Bitte keine Scherze mit A!
April, der Gernika-Monat, der Elgeta-Monat. April, der Monat der unsäglichen Scherze. April, der Monat der vierten Corona-Welle und der Massenimpfungen in Messezentren. April, Sieg der Franquisten und Einweihung des Franco-Mausoleums. Gurs, Etxebarrieta, Gagarin, NATO-Gründung, Martin Luther King, Rosenberg-Todesurteil, Eduardo Galeano, Petra Kelly. Segovia-Flucht, Polizeimord Iñigo Cabacas und erzwungener Baustopp in Itoiz. Picasso stirbt, ETA wird entwaffnet, die zweite Republik wird ausgerufen.
April 2021, vierzehnter Monat der Ausnahme-Regelungen wegen der Coronavirus-Pandemie. Monat der Erinnerung an den franquistischen Genozid und die republikanische Niederlage im Baskenland und im republikanischen Spanien.
INHALT:
* (30-04) Nachlese zum Gernika-Jahrestag * (29-04) Industrielle Fleischproduktion * (28-04) Condor-Zünder aus Niedersachsen * (27-04) Covid und die Zuschauer-Frage * (26-04) Gernika und Guernica * (25-04) Gernika nicht aufgearbeitet * (24-04) Sarrionaindia ist zurück * (23-04) Brutal und rassistisch * (22-04) Nacktfotos mit Spencer Tunick * (21-04) Sieg oder Niederlage * (20-04) Tempo-Limit dreißig * (19-04) Räumungs-Krieg in Abadiño * (18-04) Picasso Guernica Kelly * (17-04) EM: Was Bilbao verliert * (16-04) Besetztes Haus von Faschisten-Unternehmen geräumt * (15-04) Franquismus-Opfer per DNA identifiziert * (14-03) Die Republik von Eibar * (13-04) Joseba Sarrionaindia * (12-04) Frauen-Team gewinnt Mini-Turnier * (11-04) Bask*innen sorgen für Verteuerung in Kantabrien * (10-04) Streit um die Eurocopa * (09-04) Tod eines Fußball-Fans in Bilbao * (08-04) Euskara offiziell in Frankreich * (07-04) Korrika, für die baskische Sprache * (06-04) Sabotage gegen den Staudamm Itoiz * (05-04) Flucht der Gefangenen von Segovia 1976 * (04-04) Aberri Eguna, Vaterlandstag * (03-04) Der jüngste Tag, Pokal-Finale * (02-04) Ein Däne errinnert sich an Athletic * (01-04) Gegen Privatisierung und Neoliberalismus *
(2021-04-30)
GERNIKA NICHT VERGESSEN
84 Jahre sind seit dem Schrecken von Gernika vergangen. Ausgerechnet am Jahrestages musste ich von einem Schwachkopf lesen, dass die Vernichtung der Stadt die Schuld der mangelhaften Feuerwehr der baskischen Regierung zu jener Zeit war. Ein anderer schwadronierte, dass es doch wohl ein unzulässiger Zufall sei, dass just das Parlamentsgebäude und die Waffenfabriken stehen blieben. Ganz zu schweigen von dem Schmierfink mit Historikerdiplom, der sich in einer Übung von geistiger Selbstbefriedigung über Picassos Gemälde und die bösen Nationalisten erging.
Es sind nicht die Zeiten, in denen man sich den Luxus des Vergessens gönnen darf. Wer diese Kolumnen häufiger liest, weiß wohl, dass hier keine Übertreibungen praktiziert oder vorschnell Alarmglocken geläutet werden. Eine Wiederholung des Bürgerkriegs ist derzeit nicht zu befürchten. Aber wir haben Augen im Gesicht und ein Paar Ohren an der Seite. Wir sehen und hören eine Handvoll Satans-Kinder, wie sie von einer Rückkehr zu alten Epochen träumen. Einige, um wieder zu siegen und andere, weil sie die Tragödien anderer als Inspiration für ihre eigenen heroischen und großspurigen Tweets benutzen. Immer mit guter Deckung und frei von jeglichen Folgen.
Im Namen der Opfer jenes Tages – mehr als 40 Jahre dauerte die franquistische Unterdrückung – müssen wir uns gegenseitig schwören, die Erinnerung an das, was an jenem schicksalhaften Montagsmarkt in Gernika geschah, in der Erinnerung aller wachzuhalten.
RÜCKBLICKE: (1492) Die Katholischen Könige Kastiliens erteilen Kolumbus den Auftrag zur Reise nach “Westindien“, er wird zum Admiral, Vizekönig und Gouverneur der entdeckten Gebiete ernannt. * (1557) Der Mapuche-Führer Lautaro wird von kastilischen Soldaten im heutigen Chile ermordet. * (1909) In Spanien wird das Recht auf Streik anerkannt. * (1945) In Berlin hissen sowjetische Soldaten die rote Fahne auf dem Reichstag, Hitler und Goebbels begehen Selbstmord. * (1976) In Barcelona wird Charlie Chaplins Film “Der große Diktator“ (von 1940) uraufgeführt, nachdem er vom Regime 36 Jahre lang zensiert war. * (1975) Die letzten US-amerikanischen Truppenverbände verlassen nach ihrer Niederlage Vietnam. * (1977) In Buenos Aires protestieren zum ersten Mal vierzehn Frauen am Mai-Platz gegen die argentinische Diktatur, sie fordern die Aufklärung des Verschwindens von hunderten von Menschen.
(2021-04-29)
MAKRO-INDUSTRIELLE FLEISCHPRODUKTION
An der Grenze zwischen Navarra und Castilla-León gibt es Streit wegen einer Makro-Rinderfarm, die dort geplant ist. Die Kooperative VDO plant in Noviercas (CL) eine gigantische Farm für mehr als 23.000 Tiere, was dem Rinderbestand von ganz Navarra entsprechen würde. Gleichzeitig will VDO im navarrischen Caparroso (90 km nördlich) eine weitere bereits genehmigte Farm mit 7.000 Rindern einrichten.
In Zeiten der Coronavirus-Pandemie und im Wissen, dass diese Geißel der Menschheit durch industrielle Fleischproduktion verursacht wurde, wirken solche Pläne unsinnig und überdimensioniert wie aus dem Wilden Westen des 19. Jahrhunderts. Selbst die sozialdemokratische Regierung Navarra stellt die Pläne in Frage. Die Bauernverbände von Navarra und Castilla-León haben das ebenfalls schon getan. Fachliche Unterstützung erhalten sie nun vom Verband der Wasserwirtschaft des Duero-Flusses (Confederación Hidrográfica del Duero - CHD), der die Genehmigung zur Grundwasser-Forschung für den Makro-Bauernhof von Noviercas verweigert, da das erforderliche Wasser-Volumen nicht vorhanden ist. Der Bauernverband COAG Castilla-León fordert, dass das Projekt aufgegeben wird.
Die geografische und rechtliche Situation ist kompliziert, was die beiden Makroprojekte zur Fleischproduktion angeht. Das kleinere Großprojekt Caparroso liegt auf navarrischem Territorium und hat bereits die notwendigen Genehmigungen zum Betrieb. Noviercas hingegen liegt in der spanischen Provinz Soria, etwa 50 Kilometer von der Navarra-Grenze entfernt. Beide Unternehmen haben wegen der ökologischen Folgen ihrer geplanten Aktivitäten für Aufsehen gesorgt. Zum einen wären für den Farmbetrieb Unmengen von Wasser notwendig, die an anderer Stelle fehlen könnten – weshalb der Bauernverband auf die Barrikaden geht. Andererseits produzieren Tausende von Rindern Meere von Gülle und Mist, die irgendwie gelagert oder entsorgt werden müssen – ein Thema für Ökologinnen. Und drittens ist eine derart gigantische Fleisch-Produktion nach der Erfahrung der Pandemie gänzlich abzulehnen.
Genau dieses letzte Argument zählt im Streit um die Makro-Farmen bisher am wenigsten, weil sehr wahrscheinlich das Bewusstsein fehlt. Solange sich das nicht ändert, bleibt nur die Hoffnung auf ein ökologisches Minimum in der Regierung: "Wir fordern den Landwirtschaftsminister auf, die angekündigte gesetzliche Regelung zur Begrenzung der Größe von Rinderfarmen dringend in Kraft zu setzen. Und wir vertrauen darauf, dass die Regionalregierung Castilla-León ihre Unterstützung für das Projekt wegen seiner offensichtlichen sozialen und ökologischen Unhaltbarkeit zurückzieht", so der Bauernverband CL, auf der in Navarra bereits beschrittenen Linie.
RÜCKBLICKE: (1937) Drei Tage nach der verheerenden Bombardierung von Gernika durch die nazistische Legion Condor marschieren spanisch-faschistische Truppen in die Stadt. * (1980) Die erste baskische Regierung nach Franco konstituiert sich offiziell. * (1984) Der Fußballclub Athletic Bilbao erringt seinen achten und bisher letzten Meistertitel in der spanischen Liga. Dazu gewinnt der Club auch den spanischen Pokal.
(2021-04-28)
NEUE PARTNERSCHAFT MIT GERNIKA?
Bovenden und Lenglern sind Dörfer nördlich von Göttingen in Niedersachsen. In Lenglern stand einst eine Munitionsfabrik, sehr zum Gefallen der Nazis. Als die im Jahr 1936 die spanischen Faschisten-Generäle bei ihrem Militärputsch unterstützten und die Legion Condor Bomber schickten, kam die Munitionsfabrik Lenglern wieder ins Spiel.
Das zumindest vermutet der derzeitige Gemeinderat und zieht eine Verbindung zum Angriff der deutschen Piloten auf Gernika. “Die Bomben für diesen völkerrechtswidrigen Angriff sollen in der Munitionsanstalt in Lenglern mit Zündern versehen und einsatzbereit gemacht worden sein“, stellt der Gemeinderat Jan Ristings fest. “Wir sind nicht verantwortlich für das, was in den Jahren von 1934 bis 1945 in der Munitionsanstalt in Lenglern geschehen ist. Aber wir haben die Verpflichtung, uns dieser Vergangenheit zu stellen, sie aufzuarbeiten und aus ihr zu lernen.“
Späte Einsicht, aber besser spät als nie. Deshalb schlägt die Ratsgruppe aus Bovenden-Lenglen eine Partnerschaft mit Gernika vor. Hinter dem Vorschlag stehen die Fraktionen der FDP und der Freien Wähler-Gemeinschaft, sicher keine Pioniere in der antifaschistischen Geschichts-Aufarbeitung.
Der Antrag von FWG und FDP sieht vor, zunächst an Bürgermeister und Rat von Gernika-Lumo zu schreiben und so die Grundlage für eine Partnerschaft in der Zukunft zu legen. “Wir wollen, getragen von einem breiten Konsens im Gemeinderat, die Hand nach Gernika ausstrecken und die Grundlage für eine freundschaftliche Partnerschaft in der Zukunft legen“. Eine solche Partnerschaft könne nach Auffassung des FDP-Ratsherrn durch gegenseitige Besuche von Einwohnergruppen, symbolische Gesten der Erinnerung oder perspektivisch auch durch einen Schüleraustausch zwischen der IGS Bovenden und einer Schule in Gernika mit Leben gefüllt werden. (LINK)
RÜCKBLICKE: (1832) In Spanien wird der Galgen als Hinrichtungsmethode durch die Garrote ersetzt. * (1945) In Italien wird der als deutscher Soldat verkleidete und am Vortag festgenommene Faschistenführer Benito Mussolini exekutiert. * (1977) Ende des Stammheim-Prozesses gegen Baader, Ensslin, Raspe, das Urteil lautet lebenslänglich. * (1988) In Vitoria-Gasteiz wird im Anschluss an eine Demonstration ein leeres Haus in der Altstadt besetzt, das sich bis heute gegen alle Räumungsangriffe halten kann. * (1989) Tod von Raul Sendic, Gründer der Tupamaros in Uruguay.
(2021-04-27)
COVID UND DIE ZUSCHAUER-FRAGE
Sport hat sich in den vergangenen 14 Monaten als Antagonismus zur Bekämpfung der Pandemie erwiesen. Wo Körperkontakt zur Natur der Sache gehört, steigt die Ansteckungsgefahr, auf dem Platz wie auf den Rängen. Deshalb wurde der Sport zu Beginn der Pandemie zuschauer-frei gemacht. Doch die Widersprüche setzen sich fort. Vergangene Woche wurde Bilbao als Austragungsort der Fußball-Eurocopa von der Liste gestrichen, weil die baskische Regierung keine Möglichkeit sah, unter den gegebenen Umständen Publikum zuzulassen, wie es die UEFA plötzlich gefordert hatte. Die Vorsicht der Regierung Urkullu ist berechtigt, die vierte Covid-Welle schlägt Rekorde, die Inzidenz liegt bei knapp 500. Dennoch wurde eine Anfrage gemacht beim spanischen Gesundheits-Ministerium, die Antwort war, Publikum sei nicht ratsam.
Danach ging es Schlag auf Schlag: Bilbao flog raus, Sevilla wurde als Ersatz nominiert, weil dort seltsamerweise kein Problem gesehen wurde, die Ränge zu füllen. Wird da etwa mit zweierlei Maß gemessen? - fragte man sich in Euskadi. Aber nicht genug. Keine sieben Tage nach dem Rauswurf des baskischen Austragungsorts wurde im selben spanischen Ministerium die Möglichkeit angedacht, die letzten Liga-Spieltage mit Publikum auszuspielen. Auch im Basketball, obwohl dieser Sport bekanntlich in besonders risiko-behafteten Hallen stattfindet.
Die in Bilbao dürfen sich zurecht verarscht fühlen. Als sie endlich einmal konsequent blieben und eine richtige Entscheidung trafen (kein Publikum), wurden sie von Madrid und Sevilla über den Tisch gezogen. Und was hat Basketball mit der Eurocopa zu tun? Die Zulassung von Zuschauerinnen im Liga-Endspurt wäre das Feigenblatt für die Zulassung von Publikum in Sevilla. Denn schwierig nachvollziehbar wäre, wenn ein Jahr lang bei allen Massen-Sportveranstaltungen die Ränge leer blieben – und gleich nach Liga-Ende ausländische Zuschauerinnen der Eurocopa beiwohnen können. Obwohl: es würde perfekt zu der Unzahl widersprüchlicher Entscheidungen und Maßnahmen während der Pandemie passen!
RÜCKBLICKE: (1521) Auf der Suche nach einer Westroute zu den Gewürzinseln stirbt der Expeditionsführer Ferdinand Magellan (Fernando de Magallanes) bei einem Gefecht. Der Baske Juan Sebastián Elcano übernimmt die Führung und kehrt 1522 nach erfolgreicher Weltumsegelung zurück. * (1848) In Donostia wird der Schriftsteller Marcelino Soroa geboren, der zum ersten Mal ein erfolgreiches Theaterstück in Euskara inszeniert. * (1978) In Altsasua stellt sich die links-nationalistische Wahlplattform Herri Batasuna (Volkseinheit) öffentlich vor. * (2003) Das Frauenteam von Athletic Bilbao gewinnt im letzten Ligaspiel seine erste Meisterschaft (von fünf). 35.000 Fans verfolgen das Match im alten Stadion San Mames – ein Publikums-Rekord im Frauen-Fußball, der erst 2019 gebrochen wurde.
(2021-04-26)
GERNIKA – GUERNICA
An einem 26. April kommt im Baskenland niemand an Gernika vorbei. 84. Jahrestag, zu viele Fragen der Aufarbeitung dieses Kriegsverbrechens gegen die baskische Zivilbevölkerung sind noch offen. Besonders geehrt wurde heute George Steer, der britische Journalist, der nur Stunden später die Vernichtung der Stadt in die Welt hinaus schrieb.
Den Euphemismus “chirurgischer Eingriff“ für perfide Militäraktionen gab es damals noch nicht, er hätte perfekt wie selten zugetroffen. Die Innenstadt Gernikas wurde nahezu komplett zerstört, nur 20 Meter weiter blieben Fabriken, Kirchen, Parlamentsgebäude und die legendäre Eiche unbeschädigt stehen. Das hatte seine Gründe. Die Nazis hatten kein Interesse, die Industrie zu bremsen oder zerstören (schon gar nicht die Waffenindustrie Gernikas), sie sollte ihnen dienen bei dem geplanten großen Krieg in Europa. Zum anderen waren Basken selbst am anti-republikanischen und anti-baskischen Feldzug beteiligt: für die ultrarechten Requeté-Truppen aus Navarra hatten die nationalistischen Symbole in Gernika durchaus eine Bedeutung, darauf mussten die Hitler- und Franco-Faschisten Rücksicht nehmen.
Gernika ging in die Geschichte von Kriegsverbrechen und Menschenrechts-Verletzungen ein, wie später Oradour und Hiroshima. Neben der Journalisten Steer war dies vor allem Picassos Gemälde “Guernica“ zu verdanken, gemalt im Auftrag der republikanischen Regierung für die Weltausstellung in Paris 1937. Der baskische Ministerpräsident Aguirre zeigte sich enttäuscht, als er das Bild sah, weil es keinerlei konkrete Referenz zur Vernichtung von Gernika aufwies. Außer dem Titel.
RÜCKBLICKE: (1937) Faschistische Truppen marschieren in der als Waffenstadt bekannten Stadt Eibar in Gipuzkoa ein. * (1981) Real Sociedad San Sebastian erringt seine erste spanische Fußball-Meisterschaft. * (1986) Super-GAU in Tschernobyl/Ukraine. * (1995) ETA veröffentlicht das Programm “Demokratische Alternative“, das Grundlage für Verhandlungen sein soll. * (2013) Aus Anlass des Jahrestages der Bombardierung Gernikas erhalten die Politiker Arnaldo Otegi und Jesus Eguiguren den Friedenspreis der Stadt. Die spanische Justiz reagiert mit einer Anklage, weil Otegi im Gefängnis einsitzt.
(2021-04-25)
JAHRESTAG DER BOMBEN
Emilio Aperribay wurde zwei Monate nach dem Militärputsch der Franquisten gegen die spanische Republik geboren. Als sein Heimatort Gernika von der Legion Condor vernichtet wurde, war er sieben Monate alt. Seine Familie verlor alles, erst durch die Bombardierung, später noch einemal durch Enteignung durch die Faschisten. Das war nicht alles in seinem langen Leben von 85 Jahren. Er überlebte fünf Krebsgeschwüre, einen schweren Autounfall und einen Herzinfarkt. Aber irgendein fester Wille hält ihn am Leben.
Am morgigen Montag (26. April) erlebt Emilio wieder einmal den Jahrestag der Bombardierung. Über die Jahrzehnte (zumindest nach dem Franquismus) ist dieser Tag ein wenig zur Routine geworden. Die Erinnerung wiederholt sich, denn die Aufarbeitung des Kriegsverbrechens könnte besser laufen. Emilios Traum ist, nach eigenen Aussagen, dass eine spanische Regierung die Bombardierung offiziell eingesteht und sich womöglich dafür entschuldigt. Die Franquisten hatten nach dem Bomben-Massenmord behauptet, die Basken selbst hätten Gernika angezündet (“die Roten und Bolschwiken“) um den rechten National-Katholiken die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Während der Diktatur wagte niemand, dieser Lüge öffentlich zu widersprechen, nach Ende des Regimes hätte eine der Folgeregierungen ein Wort dazu sagen können, aber niemand war bereit dazu. Von den Postfranquisten der PP war das nicht unbedingt zu erwarten, die saßen mit Franco auf einer Bank. Aber von den Sozialdemokraten – Gonzalez, Zapatero, Sanchez – ist Emilio tief enttäuscht. Deren Partei gehörte im Franquismus zu den Verfolgten, viele wurden ermordet. Offenbar haben heutigen Politiker das schnell vergessen.
Emilio hält an diesem Traum fest. “Die Deutschen haben sich entschuldigt, warum tun die Spanier nicht genau dasselbe“, sagt er. In Wirklichkeit haben sich “die Deutschen“ nicht wirklich entschuldigt, zumindest keine Regierung. Was Emilio meint ist das persönliche Schreiben eines Bundespräsidenten, damals zum 60. Jahrestag der Bombardierung. Der brachte zum Ausdruck, dass Deutsche an jenem Angriff beteiligt waren und dass es ihm leid tue. Alles sehr vorsichtig formuliert, kein offizielles, sondern ein persönliches Schreiben, das darum bemüht war, kein Schuldeingeständnis darzustellen.
Im Baskenland, vor allem in Gernika, wurde dieses Schreiben hoch gelobt, bei jeder Gelegenheit wird es zitiert. Trotz seiner Unzulänglichkeit. Was dieses deutsche Schreiben so stark aufwertet, ist das spanische Grabes-Schweigen zum Thema Gernika. Emilio legt den Finger in die Wunde. Man könne doch nicht zu Kriegsverbrechen schweigen und hinterher von Versöhnung und Koexistenz reden. Er hat recht, der Franquismus lebt munter weiter, Abascal und Vox sind die besten Beispiele dafür.
RÜCKBLICKE: 1974 * Nelken-Revolution in Portugal, Ende des faschistischen Regimes. (1975) Der Ministerrat des Regimes erklärt für drei Monate den Ausnahmezustand in Bizkaia und Gipuzkoa, die Sicherheitskräfte nehmen mehr als 1.000 Personen fest. (1982) Der Fußballclub aus Donostia, Real Sociedad San Sebastián erringt seine zweite Meisterschaft in Folge. (1994) Der ANC gewinnt nach dem Ende der Apartheid die ersten demokratischen Wahlen Südafrikas.
(2021-04-24)
SARRIONANDIA IST ZURÜCK
Nach mehr als 36 Jahren im Exil kehrt der Schriftsteller Joseba Sarrionandia aus Iurreta in seine Heimat Baskenland zurück. Auf seinem langen Weg hat er ein reichhaltiges literarisches und philosophisches Werk hinterlassen, das zum Teil der kollektiven Vorstellung geworden ist. Körperlich ist er zurückgekehrt, im Geist hat er Euskal Herria nie verlassen.
Die Rückkehr von Joseba Sarrionandia (Iurreta, 1958) darf als historisch betrachtet werden. Nach 36 Jahren auf der Flucht an unbekannten Orten ist er zurück im Baskenland, in Iurreta, Durango, wo er geboren wurde. Während diesen langen Jahren wurde sein literarisches Schaffen beklatscht, bewundert und bejubelt, für die baskischer Leserschaft wurde er zu einer Referenz, auch im Ausland. So ist es keine Übertreibung, dass er das Zentrum der baskischen Kultur nie verlassen hat.
San-Fermin-Tag im Jahr 1985. Baskische politische Gefangene wurden damals noch im Baskenland eingesperrt, nicht wie heute weit von der Heimat entfernt. Jener weit zurückliegende 7. Juli 1985 war für viele ein Tag der Freude. Den beiden politischen Gefangenen Joseba Sarrionandia und Iñaki Pikabea gelang die Flucht aus dem Gefängnis. Zur Resozialisierung gehörte in jener Zeit noch Kultur von außen. In Martutene gastierte der bekannte Liedermacher Imanol, während des Konzerts versteckten sich die beiden Häftlinge in großen Lautsprecherboxen, die nach dem Konzert abtransportiert wurden. Alles war perfekt vorbereitet, der Sänger wusste von nichts. Sarrionandia und Pikabea waren frei.
Pikabea wurde erneut verhaftet, bei Sarrionandia durfte Jahrzehnte lang spekuliert werden, wo er sich aufhalten könnte. Dennoch gab er jede Menge Lebenszeichen von sich, regelmäßig legte er literarische Werke vor, Bücher, Romane, Übersetzungen. Seine Strafe verjährte, er hätte legal zurückkehren können. Der Song “Sarri, Sarri – Sarri, Sarri“ der Rockgruppe Kortatu wurde zur legendären musikalischen Erinnerung an die Flucht. Erst vor zwei Jahren outete sich Sarrionandia, als er an der Uni in Havanna eine Arbeit am Lehrstuhl für Euskara begann. Dorthin wird er nach seinem Baskenland-Besuch wieder zurückkehren.
RÜCKBLICKE: (1915) Mit der Verhaftung von Intellektuellen durch die sog. Jungtürken beginnt der Genozid gegen die armenische Bevölkerung, die mehr als eine Million Tote fordert. (1916) Osteraufstand in Dublin, Beginn des irischen Unabhängigkeits-Krieges. (1937) Mit dem Dorf Elgeta unter den Intxorta-Bergen fällt das letzte große Hindernis für die Faschisten im Spanienkrieg bei ihrem Vormarsch Richtung Bilbao. Die Industriestadt Eibar wird von der franquistischen Luftwaffe angegriffen und weitgehend zerstört. (1954) In Philadelphia wird Wesley Cook geboren, der später unter den Namen Mumia Abu-Jamal als unschuldig inhaftierter politischer Gefangener der USA weltbekannt wird. (1992) Miren Azkarate, Lehrerin und PNV-Politikerin wird als erste Frau in die Akademie der baskischen Sprache Euskaltzaindia berufen, sie ersetzt den Anthropologen Joxe Migel Barandiaran. (2013) In der Hauptstadt Dakka von Bangladesh stürzt ein Gebäude mit einer Kleider-Fabrik und Geschäften ein, 1.134 vor allem Arbeiterinnen sterben, 2.437 Personen werden verletzt. Auch der spanische Zara-Konzern (Inditex) lässt dort produzieren.
(2021-04-23)
BRUTAL UND RASSISTISCH
Rassistische Polizeibrutalität gegen einen als "schwarzer Zuhälter" beschimpften afrikanischen Migranten im Bilbao-Stadtteil San Francisco. SOS Racismo Bizkaia und die Straßenverkäufer-Plattform MBOLO klagen öffentlich, dass das Opfer am vergangenen 28. Juni von Beamten der Stadtpolizei illegal festgehalten, beleidigt und brutal angegriffen wurde. Die Verhaftung des Senegalesen sei der Versuch der Kriminalisierung, nach dem Stereotyp: schwarzer Mann gleich Krimineller und Drogenhändler.
Nach Angaben von SOS Racismo wurde der Mann von einem Beamten der Stadtpolizei wiederholt und ohne begründeten Verdacht beschuldigt, Drogen bei sich zu führen. Der Beschuldigte antwortete, dies sei unwahr. Er habe keine Papiere bei sich, wohne aber nur ein paar Meter entfernt. Ein Beamter nannte ihn einen "schwarzen Zuhälter" und teilte Ellbogenstöße aus. Das Opfer fiel zu Boden, woraufhin ihn drei Polizisten brutal am Boden festhielten. Mit dem Gesicht auf dem Boden wurde er durchsucht, einer der Beamten stemmte sich mit seinem Körpergewicht mindestens 5 Minuten auf seinen Hals (Erinnerung an George Floyd), die beiden anderen hielten seine Arme hinter seinem Rücken.
Bei der Durchsuchung wurden keine illegalen Substanzen gefunden. Diese Brutalität wurde von verschiedenen Personen auf Video aufgezeichnet, dabei wird klar, dass das Opfer zu keinem Zeitpunkt Widerstand leistete. Der Mann wurde dennoch festgenommen und musste die Nacht in der Zelle verbringen. Danach wurde er angezeigt, weil er angeblich "ernsthaften Widerstand gegen die Staatsgewalt" geleistet hätte. Es ist nicht die erste brutale Aktion der Polizei gegen Migrant*innen, im Migrations-Stadtteil San Francisco gehört dieses rassistische Verhalten fast zur Tagesordnung. SOS Racismo Bizkaia fordert, dass Politik und öffentliche Institutionen Maßnahmen ergreifen. Sie fordern Gerechtigkeit, Rechenschaft und Wiedergutmachung.
RÜCKBLICKE: (1521) Knapp ein Jahr nach Beginn des Comunero-Aufstand in Spanien werden die Comuneros in der Schlacht von Villalar vernichtend geschlagen, die überlebenden Anführer werden hingerichtet. (1616) Tod von Miguel de Cervantes, Autor des Heldenepos Don Quijote. (1951) Während eines Generalstreiks lässt das franquistische Regime in Bizkaia und Gipuzkoa 2000 Arbeiter verhaften. (1977) Wieder-Legalisierung der Gewerkschaften nach dem Franquismus. (2021) Der berühmte Schriftsteller Joseba Sarrionandia kehrt nach 36 Jahren Exil zu Besuch ins Baskenland zurück, 1985 war er aus dem Gefängnis Donostia geflohen.
(2021-04-22)
FOTO-ORGIE IM KURSAAL
Das Bild ist heutzutage kaum vorstellbar: tausend Personen, Frauen, Männer, Kinder, auf engstem Raum, Schulter an Schulter, Hand in Hand, alle splitternackt, im größten Ausstellungs- und Konzert-Saal von Donostia. Allein die Vorstellung führt in Zeiten von Pandemie und körperlichem Kontaktverbot unweigerlich zu einer Gänsehaut. Der Besuch des legendären Fotografen der Nacktposen mit Massen von Menschen – heute vor 15 Jahren – stand unter einem anderen Stern.
Spencer Tunick war bereits seit Jahren bekannt für seine ästhetischen Foto-Kompositionen, bei denen er mit hunderten oder tausenden von freiwilligen Liebhaberinnen der Freikörper-Kultur hantieren konnte. In Donostia stand der eher kalt und unwirtlich wirkende Kursaal auf dem Programm, dessen Innenraum immerhin holzfarben gehalten ist. Das passte gut zur Hautfarbe, die Mischung ergab eine perfekte Fleisch-Komposition.
Tunick hatte befürchtet, den großen Innenraum nicht mit ausreichend Menschen füllen zu können, die Baskinnen und Basken seien prüde, hatte er gehört. Die notwendige Anzahl von 800 erschien deshalb hoch angesetzt. So war die Überraschung groß, als sich über Internet ganze 1.200 Personen einschrieben und zur Teilnahme verpflichteten. Ein frischer Aprilmorgen im Jahr 2006. Bewegungs-Ansagen über Megafon, Disziplin, Geduld und Stillhalten. Weit vorne der Regisseur der Vorstellung, der wahre Spencer. Nach der Innenaufnahme ging es auf den Zurriola-Strand, am Ende durften sich Paare gemeinsam auf die Strandfelsen legen. Nicht wenige kamen von außerhalb, um sich von Tunick für die Ewigkeit festhalten zu lassen. Später bekamen alle ein Papier-Foto vom Treppentumult im Kursaal zugeschickt. Der beste Preis war jedoch, an der Schaffung eines Kunstwerks teilgenommen zu haben, das in aller Welt zu sehen sein sollte. Ohne Scham und Voyerismus.
RÜCKBLICKE: (1885) Tod von Victor Hugo, französischer Schriftsteller, der ein Buch über das Baskenland schrieb. (1956) Athletic Bilbao gewinnt seinen sechsten Meistertitel in der spanischen Fußball-Liga. (2020) Mit José Luis Zumeta stirbt einer der großen baskischen Maler. Zumeta wurde 1939 geboren, seine Werke werden als abstrakte Malerei bezeichnet und zeichnen sich durch kräftige Farben aus.
(2021-04-21)
NIEDERLAGE ODER SIEG!
Dass Athletic Bilbao zwei Pokalfinale in zwei Wochen verloren hat, daran besteht kein Zweifel. Auch wenn die Final-Teilnahmen an sich bereits ein Sieg des Clubs darstellen. Kaum ein paar Tage nach der Doppeltragik ergibt sich ein neuer Fall von jener Natur, der sich dialektisch gesehen als Sieg oder als Niederlage interpretieren lässt. Je nach Standpunkt. Der europäische Fußball-Verband hat der Stadt Bilbao den Status als Spielort für die EURO 2020-2021 entzogen. Noch vor der offiziellen Entscheidung des Verbands, die für den 27. des Monats erwartet wird. Eine unilaterale Entscheidung, die Konsequenzen haben wird. Wirtschaftlicher, moralischer und juristischer Art.
Zurück zur Dialektik. Die Entscheidung der UEFA kommt in der baskischen Gesellschaft sehr unterschiedlich an. Die einen heulen und schwören Rache, die andern feiern unverhohlen das Aus. Geheult wird im Rathaus, wo die Entscheidungen getroffen wurden, ein weiteres millionenschweres Tourismus-Kapitel der Stadtgeschichte in die Wege zu leiten. Gefeiert wird in Kreisen, die den Massentourismus für Gift und spanischen Hooligan-Fußball für Opium halten.
Nach 16 Monaten Profikicken ohne Publikum will die UEFA erzwingen, dass ausgerechnet ihr Vorzeigeturnier mit Präsenz auf den Rängen gespielt wird. Eine politische Unverschämtheit, ein Überfall mit aufgesetzter Pistole. Dem die baskischen Behörden überraschenderweise widerstanden haben. Obwohl die verführerischen Millionen-Einnahmen auf dem Spiel standen. Das UEFA-Nein hat den Behörden-Stolz verletzt. Den sollen nun die Gerichte wieder herstellen. Schadensersatz, wirtschaftlich und moralisch. Vertragsbruch und so weiter. Derweil wird in baskischen Fankreisen gefeiert. Da wollte niemand die Roja: weder kommen, noch sehen, noch spielen und vor allem nicht deren Ultrafans in der Stadt haben. Die Frage wird sein: Wer schreibt sich nun Sieg und Niederlage ins Curriculum Vitae?
RÜCKBLICKE: (1890) Bilbao: Der Sozialist Facundo Perezagua fordert in einem politischen Meeting der neu entstehenden baskischen Arbeiterklasse den 8-Stunden-Tag sowie weitere Verbesserungen für die Arbeiter/innen. (1967) Militärputsch in Griechenland in Anbetracht eines möglichen linken Wahlsieges bei den Parlamentswahlen. (1976) Die aus Leitza stammende Amparo Arangoa wird von der Guardia Civil verhaftet und vom berüchtigten Polizisten Jesus Muñecas alias “Billy the Kid“ brutal gefoltert. Sie droht zu sterben und wird in ein Krankenhaus gebracht, wo Amparos legendäres Folterfoto mit einem schwarzen Hintern zustande kommt. Der Folterer wurde bis heute nicht belangt.
(2021-04-20)
BILBAO, LANGSAM UND ERSTE KLASSE
Mitten in der Pandemie gewann die Stadt Bilbao den Preis der Europäischen Kommission für Verkehrssicherheit in Städten. Grund: Im vergangenen September war im gesamten Stadtgebiet die Begrenzung der Verkehrs-Geschwindigkeit auf 30 km/h eingeführt worden. Die Preis-Entscheidung wurde heute bei einer Online-Veranstaltung unter Beteiligung der EU-Kommissarin für Verkehr bekannt gegeben, im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche 2021 im September wird er offiziell verliehen.
Mit dem Beschluss zur Geschwindigkeits-Begrenzung auf 30 km/h wurde die Bizkaia-Hauptstadt zur ersten Metropole mit mehr als 300.000 Einwohnerinnen in der Welt mit diesem Limit. Nach der Bekanntgabe betonte der Stadtrat für Mobilität und Nachhaltigkeit der Stadtverwaltung stolz, dass "Bilbao heute in der ganzen Welt für seine Mobilität und für das feste Engagement der Stadt bei der Umsetzung ökologischer Maßnahmen von sich reden macht".
WIR SIND AUS BILBAO!
Seit dem Guggenheim-Effekt ist es zur Gewohnheit geworden, Bilbao vor dem Sprung aufs globale Sieger-Treppchen zu sehen: der beste Bürgermeister der Welt, zweibester Technologie-Standort, Austragungsort von Europa-Finalen, Weltmeisterschaften, in zwei Jahren die Tour de France. Der einzige (hoch-aktuelle) Schandfleck ist die gescheiterte Europa-Meisterschaft im Soccer. Einen solchen Schatten hat im Übrigen auch die 30er-Regelung. Denn in Bilbao machen alle, was sie wollen, wenn nicht Big Brother seine kontrollierenden Augen aufmacht und Bußgelder verteilt. Die Benutzung von Handys beim Fahren ist streng verboten, alle tun es. Warum sollte also jemand die 30 einhalten? So veranlassen die großen runden Kreise mit Drei und Null auf den Fahrspuren nur die Auswärtigen zur Hochachtung. Denn in den Augen echter bilbainischer Asphalt-Cowboys ist km-30 eine Angelegenheit für Weicheier.
Das Tempolimit 30 soll durch weitere Maßnahmen ergänzt werden, heißt es aus dem Rathaus, wie die Einrichtung durchgehender und sicherer Fußgängerwege, die Einrichtung von exklusiven Schulwegen und die Schaffung von Erholungs-Gebieten rund um das Zentrum – alles dreht sich um das Zentrum, wo sich auch in Zukunft wieder die Touristinnen tummeln sollen, die peripheren Stadtteile schauen in die Röhre. P.S. Die beiden anderen Finalisten, die von der Europäischen Kommission für diesen Preis ausgewählt wurden, waren das griechische Heraklion und Quart de Poblet in Valencia (weshalb auch immer). Letztes Jahr war das galicische Pontevedra der Gewinner dieser Auszeichnung.
RÜCKBLICKE: (1975) Der baskische Aktivist Mikel Gardoki wird beim Verlassen einer Bar in Ergobia (Gipuzkoa) von der Guardia Civil erschossen. (2020) Tod des Bildhauers und Anthropologen Joxe Ulibarrena, der im Spanienkrieg Familienmitglieder durch Erschießung verlor, ins Exil musste und die Erinnerungs-Monumente in Noain und Sartaguda schuf.
(2021-04-19)
RÄUMUNGS-KRIEG IN ABADIÑO:
Der Skandal um die Räumung eines besetzten Hauses durch die Privatfirma Desokupa, setzt sich fort. Ohne gerichtlichen Beschluss und in Begleitung der baskischen Polizei (Ertzaintza) wurde am vergangenen Donnerstag ein besetztes Gebäude in Abadiño geräumt. Die Ertzaintza bestätigte, dass den Besetzern vom Unternehmen Desokupa ein Räumungsdokument ausgehändigt wurde, gleichzeitig wurden diese laut Zeugenaussagen bedroht und beleidigt. Schließlich unterschrieben sie ein Dokument unterschrieben und verließen das Gebäude. (Desokupa bezieht sich auf das spanische Wort ocupar, besetzen; die Vorsilbe des- markiert das Gegenteil, in der Schreibweise wird statt c ein k benutzt, wie in der anarchistisch angehauchten Besetzungs-Bewegung üblich).
Eine Gruppe von Desokupa-Bullen drang ohne gerichtlichen Beschluss in das Haus und verkündete die Philosophie des Unternehmens: "Schweine, wir machen das im ganzen Land und heute seid ihr dran". Daniel Esteve, der dubiose Leiter des Unternehmens, das sich der außergerichtlichen Räumung widmet, hatte die Räumung in Abadiño zwei Tage zuvor mit einem Video in sozialen Netzwerken angekündigt. Er bestätigte, dass die Räumung "mit der Polizei koordiniert" war. Außerdem bedankte sich der Gründer der Ultra-Organisation nach der Räumung bei der Ertzaintza für deren Unterstützung. Peinlich für die Polizei. Deshalb bestritt er wenig später, dass es Koordination mit der Ertzaintza gegeben habe. Desokupa habe die Polizei lediglich vor der Räumung gewarnt. Nach der Räumung kam es zu einer Demonstration, um die Aktionen der Ultras anzuprangern. Eine Person wurde festgenommen, zwei weitere identifiziert.
ULTRARECHTE UND KAMPFSPORTLER
"Seit unserem Start im Jahr 2016 haben wir mehr als 5.600 erfolgreiche Desokupaciones (Räumungen) durchgeführt. Wir sind das einzige Unternehmen in der Branche, das von den Behörden und Sicherheitskräften des Staates empfohlen wird. Wir sind stolz auf das, was wir erreichen". Das ist auf der Website der Firma Desokupa zu lesen. Fünf Jahre nach seiner Gründung hat sich das "Unternehmen" als Pionier im Geschäft der außergerichtlichen Zwangsräumungen im Staat etabliert. Die meisten der Angestellten haben einschlägige Karrieren: ehemalige Polizeikräfte, Türsteher von Clubs und Diskotheken, Kampfsportler, Box-Amateure, Ultras aus dem Fußballbereich, Führungskräfte privater Sicherheitsdienste. Einige haben kriminelle Vorgeschichten, andere Verbindungen zur extremen Rechten oder zu Gruppen des organisierten Verbrechens.
Das Team, das diese Ultra-Organisation unterhält, besteht aus etwa 95 Personen. Neben dem Räumungs-Team gehören dazu Experten im Kampfsport, Anwälte, Verantwortliche für soziale Netzwerke. Sichtbarer Kopf und Gründer ist Daniel Esteve. Der wurde 2008 von der katalanischen Polizei Mossos d'Esquadra wegen Entführung- und Erpressung verhaftet, als Leiter einer Firma für die Eintreibung von "säumigen Zahlern". Ihm wurde illegale Inhaftierung, Belästigung, Bedrohung und mafiöse Organisation vorgeworfen. Desokupa wirbt für sich als "Unternehmen, das sich auf die Rückgewinnung von mit Gewalt besetzten und mietvertragslosen Wohnungen spezialisiert hat. Mit legalen Methoden holen wir in weniger als 72 Stunden die Wohnungen wieder zuück, auf der gesamten Halbinsel".
WIE FUNKTIONIERT DESOKUPA?
Der Modus Operandi von Desokupa ist folgender: Das Unternehmen schließt einen Vertrag mit dem Kunden, dem Eigentümer der Immobilie. Die erste Besichtigung der bewohnten Immobilie ist in der Regel informell. Ein Mitglied von Desokupa geht zu dem Grundstück und droht den Bewohnern, den Ort zu verlassen. Beim zweiten, etwas formelleren Besuch, manchmal in Anwesenheit des Vermieters, zeigen sie den Mietern die Eigentumsurkunde und den “Räumungsvertrag“ zwischen Eigentümer und Desokupa. Wenn die Besetzer oder Mieter sich bereit erklären, für einen Moment aus dem Haus zu gehen, um zu reden, blockieren die Ultras sofort den Zugang, damit die Bewohner nicht wieder eintreten können.
Wie in Videos des Unternehmens zu sehen ist, fordern die Ultras die Mieter auf, das Haus umgehend zu verlassen und drohen ihnen, falls dies nicht geschähe, in 48 Stunden eine gerichtliche Räumung zu erlangen. Die Mieter werden gezwungen, eine Vereinbarung auszuhandeln, die häufig den Erhalt einer Geldsumme beinhaltet, um ihre Habseligkeiten einzusammeln und zu verschwinden. In der Nähe des jeweiligen Grundstücks sind immer mehrere Männer im Einsatz, im Fall von Abadiño waren es acht. Wenn die Mieter sich weigern, das Haus zu verlassen, geht die Ultra-Organisation zur Belästigung über. Wenn einen Moment lang niemand im Haus ist, weil die Mieter oder Besetzer z.B. zur Arbeit oder zum Einkaufen gegangen sind, blockieren sie den Zugang und wechseln das Schloss aus.
Obwohl das Unternehmen versichert, im Rahmen der Gesetze zu handeln, wurde Desokupa bereits mehrfach von Gerichten verfolgt. Eine der Klagen gegen Daniel Esteve wurde 2019 von einer Frau aus Portugalete wegen Nötigung eingereicht. Esteve schickte der Bewohnerin eine Audionachricht, in der er sie einschüchterte, die Wohnung zu verlassen, in der sie sich aufhielt und die sie legal gemietet hatte.
RÜCKBLICKE: (1973) Das ETA-Mitglied Eustakio Mendizabal “Txikia” wird in Algorta (Bizkaia) von der franquistischen Polizei erschossen. Txikia war Führer der sog. ETA-V, in seiner Zeit wurde das Attentat in Madrid gegen den designierten Franco-Nachfolger Carrero Blanco geplant. (1995) ETA-Attentat auf den PP-Politiker und späteren Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar, der unverletzt bleibt.
(2021-04-18)
GUERNICA – GERNIKA
Bereits Monate zuvor hatte Pablo Picasso von der (im Krieg befindlichen) republikanischen Regierung Spaniens den Auftrag erhalten, für die Weltausstellung in Paris 1937 ein Bild zu erstellen. Am 18. April 1937 begann er Überlieferungen zufolge mit Entwürfen für das Werk – nichtsahnend, dass nur acht Tage später ein faschistisches Kriegsverbrechen den Titel des Bildes bestimmen würde. Die bizkainische Kleinstadt Gernika wurde von Bombern der nazi-deutschen Legion Condor zu 90% zerstört, mehr als 2.500 Personen fanden den Tod.
Dem engagierten englischen Journalisten George Steer war es zu verdanken, dass Stunden später die Welt von diesem Kriegsverbrechen erfuhr. Picasso nannte sein Werk GUERNICA: “Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“
Erst fünfzig Jahre nach Picassos Arbeitsbeginn (heute vor 34 Jahren) bis eine namhafte deutsche Politikerin den Weg in die zerstörte Stadt fand. Die Bundestags-Abgeordnete der Grünen, Petra Kelly, legte in Gernika Blumen nieder zum Gedenken an die Bluttat der Nazis vom 26.4.1937, eine der ersten massiven Bombardierungen gegen Zivilbevölkerung in der Kriegsgeschichte. Die Nachkriegs-Regierungen der Bundesrepublik haben bis heute keine offiziellen Kommentare zu Gernika gemacht. Nur ein Bundespräsident rang sich einst zu einer lauwarmen Entschuldigung durch.
RÜCKBLICKE: (1980) Eine Gruppe mit dem Namen “Bewaffnete Faschistische Einheiten“ erklärt sich für Waldbrände der vergangenen Tage verantwortlich und fordert die “roten abertzalen Ökologinnen“ auf, sich nahe eines Berges bei Gasteiz zur offenen Feldschlacht zu treffen. Sonst werde weiter Feuer gelegt. (2011) Der ehemalige politische Gefangene und ETA-Sympathisant Jon Anza besteigt in Iparralde einen Zug Richtung Toulouse und verschwindet. Am 11.Mai wird er von Polizisten bewusstlos gefunden und stirbt, seine Leiche wird unbekannt in eine Leichenhalle gebracht, wo sie trotz Suchkampagne ein Jahr lang liegt.
(2021-04-17)
BILBAO VERLIERT “SEINE GROSSE CHANCE“
Am Ende ist Fußball doch nur ein einziges riesiges Geschäft, bei dem mit Millionen und Ellbogen gearbeitet wird. Ein einnahme-trächtiges Geschäft sollte es auch für den Tourismus-Stern Bilbao werden, wenn nicht … Nach dem Guggenheim-Hype und einer Serie von europa- und weltbekannten Macro-Events sollte die Fußball-Euro eine weiterer Baustein zum Weltruhm werden (in zwei Jahren soll die Tour de France folgen). Nach dem Corona-Scheitern des Eurocopa-Projekts, hat das große Wehklagen über die entgangenen Millionen begonnen. Im Wortlaut:
“Die Europameisterschaft hätte nicht nur direkte Auswirkungen in Höhe von Millionen von Euro, sondern auch in Bezug auf die Werbung in der Welt. In San Mamés sollten vier Spiele ausgetragen werden, drei spanische Spiele und ein Viertelfinale. Die Europameisterschaft ist einer dieser Züge, die nur einmal vorbeikommen, und Bilbao hat ihn gerade verpasst. Es ist nicht nur eine schlechte Nachricht für das Hotel- und Gaststätten-Gewerbe, obwohl die wegen den Pandemie-Restriktionen schon mit geringeren Umsätzen gerechnet haben. Für eine Stadt mit internationaler Berufung, die mit Groß-Events die Welt erobern und in der großen Liga spielen will, für eine Stadt mit solchen Ambitionen ist es eine Katastrophe, ein Schaufenster dieser Dimension zu verlieren.
Was hat Bilbao verloren? Ursprünglich hatte die Stadtverwaltung die direkten Einnahmen auf 70 Millionen Euro beziffert. 2014 erreichte die Stadt den Meilenstein, diesen Wettbewerb im Namen Spaniens auszurichten, das wurde gefeiert wie ein Lotteriegewinn. Einige sprachen sogar von Einnahmen von hundert Millionen. Erwartet wurden 300.000 Besucher. Für diese Kalküle wurden ähnliche Events als Vergleich herangezogen. Die Basketball-Weltmeisterschaft zum Beispiel hatte Einnahmen von 24 Millionen gebracht, allein durch Besucherinnen. Und im Rathaus ging man davon aus, dass die Eurocopa einen viermal größeren Umfang ausmachen könnte. Kurz vor Beginn der Pandemie sprach der Stadtrat für wirtschaftliche Entwicklung von 84 Millionen Einnahmen für die baskische Wirtschaft.
In der aktuellen Situation mit Pandemie Einschränkungen waren diese stratosphärischen Ziffern nicht möglich. Städtische Quellen räumen ein, dass es derzeit keine Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Wettbewerbs in verschiedenen Szenarien gibt. Im schlimmsten Fall könnten nicht einmal die 3,5 Millionen wieder eingefahren werden, die von baskischen Verwaltungen investiert wurden: zwei Millionen von der Stadt und weitere 1,5 Millionen von Provinz-Regierung und baskischer Regierung (fifty-fifty). Was die Einnahmen anbelangt: nach mehr als einem Jahr des Horrors macht jede Brise Sauerstoff für die Gastronomie den Unterschied zwischen Leben und Tod.
Dann wäre da noch die internationale Darstellung. Vielleicht der wichtigste Punkt. Ziel der Stadt ist es, Bekanntheit zu erlangen, und zwar durch die Attraktivität von Großveranstaltungen. Sie sind ein Selbstzweck, denn Menschen anzulocken bringt immer Geld. Aber sie sind auch ein Schaufenster. Je bekannter eine Stadt ist, desto mehr Möglichkeiten hat sie, Investitionen anzuziehen, desto attraktiver ist sie für die Organisation von Kongressen … die Verantwortlichen, die große Entscheidungen treffen, schauen in diese Richtung. Auch wird es mehr junge Leute geben, die zum Studieren hierher kommen, dabei darf nicht vergessen werden, dass die Stadt ein Studien-Zentrum sein will, als wesentlicher Schritt zur Verjüngung einer zunehmend alternden Bevölkerung.
Diese Europameisterschaft wäre ein beeindruckendes Schaufenster gewesen. Die letzte Ausgabe (2016 in Frankreich) bedeutete ein Fernsehpublikum von 2 Milliarden Zuschauerinnen, im Durchschnitt 111 Millionen pro Spiel. Nicht nur in Europa, in China erreichten einzelne Spiele 16 Millionen. Ein interessanter Wettbewerb. Damals zeigten 130 Fernsehanstalten weltweit das Turnier, für die Rechte flossen 1,05 Milliarden Euro. Bilbao wäre in die Wohnzimmer von Hunderten von Millionen Menschen auf dem ganzen Planeten eingezogen. So setzt sich eine Marke, ein Name, eine Stadt durch. Es wird sehr schwierig sein, eine Plattform zu finden, die so viel Sichtbarkeit bringt.“
RÜCKBLICKE: (1957) Tod des baskischen Schriftstellers, Akademiker und Jesuiten-Priesters Pierre Lhande, bekannt für seine Radio-Predigten in den 30er Jahren. (2005) Die achten baskischen Parlamentswahlen, die baskische Linke ist seit 2003 illegal. EHAK, die “Kommunistische Partei der baskischen Territorien“ tritt auf den Plan. Ergebnis ist eine Koalition aus PNV, EA und dem links-grünen Bündnis EBB (Ezker Batua-Berdeak).
(2021-04-16)
DNA-IDENTIFIZIERUNG VON FRANQUISMUS-OPFERN
Zwei Franquismus-Opfer aus dem Jahr 1937 in Navarra konnten aufgrund von DNA-Tests identifiziert werden. Es handelt sich um die sterblichen Überreste von Joaquín Arroyo und Tomás Salinas, die 1937 von faschistischen Kräften ermordet wurden. Identifiziert wurden sie aufgrund von Vergleichsproben von Familienangehörigen, die das Institut für Erinnerung in Navarra in seiner DNA-Bank im Laufe von Jahren gesammelt hat. Die Leichen waren im Sommer 2019 gefunden und exhumiert worden. Die beiden Personen waren im Landkreis von Etxalatz (Eguesibar) ermordet worden, ihre Leichen wurden in einer Grabgrube in Urbikain gefunden.
Die DNA-Bank wird vom Institut für Erinnerung der Regionalregierung Navarra gefördert, die Untersuchungen finden statt in Zusammenarbeit mit dem Labor Nasertic. Es handelt sich um Joaquín Arroyo Alfaro und Tomás Salinas Beorlegui, die nach ihrer Entführung aus dem Provinzgefängnis von Iruñea am 9. März 1937 ermordet wurden. Bisher wurde davon ausgegangen, dass Joaquín Arroyo in Etxauri und Tomás Salinas in Ororbia getötet wurden. Die phonetische Ähnlichkeit zwischen Etxalatz und Etxauri könnte bei der mündlichen Übermittlung von Zeugenaussagen zu einem Missverständnis geführt haben.
In zwei Exhumierung-Etappen wurden in Etxalatz 10 Leichen geborgen, sechs im September 2018 und vier im Juli 2019 (zwei identifiziert). Nach dem Abgleich der genetischen Profile der Skelettreste mit denen aller Proben, die von Angehörigen von Kriegs-Verschwundenen an die DNA-Bank übermittelt wurden, konnte die Identität von zwei Leichen festgestellt werden.
Die neuesten genetischen Identifizierungen haben gezeigt, dass Opfer manchmal an anderen Orten getötet und verscharrt wurden als bisher angenommen. Aus diesem Grund ruft die Regierung Angehörige von Kriegs-Verschwundenen auf, ihre DNA-Proben zur Verfügung zu stellen. Dies sei der erste und grundlegende Schritt ist, um neue Identifizierungen möglich zu machen. Die Regierung dankt allen Verbänden der Angehörigen und Gedenkstätten für die Zusammenarbeit, in diesem Fall besonders der Erinnerungsgruppe Affna36.
RÜCKBLICKE: (1906) Geburt von Plazido Mujika, Autor des baskisch-spanischen Wörterbuchs, das seinen Namen trägt. (1980) Xabier Arzalluz wird zum Präsidenten der PNV (Nationalistische Partei des Baskenlandes) gewählt und bleibt im Amt bis 2004. (1990) Tod des baskischen Bildhauers Remigio Mendiburu (geb. 1931 in Hondarribia).
(2021-04-15)
FASCHISTEN RÄUMEN EIN BESETZTES HAUS
Das rechtsextreme Unternehmen Desokupa (Gegen-Besetzung) und die Ertzaintza haben heute Vormittag ein besetztes Haus in Abadiño geräumt. Die baskische Polizei ermittelt gegen Personen, die im Ort gegen die Räumung protestierten. Podemos hat seine "Besorgnis" über "die Anwesenheit des ultra-rechten Unternehmens" deutlich gemacht.
"Wenn Sie Hilfe brauchen gegen Hausbesetzer, wir können sie auf legale Art rauswerfen. Damit Ihr Grundstück so schnell wie möglich frei von Hausbesetzern ist" – so wirbt die Firma Desokupa im Internet, ein Unternehmen, das heute um 9.45 Uhr (Durangaldeko Telebista berichtet) ein Gebäude in Abadiño geräumt hat. Desokupa ist ein von dem ultrarechten Militaristen Daniel Esteve in Katalonien geführtes Unternehmen, das sich als "Lösung zur Räumung von besetzen Häusern" außerhalb der etablierten juristischen Verfahren vorstellt. Seine Mitarbeiter tragen eine schwarze Uniform, die an die Ästhetik von Neonazis erinnert, alle sind Spezialisten in Kampfsportarten. Das Unternehmen, das in Katalonien schon länger für seine Eingriffe bekannt und berüchtigt ist, zeichnet sich durch sein gewalttätiges Profil aus, da zu seinen Mitarbeitern Ex-Boxer, Söldner aus Osteuropa und Ex-Paramilitärs gehören, sowie Politiker mit engen Verbindungen zur extremen Rechten.
In diesem Fall ging es um das Gebäude des ehemaligen Tabakladens. Die dort lebenden Menschen haben es vorgezogen, den Ort angesichts der Bedrohung zu verlassen. Vor dem Haus protestierten mehrere Menschen gegen die Räumung und gegen die Ertzaintza, die einen Polizeikordon zum Schutz des faschistischen Räumungstrupps errichteten. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Faschistentruppe Desokupa waren morgens zu dem umstrittenen Haus gekommen, um die dort lebenden Personen zu vertreiben. Außerdem kamen mehrere Polizei-Patrouillen und drei Teams der mobilen Brigade der Ertzaintza, die eingriff, als gegen 13.30 Uhr eine neue Besetzung versucht wurde, so heißt es im Bericht der Abteilung für Sicherheit. Während der Einsatzes wurden keine Festnahmen oder Identifizierungen vorgenommen.
Die Protestpartei Podemos/Ahal Dugu im Landkreis Durangaldea hat ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht wegen der "gewalttätigen Haltung und des extremistischen Diskurses der extremen Rechten, die sich in unserer Region breit machen, wie wir während der Räumung gesehen haben, die heute Morgen durch das Unternehmen Desokupa stattgefunden hat". Über soziale Medien ruft das Gaztetxe-Jugendhaus von Abadiño zu einer Kundgebung auf, unter dem Motto "Desokupa faxista kanpora" – “Raus mit dem faschistischen Unternehmen Desokupa“.
RÜCKBLICKE: (1869) In Vitoria-Gasteiz wird 1869 der Schriftsteller Raimundo Olabide geboren. Der Priester arbeitet als Linguist und übersetzt die Bibel in die baskische Sprache. (1920) In Madrid wird die Kommunistische Partei Spaniens gegründet, nachdem sich eine Gruppe von der Sozialistischen Partei abgespalten hat. (1981) In Donostia wird ein Militär im Ruhestand von ETA erschossen. (1981) In Basauri erschießt ETA einen Guardia-Civil-Beamten im Ruhestand. (1981) Der Unternehmer JM Latiegui wird in Usurbil von Autonomen Kommandos erschossen. (1991) Die siebte Korrika startet in Gasteiz.
(2021-04-14)
DIE REPUBLIK VON EIBAR
Die Zweite Spanische Republik wurde vor genau 90 Jahren am 14. April 1931 ausgerufen als Nachfolge der Bourbonen-Monarchie von Alfons XIII. Diese Monarchie hatte durch die Zulassung der Diktatur von Primo de Rivera (1923-1930) jede Legitimation verloren. Der Versuch einer weniger harten Diktatur von General Berenguer (1930-1931, ebenfalls von Alfonso XIII. ernannt), um angeblich zur "konstitutionellen Normalität" zurückzukehren, war die letzte Periode der Restauration. Eine Union von republikanischen und sozialistischen Organisationen beendete diesen Versuch.
REPUBLIKANISCHER PAKT
Im August 1930 entstand der so genannte Pakt von San Sebastián, ein von der Republikanischen Allianz gefördertes Treffen, bei dem die Strategie zur Beendigung der Monarchie von Alfonso XIII. und zur Ausrufung der Zweiten Republik vereinbart wurde. Am Treffen nahmen teil: Radikale Republikanische Partei, Republikanischen Aktionsgruppe für die Republikanische Allianz, Radikal-Sozialistische Partei, Republikanische Liberale Rechte, Acción Catalana, Acción Republicana de Cataluña, Estat Català, Federación Republicana Gallega. Im Oktober 1930 schlossen sich die beiden sozialistischen Organisationen PSOE und UGT dem Pakt an, mit dem Ziel, einen Generalstreik zu organisieren. Der sollte von einem militärischen Aufstand begleitet werden, der "die Monarchie in die Archive der Geschichte" katapultieren sollte, wie es im Manifest hieß.
KOMMUNALWAHLEN AM 12. APRIL
Die Wahlen waren vom König als Test für die Unterstützung der Monarchie ausgeschrieben worden, doch das Ergebnis stärkte die Anhänger der Republik, sie sahen es als Plebiszit zugunsten ihrer sofortigen Errichtung. Denn die republikanisch-sozialistischen Kandidaturen gewannen in 41 der 50 Provinzhauptstädte, obwohl es in den ländlichen Gebieten mehr monarchistische als republikanische Abgeordnete gab. Es war das erste Mal in der spanischen Geschichte, dass eine Regierung in einer Wahl besiegt wurde. In Madrid überwogen die republikanischen Ratsherren die royalistischen Ratsherren mit drei zu eins, in Barcelona mit vier zu eins.
MONTAG, 13. APRIL
Über den Ministerrat suchte der König nach Auswegen. Doch am Nachmittag gab das republikanisch-sozialistische "Revolutionskomitee" ein Kommuniqué heraus: das Ergebnis der Wahlen sei "ungünstig für die Monarchie und günstig für die Republik" und kündigte Bemühungen zur sofortigen Errichtung der Republik an". König Alfonso XIII. suchte einen Weg ins Exil.
DIE AUSRUFUNG DER REPUBLIK IN EIBAR
Eibar war die erste Stadt, die am frühen Dienstag-Morgen, dem 14. April 1931, um halb sieben Uhr morgens die Trikolore hisste. Der neu gewählte Stadtrat (10 sozialistische, 8 republikanische Ratsmitglieder, und einer von der PNV) rief in Eibar die Zweite Republik aus. Die Trikolore-Flagge wurde vom jüngsten Stadtrat der neu gewählten Körperschaft gehisst. Die Republik markierte einen tiefgreifenden Wandel in der Machtverteilung, da zum ersten Mal die Mittelschichten und Arbeiter*innen Zugang zur Macht erhielten.
RÜCKBLICKE: (1766) In Azpeitia, Gipuzkoa kommt es wegen der Erhöhung der Brotpreis zu Volksaufständen., die sich später in anderen Orten wiederholen. (1900) In Paris wird die erste Weltausstellung eröffnet. (1931) Ausrufung der Zweiten Spanischen Republik, zuerst im baskischen Eibar. (1965) Die USA bombardieren Vietnam mit Napalm. (1996) Nach 342 Tagen Entführung lässt ETA den Industriellen Jose Maria Aldaya frei. (2013) Die achzehnte Korrika startet in Andoain, Gipzkoa. (2013) Nicolas Maduro wird in Venezuela als Nachfolger von Hugo Chavez.
(2021-04-13)
SARRI – DIE GEILSTE FLUCHT DER WELT
Vor genau 63 Jahren wurde Joseba Sarrionandia geboren, heute einer der bekanntesten baskischen Schriftsteller, Dichter und Baskisch-Übersetzer. Seine Biografie ist an Spannung und Wendungen kaum zu überbieten. Er studierte baskische Philologie und Soziologie. Mit seinem umfangreichen Werk an Gedichten, Erzählungen und Essays ist er einer der produktivsten und auffälligsten zeitgenössischen Schriftsteller in baskischer Sprache. 1985 floh er aus dem Gefängnis, in dem er eine Strafe wegen ETA-Mitgliedschaft verbüßte. Er blieb dreißig Jahre lang unauffindbar, was ihn nicht daran hinderte, aus dem Exil weiterhin zu veröffentlichen. Im Jahr 2016 trat er in Havanna zum ersten Mal wieder öffentlich auf, wo er sich einige Jahre zuvor niedergelassen hatte.
BIOGRAFISCHES
Joseba Sarrionandias Adoleszenz und Jugend fielen in die letzte Periode des Franco-Regimes. Er schloss baskische Philologie an der Universität Deusto ab, lehrte Phonetik an der Fern-Uni in Bergara und an der baskischen Sommer-Universität. Daneben arbeitete er mit und für verschiedene Zeitschriften und Tageszeitungen. Zusammen mit Bernardo Atxaga, Jon Juaristi, Manu Ertzilla, Joxemari Iturralde und Ruper Ordorika gehörte er zur Literatur-Gruppe Pott (ab 1977), einer Gruppe von Schriftstellern, die die baskische Literatur in den 1980er Jahren stark beeinflusste. Dieser avangardistische Kern gab ab März 1978 die gleichnamige Zeitschrift heraus (zwei Jahre später nach sechs Ausgaben wieder eingestellt).
Am 13. November 1980 (22 Jahre alt) wurde er wegen Mitgliedschaft bei ETA verhaftet und gefoltert. Im selben Jahr gewann er mit zwei Kurzgeschichten und einer Gedichtsammlung drei Literaturpreise. Die folgenden Jahre verbrachte er in den Gefängnissen von Carabanchel, Puerto de Santa María, Herrera de la Mancha und Martutene. Er wurde sieben Mal vor Gericht gestellt und in drei Fällen verurteilt, zu insgesamt achtzehn Jahre Haft. Aus dem Gefängnis heraus schrieb und veröffentlichte er weiter und wurde zu einem bekannten Schriftsteller im baskischen Kulturkreis.
FLUCHT
Am 7. Juli 1985 entkam er mit einem anderen ETA-Gefangenen aus dem Martutene-Gefängnis, indem er sich nach einem Konzert des Sängers Imanol Larzabal ohne dessen Wissen in einer Verstärker-Box versteckte. Die Flucht, an deren Planung der damalige Theaterkritiker Mikel Antza beteiligt war (später ebenfalls bei ETA) inspirierte die legendäre baskischen Rock-Gruppe Kortatu mit den Muguruza-Brüdern Iñigo und Fermin zu dem berühmten Lied “Sarri, Sarri“. Seitdem lebte Joseba unerkannt und außerhalb politischer Aktivitäten, veröffentlichte Bücher und arbeitete mit verschiedenen Künstlern zusammen, darunter Ruper Ordorika, Fermín Muguruza und Mikel Laboa. Da er keine anhängigen Verfahren mit der Justiz hat, weil seine “Verbrechen“ verjährt sind, könnte er eigentlich ins Baskenland zurückkehren.
KUBA
Verschiedene Quellen vermuteten ihn schon immer auf Kuba, doch bis 2016 trat er nie öffentlich auf, nicht einmal, um den Euskadi-Literaturpreis entgegen zu nehmen, der ihm 2011 verliehen wurde. Anfang November 2016 wurde bekannt, dass er die Leitung des Lehrstuhls für baskische Sprache und Kultur übernimmt, den das Institut Etxepare (das baskische “Goethe-Institut“) an der Universität Havanna eröffnete, und die Verantwortung für die akademischen Inhalte übernimmt. Sarrionandia wurde nach einem strengen Auswahl-Verfahren in diese Position berufen. In einem Interview verriet er, dass er bereits seit einigen Jahren in Havanna lebt.
RÜCKBLICKE: (1913) Gescheitertes Attentat des Anarchisten Sancho Alegre auf den spanischen König Alfonso XIII in Madrid. (2002) In Bilbao wird die Linie zwei der Metro eröffnet, sie geht am südlichen Ufer bis Santurtzi. (2015) Am selben Tag sterben in Montevideo der im Baskenland hochgeschätzte uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano und in Deutschland der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass.
(2021-04-12)
BASKISCHE FUSSBALL-FRAUEN
Die Euskal Selekzioa der Damen hat ihren ersten Txapela-Titel zu Hause gewonnen, ein Mini-Turnier mit drei Teams unter dem Namen “Internationaler Baskischer Frauenpokal“, ausgetragen am Wochenende in Zubieta. Die Baskinnen schlugen Argentinien (1:0) und spielten gegen Venezuela unentschieden (0:0). Nach mehr als drei Jahren waren Lust und Ehrgeiz groß (dreieinhalb Jahre nach dem Sieg gegen die Tschechische Republik in Ipurua). Ohne gemeinsame Trainingseinheit hat die Frauen-Auswahl wieder bewiesen, dass die Kombination aus Qualität und Motivation der baskischen Spielerinnen Hindernisse überwinden kann. Dabei konnte nicht einmal die stärkste Formation aufgeboten werden, weil einige Kickerinnen im Ausland tätig sind, oder bei spanischen Teams, von denen sie keine Freigabe erhalten. Denn die Euskal Selekzioa hat weder bei Frauen noch bei Männern offiziellen Status – genau das ist das mittelfristige Ziel.
Belohnung war der Triumph bei der ersten Auflage des Internationalen Frauenpokals. Nach dem Rückzug Nigerias war der Verband gezwungen, das ursprüngliche Vierer-Format zu ändern und das Turnier auf ein Dreiecksformat zu reduzieren. Auch so hatte die Konkurrenz hohes Niveau, Argentinien hatte an der Weltmeisterschaft teilgenommen. Auf dem Papier waren die Argentinierinnen das favorisierte Team, aufgrund ihres spielerischen Potenzials und der Erfolgsbilanz als Team. Doch auch venezolanische Spielerinnen spielen in prestigeträchtigen Ligen.
Kurioserweise zeigte die Euskal Selekzioa ihre beste Version gerade gegen die Albiceleste (die Himmelblauen aus Argentinien), die dank eines Tores von Yulema Corres besiegt wurden (1-0). Mit diesem Sieg und dem anschließenden Unentschieden gegen Venezuela (0:0), das mehr Gegenwehr leistete und bei einigen guten Gelegenheiten dem Sieg nahe war, konnten die Baskinnen den Pokal in die Höhe halten. Argentinien hatte das erste 45-Minuten-Minispiel gewonnen (1:0) und belegte den zweiten Platz. Die Euskal Selekzioa begann mit vier Debütantinnen und zwei Fakten für die Geschichte: Sophie Istillart ist die erste Spielerin aus Ipar Euskal Herria (dem französischen Baskenland), die in der Selekzioa spielt, und Yulema Corres liegt mit sieben Einsätzen nun auf Platz zwei in der Liste der baskischen Rekord-Spielerinnen. In jedem Fall war das Turnier ein weiterer Schritt zur offiziellen Anerkennung der Auswahl.
RÜCKBLICKE: (1961) Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin fliegt als erster Mensch für wissenschaftliche Untersuchungen ins All. (1976) Ein Arbeiter stirbt nach Schüssen der Guardia Zivil bei einer Autobahnkontrolle. (1978) Ein autonomes Kommando zündet eine Bombe beim Arbeitgeberverband in Gipuzkoa. (1994) Israel und die PLO unterschreiben in Kairo eine Vereinbarung über die Schaffung einer palästinensischen Polizei.
(2021-04-11)
IMMOBILIEN-VERTEUERUNG
Irgendwer schlägt immer Kapital. Weil die Stadt als Lebensraum in Zeiten von Lockdown und Pandemie unerträglich geworden ist, haben viele Bilbainas entschieden, künftig hinter der Bizkaia-Grenze in der nahen spanischen Nachbar-Region Kantabrien zu leben. Prompt haben in der ersten größeren Stadt (Castro-Urdiales, nur 25 km entfernt) die Immobilienpreise deutlich angezogen. Denn die starke Nachfrage macht Häuser und Wohnungen zwischen 15 und 20% teurer, und das "in nur sechs Monaten".
Die Immobilienbranche stellt einen immensen Anstieg des Interesses fest, nicht nur wie bisher an Ferienwohnungen, sondern nun vor allem für "Erstwohnsitze" (also Eigentum). "Die Nachfrage in Castro ist brutal. Wir bemerken eine Steigerung um 50 %." Der sich so deutlich ausdrückt ist der Chef einer Immobilienfirma. Der Anstieg der Zahl der Hauskäufe habe den Durchschnittspreis in bestimmten Bereichen zwischen 15 und 20% erhöht.
Für den Immobilien-Vermittler der kantabrischen Küstenstadt ist klar, dass der Anstieg der Nachfrage in direktem Zusammenhang steht mit der Coronavirus-Pandemie und deren Folgen. “Potenzielle Käufer sind zu 90% aus Bizkaia, die den Städten entfliehen wollen, um künftig in Castro zu leben. Sie sind nicht auf der Suche nach Sommerresidenzen und sind sehr wählerisch", sagt er. Was sich viele wünschen, ist ein Haus, das gleichzeitig Erst- und Zweitwohnsitz ist, wo es keine Probleme gibt, die Lockdowns und Covid-Restriktionen zu ertragen. Die Bewegung auf dem Immobilienmarkt in Castro wurde in den letzten sechs Monaten mit besonderer Stärke wahrgenommen. Ende des Sommers wurde vielen klar, dass die Pandemie noch lange dauern würde und dass die Wiederherstellung der vorherigen Normalität Monate oder sogar Jahre dauern kann. In den letzten zwei Monaten ist die Nachfrage "noch mehr" gestiegen.
LÄNDLICHE UMGEBUNGEN
Der Makler gibt Beispiele für die Markt-Entwicklung. Vor einem halben Jahr habe eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Garage nahe Cotolino zwischen 155.000 und 165.000 Euro gekostet. "Jetzt gehen sie nicht mehr unter 185.000 Euro weg", sagt er. Dieses Phänomen hat auch die Zeit der Suche beeinflusst, vorher nahmen sich die Interessierten für einen Kauf drei bis sechs Monate Zeit. "Aber wenn der Preis stimmt, kann das jetzt in einem Monat über die Bühne gehen.“ Die Konkurrenz ist groß, wer Geld hat, darf es auch eilig haben. Was in Castro passiert steht im Gegensatz zu dem, was in anderen Städten Kantabriens passiert, wo Zweitwohnungen vorherrschen. Zum Beispiel in Noja, einem jener zweifelhaften Orte, wo der gesamte Strand von Ferienwohnungen gesäumt wird. Etwa 90 % der Noja-Immobilien sind Sommerhäuser! Hier jedoch sind die Preise gefallen oder bleiben relativ stabil.
RUHIG UND BILLIG
Die Gegend bis Santander ist seit Langem ein beliebtes Urlaubs- und Naherholungsgebiet für viele aus Bizkaia. Das Preisniveau in Kantabrien ist generell deutlich niedriger als im Baskenland, sowohl im Immobilien- wie im Freizeitbereich. Deshalb ziehen es immer mehr Personen vor, eine tägliche Fahrt von 40 oder 60 km in Kauf zu nehmen, um zu ihrer Arbeit in Euskadi zu kommen, unter dem Strich rechnet sich das. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass eine Preissteigerung wie in Castro auch Auswirkungen hat auf jene weniger zahlungskräftigen Kantabrierinnen (Junge, Migrantinnen, …), die auf Mietwohnungen angewiesen sind. Denn wenn die Preise steigen, dann überall – Ausgrenzung und Verdrängung ist die Konsequenz.
In Laredo (57 km von Bilbao) gibt es ebenfalls eine Trendwende, obwohl sich hier die Nachfrage immer noch auf Zweitwohnungen konzentriert. Eine Maklerin sagt, dass sich die Nachfrage vor der Pandemie hauptsächlich auf das Stadtzentrum und den kilometerlangen Strand konzentrierte. Jetzt interessieren sich mehr Menschen für die ländlicheren Gebiete in der Nähe.
RÜCKBLICKE: (1992) Zum ersten Mal werden Polizisten der baskischen Ertzaintza wegen Folter verurteilt. (1993) Der junge Antifaschist und Independentista Guillem Agulló wird in Valencia von Neonazis ermordet. (1995) Die spanische Regierung bestätigt die Verwicklung der Guardia Civil in die Ermordung der in Almeria gefundenen ermordeten Basken Joxean Lasa und Joxi Zabala. (1999) Die Parteien des Lizarra-Paktes zur friedlichen Regelung des bewaffneten Konflikts mobilisieren in Bilbao 75.000 Menschen zu einer Demonstration. (2000) Frankreich liefert den ETA-Gefangenen Kurika aus.
(2021-04-10)
EURO-COPA, EIN MEER VON ZWEIFELN
Die Fußball-Europameisterschaft (Eurocopa) in Bilbao wird mehr und mehr in Frage gestellt. Die UEFA muss nächste Woche entscheiden, welche Städte die Meisterschaft ausrichten und San Mamés ist keineswegs sicher. Die baskische Regierung und die Stadtverwaltung Bilbao haben ein Dokument veröffentlicht, in dem die gesundheitlichen Bedingungen aufgelistet werden, um im Stadion Publikum zuzulassen: die Pandemie (11. Juni bis zum 11. Juli) müsste auf wundersame Weise gestoppt werden.
Danach sollen im Baskenland (und in Spanien) die 14-Tage-Quote unter 40 Fällen pro 100.000 Einwohner liegen (derzeit 400+). Die Zahl der Geimpften und die Immunität im ganzen Land sollte über 60% liegen (Prognosen der Zentralregierung sprechen von 70% im September, derzeit 5%). Die Belegung der Krankenhäuser mit Covid sollte bei 8% liegen (jetzt sind es 20%), die Belegung der Intensivstationen unter 2% und die Rückverfolgbarkeit der Covid-Fälle im Baskenland über 90%.
Diese Bedingungen provozierten eine scharfe Reaktion der UEFA. Bilbao sei damit nicht geeignet für das Turnier. Der spanische Fußball-Verband RFEF, mit Luis Rubiales an der Spitze, interpretiert die baskische Bremse auf seine Art: die baskischen Institutionen wollten mit diesem Manöver eine Botschaft vermitteln, dass sie die Europameisterschaft nicht wollen, bei der Spanien im Baskenland als Gastgeber spielen würde. Nur laut sagen wollten sie es nicht, die Basken ziehen es vor – so der Verband – dass die UEFA die Bizkaia-Hauptstadt eliminiert, obwohl Bilbao sich öffentlich für die Kandidatur einsetzt.
Gespanntes Verhältnis
Eine solche zwiespältige Haltung wird von Bilbao bestritten, hier heißt es, die Austragung der Europameisterschaft sei "Priorität". Auch ohne Publikum wäre die Eurocopa eine Aufwertung des Images von Bilbao gegenüber Millionen von Zuschauern (in einer Zeit, in der die Stadt ihre Wiederbelebung als touristische Attraktion organisieren muss). Der Bürgermeister bekräftigte kürzlich das Bekenntnis zur Ausrichtung der Euro'2020. Doch die Pandemie-Situation lässt hinsichtlich Publikums-Öffnung nicht viel Optimismus zu.
Die Reaktion des Verbands ist ein Beweis für das gespannte Verhältnis zwischen Bilbao, dem RFEF und der UEFA. Ein Klima, das durch Pandemie und Lockdown getrübt wurde. Einige baskische Entscheidungen kamen bei der UEFA schlecht an. Zum Beispiel die Nicht-Überlassung des Stadions für Werbe-Prozeduren vor Turnierbeginn; oder das nicht erfüllte Versprechen, den Flughafen Bilbo 24 Stunden offen zu halten (er liegt neben einem Wohngebiet). So müssten Flüge nach Gasteiz umgeleitet werden. Dass der Streit jetzt öffentlich ausgetragen wird, vermittelt die Botschaft, dass die Absage von Bilbao die Schuld der Stadt sei und nicht des Verbands.
Zudem haben die Protagonisten gewechselt, die die Ausrichtung der Eurocopa im September 2014 ausgedealt haben. Die UEFA wurde vom (korrupten) Michel Platini angeführt, einem vehementen Befürworter der 12 Standorte. Dem Verband stand Ángel María Villar vor, ebenso korrupt, und Bilbao wurde von einem anderen Bürgermeister vertreten. Jetzt ist Aleksander Ceferin Chef der UEFA, Luis Rubiales Präsident des Verbandes. Ceferin hat öffentlich deutlich gemacht, sogar als er in Platinis Vorstand war, dass er vom 12er-Modell nichts hält. Und Rubiales sieht es ähnlich kritisch.
RÜCKBLICKE: (1919) In Mexiko wird der Revolutionsführer Emiliano Zapata ermordet. (1938) Die Nazis besetzen Österreich. (1989) Die spanische Regierung erklärt die Verhandlungen mit ETA in Algerien als gescheitert. (1995) Beweis, dass die unbekannten Leichen von Alicante die Basken Joxean Lasa und Joxi Zabala sind. (1998) Karfreitags-Abkommen der Regierungen von Irland, Großbritannien, und der Konfliktparteien in Nordirland.
(2021-04-09)
FUSSBALL-FAN VON DER POLIZEI ERSCHOSSEN
Jener 5. April 2012 hatte das Flair eines wunderschönen Festtages in Bilbao. Athletic Bilbao spielte das Europacup-Rückspiel gegen Schalke und entschied das Duell für sich. Das Stadion war voll, die Kneipen waren voll, manche Kneipiers stellten die Fernseher Richtung Straße, damit möglichst viele das Spiel sehen konnten. Friedliche Massen, von denen die Schalker Fans noch lange sprechen sollten. Doch dann kam alles anders.
Ein Idiot von Polizeichef schickte einen Schlägertrupp zu einer linken Kneipe, bei der es angeblich zu Schlägereien gekommen war (eine Lüge). Die Polizisten vor Ort waren der Ansicht, dass alles ruhig sei und es keinen Grund zum Einschreiten gäbe. Doch der Chef, weit weg in der Dienststelle, bestand auf einem Vorrücken. In einer von Menschenmassen gefüllten Sackgasse, aus der niemand entweichen konnte, schossen zehn Ertzaintza-Polizisten aus kurzer Entfernung und auf Kopfhöhe Gummigeschosse auf die friedlich Versammelten – ein absolut verbotener Vorgang. Der junge Iñigo Cabacas wurde voll am Kopf getroffen, sein Schädel wurde förmlich zermatscht. Vier Tage später starb er.
Die Untersuchungen über seinen Tod waren von Beginn bis Ende ein einziger Skandal. Die Regierung (PSOE) vertuschte das Fehlverhalten der Verantwortlichen bei der Polizei, den Eltern wurde Schweigegeld angeboten, das Verfahren schleppte sich dahin. Jahre später tauchten in der linken Presse Audios auf, die alle Vorwürfe gegen die Polizei bestätigten. Nach neun Jahren wurde Prozess durchgeführt, am Ende gegen vier Polizisten, die eingeräumt hatten, geschossen zu haben. Sie wurden zu geringen Strafen verurteilt, das Urteil wurde in Madrid bestätigt und liegt nur dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg vor. Der Polizeimord – denn um nichts anderes handelt es sich – bleibt bis heute unaufgearbeitet und ungesühnt.
RÜCKBLICKE: (1914) In Zizurkil, Gipuzkoa wird Casilda Hernaez geboren, Anarchistin und Revolutionärin von 1934. Nach dem Sieg der Franquisten geht sie in die französische Resistance. (1945) Hinrichtung der Hitler-Attentäter Georg Elser in Dachau. (1977) Nach Francos Tod wird die Kommunistische Partei Spaniens legalisiert, nachdem sie einen Staatsvertrag unterschrieben hat. (1980) Carlos Garaikoetxea von der konservativ-nationalistischen PNV wird zum ersten Ministerpräsidenten (Lehendakari) der Autonomen Gemeinschaft Baskenland nach Franco gewählt (Euskadi besteht aus Bizkaia, Gipuzkoa, Araba). (2003) Tod des baskischen Bildhauers Jorge Oteiza, einer der berühmtesten Künstler des 20.Jh. (2012) Tod von Iñigo Cabacas, Fußballfan aus Bilbao.
(2021-04-08)
FRANKREICH GARANTIERT AUSBILDUNG AUF BASKISCH
Thema des Tages wäre eigentlich der vierte Jahrestag der freiwilligen Entwaffnung von ETA gewesen. Doch eine Entscheidung in Paris hat ETA in den Schatten gestellt: Mit 247 Pro- und 76 Gegenstimmen hat die französische Nationalversammlung den vom bretonischen Abgeordneten Paul Molac Gesetzes-Vorschlag angenommen, der die sogenannten Minderheiten-Sprachen anerkennt und ihnen künftig Raum verschafft im Erziehungswesen.
Das französische Parlament hat heute ein Gesetz zum Schutz von Sprachen wie Baskisch, Bretonisch oder Korsisch verabschiedet, das die Tür öffnet für die Anerkennung und Subventionen für Privatschulen und eine zweisprachige öffentliche Beschriftung ermöglicht. Im Staate existieren neben dem Französisch mehr als 70 Sprachen und Dialekte. Die Macron-Regierung hatte diesem von einer Minderheit eingebrachten Gesetzesentwurf nicht zugestimmt, weil er “den Französischunterricht und seine Ausdehnung im ganzen Land gefährden könnte“.
Doch schließlich lösten sich die Parteiblöcke auf, die Abgeordneten entschieden gegen die Parteidisziplin mehrheitlich für den vom Bretonen Molac eingebrachten Text, insbesondere die Parlamentarier*innen aus der Bretagne, Okzitanien und Iparralde taten dies parteiübergreifend. Derzeit werden etwa 170.000 der mehr als 12 Millionen französischen Schulkinder in einer der vier nunmehr anerkannten Sprachen unterrichtet: Bretonisch, Okzitanisch, Baskisch und Korsisch. Allerdings in eigenfinanzierten Privatschulen.
Das neue Gesetz sieht vor, dass in Regionen mit eigenen Sprachen, wie z.B. in Iparralde, alle Schüler in diesen Sprachen unterrichtet werden können. Es öffnet den Schulen auch die Tür, einen zweisprachigen Unterricht vorzuschlagen, obwohl die Hauptsprache weiterhin Französisch sein wird. Dies war der Hauptstreitpunkt, da die Regierung der Ansicht war, dass diese Änderung eine Bedrohung für das Primat der französischen Sprache darstellt. Die Exekutive sieht einen Widerspruch zur Verfassung, die besagt, dass "Französisch die Sprache der Republik ist". Molac hingegen verteidigt, dass kein Beschluss des Verfassungsrates die sprachliche Vielfalt verbietet und dass die Verfassung selbst besagt, dass "regionale Sprachen zum Erbe Frankreichs gehören".
Der zweite höchst umstrittene Punkt betraf die Finanzierung von Privatschulen für den Unterricht dieser Sprachen. Der verabschiedete Text sieht vor, dass die Gemeinden Privatschulen dort subventionieren müssen, wo es keine öffentliche Schule gibt, die einen solchen Unterricht anbietet. Das Gesetz enthält weitere Bestimmungen zur Sichtbarkeit der Regionalsprachen, wie z. B. die Möglichkeit, zweisprachige Wegweiser aufzustellen, wie es in Iparralde bereits gang und gäbe ist. Auch besteht nun die Möglichkeit, spezielle Zeichen aus den Minderheiten-Sprachen in Eigennamen aufzunehmen, die zum Beispiel im Bretonischen weit verbreitet sind. Für das chauvinistische Frankreich eine historische Entscheidung.
RÜCKBLICKE: (1835) In Berlin stirbt der Wissenschaftler Wilhelm von Humboldt, der in den Jahren 1799 und 1801 zwei Forschungsreisen ins Baskenland unternahm und die baskische Sprache Euskara studierte. (1973) In Frankreich stirbt der Maler Pablo Picasso, Autor des weltbekannten Gemäldes “Guernica“. (1976) Der von ETA einen Monat zuvor entführte Industrielle Angel Berazadi wird in Elgoibar tot aufgefunden. (2017) Freiwillige Entwaffnung von ETA im französischen Staat.
(2021-04-07)
SOLIDARITÄTSLAUF FÜR DIE BASKISCHE SPRACHE
Vor genau 10 Jahren, am 7. April 2011 startete die siebzehnte Korrika in der offiziell nicht zum Baskenland gehörenden Enklave Treviño (Araba) und endete elf Tage später in Donostia. Korrika ist ein Solidaritätslauf für die baskische Sprache Euskara, er geht Tag und Nacht und wird von interessierten Gruppen in tausenden von Kilometer-Etappen gelaufen, die Strecke geht durch alle baskischen Provinzen nördlich und südlich der Pyrenäen über 3.500 bis 4.000 Kilometer.
Zwar ist das Euskara seit der Verfassung von 1979 in Spanien eine offiziell zugelassene Sprache (nicht so in Frankreich), nach den vielen Behinderungen und Verboten über Jahrhunderte hinweg muss jedoch weiter für die Zukunft der Sprache und ihre Gleichberechtigung gekämpft werden. Die Korrika ist der bekannteste Event, der auf euskaldune (baskisch-sprachige) Massen zählen kann. Das Konzept ist überaus simpel. Die Gruppe A – eine Schule, ein Verein, eine Kneipe, ein Rathaus – übernimmt bei Kilometer 30 das Korrika-Staffelholz und trägt es einen Kilometer weit (in Städten weniger, auf dem Land mehr) bis zu Kilometer 31, wo die nächste Gruppe wartet. Die Trägerin des Staffelholzes wird begleitet von anderen aus ihrer Gruppe und vom Publikum im Allgemeinen. In Städten kommt es somit zu riesigen Laufbewegungen von Tausenden. Je nach Finanzkraft zahlt die staffeltragende Gruppe einen Obulus, mit dem die Korrika finanziert wird, der Rest geht an ein Sprach-Förderprojekt.
An der Spitze begleitet wird das “Rennen“ von einem Bulli, dessen hintere Türen geöffnet sind, für Fotografinnen und Korrika-Musik und laute Kommentierung dessen, was vorne gerade geschieht, denn die meisten laufen weiter hinten und bekommen wenig mit. Versteht sich von selbst, dass des Nachts weniger Personen mitlaufen, dennoch ist das Staffelholz zehn oder elf Tage lang immer in Bewegung. Die Etappen sind so konzipiert, dass die großen Orte tagsüber angelaufen werden und nachts die kleineren oder das Niemandsland zwischen Dörfern.
Wie alle kulturellen Groß-Veranstaltungen wird auch die Korrika von der Bevölkerung als sozialer Treffpunkt genutzt, und ist zum größten Volksfest des Baskenlandes geworden. Eigentlich alle zwei Jahre wird zur Unterstützung der eigenen Sprache gelaufen – wenn nicht Pandemie herrscht. 2020 wäre ein Korrika-Jahr gewesen, aus nachvollziehbaren Gründen fiel der Event aus. Auch in diesem Jahr fällt sie dem Coronavirus zum Opfer. Gespanntes Warten auf 2022 also. Gora Korrika!
RÜCKBLICKE: (1506) Im Ort Javier in Navarra wird der als Francisco de Javier bekannte Jesuiten-Missionar geboren. (1995) Die baskischen Gewerkschaften ELA und LAB sprechen sich öffentlich für die Selbstbestimmung des Baskenlandes aus.
(2021-04-06)
SABOTAGE IN ITOIZ (1996)
Itoiz: 25 Jahre nach dem Durchtrennen der Kabel – Heute vor 25 Jahren wurden die Bauarbeiten zum Itoiz-Stausee gestoppt. Anders gesagt, für ein Jahr auf Eis gelegt wurden die Arbeiten zur Zerstörung eines der schönsten Orte der Welt, sowie der Träume und Leben von Tausenden von Menschen. Am Samstag, den 6. April um 07:15 Uhr morgens, in Begleitung von Journalisten, gelang es acht Mitgliedern des Kollektivs "Solidarität mit Itoiz" (Solidarios con Itoiz), mit Radialsägen bewaffnet, mit verdeckten Gesichtern und in Overalls mit der Aufschrift "Dekonstruktion Itoiz", die Kabel zu durchtrennen, die das Baumaterial zum Damm des Stausees beförderten. Das Kollektiv war bereits wegen seiner mehr als 15 direkten gewaltfreien Aktionen bekannt. Infolge der Aktion wurde die Arbeit am Stausee für fast ein Jahr lahmgelegt und eine heftige politische und gesellschaftliche Kontroverse ausgelöst.
In jenen Tagen der Osterwoche fand im bereits abgerissenen Dorf Itoiz ein Protestcamp gegen den Stausee statt. Es war heimlich beschlossen worden, die Kabel-Aktion an den Festtagen durchzuführen, um ganz sicher zu sein, dass sich keine Bauarbeiter am Bauplatz befinden würden, denn niemand sollte gefährdet werden.
Die Aktion bestand darin, die sechs Kabel des Transportsystems zu kappen, mit denen hoch in der Luft Beton zu einem beliebigen Punkt des Damms gebracht wurde. Die Kabel waren 800 Meter lang, 62,5 Millimeter dick und trugen Gewichte von bis zu 140 Tonnen. Diese Daten helfen, eine Vorstellung von der Spannung zu bekommen, die von den Kabeln getragen wurde. Mit diesem System wurden täglich 4.200 Kubikmeter Beton transportiert, was 700 LKW-Ladungen entspricht.) Insofern war das sabotierte System zweifellos das Herzstück der Baustelle.
Zur Durchführung der Aktion musste ein Wachmannüberwältigt, mit Handschellen gefesselt und seiner Dienstwaffe beraubt werden, die danach auf dem Dach des Wachhäuschens deponiert wurde. Dieser Wachmann wurde nicht verletzt. Später war er der einzige, von dem die acht nach ihrer Verhaftung nicht misshandelt wurden. Er machte sich sogar Sorgen um sie, als er sie übel malträtiert am Boden liegen sah, nach den Prügeln von anderen Wachleuten. In einem von Journalisten aufgenommenen Video (das im Prozess als Beweis zugelassen wurde) ist zu sehen, wie dieser Wachmann mit dem zu Boden fällt, als er auf ein Seil trat, das noch um seinen Fuß gewickelt war. Dies widerlegte die Version der Anklage, dass er von den acht Saboteuren brutal verprügelt worden sei. Eine Version, die von vielen Medien kritiklos und selbstgefällig verbreitet worden war.
Das Spektakel war beeindruckend. Die sechs Kabel fielen in Flammen und Funken gehüllt zu Boden und rissen alles mit, was sich ihnen in den Weg stellte. In nur drei Minuten wurde das gesamte Beton-Transportsystem zerstört, für dessen Installation nach Angaben der Verantwortlichen ein halbes Jahr Arbeit notwendig war. Nachdem die Kabel durchtrennt waren, und wie das Video perfekt zeigt, entblößten die Solidarios con Itoiz ihre Gesichter und warteten mehr als fünf Minuten auf die Ankunft der Guardia Civil, der sie sich widerstandslos und ohne Fluchtversuch ergaben.
Die ersten, die ankamen, waren zwei zivile Wächter, die Solidarios ließen ihre Maschinen laufen, um sie abzuschrecken. Als die Guardia Civil eintraf, ließen sie die Maschinen auf dem Boden liegen und erhoben die Hände, bis sie angewiesen wurden, sich auf den Boden zu legen. Nachdem sie alle mit dem Gesicht nach unten lagen und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt waren, begannen die Wachmänner, die Saboteure vor den Augen der Guardia Civil brutal zu schlagen. Diese Misshandlungen mit Schlägen, Hieben, Tritten, Todesdrohungen dauerten eine Stunde lang. Gleichzeitig zwang die Guardia Civil die Presse, sich auf den Boden zu legen und in die entgegengesetzte Richtung zu schauen, um die Misshandlungen nicht zu sehen. Außerdem wurde illegal Bildmaterial beschlagnahmt, einige Kameras wurden zerstört.
Das Ergebnis dieser kombinierten Aktion war: ein geplatztes Trommelfell Rücken- und Bein-Verletzungen, ein schwarzes Ohr, geplatzte Fingerspitzen, Verletzungen am Kopf, an den Hoden – bis sie schließlich in die Kaserne von Aoiz gebracht wurden. In der Zwischenzeit wurde im Protestcamp im Dorf Itoiz eine Versammlung abgehalten, etwa 100 Menschen beschlossen, zur Kaserne zu marschieren, um ihre Unterstützung für die Inhaftierten deutlich zu machen.
Gegen zehn Uhr morgens wurden die Journalisten freigelassen. Auch sie waren Beleidigungen und Demütigungen ausgesetzt, ihr Bildmaterial war kaputt, sie wurden bedroht und bestohlen, weshalb sie sich alle entschlossen, beim entsprechenden Gericht eine Klage gegen die Sicherheitsfirma Protecsa einzureichen. Der Leiter des Unternehmens, González de Lara, ein Reserve-Oberst der Guardia Civil, war (ganz nebenbei) in das Verfahren der GAL-Todesschwadrone verwickelt.
Die acht Festgenommenen mussten bis zu ihrer gerichtlichen Aussage im Transporter der Guardia Civil bleiben. Sie mussten, nachdem sie brutal verprügelt worden waren, mehr als 8 Stunden in der Sonne aushalten, mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Während dieser Zeit bekamen sie weder Nahrung noch Wasser. All dies dauerte bis fünf Uhr nachmittags, als sie im Gericht in Aoiz ihre Aussagen machten. Die Kundgebung vor der Kaserne der Guardia Civil wurde aufrechterhalten. Vor dem Gericht in Aoiz verlangten die Verhafteten, auf Baskisch auszusagen, in Ermangelung eines Übersetzers entschied der Richter, sie bis zum folgenden Dienstag in Haft zu nehmen.
Am Dienstag, dem 9. April, um 11 Uhr vormittags, wurde das Gericht von Aoiz sowie seine Umgebung komplett besetzt von Mitgliedern der Guardia Civil, mehr als 15 Fahrzeuge aus den Kasernen von Pamplona und Auritz wurden gezählt. Nach und nach erschienen Unterstützer*innen, sowie Bauarbeiter mit der gegenteiligen Absicht.
Die acht Inhaftierten wurden sechs Stunden lang über einen Übersetzer befragt. Der Ersatzrichterin von Aoiz ordnete Untersuchungshaft an und beschuldigte sie der Sach-Beschädigung, Verletzung und Nötigung. Außerdem ordnete sie an, dass der mit dem gerissenen Trommelfell im Hospital behandelt wurde. Das Gericht eröffnete auch ein Verfahren wegen der von den acht angezeigten Misshandlungen. Der Anwalt legte gegen den Haftbefehl Berufung ein. Als die Verhafteten zum Gefängnis in Pamplona gebracht werden sollten, kam es zu großer Spannung, da die Guardia Civil drohte, die mehreren hundert versammelten Menschen anzugreifen. Am Ende begannen die Bauarbeiter, Flaschen auf die Protestierenden zu werfen, während die Guardia Civil nicht einschritt.
Am 11. April, reichten die Journalisten, die Zeugen der Sabotage waren, eine Beschwerde ein. Sie gaben an, unter Druck gesetzt worden zu sein, während sie während der Sabotage ihrer Arbeit nachgingen. Die schwerwiegendste Bedrohung war ein nächtlicher Angriff auf das Büro der baskischen Tageszeitung Euskaldunon Egunkaria in Pamplona am 8. April.
Hauptziel der "Solidarios con Itoiz" war immer, den Bau des Itoiz-Stausees zu stoppen. Ein paar Mal mit Erfolg: Stunden, Tage und sogar ein Jahr nach dem Durchtrennen von Kabeln. In den acht Aktionsjahren führten sie etwa sechzig Aktionen durch, um die Irrationalität der Institutionen anzuprangern, die trotz der vernünftiger Einwände der Naturschützer*innen mit diesem anti-ökologischen, anti-sozialen, illegalen, korrupten und kriminellen Projekt fortfuhren.
RÜCKBLICKE: (1950) Der CNT-Militante, antifranquistische Maquis und Stadt-Guerrillero Josep Lluis Facerías (geb. 1920) sprengt in Barcelona ein Polizei-Kommissariat. Sieben Jahre später wird er von der franquistischen Polizei erschossen. (1969) Zwei ETA-Militante, Jokin Artajo und Alberto Isurmendi, sterben durch eine von ihnen transportierte Bombe. (1998) Die nächtliche Sabotageaktion von acht Umweltschützern gegen das Staudamm-Projekt Itoiz in Navarra stoppt vorläufig den Weiterbau.
(2021-04-05)
DIE FLUCHT AUS SEGOVIA
“Flucht von Segovia“ ist die Bezeichnung für den Ausbruch von 29 Gefangenen (24 ETA-Militante und fünf Katalanen der FRAP, FAC, MIL und PCE) aus dem Gefängnis von Segovia am 5. April 1976. Sie entkamen durch die Kanalisation, nachdem sie sechs Monate lang einen Tunnel gegraben hatten. Die Flucht endete mit der Verhaftung von 24 der Ausbrecher, mit dem Tod von Oriol Solé Sugranyes bei einer Konfrontation mit der Guardia Civil in Burguete (Navarra) und der Rettung von vier der Geflohenen in Frankreich.
PLANUNG: Bereits 1975 war eine Flucht geplant, aber die Pläne und Fotos der Kanalisation des Gefängnisses von Segovia, die die Häftlinge beschafft hatten, fielen in die Hände der Polizei, über den Polizei-Spitzel Mikel Lejarza. Einige Monate vor dem zweiten Fluchtversuch nutzten sie die Tatsache, dass die Toiletten doppelwandig waren, um den Tunnel zu graben, der durch Fliesen verdeckt war. Der Tunnel führte in die Kanalisation von Segovia, die nach 800 Metern in ein Industriegebiet führte, wo sie mit einem Außenkommando, organisiert von Miren Amilibia, Kontakt aufnahmen. Die Planung wurde hauptsächlich von ETA-Gefangenen durchgeführt, die besser organisiert waren. Die anderen übernahmen Aufgaben der Informations-Beschaffung.
DIE FLUCHT: Sie versteckten sich im Anhänger eines Lastwagens, der Holz geladen hatte, und fuhren von dort nach Espinal (bask: Aurritzberri), einem Dorf in Navarra nahe der Grenze, wo sie sich in einem Verschlag versteckten und auf einen Grenzgänger warteten, einen Kontaktmann, der sie durch die Berge nach Frankreich führen sollte. Doch beim Aussprechen des Losungsworts kam es zu einem Fehler und der Führer kam nicht. Die Flüchtenden wurden nervös und beschlossen, sich mitten in der Nacht im Wald zu verstecken, aber ohne Hilfe verwirrte sie der dichte Nebel. Die Tatsache, dass sie als große Gruppe auf einem Schmugglerweg unterwegs waren verhinderte, dass sie unbemerkt blieben. Sie wurden von einer Patrouille der Guardia Civil abgefangen, es kam zu einer Schießerei, nach der sich die Gruppe in kleine Gruppen auflöste.
Innerhalb von 24 Stunden wurde Oriol Solé Sugranyes bei einem Schusswechsel im Wald von Sorogain getötet und die 21-köpfige Begleitungs-Gruppe beschloss, sich zu ergeben. Am 7. und 8. April wurden drei weitere ETA-Flüchtlinge in Aoiz und Itoiz verhaftet. Die vier Verbliebenen (Carles García Solé, Mikel Laskurain, Koldo Aizpurua und Jesús María Muñoa) versteckten sich in einem Haus in Espinal, bis sie die Grenze überqueren konnten. In Frankreich angekommen, wurden sie von der französischen Regierung auf der Insel Yeu eingesperrt, von der sie ebenfalls flohen, bis 1977 eine Amnestie erlassen wurde und sie zurückkehren konnten.
AUSWIRKUNGEN: Die Flucht hatte ein internationales Echo. Le Monde veröffentlichte sie auf der Titelseite unter dem Titel "La Grande Évasion" (die große Flucht). Obwohl die meisten Ausbrecher wieder gefasst wurde war dies ein schwerer Schlag für die Glaubwürdigkeit des repressiven Systems nach Francos Tod. 1981 drehte Imanol Uribe den Film “La fuga de Segovia“ mit Hilfe einiger der Beteiligten.
RÜCKBLICKE: (1951) Das jüdische Ehepaar Ethel und Julius Rosenberg wird in USA wegen angeblicher Spionage für die UdSSR zum Tode verurteilt. (1976) Flucht von 29 politischen Gefangenen aus dem Gefängnis von Segovia. (1978) Im Exil in Algier wird der kanarische Unabhängigkeits-Kämpfer Antonio Cubillo bei einem Attentat schwer verletzt. (1987) Zwei ETA-Militante sterben in Tafalla durch eine eigene Bombe. (2012) Nach einem Europa-Cup-Spiel von Athletic Bilbao gegen Schalke wird der Bilbao-Fan Iñigo Cabacas bei einer irrsinnigen Polizeiaktion schwer verletzt, er stirbt vier Tage später.
(2021-04-04)
ABERRI EGUNA, VATERLANDSTAG
Der Aberri Eguna, Tag des Vaterlandes, ist ein Fest des baskischen Nationalismus, das jährlich am Ostersonntag stattfindet. Nach deutschem Empfinden hört sich der Begriff nicht gerade sympathisch an. Aber baskische Verhältnisse sind bekanntlich anders. Denn hier nennt sich die Linke zwar abertzal-patriotisch, trägt aber viel internationalistisch-solidarisches Blut in sich.
Dass der Tag auf Ostersonntag fällt, ist sicherlich kein Zufall. Die rechte PNV vertritt, dass der Ursprung des Aberri Eguna auf Parteigründer Sabino Arana zurückgeht, als dieser "entdeckte", dass er kein Spanier sondern Baske aus Bizkaia sei. Die Gebrüder Arana verlegten den wichtigen Nationaltag kurzerhand auf Ostersonntag, unterlegt mit brieflichen Legenden. Historiker gehen jedoch davon aus, dass die rechten Nationalisten den Vaterlandstag Aberri Eguna mit Ostern zusammenfallen ließen, um dem Fest eine größere Symbolik zu verleihen und um im Gegensatz zum Säkularismus der Zweiten Spanischen Republik den zutiefst katholischen Charakter des baskischen Nationalismus zu betonen.
Der erste Aberri Eguna im Jahr 1932 brachte immerhin 60.000 Menschen zusammen und wurde in Bilbao gefeiert. Danach wechselte der Ort der Feier von Hauptstadt zu Hauptstadt. Im Franquismus waren die Feiern entweder verboten, oder wurden scharf kontrolliert und mitunter zerschlagen. Erst nach dem Tod des Führers wurde wieder offen mobilisiert.
Und heute? Gehen die Rechte und die Linke getrennte Wege. Selbst in der Linken besteht keine Einigkeit. Denn nach dem Ende von ETA und dem Schwenk der baskischen Linken – zur besseren Unterscheidung mittlerweile offizielle baskische Linke genannt – hin zu Parlamentarismus und institutioneller Arbeit, hat sich das linke Spektrum deutlich diversifiziert. Im vergangenen Jahr mussten wegen dem Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie sämtliche Veranstaltungen und Feiern abgesagt werden, in diesem Jahr wurde der zentrale Akt in Pamplona wegen gesundheitlichen Vorwänden verboten, dafür gab es mehr als 100 lokale Veranstaltungen.
Neu auf den Plan getreten sind junge sozialistische Organisationen wie Jardun, Jarki oder die Koordinadora Sozialista, die das von der institutionellen baskischen Linken vernachlässigte Terrain beackern und an neuen links-abertzalen Konzepten arbeiten. Mit beachtlichem Erfolg, wie jüngste Mobilisierungen gezeigt haben. Insbesondere die Jugend sucht neue Wege, sich zu organisieren und einzumischen. Auch zum Aberri Eguna.
RÜCKBLICKE: (1940) Die ersten Basken werden ins Konzentrationslager Gurs (Bearn) gebracht, das 1937auf Betreiben der baskischen Regierung als Flüchtlingslager gegründet worden war. Nach der Nazi-Besetzung Frankreichs wird es zum KZ. (1949) In Washington wird die NATO gegründet. (1968) Mord am afroamerikanischen Bürgerrechtler und Friedens-Nobelpreis-Träger Martin Luther King. (1989) Die Verhandlungen in Algier zwischen ETA und der spanischen Regierung scheitern. (2003) Der dreizehnte Euskara-Solidaritätslauf Korrika startet in Maule, Iparralde und endet zehn Tage später in Pamplona. (2013) Exhumierung von 12 Leichen von Erschossenen aus dem Spanienkrieg im Dorf Zigoitia in Araba. (2019) Die einundzwanzigste Korrika startet in Navarra und endet elf Tage später in Gasteiz. Die Edition ist dem Linguisten und Schriftsteller Txillardegi gewidmet.
(2021-04-03)
DER JÜNGSTE TAG
Es war 1992 und die bilbainische Fanmeile Pozas roch nach Wochenende. Drei Arbeitskollegen unterhielten sich darüber, wie es wohl sein mag, ein Finale im Wembley zu erleben. Cruyffs Barcelona war im Begriff, Geschichte zu schreiben. Er spielte mit vielen Basken, einige von ihnen waren von Athletic. Aber das war nicht der Grund für unseren Wahnsinn. Es war das typische "Wetten dass!“ Eine Woche später hatten wir Tickets, Flug und Hotel. Nun waren wir zu sechst. Einer besorgte englische Pfund zu gutem Preis, der andere die Zimmer.
In London wurden wir empfangen wie Mondmenschen. Von allen, die uns am Trafalgar Square oder Piccadilly trafen. Sechs Erwachsene in Athletic-Klamotten. Die Fans von Sampdoria wie auch die von Barca fragten: "Seid ihr von Barça?“ Worauf wir deutlich Nein antworteten. “Dann seid ihr also aus Genua." Erneut war Nein unsere Antwort. "Was macht ihr dann hier?", insistierten sie. "Wir kommen zum Finale". - "Aber euer Team spielt doch gar nicht!" Wir sagten wie im Chor: "Darum geht es doch gar nicht!“
Wir mögen Endspiele. Auf dieser Reise 1992 haben sich sogar Polizisten mit uns fotografieren lassen. Da wir uns beeilen mussten, sahen wir die Spieler beim Warmlaufen. Zubizarreta sah uns. Er konnte es nicht glauben. Er rief Bakero, Julio Salinas, Alexanko, Txiki Begiristain, Jon Andoni Goikoetxea - und den jungen Guardiola, der uns mit Augen wie Teller ansah. Selbst Laudrup winkte und lächelte von einem Ohr zum anderen. Unnötig zu sagen, dass wir die lautesten waren. Wir haben beide Fangruppen dazu gebracht, "Athletic, Athletic" zu skandieren. Das war unser einziger Anfeuerungsruf. Jahre später, bei der Cruyff-Hommage 1999 in Barcelona, konnten wir uns dank Begiristaín auf die Party schleichen. Und wir konnten mit den Protagonisten quatschen. Guardiola erinnerte sich noch an die sechs Verrückten von San Mamés, die auf der Tribüne “Athletic“ geschrien hatten. Wir müssten eigentlich lebenslang überallhin eingeladen werden. Was Atmosphäre betrifft sind wir einzigartig.
Sevilla weint. Nicht nur wegen der kastrierten Karwoche. Auch wegen der beiden Termine, die die kaputte Wirtschaft retten sollten. Ich kenne mehr als einen Athletik-Fan, der seinen Urlaub so organisiert hatte, dass er an beiden Terminen in Sevilla gewesen wäre, um dort 16 Tage zu verbringen. Kein schlechter Ort für Freizeit und Party. Sevilla hat Magie. Und nach der Supercopa im Januar fühlt es sich bereits an wie ein Stadtteil von Bilbao. Eine gegenseitige Zuneigung. Es hätte für Tausende von Anekdoten gereicht. Kein Geruch von Orangenbäumen, dafür der Duft der Heimat und das Unglück, das Spiel zu Hause sehen zu müssen, mit der Familie. Das aus dem Fenster zu schreien, was wir in Sevilla geschrien hätten. Es wird schon noch einen Moment geben, eine ordentliche Feier zu organisieren. Manche glauben, Freude sei wie Champagner: mit der Zeit verliert er an Geist. Ich stimme nicht zu. Ich schwöre beim Leben von Zarra, Pichichi und Iribar, dass ich eines Tages nach Sevilla fahre. Rot-weiß gekleidet, mit ernsthaftem Gesicht. Und wenn sie mir sagen, das Finale sei schon vorbei, sage ich ihnen: Freunde, das tut nichts zur Sache.
RÜCKBLICKE: (1973) Todestag des Anwalts José Antonio Etxebarrieta, 1972 Verteidiger war im Burgos-Prozess, einem der letzten großen politischen Prozesse der Franco-Diktatur. Er stirbt an seinem 33. Geburtstag. (1977) In Ormaiztegi, Gipuzkoa wird die neue links-nationalistische Gewerkschaft LAB vorgestellt. (1979) Erste Kommunalwahlen im spanischen Staat nach dem Tod Francos. (1987) Gründungs-Kongress der baskischen Partei Eusko Alkartasuna (EA), Abspaltung der konservativ-nationalistischen PNV.
(2021-04-02)
DIE OVATION VON SAN MAMÉS
Wer erinnert sich nicht an den dänischen Fußballer Michael Laudrup? Der hat eine ganz besondere Erinnerung an Bilbao und den Sportsgeist des Athletic-Publikums. “Aus vielen Gründen werde ich mich immer mit großer Anerkennung an meine Besuche in Bilbao und im Stadion San Mamés erinnern. In der “Kathedrale“ habe ich mit Juventus, Barcelona und Real Madrid gespielt. Jedes Spiel war etwas Besonderes, aber an eines erinnere ich mich speziell. Es war am 24. Januar 1996, drei Tage nach der Entlassung unseres Trainers Jorge Valdano, der durch Vicente del Bosque ersetzt wurde. Wir haben sehr gut gespielt und 5:0 gewonnen. Wenige Minuten vor Schluss wurde ich ausgewechselt und erhielt stehende Ovationen von den Fans.
Natürlich sind sie hingebungsvoll und lieben ihr Team. Aber von dem, was ich weiß und was ich erlebt habe, ist es eine Fangemeinde, die guten Fußball anerkennt. In Anbetracht der Rivalität zwischen Bilbao und Madrid war diese Anerkennung bemerkenswert und ist zu einem der Höhepunkte meiner Karriere geworden. Das Publikum hat große Klasse gezeigt. Ich habe mit vielen Spielern gesprochen, die ähnliche Erfahrungen mit Athletic-Fans gemacht haben.
Wenn wir in Bilbao Spiele hatten, sind wir immer einen Tag vorher angereist. Die Atmosphäre in der Stadt war unglaublich, man konnte die Lust auf Fußball auf eine Art und Weise spüren, die ich in kaum einer anderen Stadt der Welt erlebt habe. Eine ähnliche Atmosphäre gibt es auch in Sevilla und Neapel, aber sie ist anders: ziemlich laut. In Bilbao war es, als würde man klassische Musik hören.
Athletic ist eine Klasse für sich: ein Team, das auf einheimischen Spielern basiert und die gut genug sind, um eine wichtige Rolle in La Liga und den europäischen Wettbewerben zu spielen. Das ist beeindruckend und passiert nicht einmal in einem kleinen Land wie Dänemark. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der FC København nur Spieler aus der Stadt Kopenhagen in der dänischen Superliga einsetzt. Es wäre auch interessant zu sehen, wie es Vereinen wie Juventus ergehen würde, wenn sie nur mit einheimischen Spielern spielten.“
RÜCKBLICKE: (1939) Nach Frankreich und Großbritannien erkennen auch die USA die Militärdiktatur Francos als legitim an, nur einen Tag, nachdem Franco den Krieg für beendet erklärt. Die faschistischen Achsenmächte Italien und Deutschland hatten dies ebenfalls schon getan. (1940) In den USA wird das Werk “Ein Poet in New York” von Federico García Lorca veröffentlicht, der von den spanischen Faschisten ermordet wurde. (1948) Der Marshall-Plan für Europa tritt in Kraft. (1953) Tod von Hugo Sperrle, General der Nazi-Luftwaffe, Kommandant der Legion Condor im Spanienkrieg und Verantwortlicher für die Bombardierung Gernikas. Bei den Nürnberger Prozessen freigesprochen. (1956) Diktator Franco ehrt den Opus-Dei-Gründer Josemaría Escrivá de Balaguer. (2021) Der 1990 in Sevilla festgenommene ETA-Aktivist Henri Parot ist genau 30 Jahre eingesperrt. Zur Last gelegt werden ihm verschiedene Attentate, er ist zu insgesamt 4.800 Jahren Haft verurteilt. Die maximale Haftzeit wäre eigentlich 30 Jahre.
(2021-04-01)
KRITIK AN PRIVATISIERUNG VON EUSKALTEL
Die Plattform EH Kapitalari Planto! (Widerstand gegen das Kapital) hat in Bilbao gegen die Privatisierung von Euskaltel protestiert, nach dem Angebot einer “freundlichen Übernahme“ seitens des Unternehmen-Konglomerats Más Móvil für das baskische Telekommunikations-Unternehmen.
Auf Spruchbändern mit "Euskaltel-Privatisierung" und "Diebe" wurde der Prozess der "Privatisierung und Entwurzelung" des einstmals öffentlichen baskischen Unternehmens angeprangert. "In Zeiten einer tiefen Krise und notwendiger Übergänge ist es dringender denn je, dass diese gefördert werden, indem die Interessen der Bürger und die Verbindung mit den Bedürfnissen des Territoriums gestärkt wird", sagte Josefina Roco, Vertreterin der Plattform, die aus Gewerkschaften und verschiedenen sozialen Bewegungen besteht.
Sie kritisierten, dass die "vollständige Privatisierung von Euskaltel ohne den Impuls und die Unterstützung der baskischen Regierung unmöglich gewesen wäre" und erinnerten daran, dass die baskische Exekutive 40% des Unternehmens besaß. Doch "nachdem die wichtigsten Investitionen in die Glasfasertechnik mit öffentlichen Geldern gemacht waren, wurde das Unternehmen für privates Kapital geöffnet, zu einem Preis, der unter dem Marktpreis lag". Dies ermöglichte den Einstieg der Mondragón-Gruppe, von Endesa, Iberdrola und dem Fonds von Trilantic Capital Partners. "Jetzt wird Euskaltel in den Händen von MásMóvil sein, dessen Hauptaktionär Zegona ist, ein Spekulations-Fonds britischer Herkunft", wurde hervorgehoben.
Angesichts dieser Situation weisen die beiden Sprecherinnen darauf hin, dass der Ministerpräsident Iñigo Urkullu im Jahr 2019 die Möglichkeit eines öffentlichen Rückkaufs von Aktien angesprochen hat: "aber er hat sein Wort nicht gehalten und die Privatisierung und komplette Entwurzelung von Euskaltel gebilligt und genehmigt". Deshalb wird das öffentlich-private Management kritisiert, bei dem die öffentliche Hand "die Risiken, Investitionen und Schulden übernimmt, während der private Sektor ohne jegliche Bedingungen Gewinne anhäuft". Gegen dieses Modell verteidigt die Plattform EH Kapitalari Planto! ein Wirtschaftsmodell, in dem die Bevölkerungs-Mehrheiten, die Verwurzelung im Territorium und die öffentlich-soziale Allianz Vorrang haben.
RÜCKBLICKE: (1939) Im letzten Generalstabs-Bericht der Franco-Truppen wird der Spanienkrieg von 1936 (fälschlicherweise Bürgerkrieg genannt) für beendet erklärt. Nach Ende des Krieges sterben noch einmal so viele Menschen durch Säuberungen, Repression und Erschießungen. Bis heute liegen 140.000 Tote an unbekannten Orten unter der Erde. (1940) Beginn der Bauarbeiten für das “Valle de los Caidos“ (Tal der Gefallenen), das Francos Mausoleum werden soll und in dem bis heute mehrere Tausend Kriegstote von beiden Seiten begraben sind. (1959) Nach 19 Jahren Bauzeit weiht der spanische Diktator Franco das “Tal der Gefallenen“ (Valle de los Caídos) ein.
ABBILDUNGEN:
(04-00) Blüten (FAT)
(04-01) Gegen Privatisierung
(04-02) Michael Laudrup
(04-03) Athletic-Fans
(04-04) Aberri Eguna
(04-05) Segovia-Flucht
(04-06) Itoiz gestoppt
(04-07) Korrika
(04-08) Okzitanisch, Baskisch
(04-09) Iñigo Cabacas
(04-10) Fußball-Streit
(04-11) Kantabrien
(04-12) Frauen-Fussball
(04-13) Sarrionaindia
(04-14) Zweite Republik Eibar
(04-15) Kriegs-Exhumierung
(04-16) Exhumierung
(04-17) Eurocopa verschwindet
(04-18) Guernica - Gernika
(04-19) Ent-Setzer
(04-20) Kilometer 20
(04-21) Eurocopa: Sieg oder Niederlage
(04-22) Tunick im Kursaal
(04-23) Polizei-Rassismus
(04-24) Sarrionandia
(04-25) Gernika
(04-26) George Steer
(04-27) Sport-Publikum
(04-28) Neue Gernika Freunde?
(04-29) Fleischproduktion
(04-30) Gernika Jahrestag
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-04-01)