieg der Dieselpreise. Aufgerufen hat eine Plattform der Fahrer, die im Baskenland von der Transport-Gewerkschaft HIRU unterstützt wird. Der Hafen von Bilbao war blockiert.

Nach Angaben der Gewerkschaft sind rund 700 Spediteure für Container und allgemeine Waren am Bilbao-Terminal tätig, von denen etwa 250 den Aufruf von Anfang an unterstützten. Die übrigen, obwohl sie ihn nicht ausdrücklich unterstützten, schlossen sich im Laufe des Tages an, so dass die Beteiligung bei etwa 90% lag. Der Streik fällt in eine Zeit, in der die gesamte Branche aufgrund von Versorgungsproblemen und des Anstiegs der Energie- und Rohstoffpreise nach dem Einmarsch in der Ukraine mit großen Schwierigkeiten konfrontiert ist.

Der Streik wurde von der staatlichen Plattform zur Verteidigung des Transportwesens ausgerufen und wurde am Samstag von der baskischen Organisation unterstützt, die im Baskenland rund 700 Fahrzeuge umfasst, davon 500 in Gipuzkoa, wo sie am stärksten vertreten ist. Die großen Arbeitgeberverbände, zu dem auch die aus Bizkaia und Gipuzkoa gehören, unterstützen den Streik nicht, da sie gerade eine Vereinbarung mit der Regierung unterzeichnet haben, die Maßnahmen vorsieht wie das Recht, die Auswirkungen der Dieselpreis-Erhöhungen der letzten 12 Monate auf ihre Tarife umzulegen.

"Ich fahre 5.000 oder 6.000 Kilometer im Monat. Die Kosten sind von 2.000 bis 2.500 Euro auf 3.500 oder 4.000 Euro gestiegen. Wir ertragen das nicht. Als die Agenturen, die uns beauftragen, am Freitag erfuhren, dass wir streiken würden, boten sie uns eine Erhöhung der Frachtkosten um 10% an. Aber das ist es nicht wert. Das Problem ist, dass die Frachttarife seit mehr als 10 Jahren nicht mehr aktualisiert wurden und sich das Fahren nicht mehr lohnt", erklärt einer der Spediteure.

Die Plattform ist der Ansicht, dass die Situation unhaltbar ist. Der Dieselpreis ist von einem Rekordhoch zum nächsten gestiegen, und die Fahrer sprechen von Mehrkosten von 1.000 bis 1.500 Euro pro Monat für Kraftstoff. An den baskischen Tankstellen ist der Dieselpreis heute leicht auf 1,88 Euro gesunken, vor dem Krieg lag er bei 1,50 Euro und vor einem Jahr bei 1,23 Euro. Das bedeutet eine Steigerung von 53%, was bei einem 1.400-Liter-LKW eine Erhöhung von 1.700 Euro auf 2.600 Euro bedeutet. Die Organisation und die Gewerkschaft HIRU sind der Ansicht, dass die Regierung dringende Maßnahmen ergreifen muss. Die übrigen Arbeitgeberverbände sprechen sich dafür aus, der Regierung einen Spielraum zu gewähren, fordern sie aber auch auf, angesichts des Dieselpreises eine außergewöhnliche Initiative zu ergreifen. "Wir unterstützen den Streik nicht. Richtig ist aber, dass der Dieselpreis allein in diesem Jahr um mehr als 30% gestiegen ist und dringend durch steuerliche Maßnahmen gestoppt werden muss".

UND SONST … In Zeiten, in denen der Spenden-Geldbeutel locker sitzt, drängen sich auch unliebsame Interessenten um die Gaben, zum Wohle der Flüchtlinge (wo auch immer) selbstverständlich. Mit dem russischen Krieg in der Ukraine ist ein solcher Moment gekommen. Man muss sich lediglich als Hilfs-NGO ausgeben – wie wäre es mit dem Namen “Warten auf Godot“ – und schon wird einem das Geld hinterhergeworfen. Die bürgerliche Gesellschaft bitte um Ablass – die Kleinbetrüger nehmen gerne an. Alle Scheine ab 50.

(2022-03-13)

KEIN STRESS

kolu35x13Krieg. Alle stehen auf ihrer richtigen Seite. Doch die Geschichte wird kompliziert. Bisher lief einmal im Monat ein Frachter von Bilbao Richtung Saudi Arabien aus, in dem baskische und spanische Waffen geladen waren, um im Jemen-Krieg für Ordnung und Tote zu sorgen. Die baskische Regierung verteidigte diese Lieferungen, wie jede Regierung ihre Wirtschaft zu verteidigen pflegt. Nur Linke und Antimilitaristen protestierten dagegen. Nachdem sich Saudi Arabien samt der Vereinigten Arabischen Emirate im aktuellen Ukraine-Krieg auf die Seite von Russland geschlagen haben, verkomplizieren sich die Lieferungen. Der Westen verbucht einen abtrünnigen Partner im Osten. Der Krieg kehrt zurück nach Hause.

Ratschläge, um angesichts des Russland-Ukraine-Krieges psychologischen Stress zu vermeiden: 1. Stellen Sie sich vor, diese beiden Länder liegen in Afrika. 2. Stellen Sie sich vor, Ukraine sei Palästina. 3. Stellen Sie sich vor, diese Länder liegen im Nahen Osten. 4. Stellen Sie sich vor, Russland wäre USA. Mit diesen mentalen Übungen können Sie Ihre alte Gleichgültigkeit wieder erlangen.

UND SONST … Das Europa-Parlament hat nach dem Besuch von ultrarechten Euro-Parlamentarier*innen (beauftragt von vier ultrarechten spanischen Parlamentarier*innen) der spanischen Regierung empfohlen, ihre Gesetze so zu ändern, dass politische Gefangene nicht mehr entlassen werden, wenn sie nicht bei der Aufarbeitung bisher ungeklärter ETA-Attentate mitarbeiten. Eingeführt werden soll das Konzept “Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

(2022-03-12)

MENSCHENHANDEL

kolu35x12Von Deutschland, Frankreich oder aus dem Baskenland fahren Menschenfreunde an die polnisch-ukrainische Grenze, um bekannte oder unbekannte Kriegsflüchtlinge abzuholen. Nie war die Fahrt ins Ausgangsland so einfach, nachdem die EU für die Flüchtlinge keine Kontrollen mehr durchführt. Doch sind an der Grenze nicht nur Menschenfreunde unterwegs. UNICEF warnt. Vor Kinderhandel.

“Wir haben keine Daten“, sagt die aus Durango stammende Meritxell Relaño. Sie ist stellvertretende Notfall-Direktorin dieser UN-Organisation, derzeit mit der Ukraine beauftragt. “Kinderhandel ist eine der größten Gefahren in einer solchen Situation. In kürzester Zeit sind 2 Millionen Personen über die Grenzen gekommen, es werden keine Pässe kontrolliert. Da kann es sein, dass eine Familie hereinkommt mit drei Kindern, die angeblich ihre Kinder sind, und es stimmt nicht“. In absehbarer Zeit wird mehr davon zu hören sein.

UND SONST … Die Situation an der polnisch-ukrainischen Grenze kontrastiert total mit der an der baskisch-baskischen, oder besser spanisch-französischen Muga. Im Norden ist freier Durchgang angesagt; im Süden bleibt die Grenze zu für Afrikaner, die deshalb andere Wege suchen. Beim Durchschwimmen des Grenzflusses Bidasoa kamen heute zwei auf die andere Seite, ein dritter wird vermisst. Humanismus versus Festung Europa.

(2022-03-11)

HEUCHLERISCH

kolu35x11Heuchlerisch ist, in den Kriegsnachrichten darauf hinzuweisen, dass sich die Konfliktparteien gegenseitig die Schuld zuschreiben für den Beschuss eines Atomkraftwerks; um im Anschluss die Version einer Seite zur definitiven Wahrheit zu ernennen. (Medien-Syndrom)

Heuchlerisch ist (wenn nicht rassistisch), hunderte von Flüchtlings-Unterkünfte für Ukrainerinnen bereitzustellen; und obdachlosen Afrika-Migrantinnen das nichts als notdürftige Dach über dem Kopf zu nehmen. (Atxuri-Syndrom)

Heuchlerisch ist, die Angriffe auf Journalisten und Medien in Russland scharf zu verurteilen und die Einschränkung der Pressefreiheit durch die dortigen Behörden zu kritisieren; und gleichzeitig über Schließung und Verbot der russischen Nachrichtenportale RT und Sputnik in der EU hinwegzugehen. Was nicht zuletzt bedeutet, dass mal eben so ein Artikel des BRD-Grundgesetzes außer Kraft gesetzt wurde, Information wird verboten, Journalisten in ihrer Berufsausübung eingeschränkt. (EU-Syndrom)

Heuchlerisch ist, Länder wie Iran oder Venezuela in ihrer volkswirtschaftlichen Entwicklung zu behindern, sie international zu isolieren; und dieselben in einer energiepolitischen Krisensituation (Krieg) zur Lösung der anstehenden Problemen heranzuziehen. (USA-Syndrom)

Heuchlerisch ist, von Seiten der Regierung die Bevölkerung zur Aufnahme von blaugelben Flüchtlingen aufzufordern, die ohne jegliche Kontrolle ins Land kommen können; und gleichzeitig schwarze Flüchtlinge abzuweisen und zu deportieren. (Macron-Syndrom)

Heuchlerisch ist, Kinder bei der Herstellung von Molotow-Cocktails im Kriegsgebiet abzufilmen, wohlwollend den Widerstandswillen hervorzuheben; und gleichzeitig widerständische Jugendliche im eigenen Land wegen der Benutzung von ebensolchen zu hohen Haftstrafen zu verurteilen. (Spanien-Syndrom)

Heuchlerisch ist, vor dem Anstoß zum Ligaspiel die Kicker mit einem Nein-zum-Krieg-Transparent in der Ukraine auflaufen zu lassen; und auf den Rängen Transparente zu konfiszieren, die gegen faschistische Aktivitäten von Ukraine-Neonazis gegen Donbass protestieren. (Fußball-Syndrom)

Heuchlerisch ist, den freiwilligen Ukraine-Legionären rechtliche Spielräume zuzugestehen; und Freiwillige im Donbass bei ihrer Rückkehr festzunehmen, weil sie gegen Gesetze verstoßen haben. (NATO-Syndrom)

Heuchlerisch die Haltung von Hotelbetreibern, die weißen blauäugigen Flüchtlingen kostenlose Zimmer anbieten; und ihre braunen schwarzäugigen Latina-Angestellten im Schnelltempo Zimmer putzen lassen. (Rassismus-Syndrom)

In Kriegszeiten stirbt bekanntlich die Wahrheit zuerst. Medien stehen Gewehr bei Fuß, Kriege werden auch in Redaktionsstuben entschieden. Nächste Frage: werden biologische und chemische Waffen eingesetzt? Und von wem? Die Heuchler werden ihre gut bezahlte Entscheidung treffen.

UND SONST … Die ersten Tschernobyl-Kinder sind mit ihren Familien in Euskadi angekommen. Die Behörden der Region Baskenland bereiten sich auf die Aufnahme von 3.500 Personen vor. Profil der Flüchtenden: Kinder und mittleres Alter, Alte und Kranke bleiben im Krieg zurück.

(2022-03-10)

KRIEGSWIRTSCHAFT

kolu35x10Kriegswirtschaft bezieht sich nicht unbedingt auf die Ökonomie eines Krieg führenden Landes. Der baskische Ministerpräsident Urkullu versteht darunter die Konsequenzen eines Krieges, dem sich die Region Baskenland aufgrund ihrer Zwangsmitgliedschaft im spanischen Staat, in der EU und in der NATO nicht entziehen kann. Urkullu bereitet “sein Volk“ schon einmal auf bevorstehende “schwere Zeiten“ vor, eine "Kriegswirtschaft" mit "schwerwiegenden Folgen". Am stärksten betroffen seien die Sektoren Automobile, Stahl, Öl und Gas sowie Logistik, die profitablen Zentren der baskischen Wirtschaft.

Schritt für Schritt, Satz für Satz, bereitet Urkullu die Bevölkerung auf das vor, was kommt. In der vergangenen Woche warnte er bereits, dass der Ukraine-Krieg alle Pläne, in diesem Sommer zum Wirtschafts-Niveau vor der Corona-Krise zurückzukehren, zunichte gemacht hat. Er wies auf eine "Energie-Notlage" hin, auf Produktions-Stopps in großen Unternehmen, die mit extrem hohen Gas- und Strompreisen nicht arbeiten können. Der Konflikt in der Ukraine führe “zu einer kriegswirtschaftlichen Situation". Es ist kein Geheimnis, dass unsichere Energielieferungen die Weltwirtschaft belasten, den "Anstieg der Produktionskosten aufgrund der Verteuerung von Energie und Rohstoffen". Geheim ist nur noch, in wessen Interesse und von wem gesteuert diese Entwicklungen stattfinden.

Wir sind also im Krieg. Ohne Umschweife. "Zu dieser energetischen Notsituation kommt der Mangel an Rohstoffen wie Getreide oder Sonnenblumenöl hinzu. Was sich auf den ersten Primärsektor und auf die Lebensmittelkette auswirken wird". Deshalb sollen "unsere Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz verdoppelt werden“. Doch Energiewende und alternativer Energieprojekte wie Windparks und Wasserstoff lagen nicht auf dem Weihnachtstisch.

DAS UMSTRITTENE "FRACKING

Mit seinen Bemerkungen, das gesamte Energie-Potenzial des Baskenlandes zu erforschen, einschließlich Primärsektor und Lebensmittelverarbeitung bis hin zu erneuerbaren Energiequellen und Wasserstoff, meinte Urkullu unausgesprochen auch das in Araba vermutete Gas, das allerdings nur per "Fracking" zu erschließen ist. Ein mehr als umstrittenes Projekt, das derzeit aus rechtlichen Gründen auf Eis liegt. “Auch dieses Gas gehört dazu“, sagte ein Regierungssprecher, “aber das ist momentan unmöglich, weil spanische Gesetze es verbieten. Das Gas, das auf dem Seeweg ins Baskenland gelangt, wird im Ursprungsland durch Fracking gewonnen, und der Transport ist nicht nur sehr umweltschädlich, sondern auch teuer". Sollte sich das in einer “Kriegswirtschaft“ ändern?

Tatsache ist, dass das baskische Parlament im Juni 2015 mit Stimmen von Bildu, PSOE und PP bei Enthaltung von Urkullus PNV ein Gesetz zum Verbot von Fracking verabschiedet hat. In der Folge hat die Regierung sogar die Gasförderung mit konventionellen Methoden mit der Begründung lahm gelegt, dass sie keine ökologischen oder sozialen Garantien biete. Vor einigen Tagen erklärte der Abgeordnete für Umweltfragen von Araba: "Ich hoffe, dass wir nie bereuen müssen, nicht nach Gas gesucht zu haben".

Urkullu versprach, dass "wir von öffentlicher Seite alles tun werden, um die Auswirkungen der Energieverteuerung auf die Gesellschaft und die Familien zu mildern. Die EU bereitet Sondermaßnahmen vor. Die baskische Regierung wird prüfen, wie diese Maßnahmen ergänzt werden können". Doch auch ohne Krieg ist Energiearmut längst ein Dauerzustand und niemand kümmert sich groß darum. Der Arbeitgeberverband von Gipuzkoa sprach davon, dass 62,5% seiner Unternehmen bereits jetzt mehr oder weniger stark vom Krieg betroffen sind. Seine Formel zur Eindämmung der Situation: Kurzarbeit oder die Reduzierung der Arbeitszeit.

UND SONST … Schneller als die baskische Regierung mit ihren Aufnahme-Angeboten für ukrainische Flüchtlinge waren Einzelpersonen, die schon vor Tagen in ihre privaten Kleinbusse gestiegen und trotz hohen Benzinpreisen nach Polen gekurvt waren, um bekannte Familien abzuholen. Hintergrund ist ein Programm, mit dem seit dem Tschernobyl-Unfall 1996 jedes Jahr ukrainische Kinder zur Kur in baskische Familien geholt wurden. Man kennt sich also schon lange.

(2022-03-09)

FRAUENTAG - NACHLESE

kolu35x09Die feministische Flamme wurde am Internationale Tag der Arbeitenden Frauen mit starken Mobilisierungen im ganzen Baskenland neu entfacht. Eröffnet wurden die Demonstrationen in Baiona und Donostia, in denen nach einem Jahr Pandemie-Reduzierung wieder Zahntausende auf die Straße gingen, nicht zuletzt motiviert durch die Lehren der Pandemie. Es folgten Bilbo, Gasteiz, Iruñea und andere. Am Vormittag waren Gewerkschaften, Studierende und Institutionen auf die Straße gegangen sind.

Baiona begann um 18h mit den Mobilisierungen, es folgte Donostia mit Rufen von "Gora borroka feminista!“ – Es lebe der feministische Kampf. Viele wie nie waren unterwegs, um die Notwendigkeit eines gut ausgestatteten Systems von öffentlicher Gesundheitsvorsorge zu unterstreichen. Dass es daran mangelt, war in der Pandemie mehrfach deutlich geworden. Was eine zusätzliche Belastung speziell für Frauen bedeutete. “Feuer dem System, das uns unterdrückt!“ Zur Forderung nach Gleichberechtigung kamen weitere wie die Forderung nach Achtung der Menschenrechte von Migrant*innen. Entsprechend fand die feministische Mobilisierung von Irun auf der Grenz-Brücke statt, die Hendaia und Irun trennt. In jener Zone hat polizeiliche Verfolgung im vergangenen Jahr zum Tod von sieben Menschen geführt. Ein naheliegender Platz zwischen den beiden Städten wurde in Erinnerung an die Feministin und Anarchistin in Casilda Hernáez Vargas umbenannt. Weitere 30 Straßen in Hendaia und Urruña wurden nach Frauen umbenannt. In Laudio, Tolosa, Zornotza wurde noch vor Einbruch der Dunkelheit demonstriert,es folgten Elgoibar, Tutera, Leioa.

DONOSTIA, FRAUENHAUS

Der Marsch in Donostia ging vom vom Antiguo-Tunnel auf dem Paseo de la Concha zum Boulevard, begleitet von Trommeln und mit Rufen von "Zuek matxistak zarete terroristak" – Ihr Machisten seid die Terroristen. Vier junge Frauen verlasen den Abschlusstext zum Thema Pflege, mit speziellem Hinweis auf die Situation in den Altersheimen von Gipuzkoa n der Covid nach Pandemie. Die Solidarität mit dem Kampf, den die Beschäftigten jene Einrichtungen seit Jahren führen, wurde durch die Forderung ergänzt, dass die Verwaltungen die Pflege nicht länger als "Geschäft" betrachten sollten. Neoliberale Politik müsse beendet werden, der öffentliche Charakter der Heime wieder hergestellt, "weil alle das Recht haben, betreut zu werden".

Die "Kürzungen in den Sozial-Sektoren" wurden kritisiert, es ging um die "prekäre Situation", in der sich "seit elf Jahren" das Frauenhaus Donostia befindet. Der Stadtrat hatte eine neue Fläche von 2.000 Quadratmetern versprochen, das Projekt ist bis heute in der Schwebe. Der neue Vorschlag der Stadtverwaltung ist weit von den Vorstellungen der feministischen Kollektive in Donostia entfernt. "Sie wollen das Haus aus dem Zentrum in die Peripherie verlagern", kritisierten sie und richteten eine klare Botschaft an die Stadtverwaltung: "Wir werden keine Ausreden und Verzögerungen mehr zulassen". Thematisiert wurde nicht nur das Frauenhaus, sondern auch die krasse "Immobilien-Spekulation", die zu hohen Mieten führt und wirtschaftlich schwache Gruppen vom Wohnungsmarkt ausschließt, darunter besonders viele Frauen.

VON TREIDLERINNEN ZU PFLEGERINNEN

In Bilbao begann die gemeinsame Demo nach Sternmärschen etwas später und führte zum Rathaus, nachdem sich die Kolonnen aus den Vierteln Santutxu, Uribarri, Alde Zaharra, Errekalde, Deustu und Indautxu angeschlossen hatten. Auf Höhe der Provinzregierung Bizkaia hielt der Marsch an, um die "prekären" und "unmenschlichen Bedingungen" anzuprangern, denen viele Arbeiterinnen durch die Behörde ausgesetzt sind. Mit lauten Trillerpfeifen wurde ein öffentliches Pflegesystem gefordert, "universelle und öffentliche Altersheime" und "Freiheit für ältere Menschen".

Sprecherinnen von Bilbo Feminista Saretzen erklärten vor der Demonstration gegenüber den Medien, dass "Frauen nach wie vor hauptsächlich Pflegearbeit leisten, eine Arbeit, die unsichtbar gemacht wurde". Aus diesem Grund forderten sie, dass die Regional-Regierung, der Provinzrat und die Gemeinden "die Verantwortung für ein öffentliches System übernehmen, ohne Prekarität oder Unteraufträge". Sie erinnerten an die Rolle der Schlepperinnen, die früher an dicken Seilen die Schiffe in die Häfen zogen, da "sie billiger waren als Ochsen". "Heute sind es die Pflegerinnen ", erklärten sie und erwähnten dabei besonders "die Migrantinnen, die in den Haushalten leben, sowie ältere Frauen, die pflegen".

IRUÑEA UND GASTEIZ

In Iruñea (Pamplona) gingen gegen 20.15 Uhr Tausende auf die Straße. Eine Vertreterin sagte am Ende, Ziel der Demonstration sei eine "totale Ablehnung dieses Systems". “Deshalb sagen wir: zündet es an, denn wir wollen die Dinge von der Wurzel her ändern, nicht nur eine Tünche mit vier Änderungen". Das derzeitige System sei "nicht nur patriarchalisch, sondern auch rassistisch und kolonialistisch". Sie fügte hinzu, dass bereits seit 2018 vor einem großen "Pflegenotstand" gewarnt worden sei, der mit der Pandemie "völlig klar" geworden sei. Vorwiegend Frauen kümmern sich um die Pflege, es gab keine Veränderungen". Deshalb wird ein "umfassendes und öffentliches Pflegesystem" gefordert. Eine weitere Vertreterin sagte: "Feminismus ist der Kampf, das ist der Weg und wir haben viele Gründe, heute auf die Straße zu gehen". "Dieses Jahr nicht wie in den letzten Jahren, als wir Massenstreiks organisierten. IN diesem Jahr steht die öffentliche Pflege im Mittelpunkt".

In Gasteiz endete der Marsch auf dem Virgen Blanca Platz. Dem Leittransparent folgten weitere, die zu einer feministischen Organisation und einem "revolutionären Feminismus" angesichts von LGTBI-Phobie und Faschismus aufriefen. Auch wurden Forderungen nach angemessenen Renten für Frauen erhoben. Am Marsch nahmen verschiedenste Gruppen teil, darunter solche, die sich für die Abschaffung der Prostitution einsetzen. Einige der Demonstrantinnen trugen Fackeln, andere Plakate mit Friedensaufrufen und Slogans wie "Nein zum Krieg".

UND SONST … Die Kosten des Krieges bezahlen wir alle gemeinsam. Die Benzinpreise sind so hoch wie nie, Brotpreise steigen, fehlendes SB-Öl zwingt Konservenfabriken zur Produktions-Einschränkung und Preiserhöhung. Wie lange die Energievorräte ausreichen, ist derart unklar, dass die USA sogar Venezuela wieder ins Geschäft bringen wollen.

(2022-03-08)

RASSISTISCHE FLÜCHTLINGS-POLITIK

kolu35x08"Die französische Regierung bittet uns, Ukrainer aufzunehmen, während sie uns verfolgt, weil wir afrikanischen Migranten helfen". Die das sagt ist Danièle Bideondo, Stadträtin von Urruña in Iparralde, dem französischen Baskenland. Mit ihrer Tochter war sie auf dem Rückweg von einer Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine, als sie festgenommen wurde. Ihr Verbrechen: Sie hat fünf afrikanischen Migranten in Urruña geholfen. Nachdem sie auf der Polizeiwache festgehalten wurde, bekräftigte sie ihr Engagement, prangerte den Druck der Polizei und die Doppelmoral der französischen Regierung an.

"Ich war mit meiner Tochter auf dem Rückweg von der Demonstration in Baiona zur Unterstützung der ukrainischen Bürger", sagte Danièle Bideondo, gleichzeitig Vizepräsidentin des Gemeinschafts-Zentrums für soziale Aktion (CCAS) von Urruña und Stadträtin für sozialen Zusammenhalt, gegenüber Mediabask. Bideondo wurde am Samstag im Zentrum von Urruña von Soldaten der “Operation Sentinelle“ verhaftet, eine Einheit, die über die "islamistische Bedrohung" im französischen Staat wacht. Die gewählte Volksvertreterin von Urruña wurde abgefangen, weil sie afrikanischen Migranten geholfen hatte, die gerade die Grenze von Gipuzkoa nach Iparralde überquert hatten.

"Diese Menschen hatten unter dem Vordach des Rathauses Schutz gesucht, ich ging auf sie zu, um sie zu fragen, ob sie Hilfe brauchten. Sie sagten mir, dass sie nach Baiona wollten, und ich erklärte mich bereit, sie zum Auffanglager Pausa zu begleiten", erklärt Bideondo. Die Afrikaner bestiegen den Lieferwagen ihrer Tochter, als sie gerade losfahren wollten, wurden sie von den Soldaten aufgehalten. Die Abgeordnete bat die Militärs, sie weiter nach Baiona fahren zu lassen, aber die Soldaten hätten sich geweigert und die Polizei angerufen. "Daraufhin beschloss ich, den Bürgermeister Filipe Aramendi anzurufen, schon bald kamen zahlreiche Nachbarinnen, um ihre Unterstützung zu bekunden, denn in Urruña verfolgen wir eine Politik des guten Willens gegenüber den Migranten, die durch die Stadt kommen".

Nach seiner Ankunft am Tatort wurde der Bürgermeister zur Station der Luft- und Grenzpolizei in Hendaia gebracht. Die Stadträtin und ihre Tochter wurden am nächsten Tag auf die Polizeiwache vorgeladen, die sie nach ihren Aussagen ohne konkrete Anklage wieder verlassen konnten, da die Polizei der Ansicht war, dass "die Straftat nicht eindeutig genug war". Zu diesem Zeitpunkt waren die fünf jungen Migranten, wie so viele andere vor ihnen, bereits auf die andere Seite der Grenze abgeschoben worden.

"EIN BESETZTER ORT"

Die Gemeindevertreterin prangert die "starke Militärpräsenz" in Urruña an, die ständigen Kontrollen und Verhaftungen und weist darauf hin, dass am selben Samstagnachmittag ein Ehepaar aus ähnlichen Gründen verhaftet wurde. Sie kritisierte die "Doppelmoral", die darin besteht, dass "die französische Regierung sich zwar an die Bürgermeister wendet, um sie zur Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge aufzufordern", gleichzeitig aber an der Politik der Verfolgung von Migranten aus anderen Teilen der Welt festhält, "die schreckliche Geschichten hinter sich haben". Sie beklagte die "ständige Schikanierung" der Menschen, die diesen Migranten zu helfen versuchen.

Bideondo versichert, dass sie sich "aus Menschlichkeit und Solidarität" weiterhin für Migranten einsetzen wird. Und richtet eine Botschaft an die baskische Mancomunidad (Versammlung baskischer Gemeinden in Frankreich), "damit alle gewählten Vertreterinnen uns solidarisch dafür einsetzen, diesen Menschen eine sichere Weiterfahrt zu ermöglichen".

UND SONST … Der südbaskische Ministerpräsident Urkullu wird diese Woche eine Notunterkunft mit 150 Plätzen für ukrainische Flüchtlinge in der Grenzstadt Irun einweihen. Gleichzeitig schickt seine Partei mitten im Winter obdachlose Migranten auf die Straße, die in einem offenen Sportgelände Schutz gesucht hatten. Weiße, blauäugige Ukrainer*innen werden gegen unerwünschte schwarze Afrikaner*innen ausgespielt.

(2022-03-07)

REINIGUNG: ERFOLG FÜR STREIKENDE FRAUEN

kolu35x07Erfolg in einem Arbeitskampf, für Gleichstellung von Frauen und Männern, ein Erfolg, der über Arbeits-Bedingungen hinausgeht. Mit dem Urteil eines Arbeitsgerichts wird zum ersten Mal der Kampf gegen das Lohngefälle im Reinigungssektor anerkannt, den die Gewerkschaft ELA seit Jahren in den Mittelpunkt der Tarifverhandlungen zu stellen versucht. ELA: “Wir informieren über ein Urteil, das wir am 1. März erwirkt haben, ein bahnbrechendes Urteil nicht nur für die Gewerkschafts-Bewegung, sondern für Arbeiterinnen im Allgemeinen. Das Urteil ist Ergebnis einer Klage, die wir gegen die Sozialversicherung Mutua IMQ wegen der Entlassung von 76 Reinigungskräften eingereicht hatten. Aufgrund der gewerkschaftlichen Organisierung und des Kampfes dieser Arbeitnehmerinnen in den letzten Jahren gegen das Lohngefälle sah sich IMQ im November gezwungen, den Reinigungsdienst (der über die Firma Gizatzen untervergeben war) wieder in die eigene Belegschaft zu integrieren und die Arbeitnehmer nicht weiter auszugliedern.

Da es sich nach dem Urteil um eine Frage von Grundrechten handelt (das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung ist ein Grundrecht), erhalten die Arbeitnehmerinnen eine Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro pro Person und die Gewerkschaft ELA einen Betrag von 40.000 Euro, da sie das betroffene Kollektiv organisiert und begleitet. Das Urteil geht noch weiter. Zum ersten Mal wird eine Forderung anerkannt: der Kampf gegen das Lohngefälle im Reinigungsgewerbe, den ELA seit Jahren in den Mittelpunkt der Tarifverhandlungen zu stellen versucht. Es geht darum, die in den Verträgen festgelegten Löhne für weibliche Berufsgruppen (z.B. Gebäudereinigung) mit den Löhnen für männliche Berufsgruppen (z.B. Straßenreinigung) gleichzusetzen. Bislang betrugen die Lohnunterschiede in einigen Fällen bis zu 10.000 Euro jährlich. Nun ist es gelungen, zahlreiche Konflikte und Streiks rund um diese Forderung zu beginnen. Z.B. bei der Reinigung des Guggenheim-Museums, der Reinigung der Rathäuser von Bermeo, Urduliz, Elorrio, Gorliz, Ermua, der Universität von Deusto, der Reinigung von Polizeistationen und Gerichten in Gipuzkoa, Gerichten in Bizkaia, usw.

Das Urteil anerkennt das Argument, in dem wörtlich Formulierungen zu finden sind wie "die betroffene Gruppe besteht im Wesentlichen aus Frauen", "die Auswirkungen von Unternehmens-Entscheidungen können sich auf gefährdete Gebiete auswirken und zu Unsicherheit und Instabilität führen". Am Ende: "Wenn die Entlassenen versucht haben, Rechte geltend zu machen, die den Unterschied zwischen Männern und Frauen einschränken, und die Entlassung hauptsächlich Frauen betrifft, ist unsere Schlussfolgerung die Erklärung der Nichtigkeit der Entlassung auf diesem Weg. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor". Mit anderen Worten: Die Entlassungen werden zum zweiten Mal für nichtig erklärt, weil eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt.

Wir kommen daher zu dem Schluss, dass dieses Urteil einen Präzedenzfall für andere weiblich geprägte und prekäre Arbeitssektoren schaffen kann, wie z.B. die Altersheime, Haushaltshilfen, Tagesstätten, in denen weibliche Beschäftigte Kämpfe und Streiks anführen. Unter anderem in den Altersheimen in Gipuzkoa, die seit mehr als 250 Tagen im Streik sind. Aus diesem Grund publizieren wir das Urteil und hoffen, dass es nützlich ist für weitere Kämpfe und zur Entwicklung der Arbeitsrechte von feministischen Arbeiterinnen beiträgt. Gora borroka feminista!

UND SONST … Das Karnevals-Syndrom? Ist keine besondere Leidenschaft in Köln, Tolosa, Mainz oder Ituren. Es ist ein Ausdruck von Feiern am richtigen Platz zur falschen Zeit. Zeiten der Pandemie. Just vor dem Karnevals-Hype wurden die Covid-Beschränkungen fallen gelassen. Das Adrenalin hatte freie Bahn. Ergebnis ist das Syndrom: die Ansteckungen in der Region Baskenland stiegen wieder um 9%. Das Surfen auf der siebten Welle will hier niemand verpassen.

(2022-03-06)

TIEF VERANKERTER RASSISMUS

kolu35x06Krieg in der Ukraine: Afrikanische und arabische Presse-Organisationen kritisieren westliche Medien. Medien spielen eine zentrale Rolle dafür, wie Menschen die Welt wahrnehmen. Mit diesem Grundsatz beginnt eine Mitteilung der “Foreign Press Association Africa“, einer Organisation, die sich dem Ziel einer objektiven, ausgewogenen und fairen Berichterstattung über den afrikanischen Kontinent verschrieben hat. Anlass des auf Twitter veröffentlichten Briefes ist die Berichterstattung westlicher Medien über den Krieg in der Ukraine, der sich am Wochenende in verstörender Weise Bahn brach: “Dies ist eine relativ zivilisierte und relativ europäische Stadt … wo man so etwas nicht erwarten würde“ (USA/CBS). “Es ist sehr emotional für mich, weil ich sehe, wie europäische Menschen mit blauen Augen und blondem Haar getötet werden« (GB/BBC). “Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, wir befinden uns in einer europäischen Stadt, und wir werden von Marschflugkörpern beschossen, als ob wir im Irak oder in Afghanistan wären, können Sie sich das vorstellen?“ (Frankreich/BFM TV). “Das Beeindruckende ist, wie sie gekleidet sind … das sind wohlhabende, ich verwende nur ungern den Ausdruck, Leute aus der Mittelschicht« (Al-Dschasira English).

Die “Foreign Press Association“ zeigt sich “beunruhigt über die bedauerlichen Äußerungen unserer westlichen Kollegen, die immer wieder öffentlich erklären, dass sie einen Unterschied zwischen dem Krieg und dem Leid in der Ukraine und dem in armen Ländern sehen“. Die Vorstellung, dass Krieg eine Sache sei, die in Ländern außerhalb des Westens stattfindet, “ist mehr als kurzsichtig“, geht die Kritik weiter. Noch einmal wird klargestellt: “Menschen, die nicht weiß sind, sind nicht von Natur aus anfälliger für Gewalt und Leid und daran gewöhnt. Menschen, die nicht weiß sind, sind nicht weniger zivilisiert oder unfähig, Konflikte zu lösen.“

Und auch die “Arab and Middle Eastern Journalists Association“ wandte sich am Montag an die Öffentlichkeit, in dem die Organisation “orientalistische und rassistische Unterstellungen“ kategorisch verurteilt und ablehnt, “wonach eine Bevölkerung oder ein Land ›unzivilisiert‹ sei oder wirtschaftliche Faktoren aufweise, die es würdig machen, verurteilt zu werden“. Diese Art von Kommentaren spiegelten “die im westlichen Journalismus weitverbreitete Mentalität wider, Tragödien in Teilen der Welt wie dem Nahen und Mittleren Osten, Afrika, Südasien und Lateinamerika zu normalisieren“. Sie trügen zur Entmenschlichung bei und würden die Kriegserfahrungen dieser Menschen “als etwas Normales und Erwartetes“ darstellen. Chris Doyle vom “Council of Arab-British Understanding“ erklärte gegenüber The National, dass einige der Kommentare die Ignoranz und den beiläufigen Rassismus gegenüber der Region verdeutlichten. Und er wies auf eine weitere (langlebige) Form doppelter Standards hin: “In der Ukraine werden Menschen zum Kämpfen ermutigt oder für den Einsatz von Molotowcocktails gefeiert und als ‘Freiheitskämpfer‘ bezeichnet, und in anderen Teilen der Welt, wie im Irak oder im Westjordanland, werden sie als ‘Terroristen‘ bezeichnet“.

Neben der offiziell geäußerten Kritik sind viele Nutzer sozialer Netzwerke in den betroffenen Gegenden dazu übergegangen, sich selbst und ihre Geschichte als “unzivilisiert“ zu bezeichnen und mit einem entsprechenden Hashtag zu versehen: “#unzivilisierter irakischer Maschinenbau-Ingenieur, der für ein internationales Öl- und Gasunternehmen arbeitet, mit drei Sprachen und zehn internationalen Zertifikaten“, um nur ein Beispiel zu nennen. Der CBS-Reporter hat sich mittlerweile für seine Äußerungen entschuldigt. Würde Rassismus nicht selbstverständlich zum westlichen Repertoire gehören, wären sie erst gar nicht gefallen. (JW)

UND SONST … Wer schießt im ukrainischen AKW? Die Russen, sagt der Präsident des angegriffenen Landes. Sein Wort wird zur Weltwahrheit. Existieren noch Momente nüchterner Betrachtung? Warum sollten die Russen? Als die Rakete einschlug befanden sie sich unmittelbar vor der Anlage, die gleich nach dem Einschlag besetzt wurde. Warum sollten sie einen atomaren Unfall riskieren? Nüchtern gefragt.

(2022-03-05)

FRAUENSTREIK IN KEKSFABRIK

kolu35x05Wie ihre Vorgängerinnen vor mehr als 100 Jahren sind die Arbeiterinnen der Keksfabrik in Amurrio und Deusto im Streik für bessere Arbeitsbedingungen und gegen die von der Geschäftsleitung beabsichtigten Verschlechterungen. Seit mehr als 100 Tagen. Vor 105 Jahren kämpften die Frauen für einen Acht-Stunden-Tag, der vor 100 Jahren erreicht wurde. Bis heute gibt es immer noch Gründe zum Streik.

"In Anbetracht der despotischen Haltung, die der Eigentümer und Chef der Keksfabrik an den Tag legt, sind wir im Streik. Dieser Herr ist zynisch genug, die Arbeitsvorschriften abzuschaffen und den Arbeiterinnen ein Protokoll vorzulegen, mit der er den schweren und schlecht bezahlten Arbeitstag um eine Stunde verlängern will. Indem er behauptet, er verdiene nicht genug Geld, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Er sei gezwungen, sie zu schließen. Dagegen sind wir seit 100 Tagen im Widerstand. Seit dem Streik von 1922 sind viele Belegschaften und verschiedene Besitzer durch Artiach gegangen. Die meisten Chefs haben versucht, die Arbeitsbedingungen zu verschärfen“.

Auch in diesem Fall soll nicht zugelassen werden, dass ein Unternehmen mit den Gewinnen von Artiach das Leben der Arbeiterinnen unsicherer macht. “Wir können nicht zulassen, dass sie reicher und wir ärmer werden. und noch weniger, dass neue Mitarbeiterinnen diskriminiert werden. Die Lohngleichheit wurde 2015 erreicht, und wir werden nicht zulassen, dass sie wieder zurückgenommen wird“. Adams Foods ist das Unternehmen, dem Galletas Artiach derzeit gehört. “Sie sagen uns, dass wir billiger und flexibler sein und länger arbeiten müssen“. Das sei nötig, um die Investitionen im Betrieb von Amurrio zu finanzieren, dort ist eine Erneuerung dringend notwendig. “Wir haben geantwortet, dass niemand unsere Arbeit in Frage stellen kann, dass unsere Professionalität unbestreitbar ist, dass sie durch unsere Arbeit viel Geld verdienen und wir unseren Anteil wollen“.

Es ist kein Zufall, dass innerhalb des Industrie-Sektors ausgerechnet die Lebensmittel-Industrie die stärkste Prekarität aufweist. Es ist der Sektor, in dem die meisten Frauen arbeiten, daraus ergibt sich ein Lohngefälle, das wir beseitigen müssen. Adams Foods will aber eine doppelte Tarifskala einführen. Wir appellieren auch an die baskische Regierung, sich einzumischen, um mitzuwirken, dass der Dialog zwischen dem Unternehmen Galletas Artiach und den Gewerkschaften weitergeführt wird, mit dem Hauptziel, dass die Belegschaft einen fairen Vertrag erhält, in dem die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessert werden. Die Regierung soll sicherstellen, dass das Unternehmen Adams Foods die notwendigen Investitionen zur Modernisierung der Fabrik aufbringt und die Zukunft der Produktion von Artiach Biscuits in Orozko sichert. (Gruppe Artiach im Kampf)

UND SONST … Im Baskenland ansässige Unternehmen brechen die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland ab: Mercedes, Michelin, Siemens-Gamesa. Die Mittleren Betriebe, die vor allem im Maschinenbau von Einzelaufträgen leben, sind allerdings besorgt, weil bereits ein Auftragsverlust schwerwiegende Folgen haben kann.

(2022-03-04)

EIN GUTER JOURNALIST

kolu35x04Derzeit ist es nicht einfach, objektive Information über den Krieg in der Ukraine und seine Vorgeschichte zu bekommen. Die Nachrichten sind voller Kritik an Russland, alles was dagegen mobilisiert wird, ist positiv: erhöhte Militärausgaben, Lieferung von Angriffswaffen, die USA, die NATO. Das sonst noch angenehm pluralistische baskische Fernsehen ist praktisch gleichgeschaltet. Embedded. Ein linker Journalist aus Bizkaia wurde in Polen verhaftet, wegen angeblicher Spionage im Auftrag Russlands, die Argumente sind haarsträubend. Sein Kontaktmann bei der baskischen Tageszeitung Gara schreibt dazu:

Ich habe mit Pablo González am vergangenen Samstag telefoniert, einen Tag bevor er von der polnischen Polizei verhaftet und 96 Stunden lang in Isolationshaft gehalten wurde. Er war nach Polen zurückgekehrt und versuchte, die Grenze in die entgegengesetzte Richtung überqueren, zu den Hunderttausenden von Menschen zu, die vor der militärischen Aggression Russlands in der Ukraine flohen. Pablo hatte sich bis kurz zuvor in der Ukraine aufgehalten und war erst wenige Tage vor Beginn der Invasion abgereist, weil er wie fast alle anderen davon überzeugt war, dass Putin blufft. Schon damals hatte er Probleme mit dem ukrainischen Geheimdienst SBU, er wurde festgehalten und Ausweisung angedroht.

Pablo erzählte, dass die Geheimdienstler ihn beschuldigten, für die baskische Zeitung GARA zu arbeiten, die "mit dem Kreml verbunden ist und von ihm finanziert wird". Auch seine Kreditkarte der baskischen Sparkasse Caja Laboral brachten sie "mit Moskau in Verbindung". (Wahrscheinlich ist sogar die PNV vom KGB unterwandert). Eine weitere Tatsache machte ihn „“verdächtig“: obwohl er die spanische Staatsbürgerschaft hat, wurde Pablo in Russland geboren und spricht Russisch, was ihm seine Arbeit in der Region natürlich erleichterte. Es klang wie ein Witz, war aber nicht lustig. Wir kamen überein, uns bedeckt zu halten, um zu sehen, ob sich die Wogen glätten. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Freiberufler in einem Kriegsszenario mit solchen Drohungen konfrontiert wird.

Was Pablo nicht bedachte, dass wie Putin auch der SBU nicht bluffte. Denn gleichzeitig erhielt seine Familie in Bizkaia "Besuch vom spanischen Geheimdienst CNI" und seine Verhaftung in Polen zeugen von der Querverbindung. Pablo ist eingesperrt, weil er über den Krieg berichtet hat. Nicht nur für Gara. Wie so viele Freelance-Journalisten arbeitet er für mehrere Medien, Público, die Agentur Efe, La Sexta. In einem baskischen Radio wurde seine Frau Oihana interviewt und gefragt: "Ist Pablo ein Spion?“ Die Mutter seiner Kinder reagierte mit Unverständnis und antwortete mit einem deutlichen "Nein". Nach meinem Verständnis hat diese respektlose und dumme Frage mit dem Boulevard-Journalismus zu tun, mit der Suche nach dem Highlight, der stumpfen, aber leeren Phrase, die unseren Beruf plagt. Gut, dass es noch Journalisten wie Pablo gibt.

Die Tragödie ist, dass er im Gefängnis sitzt. Wegen seiner Berichterstattung und einer Kette von Ereignissen, die zu seiner doppelten "Naivität" führten. Indem er glaubte, dass Putin nicht "Ukrainer und Russen in ein solches Drama" stürzen würde, wie er selbst sagte. Und bei dem Versuch, in den Brennpunkt zurückzukehren und sich somit der Gefahr auszusetzen, dass der ukrainische Geheimdienst seine Verbindungen aktiviert und die Inhaftierung eines Journalisten veranlasst Pablo eine Spion? Was für ein Schwachsinn!

UND SONST … Nachdem in Donostia der Traum vom Weiterkommen in der Europa-Liga der Fußballer an einem multinationalen Konzern aus Leipzig gescheitert ist, mussten nun auch die Berufskollegen aus Bilbao die Segel einfahren, in diesem Fall im iberischen Pokal, man scheiterte am FC Valencia eines Multimillionärs aus Singapur.

(2022-03-03)

GEGEN KRIEG UND MILITARISIERUNG

kolu35x03Die antimilitaristische Plattform Coordinadora Antimilitarista Kakitzat mobilisierte in Bilbo vor dem Sitz der rechten PNV-Partei, um gegen Krieg, Waffenfabriken und Militärausgaben zu protestieren. Angesichts des Krieges in der Ukraine forderten sie eine Deeskalation und nannten die beteiligten "Warlords" beim Namen. Nicht nur Putin, auch Zu Hause.

Kakitzat machte ihre Ablehnung von Militarismus aller Art zum Ausdruck. Angesichts des Kriegs in der Ukraine wurde eine Deeskalation gefordert, "um auch auf die Kriegsgewinnler mit baskischem Label zu zeigen". Am selben Tag hat die PNV im spanischen Kongress die Lieferung von Waffen an die Ukraine verteidigt und damit die einheimische Waffenindustrie verteidigt. Mit ihrem Protest beklagen die Antimilitaristen die Tatsache, dass die Regierung in ihrem Haushalt 100 Millionen Euro für die Rüstungsindustrie bereitgestellt hat. Gleichzeitig wenden sie sich an diejenigen, die die Bereitstellung von 22 Milliarden Euro für staatliche Militärausgaben in diesem Jahr genehmigt haben.

Kakitzat: "Die jüngsten Ereignisse zeigen uns, dass notwendiger denn je eine entmilitarisierte Gesellschaft ist, in der es keinen Platz für militaristische Strukturen wie die NATO, Angriffe und Invasionen, Kasernen und Militäranlagen, Waffenfabriken, Armeemanöver auf baskischem Boden, erhöhte Militärausgaben oder die Ausfuhr von Waffen über den Hafen von Bilbao gibt". Kurz gesagt: "Krieg war noch nie eine Lösung für Konflikte, sondern eher der Triumph der Unvernunft". Aus diesem Grund machten sie ihre Unterstützung für die betroffene Zivilbevölkerung in der Ukraine, "die großen Opfer aller bewaffneten Konflikte", die als "wahllose militärische Ziele" benutzt werden.

In Bezug auf die Militärausgaben betonten sie, dass es einen "alarmierenden Anstieg unter dem Vorwand der Sicherheit" gebe, während andere Mittel gegen Probleme wie Arbeitslosigkeit, mangelnde Gesundheitsfürsorge, Armut und hohe Wohnungspreise vernachlässigt würden. Auf diese Weise "profitiert nur die Waffenindustrie". Außerdem sei die derzeitige Weltordnung "zutiefst ungerecht" und erfordere radikale soziale, wirtschaftliche und politische Veränderungen. Sie wiesen erneut darauf hin, dass die fremdenfeindliche und stigmatisierende Politik gegenüber der Arbeiterklasse und die Verfolgung von Flüchtlingen und Migranten zunehme.

UND SONST … In der baskischen Hauptstadt wird heute an das Polizeimassaker vom 3. März 1976 erinnert. Kurz nach dem Tod Francos waren zehntausende im Streik, die franquistische Polizei schoss in eine Menschenmenge, die sich in einer Kirche versammelt hatte, fünf Tote, viele Verletzte. Der Mord wurde nie aufgearbeitet.

(2022-03-02)

ES IST KRIEG

kolu35x02Wer sich die große Mehrheit der spanischen (und baskischen) Medien anschaut, bekommt den Eindruck, dass in der Ukraine eine Art “Blitzkrieg“ nach dem Nazi-Modell stattfindet. Nichts weiter von der Realität entfernt. Seit mehr als 10 Jahren ist die Ukraine als Krisenherd bekannt und keine Seite hat die geringsten Anstrengungen gemacht, die Spannungen zu überwinden. Wie immer bedeutet auch dieser Krieg, dass alle Beteiligten verlieren, Russland, Europa, die Ukraine sowieso, die USA am wenigsten. Auf allen Seiten gewinnt und verdient die Rüstungsindustrie, egal ob in Markina, München, Moskau oder Michigan. Das baskische öffentliche Fernsehen ist zu 100% auf die Anti-Russland-Linie eingeschwenkt, die sonst üblichen kritischen Reportagen (Kurdistan, Palästina, USA) sind komplett aus den Nachrichten verschwunden. Bedenkenlos undifferenziert unterstützt wird alles, was blau-gelb daherkommt, seien es Kinder, Bürger, Politiker oder Neofaschisten.

Begrüßt werden deshalb die Entscheidungen der bundesdeutschen und der spanischen Regierung, neben der EU zusätzliche Offensiv-Waffen an die Ukraine zu liefern (damit dort Jugendliche besser bewaffnet werden können, wie im Fernsehen zu sehen). In Deutschland sind es wieder Grüne und Sozialdemokraten, die mit der Zündschnur spielen, wie vor 24 Jahren an der Jugoslawien-Front. Der spanische Sanchez kümmert sich wenig um seinen Koalitions-Partner Podemos und entscheidet im Sinne der Waffenindustrie, wohlwissend, dass er in dieser Frage die Zustimmung der Postfranquisten in der Tasche hat.

Die einzigen, die dem nicht zustimmen, sind die Katalanischen Republikaner von ERC und die baskische Linke von EH Bildu (die vorher allerdings dem Staatshaushalt mit allen Gewehren und Panzern zugestimmt hatten). Juniorpartner Podemos hingegen steht vor einer (weiteren) Spaltung. Die Sanchez-Stellvertreterin Diaz gießt Öl ins Feuer, ihre Fraktion ist gegen die Waffenlieferung. Häufig wechselnder Koalitionsverkehr.

Unterstützung auch (wen wundert es) erhält Sanchez auch von der baskischen PNV, die sich für nichts zu schade ist, wenn es um ihre gehätschelte Waffenindustrie geht, die auch in diesem Jahr wieder mit 100 Millionen subventioniert wird (EH Bildu hatte ebenfalls zugestimmt). Dann wird der Gernika-Diskurs von den Kriegsverbrechen einfach mal am Straßenrand geparkt, den im Steuersäckel eingehenden Millionen sieht man es ja nicht an, durch welche Blutlachen sie gezogen wurden.

Zutiefst heuchlerisch die Politik der baskischen Regierung, die (noch vor der spanischen) hinausposaunt, 150 Unterkünfte für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Ein wahrlich humanitärer Akt! Von dem Flüchtlinge aus Afrika (Marokko, Ghana oder Senegal) nur träumen können. Im Gegenteil, denen wurde mitten im Winter das Notdach einer Sportanlage genommen, indem der Platz vergittert wurde. Manche Flüchtlinge sind eben gleicher als gleich – Genaueres entscheiden die Schweine der Regierung.

UND SONST … Kriegsgewinnler in der Ölindustrie: vorgestern stiegen die Benzinpreise um vier Cent, gestern um weitere neun. Auch die Bevölkerung im Westen zahlt die Rechnung. Vor allem die Kleinunternehmer, die auf ihre Fahrzeuge nicht verzichten können.

(2022-03-01)

WARUM MUSS FOLTER ANERKANNT WERDEN?

kolu35x01Die Anerkennung der baskischen Regierung, dass Mikel Zabalza 1985 an den Folgen von Folter durch die Guardia Civil gestorben ist, hat paradoxen Charakter: Für die große Mehrheit der baskischen Bevölkerung ist die Offenbarung keine Überraschung, alle wussten es, wenn sie nur wollten. Aber sie stellt ein Novum dar. Daher ist es logisch zu fragen, welchem Zweck die Entscheidung dient. Zuallererst den acht Geschwistern von Zabalza. Beim Gedenkakt in Orbaizeta vorgestern haben sie erklärt, was die Entscheidung für sie bedeutet und was nicht. Dem ist nichts hinzuzufügen, nur eine weitere Begleitung nach 36 Jahren Schmerz und in ihren berechtigten Forderungen.

Die Anerkennung dient dazu, die Guardia Civil, Gerichte und Institutionen bloßzustellen. Nach dem erfolglosen Versuch, eine niemals nachvollziehbare offizielle Version durchzusetzen, wurde im Laufe der Jahrzehnte eine zweite Lüge in Szene gesetzt. Dass es unmöglich sei, mit Genauigkeit festzustellen, wie Mikel gestorben ist. Der Bericht der Untersuchungs-Kommission widerlegt dies. In der Intxaurrondo-Kaserne wurde er gefoltert und getötet, nachdem er fälschlicherweise für ein ETA-Mitglied gehalten wurde und auch unter der schlimmsten Folter nichts hatte sagen können. Es folgten von der Zivilgarde verbreitete und von den Medien gerne kopierte Versionen, die wie die Flucht-Behauptung nicht haltbar waren. Zudem gab es Hinweise in andere Richtungen.

Selbst den Promotoren der Anerkennung (in der Regierung) könnte sie dienen, um die einmal erlebte Erkenntnis auf andere Fälle zu übertragen. Fälle, in denen es (wie bei Mikel Zabalza) eine Wahrheit ohne Gerichtsentscheidung gibt. Zum Beispiel der Tod von Rosa Zarra im Verlauf einer Demonstration 1995 in Donostia. Sie wurde von einem Gummigeschoss der Ertzaintza-Polizei getötet. Nachdem das baskische Fernsehen zum Jahrestag darüber berichtete, heulten Polizeivertreter auf und erzwangen vom Fernsehen eine Gegendarstellung: es sei juristisch nicht erwiesen, dass die Frau an einem Polizeigeschoss starb. Juristisch gesehen richtig, auch wenn Dutzende Personen es direkt erlebt haben. Wie bei Iñigo Cabacas. Auch bei Mikel Zabalza ist das nicht der Fall und wird es auch nie sein (falls nicht ein Polizist auf seine letzten Tage sein Gewissen erleichtert).
Wahrheit könnte zu einem Katalysator für Konfliktlösung und Koexistenz werden. Das Konzept einer Wahrheits-Kommission wird von staatlichen Stellen bislang für nicht durchführbar gehalten. Mit der Anerkennung der Todesursachen von Mikel Zabalza könnten sie eine Lektion lernen. Denn die Bewertungs-Kommission Zabalza hat eine ganz ähnliche Aufgabe mit Objektivität, Professionalität und Ergebnissen erfüllt. Diejenigen, die "ungelöste Verbrechen von ETA" nur als Vorwand für Rache nehmen, sollten in den Spiegel der Familie Zabalza schauen.

UND SONST … Gegen Krieg zu sein heißt nicht, gegen Russland zu sein. Nicht nur. Es heißt gegen Militarisierung, Rüstung und gezielte Eskalation zu sein. Gegen NATO und russische Invasion. Gegen baskische Kriegsproduktion und Waffenlieferungen nach Saudi Arabien. Gegen imperialistische Kriege, wer auch immer gerade am Drücker ist. Sanktionen? Wir erinnern uns beim besten Willen nicht an die Sanktionen nach dem völkerrechts-widrigen Angriff gegen den Irak. Weil es keine gab. Putin? Bush, Blair, Aznar! Die Berichterstattung in den Medien ist unerträglich. Unerträglich einseitig und unhistorisch.

ABBILDUNGEN:

(0) Collage. (1) Folter. (2) Krieg. (3) Krieg, Militarisierung. (4) Journalist verhaftet. (5) Frauenstreik. (6) Rassismus. (7) Streikerfolg. (8) Flüchtlingspolitik. (9) Frauentag, Nachlese. (10) Kriegswirtschaft. (11) Heuchlerisch. (12) Menschenhandel. (13) Stress. (14) LKW-Streik. (15) Freispruch nach Folter. (16) Antifaschistin. (17) Tourismus-Wohnungen. (18) Mikel Zabalza. (19) Blutgewinne. (20) Flüchtlinge. (21) Offene Fronten. (22) Erfolgreicher Streik. (23) Krieg. (24) Leichen aus der Festung. (25) Blaue Division. (26) Massenviehzucht. (27) Lärm in Bilbo. (28) Festnahmen. (29) Regularisierung Jetzt! (30) Kriegs-Exhumierung. (31) Durango.

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-03-01)

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