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Reisen mit angezogener Handbremse

Auch wenn alle von Urlaub und vom Ablegen der Gesichtsmasken reden – diese Leidensgeschichte ist noch lange nicht vorbei. Dass die Reise-Veranstalter mit den Hufen scharren, versteht sich von selbst. Dass notgeile Touristen buchen was das Zeug hält ist ebenfalls keine Überraschung. Dabei sind die Zahlen ambivalent: hier hoch und dort runter. Bilbao schaut sich die Eurocopa von ferne an – wer hätte das vor 18 Monaten geahnt. Mit etwas Mühe lässt sich der Pandemie also doch noch Gutes abgewinnen.

Was der Juni bringen soll? Endlich wieder eine Sonnwendfeier, Vorfreude auf die Ferien, verächtliche Blicke auf die ferne Eurocopa und die ersten vorsichtigen und legalen Fiesta-Freuden nach langer Zeit. Armut trifft unten alle, Touristen besetzen, was ihnen “zusteht“, die vierte Welle zieht einsam ihre Kreise, bei Impfungen ist Cocktail angesagt.

INHALT:

* (30-06) 500 Jahre Eroberung ohne und mit Faschisten * (29-06) Plastikverbot in Navarra * (28-06) Obdachlose tot * (27-06) Gnade und Recht * (26-06) Fussball-WM nach Bilbao * (25-06) 35 Opfer von Polizeigewalt anerkannt * (24-06) Exhumierung entführter Toter * (23-06) Tag der armen Witwen * (22-06) Europa korrigiert Madrider Fehlurteile * (21-06) Navarra: 500-Jahr-Gedenken mit Provokation * (20-06) Baskische Verantwortung für Folter * (19-06) Der Fall Bilbaos 1937 * (18-06) Polizeiliche Auswärtsspiele * (17-06) Guggenheim schamlos * (16-06) Keine Rücksicht auf Frauen als Gewaltopfer * (15-06) Homophobie in Basauri * (14-06-) Zur Erinnerung an Franco * (13-06) Für eine baskische Fußball-Auswahl * (12-06) Streik im Guggenheim * (11-06) Fussball-Entschädigungen * (10-06) Angriff gegen Gesundheits-Komitees * (09-06) Wohnungs-Leerstand, Zwangsräumungen * (08-06) Guggenheim: eins zwei drei * (07-06) Von Hass und Gewalt * (06-06) Antifranquist oder Terrorist * (05-06) Verantwortung für Staatsterror * (04-06) Keine Franco-Tweets in Germany * (03-06) Wohnungs-Enteignung und Mietverpflichtung * (02-06) Reisgerichte der Welt * (01-06) Unter den Fussball-Gürtel *

(2021-06-30)

500 JAHRE NOAIN OHNE UND MIT FASCHISTEN

Neunundzwanzig Jahre lang (seit 1991) wurden in Getze (span: Salinas) 20 Kilometer südlich von Pamplona Erinnerungs-Veranstaltungen wegen der Schlacht von Noain durchgeführt. Mit der Niederlage des verbleibenden navarrischen Heeres gegen eine kastilische Übermacht ging das Königreich Navarra endgültig verloren, zumindest südlich der Pyrenäen. Für jene, die an diesen 600 Jahre lang existierenden baskischen Staat erinnern wollen, wurde der 30. Juni zu einem wichtigen Datum. Mit dem heutigen Tag sind es genau 500 Jahre.

Den ultranationalen Faschisten von Vox war so viel navarrisches Geschichts-Bewusstsein selbstverständlich ein Dorn im Auge. Denn schließlich war die militärische Eroberung Navarras ein wichtiger Schritt Kastiliens auf dem Weg zu kolonialer Größe, das gilt sicher auch für die Eroberung Amerikas, Völkermord an den Ureinwohner*innen eingeschlossen.

juni74x30Wie berichtet, kündigte Vox für denselben Gedenktag (26. Juni wegen Wochenende) am selben Ort zur gleichen Zeit eine Siegesfeier an. Üblicherweise werden solche Zweit-Veranstaltungen entweder nicht erlaubt, oder an einen anderen Ort verschoben. Aber Spanien ist Spanien und Vox ist nicht irgendwer. Provokation gehört seit Jahren zum Handwerk dieser Franco-Nostalgiker. Um der Provokation aus dem Weg zu gehen und mögliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, beschloss der Stadtrat von Getze, die Begehung des Gedenk-Geländes (es handelt sich um ein kommunales Terrain) am selbigen Tag generell zu verbieten. Die Noain-Erinnerungs-Gruppe nahm daraufhin ihre Mobilisierung, zu der viele auch aus dem übrigen Baskenland erwartet wurden, zurück und kündigte Ersatz in der näheren Zukunft an. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass bislang alle Veranstaltungen ohne jegliche Zwischenfälle abgelaufen waren.

KEINE REGELN FÜR FASCHISTEN

Weil Vox eben Vox ist und über allem steht, setzte sich die Partei am angekündigten Tag über alle Verbote hinweg und zog mit einer Mini-Delegation zur Erinnerungs-Skulptur von Noain. Eskoltiert von mehreren Dutzend Guardia-Civil-Polizisten, damit bloß nichts passiert. Böse Zungen fragten laut, ob hier Vox mit der Guardia marschiert sei, oder die Guardia mit Vox … denn es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die neue Faschistenpartei unter den Paramilitärs besonders starke Unterstützung findet – Freunde und Gesinnungsgenossen durften also unter sich bleiben. Gesetzt den Fall, die Noain-Gruppe hätte einen ähnlichen Regelverstoß versucht, wären sie mit Sicherheit polizeilich attackiert und mit Geldstrafen wegen was-auch-immer bestraft worden. Aber wie gesagt: Vox ist nicht irgendwer … schlicht ein weiteres Beispiel, dass der spanische Staat Franquismus und Diktatur nie überwunden hat, geschweige denn aufgearbeitet.

RÜCKBLICKE: * (1521) Mit einer Feldschlacht in Noain/Navarra scheitert der Versuch von navarrischen Kräften, das Königreich Navarra nach der Besetzung von 1512 gegen die kastilischen Eroberer zurückzuerobern. * (1521) Kastilische Eroberer fallen in der Azteken-Stadt Tlatelolco ein, die mit Tenochtitlan verbündet ist, in einer der entscheidenden Schlachten bei der Eroberung und Vernichtung des Azteken-Reiches. * (1522) Beim letzten Versuch, das Königreich Navarra wiederzuerlangen, werden franco-navarrische Verbände bei Irun (Gipuzkoa) geschlagen. * (1922) Im Dorf Amaiur, Navarra, wird ein Monument eingeweiht auf dem Hügel der zerstörten Maya Festung, in der sich die letzten navarrischen Krieger gegen die kastilischen Eroberer verschanzt hielten: 200 gegen 10.000 kastilische Soldaten. Das Monument wird am 27. Juli 1931 nachts wieder gesprengt. * (1982) ETA erschießt den Chef der Stadtpolizei Barakaldo.

(2021-06-29)

VERBOT VON WEGWERF-PLASTIK IN NAVARRA

Als Konsequenz des neuen Abfall-Gesetzes tritt in Nafarroa eine Regelung in Kraft, die den Verkauf von Einweg-Plastikprodukten, Gegenständen aus nicht-abbaubarem Material und Kapseln aus nicht recycelbaren Stoffen verbietet. Das Umwelt-Ministerium hat eine Kampagne gestartet, um über die neuen Verbote zu informieren. Konkret geht es vor allem um Besteck und Teller, Strohhalme, Getränkerührer, Luftballonstäbchen, Lebensmittel- und Getränkebehälter und nicht wiederverwertbare Einwegdosen und -kapseln; Produkte aus Einwegkonsum, die zusammen 43% des gesamten Abfalls ausmachen, der die Meere verschmutzt. Plastiktüten wurden bereits 2020 verboten.

juni74x29Mit dieser Maßnahme soll die Abfallvermeidung gefördert und der Gebrauch der entsprechenden Produkte vermieden werden. Bisher sind sie auf dem Markt weit verbreitet und stellen ein ernstes Problem für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dar. Dafür müssen “die Bürger“ nun ihre Gewohnheiten ändern. Mit dem Umwelt-Gesetz aus dem Jahr 2020 wurde Nafarroa zur Vorreiterin im Staat. Die Kampagne "Goodbye plastic Agur" wird von einem QR-Code begleitet, der zur Website des Büros für Abfallvermeidung und Förderung der Kreislauf-Wirtschaft führt, die weitere technische und detaillierte Informationen über die neue Norm bereitstellt.

Der Verkauf der genannten Produkte ist in Nafarroa also verboten, nicht jedoch ihr Konsum. Wenn sie in der autonomen Region nicht zu kaufen sind, dann doch in den Nachbar-Regionen: Gipuzkoa, Araba, Aragon, Soria, Rioja, Frankreich. So gesehen können Gesetz und Verbot als Pyrrhus-Siege im Kampf gegen die Umweltverschmutzung verstanden werden. Solange nicht alle an einem Strang ziehen, gibt es viel zu viele Schlupflöcher. Solange das Bewusstsein nicht geändert wird – und das Konzept der schrecklichen plastik-verbrauchenden Fiestas – gibt es keine Lösung des Problems. Vergessen wird auch der enorme Plastik-Verbrauch in der Industrie, mal wieder sind es die Verbraucher mit den Strohhalm, die den Anfang machen sollen. Dass Navarra allein auf weiter Flur die Vorreiterrolle spielen muss ist erschreckend.

RÜCKBLICKE: * (1989) Beim Versuch, den Waffenfabrikanten Jokin Aperribay zu entführen, tötet ETA “versehentlich“ dessen Fahrer. * (1999) Abdullah Öcalan, Gründer und Chef der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, wird von einem türkischen Staatssicherheits-Gericht zum Tode verurteilt.

(2021-06-28)

TÖDLICHE OBDACHLOSIGKEIT

Im Mai wurden in Nafarroa drei Leichen von Obdachlosen gefunden, ein tragisches Ereignis ohne Vergleich. Zwei wurden in Baracken gefunden, ein dritter in einem Müllwagen. Die Feuerwehr in Pamplona wurde durch einen Brand alarmiert. Hinter Dornengebüsch zeichnete sich eine Hütte ab, Plastiktüten, deutliche Anzeichen, dass dort jemand wohnte. Dann erschien die Leiche. Eine Woche zuvor gab es einen ähnlichen Brand in Tutera, bei dem in einer Baracke die Leiche eines anderen Obdachlosen aufgetaucht war.

juni74x28Laut Polizei ist das Auftauchen von drei toten Obdachlosen in Nafarroa in einem Monat ein auffälliges, aber zufälliges Ereignis. Außer den Hütten-Leichen wurde die eines jungen Mannes aus Madrid in einem Karton-Container gefunden. Die menschlichen Überreste, die Feuerwehrleute in dem schwer zugänglichen Verschlag nahe des Stadtzentrums fanden, lagen dort schon seit Monaten oder Jahren. Sie gehörten zu einer Frau. Die Leiche in Tutera wurde gefunden, weil die Angestellten eines Supermarktes einen Mann vermissten, der immer Kaffee und Proviant geholt hatte. Sie befürchteten, dass ihm etwas zugestoßen sei, weil seine Hütte Tage zuvor niedergebrannt war. Sie hatten Recht. Als die Feuerwehrleute 13 Tage nach dem Brand zur Hütte zurückkehrten, fanden sie menschliche Überreste, die von den Flammen stark verzehrt waren.

Feuer ist eine der größten Gefahren für Obdachlose. Feuerwehrleute pflegen zu sagen, dass Feuer die sozialen Klassen kennt. “Menschen, die bei Bränden sterben, sind nicht jene, die sich gute Heizungen und Klimaanlagen leisten können. Wer mit einem alten Ofen in einem schlecht isolierten Haus heizt, ist einem größeren Unfallrisiko ausgesetzt.“ Und je gravierender die Marginalisierung, desto größer die Gefahr. "Wenn wir in verlassene Häuser gehen, müssen wir als erstes nach Lebenszeichen suchen. An solchen Orten ist das Risiko überall. Die verlassenen Gebäude sind oft beschädigt, im Winter machen die dort lebenden Menschen Feuer, um sich warm zu halten. Sie heizen mit Paletten oder was immer sie finden können, das kann zu Bränden oder Vergiftungen führen".

IDENTIFIZIERUNG

Die Frau aus der Hütte wurde noch nicht identifiziert. "Der wichtigste Anhaltspunkt sind Fingerabdrücke“. Wenn das nicht funktioniert, gibt es die DNA. So im Fall Tutera. Die Familie wurde gefunden. Ähnliches bei mit dem jungen Mann aus Madrid, der von einem Müllwagen aus einem der Container von einem Kaufhaus abgeholt wurde. Er wurde schnell identifiziert. Für den Gerichtsmediziner ist es nicht außergewöhnlich, dass Obdachlose sterben, obwohl er keine genaue Statistik hat, wie viele es jedes Jahr sind. In Nafarroa gibt es jedes Jahr 50 Selbstmorde, die Zahl der Tötungsdelikte liegt bei etwa neun (mit Ausnahme des Pandemie-Jahres, in dem kein gewaltsamer Tod zu verzeichnen war).

ETWAS HOFFNUNG UND EINE HEISSE SUPPE

Die Hilflosigkeit dieser Menschen ist extrem. Karitative Organisationen zählten kürzlich etwa 40 Menschen, die in Iruñea auf den Straßen leben. Vor ein paar Jahren waren es nur die Hälfte. Die Daten sind sehr hart. "Es gibt einige, die nur wenig Hilfe brauchen, um wieder in die Spur zu kommen. Für uns ist es die ewige Frage: Sind sie auf der Straße gelandet, weil sie den Verstand verloren haben, oder ist es die Straße, die sie verrückt macht". Diese Leute wandern von einer Stadt zur anderen. "Ich würde sagen, dass wir in 90 % der Fälle nicht wissen, was mit ihnen passiert ist, wenn wir sie nicht mehr sehen", erklärt ein Freiwilliger.

RÜCKBLICKE: * (1519) Karl der Fünfte (Karl I. von Kastilien) wird zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ernannt. Die kastilische Kolonisierung in Amerika und der Völkermord an den Indigenen laufen auf Hochtouren. * (1931) Erste Wahlen in der Zweiten Spanischen Republik, es siegten die Sozialisten der PSOE. * (2011) Die europäischen Kulturbehörden bestimmen Donostia (San Sebastián) zum Sitz der Europäischen Kultur-Hauptstadt für das Jahr 2016. * (1967) Israel annektiert Ost-Jerusalem. * (1969) Im New Yorker Stadtteil Greenwich Village beginnt in der Bar Stonewall Inn der Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street. Mit dem Christopher Street Day wird bis heute an dieses Ereignis erinnert. * (1986) In Getaria wird ein Zivilgardist von ETA mit einer Bombe getötet. * (1991) Eine Briefbombe tötet im Gefängnis von Sevilla vier Zivilgardisten und verletzt Dutzende Besucher*innen.

(2021-06-27)

GNADE, GNADE!

Gnade ist ein religiöses Phänomen, das in der Politik eigentlich nichts zu suchen haben sollte. Begnadigung ist ein Sachverhalt aus der Justiz, der entweder unter humanitären oder politischen Vorzeichen steht. Wenn im spanischen Staat Zivilgardisten begnadigt werden, die gezielt Oppositionelle umgebracht und nur einen geringen Teil ihrer Strafe abgesessen haben, kräht kein Hahn danach. Wenn Politikerinnen begnadigt werden, die dafür verurteilt wurden, dass sie Wahlurnen aufgestellt haben, um die Ansichten der Bevölkerung in Erfahrung zu bringen, sieht ein Teil der politischen Klasse die Grundfesten des Staates in Gefahr. In diesem Fall der rechte Rand, dem es schwer fällt, den gewaltförmigen Militärputsch vor 85 Jahren auch nur zu kritisieren, geschweige denn zu verurteilen.

juni74x27Die Katalaninnen von 2017 hatten die Absicht, per Referendum eine Loslösung vom spanischen Staat zu erreichen, nachdem ihnen zuvor jeglicher Dialog über Statut-Veränderungen verweigert worden war. Ohne jede Gewaltanwendung, allein dem urdemokratischen Prinzip der Volksbefragung folgend. Faschisten werden durch solches Vorgehen zum Kochen gebracht. Ihnen geht es um die absurde Frage der “Einheit der Nation“, was immer das auch sein mag. Trotz rohen Widerspruchs haben sich die derzeit regierenden Sozialdemokraten zu einer Begnadigung entschlossen. Um neue Voraussetzungen für einen Dialog zu schaffen (im Rahmen der Verfassung versteht sich) und um die Angelegenheit von der juristischen auf die rationelle Ebene zu ziehen, sagen sie. Niemand ist es entgangen, dass Sanchez nur deshalb Regierungschef wurde, weil er von den Parteigängern der “eingesperrten Politikerinnen“ die nötigen Stimmen erhalten hat. Auch für die nächste Zukunft wird er davon abhängig sein, einen Dialog zu führen, oder zumindest zu tun als ob. Denn am Dogma der unteilbaren nationalen Einheit zweifelt auch Sanchez nicht. Die Begnadigten haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass sie weder bereuen, noch bei ihren Bemühungen für ein eigenständiges Katalonien Abstriche machen werden.

RÜCKBLICKE: * (1967) In London wird der erste Geldautomat in Betrieb genommen. * (1973) Militärputsch in Uruguay, der Präsident löst das Parlament auf. * (1986) Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag (Niederlande) verurteilt die Vereinigten Staaten zur Zahlung von 17 Milliarden US-Dollar an Nicaragua, weil sie die Contras finanziell unterstützt haben, was 38.000 zivile Opfer und die Zerstörung der Infrastruktur zur Folge hatte. Im September 1992 verzichtete die nicaraguanische Präsidentin Violeta Chamorro auf diese Zahlung. * (1995) Der Unternehmer Cordon wird in Aragon von der bewaffneten Gruppe GRAPO entführt.

(2021-06-26)

BILBO UND DIE WELTMEISTERSCHAFT 2030

Tour de France, Europa-Meisterschaften, CL-Finale und andere Makro-Events – der Stadtrat von Bilbao kann den Hals nicht vollkriegen. Nach dem Fiasko mit der Fußball-Europameisterschaft bewirbt sich Bilbao nun um die Austragung der Weltmeisterschaft 2030. Die Staaten Spanien und Portugal hatten eine gemeinsame Kandidatur eingereicht, Bilbao springt nun auf den fahrenden Zug. Im Jahr 2024 wird entschieden, wo der Makro-Event stattfinden soll, Marokko hat ebenfalls eine Kandidatur eingereicht, sowie Argentinien, Uruguay, Paraguay und Chile gemeinsam. Eine dritte Option sind die Inselländer England, Republik Irland, Nordirland, Schottland und Wales.

juni74x26Die Bewerbung um einen Austragungsort wurde im Stadtrat Bilbao mit absoluter Mehrheit der bürgerlichen PNV und den Sozialdemokraten beschlossen. Das Ganze nur wenige Wochen nach dem Verlust der Eurocopa-Spiele wegen der strengen Covid-Gesundheitsauflagen der baskischen Regierung. Erst vor einer Woche beschloss der baskische Covid-Krisenstab die Rückkehr des Publikums in Stadien, ohne die der UEFA gegenüber geforderten Bedingungen selbst zu erfüllen.

Nach dem Fiasko erkannte die UEFA, den Vertrag mit Bilbo regelwidrig gebrochen zu haben und verpflichtete sich, die 1,3 Millionen Vorfinanzierung zurückzuzahlen und der Stadt in den Jahren 2024 und 2025 zwei Finale zuzusichern: Europa-League der Männer und Champions-League der Frauen. Eine Fußball-Weltmeisterschaft 2030 würde eine spektakuläre Abfolge von Sportereignissen auf höchstem Niveau bedeuten. Bereits 1982 war San Mamés Gastgeber-Stadion für drei Vorrundenspiele.

Auch die oppositionelle postfranquistische PP unterstützt in der Frage der Kandidatur ausnahmeweise die PNV-PSE-Mehrheit. Bilbao sei die wichtigste Stadt im Norden und habe eines der modernsten Stadien Europas. Podemos enthielt sich bei der Abstimmung, ihre Sprecherin verteidigte die Änderung der großen Events hin zu einem Gleichgewicht, das auch der lokalen Gewerbe-Struktur zu Gute kommt. EH Bildu lehnte den WM-Vorschlag ab und stellte die wirtschaftlichen Ergebnisse dieser Art von Veranstaltung in Frage, da sie nur prekäre Arbeitsverhältnisse fördern. Für die linke Sprecherin käme eine Zustimmung nur dann in Frage, wenn eine baskische Auswahl die Möglichkeit hätte, gegen Spanien und Portugal zu spielen.

RÜCKBLICKE: * (1954) Im russischen Obninsk wird das weltweit erste AKW in Betrieb genommen (2002 wieder geschlossen). * (1962) Beim Besuch in Berlin sagt US-Präsident John F. Kennedy: “Ich bin ein Berliner“. * (1982) Der Tritt eines Jungen gegen einen auf der Straße zurückgelassenen Rucksack führt zur Explosion einer Bombe, die dem Jungen ein Bein wegreißt. Der Rucksack wird ETA zugeschrieben. * (1962) Beim Besuch in Berlin sagt US-Präsident John F. Kennedy: “Ich bin ein Berliner“. * (1982) Der Tritt eines Jungen gegen einen auf der Straße zurückgelassenen Rucksack führt zur Explosion einer Bombe, die dem Jungen ein Bein wegreißt. Der Rucksack wird ETA zugeschrieben.

(2021-06-25)

35 Opfer von Polizeigewalt

Die baskische Regierung wird morgen 35 Opfer von Polizeigewalt anerkennen, darunter Iñaki O'Shea, ehemals führender Aktivist der abertzalen Koalition Herri Batasuna. "Wir wurden von der Polizei misshandelt und es ist wichtig, dass die Gesellschaft auch diese Wahrheit kennt und anerkennt". "Schläge, die Tüte, die Badewanne, die Ente, das Rad, systematischer Schlafentzug, Drohungen gegenüber Familie und Freunden, Schmerzensschreie von echten oder aufgezeichneten Dritten" – die Liste der Misshandlungs-Methoden liest sich wie ein Handbuch für Folter. In den Kasernen der Guardia Civil und der Nationalpolizei hat es solche Handbücher mit Sicherheit gegeben. Denn Folterinstrumente finden sich nicht einfach zufällig in irgendwelchen Verließen ein, alles war gut organisiert und vorbereitet.

juni74x25Die genannten Misshandlungen sind einige der Menschenrechtsverletzungen, die jene erlitten haben, die am 26. Juni 2021 von der baskischen Regierung als Opfer polizeilichen Missbrauchs in einem politisch motivierten Kontext anerkannt werden. Eine unabhängige Expertenkommission hat dies festgestellt, sie setzte sich zusammen aus Juristinnen, Forensikerinnen, Psychologinnen und Historikerinnen.

Es handelt sich um 35 Personen, mit Vor- und Nachnamen. Nur fünf haben es vorgezogen, anonym zu bleiben. Bis auf sieben Fälle liegen die Misshandlungs-Ereignisse alle vor 1978, fünf stammen aus dem Jahr 1985, der Zeit der Todesschwadronen der Guardia Civil. Die Hälfte der Opfer war keiner bestimmten Ideologie zuzuordnen, der Rest repräsentierte ein "breites politisches und soziales Spektrum". Einer war von der christdemokratischen Baskenpartei PNV, ein anderer von der Kommunistischen Partei, zwei von der abertzalen Gewerkschaft ELA und von der ehemals kommunistischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO). Ein Dutzend Personen wurden mit der ETA in Verbindung gebracht. Unter denen, die jetzt als Opfer von Polizeigewalt oder Polizeimissbrauch anerkannt werden, ist Iñaki O'Shea. Er ist ein historischer Aktivist von Herri Batasuna, bekleidete jedoch niemals irgendwelche öffentlichen Funktionen. O‘Shea erlitt nach dem Gutachten der Expertenkommission 1975 Misshandlungen und Folter durch die spanischen Polizeibehörden.

Ebenfalls auf der Liste stehen Idoia Ayerbe Iribar, Juan Ramón Arreche Gutiérrez und Manuel Vizcay Zabalza, die alle gefoltert wurden, als sie zusammen mit Mikel Zabalza verhaftet wurden. Die Leiche von Zabalza wurde im Bidasoa Fluss gefunden, nachdem er in die Kaserne der Guardia Civil in Intxaurrondo (Donostia) gebracht und dort brutal gefoltert worden war. Der Busfahrer Zabaltza und die Mitverhafteten hatten nachweislich nie mit ETA zu tun gehabt. Doch das spielte in jener Zeit eine eher untergeordnete Rolle. Der feierliche Akt findet statt im Euskalduna-Palast in Bilbao. Mehrere der Opfer werden Redebeiträge halten, darunter Inés Barayazarra Apraiz. In Meñaka geboren zog ihre Familie, als sie sechs Jahre alt war, in ein Bauernhaus in Bakio. Dort engagierte sie sich in verschiedenen kulturellen Initiativen, wie der Förderung der baskischen Sprache, Filmvorführungen an Sonntag-Nachmittagen und der Initiative zur Forderung einer Schule für die Gemeinde. "Die Bildung war in den großen Städten zentralisiert und die Kinder aus Bakio mussten nach Mungia gebracht werden. Wir kämpften und schafften es, eine erste Schule für dreizehn Kinder zu bekommen", erinnert sie sich.

Leben "in Angst

Im franquistischen Jahr 1972, im Alter von 23 Jahren, wurde Inés zum ersten Mal verhaftet. Im Jahr 1975, kurz vor dem Tod des Diktators Franco, wurde sie erneut zweimal verhaftet. Als 1975 der Ausnahmezustand in Bizkaia und Gipuzkoa ausgerufen wurde, kam es damals zu rund tausend Verhaftungen. Hausdurchsuchungen, Identifizierungen und die Auflösung von Personengruppen, die den Verdacht der Polizei erregten, waren an der Tagesordnung. "Sie kamen im Morgengrauen, setzten uns in einen Jeep und brachten uns zum Rathaus", erinnert sich Inés. Ihre Schwester Pilar wurde mitgenommen, weil die Polizei Inés nicht zu Hause finden konnte (auch der Schwester wird morgen eine Anerkennung zuteil). Mit ihr fuhren sie stundenlang in einem Auto herum, ohne dass die Betroffene wusste, was passieren würde. Eine Freundin wurde gefoltert, zwei andere verbrachten einen Monat im Gefängnis. "Zu Hause wurde wenig über diese Dinge gesprochen", räumt sie ein. Inés wird bei der Veranstaltung im Euskalduna-Palast im Namen aller Opfer von Bakio sprechen, mehr als ein Dutzend.

Parteilose Aktivist*innen

"Wir gehörten weder der einen noch der anderen Partei an, wir kämpften einfach für soziale Gerechtigkeit", fügt Belén Matabuena Garagorri hinzu, die ebenfalls auf der Veranstaltung sprechen wird. Sie erlitt "Gefängnis, Exil und Folter", zieht es aber vor, keine Details zu erzählen. Verurteilt wurde sie nie (wie viele andere ebenfalls, weil es den Verfolgungsbehörden darum ging, eine generelle Situation von Angst zu erzeugen). Belén ist gerade 73 Jahre alt geworden. "Mir war von klein auf klar, dass ich als Frau, Baskin und Arbeiterin ein Opfer der Diktatur war und unter Repression zu leiden hatte." Sie kämpfte für Arbeiterrechte und nahm an baskischen Sprach- und Tanzkursen teil. "Damals war alles klandestin", sagt sie. Belén ist sich darüber im Klaren, dass diese Anerkennung dazu beitragen wird, "unser Selbstwertgefühl zu steigern". "Wir wurden misshandelt und es ist wichtig, dass auch die Gesellschaft diese Wahrheit kennt", fügt sie hinzu.

RÜCKBLICKE: * (1876) In der Schlacht am Little Big Horn wird die US-Kavallerie Custer von Sioux und Cheyenne Indianern mit den Häuptlingen Sitting Bull und Crazy Horse vernichtend geschlagen. * (1937) An der Friedhofsmauer von Vitoria-Gasteiz wird während des Krieges der Poet Estepan Urkiaga “Lauaxeta“ (*1905) von den Faschisten hingerichtet, im Auftrag der baskischen Regierung hatte er geheime Botendienste erledigt. * (1998) In Renteria wird Stadtrat Manuel Zamarreño Villoria mit einer Bombe getötet, ETA wird hinter dem Anschlag vermutet, bekennt sich aber nicht dazu. Ein Jahr später werden die Untersuchungen eingestellt, der Fall wird nie gelöst.

(2021-06-24)

EXHUMIERUNG VON ENTFÜHRTEN TOTEN

juni74x24Grünes Licht für Exhumierungen in Francos ehemaligem Mauseleum, dem “Tal der Gefallenen” (Valle de los Caidos). Dorthin wurde eine große Anzahl von Leichen republikanischer Gefallener gebracht, gegen den Willen der Hinterbliebenen. Eine Reihe baskischer Familien kann nun hoffen, die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen aus dem faschistischen Tempel bergen zu können. Die Vizepräsidentin kündigte an, dass die Arbeiten zur Exhumierung und Identifizierung der im “Tal der Gefallenen” begrabenen Opfer bald beginnen, nachdem die Genehmigung der Gemeinde San Lorenzo de El Escorial vorliegt (in dieser Gemeinde der Region Madrid steht das Mausoleum). "Das Rathaus hat uns die Baugenehmigung erteilt. Bald wird die Arbeit der Exhumierung und Identifizierung der Opfer des Bürgerkriegs und der Diktatur beginnen, die von ihren Familien beansprucht werden. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass sie ihre Würde wiedererlangen können.

Die Regierung Sanchez hatte im April in San Lorenzo eine Baugenehmigung beantragt, um mit den Arbeiten zur Exhumierung und Identifizierung der Opfer zu beginnen, die in den Krypten der “Basilika des Heiligen Kreuzes des Tals der Gefallenen” begraben sind. Der Antrag wurde gestellt, nachdem der Ministerrat am 30. März einen 665.000 Euro umfassenden Topf zur Finanzierung dieser Arbeit bereitgestellt hatte. Das Projekt umfasst die notwendigen Arbeiten für Zugang und Sicherung des Durchgangs ins Innere der verschiedenen Ebenen der Krypten. Darüber hinaus umfasst es Gesundheits- und Sicherheits-Maßnahmen, die Demontage von Einfriedungen, die Schaffung von Zugängen, die Anpassung von Beleuchtungs- und Sicherheits-Einrichtungen sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der baulichen Sicherheit für den Zugang zu allen Krypten.

1.231 BASKEN BEGRABEN

Das baskische “Institut für Erinnerung, Koexistenz und Menschenrechte” (Gogora) legte dem baskischen Parlament 2019 einen Bericht vor, in dem von mindestens 1.231 Basken im Tal der Gefallenen die Rede ist. Von denen sind 917 identifiziert, für 314 trifft dies nicht zu, die große Mehrheit der Toten wurde ohne die Zustimmung ihrer Familien dorthin gebracht. Eine Reihe von baskischen Familien haben bereits DNA-Tests durchgeführt, um ihre Angehörigen identifizieren zu können, nachdem sie von der spanischen Regierung die Genehmigung zur Exhumierung erhalten hatten.

RÜCKBLICKE: * (1821) In der Schlacht von Carabobo besiegen die Truppen von Simón Bolívar die spanische Kolonialmacht, erkämpfen die Unabhängigkeit Venezuelas und stärken die Unabhängigkeits-Bewegungen in ganz Südamerika. * (1937) Der Gesundheits-Senator der baskischen Regierung während des Krieges, Alfredo Espinosa y Orive, fällt durch einen Verrat in die Hände der Franquisten und wird später (als einziges Regierungs-Mitglied) in Vitoria-Gasteiz hingerichtet. * (1945) Siegesparade auf dem Roten Platz wird mit 40.000 Soldaten, 1.850 Militärfahrzeugen, die größte Militärparade in der Geschichte der Sowjetunion.

(2021-06-23)

TAG DER ARMEN WITWEN

Der 23. Juni wurde von den Vereinten Nationen im Jahr 2011 zum “Internationalen Tag der Witwen“ erklärt, mit dem Ziel, die Gesellschaft auf die Probleme verwitweter Frauen in aller Welt aufmerksam zu machen. Aber vor allem mit Blick auf die harte Realität, die Frauen in den ärmsten Ländern erleiden. Schätzungsweise gibt es 285 Millionen Witwen auf der Welt, von denen 115 Millionen in extremer Armut leben.

juni74x23Bei ihrer seit mehr als drei Jahren üblichen montäglichen Protest-Zusammenkunft vor dem Rathaus Bilbao machte sich auch die Bewegung der Rentnerinnen und Rentner in Bizkaia das Thema der Witwen zu eigen. "Wenn Sie in einer fortschrittlichen Gesellschaft leben, denken Sie vielleicht nicht daran, dass in anderen Teilen der Welt die Tatsache, verwitwet zu sein, eine Reihe schwerwiegender Konsequenzen mit sich bringt, die das Leben dieser Frauen und ihrer Kinder beeinträchtigen.“ So heißt es in einem Begleittext, der zur Empathie beitragen soll. Die Rentnerinnen in Bilbo fügen dem folgendes an: “Wir, die wir in dieser fortschrittlichen Gesellschaft leben, wissen um die harte Realität, die verwitwete Frauen im Baskenland erleben.“

“Hier gibt es viele Witwen mit einer miserablen Rente: In Araba, Bizkaia, Gipuzkoa und Nafarroa gibt es 117.400 Frauen mit einer Witwenrente. Von diesen Frauen erhalten 11.410, also fast 10 %, weniger als 500 Euro Rente. Die Hälfte dessen, was wir als würdige Mindestrente beanspruchen, 1.080 Euro. Glaubt hier irgendjemand, dass es möglich ist, von 500 Euro Rente zu leben? Diese Frauen haben ihr Leben der Arbeit gewidmet, gleichzeitig haben sie sich auch um das Haus, ihre Männer, Kinder und andere Familienmitglieder gekümmert.“

Vieles davon war Arbeit, die nicht als solche anerkannt wird, weil das Patriarchat sie als "Hausarbeit" etikettiert hat. Dennoch ist es eine Arbeit, ohne die diese Gesellschaft nicht existieren könnte. “Deshalb fordern wir, dass die Witwenrente 100 % der Bemessungsgrundlage des verstorbenen Arbeitnehmers betragen soll. Für weniger internationale Tage und mehr Anerkennung von Rechten: * 100 % der Regelbasis für verwitwete Frauen. * Mindestrente, 1.080 Euro. * Mindestlohn, 1.200 Euro.“

Seit dreieinhalb Jahren besetzt die Bewegung der Rentner*innen in Bizkaia jeden Montag die Rathaus-Treppen in Bilbao. Um auf die gravierend schlechte Rentenpolitik hinzuweisen, vor allem auf die Situation von Rentnerinnen und Witwen, und um würdige Renten zu fordern, die keinen Reichtum darstellen, sondern ein menschenwürdiges Dasein garantieren.

RÜCKBLICK: * (1937) Spanienkrieg: Die faschistischen Mächte Italien und Deutschland verlassen den sog. Nicht-Interventions-Pakt, den sie ohnehin nie eingehalten haben. * (1938) Das Nicht-Interventions-Komitee beschließt den Abzug der ausländischen Freiweilligen, die im Spanienkrieg gekämpft haben. * (1970) Franquismus: 114 Intellektuellen und Persönlichkeiten werden mit Bußgeldern belegt, weil sie die Auflösung der US-amerikanischen Militärbasen in Spanien gefordert haben. * (2001) Nach einem Diskussions-Prozess löst sich die abertzale Koalition Herri Batasuna formal auf, an ihrer Stelle wird Batasuna gegründet. * (2005) Juan José Ibarretxe, wird als Lehendakari (Ministerpräsident) der Region Baskenland wiedergewählt. * (2016) Referendum in Großbritannien über Austritt aus der EU, Ergebnis: 51,9% für Austritt, 48,1% dagegen. In Schottland sprechen sich 60% gegen den Austritt aus, in Nordirland 56%.

(2021-06-22)

STRASSBURG BESTRAFT DEN SPANISCHEN STAAT

Die Liste der vom Europäischen Gerichtshof in Straßburg aufgehobenen spanischen Urteile wird unübersichtlich lang. Weil vor allem vom Polit-Gericht Audiencia Nacional in Madrid nicht Recht gesprochen, sondern politische Justiz praktiziert wird, geht den Richter*innen in Straßburg die Arbeit nicht aus. Gekippt wurde jetzt das Urteil gegen Tasio Erkizia, bekannter Politiker der baskischen Linken (der im Übrigen vor Jahrzehnten bei der Folter durch die Guardia Civil fast gestorben wäre).

juni74x22Erkizia hatte 2008 bei einer Gedenkfeier für den von Faschisten ermordeten ETA-Aktivisten José Miguel Beñaran "Argala" anlässlich des 30. Jahrestages in dessen Geburtsort eine Rede gehalten, die von der spanischen Justiz als “Verherrlichung von Terrorismus“ interpretiert wurde. Entsprechend wurde Erkizia im Mai 2011 von der Audiencia Nacional verurteilt, ein Jahr später wurde das Urteil vom Obersten Gericht bestätigt. Der Straßburger Gerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben, da Erkizias Rede unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fällt. Der spanische Staat wird verurteilt, ihn mit 6.000 Euro zu entschädigen und 5.000 Euro an Verfahrens-Kosten zu übernehmen. Er stützt sich auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechts-Konvention, der sich auf die Meinungsfreiheit bezieht.

In dem Urteil des Straßburger Gerichtshofs heißt es: "Obwohl einige von Erkizias Äußerungen als zweideutig angesehen werden können, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass der Angeklagte beabsichtigte, Menschen zu Gewalt anzustiften oder terroristische Gewalt zu verherrlichen". Der Redner habe "den Menschen ausdrücklich empfohlen hat, geeignete Wege in Richtung eines demokratischen Szenarios zu gehen". Im EU-Urteil wird auch darauf hingewiesen, dass Erkizia nicht der Organisator der Veranstaltung, noch dafür verantwortlich war, dass Fotos von vermummten ETA-Mitgliedern gezeigt wurden. Das Gericht ist der Auffassung, dass "die bloße Tatsache, dass der Angeklagte teilgenommen hat, für sich genommen nicht als Aufruf zur Gewaltanwendung oder als Manifestation von Hassreden angesehen werden kann".

(PS: Argala war Teil eines ETA-Kommandos, das im Dezember 1973 den designierten Nachfolger Francos (Carrero Blanco) mit einer Autobombe tötete und dem Regime damit einen empfindlichen Schlag versetzte. Von der illegalen Opposition, von Sozialdemokraten bis zu Kommunisten, wurde der Tod Carreros damals beklatscht und gefeiert, der Begriff Terrorismus gehörte allein zum Wortschatz der Faschisten). (LINK)

RÜCKBLICK: * (1767) In Potsdam wird der Wissenschaftler Wilhelm von Humboldt geboren, der zwischen den Jahren 1799 und 1801 zwei Forschungsreisen ins Baskenland unternimmt und die baskische Sprache Euskara studiert. In einem Park in Gernika findet sich ein Denkmal für Humboldt. * (1633) Der Astronom Galileo Galilei von der Inquisition verurteilt, weil er behauptete, die Erde bewege sich und sei nicht der Mittelpunkt der Welt. * (1941) Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion unter dem Decknamen Unternehmen Barbarossa beginnt der bis Mai 1945 andauernde Deutsch-Sowjetische Krieg.

(2021-06-21)

500 JAHRE EROBERUNG NAVARRAS

juni74x21Am 30. Juni diesen Jahres sind es genau 500 Jahre, seit das Königreich Navarra von kastilischen Truppen erobert wurde. In diesem Fall definitiv, denn bereits 1512 hatte es eine Eroberung gegeben (Stichwort Amaiur), die verschiedene Befreiungs-Versuche nach sich zogen. Weil sich viele Befürworter*innen von Selbstbestimmung oder Unabhängigkeit auf jene Geschichte eines souveränen navarrischen Staates beziehen (880 bis 1521), ist das Datum ein Grund, mit Fahnen auf die Straße zu gehen.

Vergangenes Wochenende fanden sich fast 5.000 Personen in Iruñea (Pamplona) ein und demnächst soll eine Wanderung zum ehemaligen Schlachtfeld in Noain (20 km südlich) stattfinden. Dort wurde an einem Berg schon vor Jahren eine riesige bizarre Skulpturen-Sammlung aufgebaut, die an das historische Ereignis erinnert.

In diesem Jahr mit der runden Zahl haben sich auch Überraschungsgäste angekündigt, doch nicht gerade der positiven Art. Die neofranquistische Parte VOX hat am selben Tag zu fast derselben Uhrzeit ebenfalls einen Marsch zum denkmal angekündigt. Aber nicht um dem Verlust des Königreich zu gedenken, sondern um die Eroberung zu feiern. Eine üble Provokation. Unklar ist, ob der Faschistenmarsch angemeldet ist oder nur ein Versuchsballon sein soll. Die eigentliche Gedenkveranstaltung wird jedenfalls Auftrieb erhalten.

RÜCKBLICKE: * (1813) In der Schlacht bei Vitoria im Baskenland besiegen englische, portugiesische und spanische Truppen unter dem Oberbefehl Wellingtons die Franzosen. * (1961) In Paris wird der im Baskenland populäre Musiker Manu Chao geboren. * (1995) Die Leichen von Lasa und Zabala, 1983 von den GAL-Todesschwadronen entführt, gefoltert und ermordet, kommen aus Alicante ins Baskenland zurück.

(2021-06-20)

FOLTER ANERKENNEN

Am 26. Juni plant die baskische Regierung, den "Internationalen Tag der Unterstützung der Folteropfer" zu begehen. Zu diesem Anlass haben mehrere Personen, die von der baskischen Ertzaintza-Polizei gefoltert wurden, die Exekutive von Iñigo Urkullu aufgefordert, ihre Verantwortung für die jahrzehntelange Folter durch die autonome Polizei zu übernehmen.

juni74x20Auf einer Pressekonferenz, die von der Stiftung Egiari Zor (In der Schuld der Wahrheit) organisiert wurde, forderte eine Vertretung von Ertzaintza-Folteropfern, "ein für alle Mal die Verantwortung für die Misshandlungen anzuerkennen". Am 20. Juni 2019 hatte das Parlament von Gasteiz einstimmig beschlossen, diesen Tag zu begehen. Die damals anwesende Delegation von Egiari Zor, die sich aus Folteropfern zusammensetzt, bewertete den Beschluss als positiv auf dem Weg, das Drama der Folter aufzuarbeiten. Nun fordern sie, dass "über die reine Symbolik hinaus" gleichzeitig wirksame Maßnahmen zur Anerkennung und Wiedergutmachung der Folteropfer ergriffen und Verantwortlichkeiten übernommen werden sollten.

Dass die Ertzaintza gefoltert hat, ist allen Beteiligten klar, nachdem ein von der Regierung selbst in Auftrag gegebener Folter-Bericht dies klar feststellte (in spanischen politischen Kreisen wurde diese Angelegenheit ungläubig, kopfschüttelnd und mit krasser Ablehnung zur Kenntnis genommen). In jenem höchst wissenschaftlich gehaltenen Bericht steht zwar, dass vor allem Guardia Civil und Nationalpolizei für Folter verantwortlich war, im kleineren Ausmaß aber auch die baskische Polizei. Nach Vorlage des Berichts hatte ein ranghoher PNV-Politiker sinngemäß gesagt, dass es Etappen in der Geschichte der Ertzaintza gäbe, auf die man nicht stolz sein könne. Der Bericht wurde (von baskischer Seite) nie in Frage gestellt, aber von der Feststellung von Folter bis zum offiziellen Eingeständnis ist dennoch ein langer Weg. In Gasteiz beschränkt man sich bisher lieber auf die Denunzierung der spanischen Polizei als Folterer.

Aber die Ertzaintza-Opfer lassen nicht locker. Und fordern Verantwortung. "Bis jetzt ist die Regierung ihrer Verantwortung ausgewichen, um ihrer eigenen Heuchelei aus dem Weg zu gehen: von anderen das zu verlangen, was man selbst nicht anerkennen will. Es gab keine Selbstkritik. Auch nicht, als der Bericht über Folter im Baskenland, der vom Baskischen Institut für Kriminologie im Auftrag der baskischen Regierung erstellt wurde, unter Anwendung des Istanbuler Protokolls bescheinigte, dass während der PNV-Regierungen mindestens 336 Fälle von Folter durch die Ertzaintza durchgeführt wurden", führte Egiari Zor aus.

Die Aufarbeitung der systematischen Folter im und nach dem Franquismus ist eine der wesentlichen Aufgaben der spanisch-baskischen Politik auf dem Weg zu einer Lösung der Konflikte und einer “friedliche Koexistenz”, wie es in der bürgerlichen Terminologie häufig wiederholt wird. Weitere Aufgaben sind die Klärung des Staatsterrorismus und der von der damaligen PSOE-Regierung ins Leben gerufenen Todesschwadronen. Die postfranquistische Rechte denkt gar nicht erst an eine solche Aufarbeitung und auch die Sozialdemokraten fassen das heiße Eisen nicht an. So bleiben der Staat und im Schlepptau die baskischen Regierungen, im postfranquistischen Netz verheddert.

RÜCKBLICKE: * (1953) USA-Kommunismus-Hetze: Hinrichtung des angeblichen Spionage-Ehepaars Ethel und Julius Rosenberg auf dem elektrischen Stuhl. * (2010) Mitglieder der sozialdemokratischen baskischen Partei EA (Eusko Elkartasuna) und Ex-Vorständler von Batasuna stellen in Bilbao das Abkommen Lortu Arte (Bis wir es schaffen) vor, eine strategische Allianz zur Befriedung des Baskenlandes. * (2012) Die links-baskische Partei Sortu wird nach juristischem Streit über 17 Monate vom spanischen Verfassungsgericht für legal erklärt.

(2021-06-19)

FASCHISTEN IN BILBAO - 19. JUNI 1937

Am 19. Juni 1937 marschierten Francos Truppen in Bilbao ein und errichteten ein Regime, das 40 Jahre dauern sollte. Bilbao war für beide Seiten elementar, sowohl wegen seiner strategischen Lage im Norden der Republik, als auch wegen seiner Schwerindustrie und Waffenfabriken. Nach einer langen blutigen Offensive der Rebellen standen deren Truppen Anfang Juni vor der Hauptstadt Bizkaias, nur ein letztes Hindernis war zu überwinden: der Eisernen Gürtel.

juni74x19HINTERGRUND

Bilbao war die Hauptstadt der autonomen baskischen Region, die von der Regierung der Zweiten Spanischen Republik kurz nach Kriegsbeginn offiziell anerkannt wurde, obwohl ihre Einrichtung bereits seit Anfang 1936 geplant war. Diese Autonomie wurde als Belohnung für die Unterstützung der baskischen Nationalisten für die Sache der Republik gewährt. An der Spitze der Region stand eine offen konservative und katholische Partei (die PNV), die sich aufgrund der Erfordernisse des Krieges mit den linken Parteien und anarchistischen Gruppen verbünden musste, um die republikanischen Verteidigung aufrecht zu erhalten.

Am 31. März startete die Nordarmee derPutschisten unter dem Kommando von Emilio Mola (dem eigentlichen Kopf der Militärverschwörung) die letzte Offensive, um Bizkaia einzunehmen, die einzige baskische Provinz, die unter republikanischer Kontrolle geblieben war. Die Operation war für 3 Wochen geplant, doch der harte Widerstand der Basken und Republikaner stoppte die Pläne. Der Luftkrieg der italienischen Luftwaffe und der deutschen Legion Condor war in der Luft konkurrenzlos. Zahlreiche Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht, wobei die Bombardierung von zwei Städten besonders hervorsticht: Durango und Gernika. Die Luftwaffe bestand aus 80 Flugzeugen der Legion Condor und weiteren 70 Flugzeugen der Aviazione Legionaria, sowie Flugzeugen unter spanischem Kommando.

Am 11. Juni nahm die Nordarmee die Bombenangriffe wieder auf. Am 12. Juni, nach einer Welle von Angriffen auf den "Eisernen Gürtel", griff eine Brigade den Berg Gaztelumendi an. Hier war das Verteidigungssystem am schwach und unvollständig, diese Information hatte der baskische Ingenieur Alejandro Goicoechea an den Feind weitergegeben. Am 13. Juni wurden alle baskisch-republikanischen Truppen in das Innere der Hauptstadt verlegt. Viele Menschen aus Bilbao bereiteten sich auf die Flucht nach Frankreich vor. In derselben Nacht begannen die Behörden, die Evakuierung des Großteils der Zivilbevölkerung vorzubereiten.

Im Hotel Carlton fand ein Treffen statt, bei dem Präsident Aguirre zur Diskussion stellte, ob Bilbao zu verteidigen sei. Verteidigungs-Minister Prieto schlug vor, alle Industrieanlagen, die dem Feind nützlich sein könnten, zu zerstören, doch die Evakuierung legte eine schnelle Aufgabe der baskischen Hauptstadt nahe. Die baskische Regierung zog sich in das Dorf Trucios im westlichen Bizkaia zurück. Am 15. Juni rückten Karlisten und Italiener vor. Am 16. Juni telegrafierte der Prieto an General Gamir und befahl ihm, Bilbao um jeden Preis zu verteidigen, insbesondere das Industriegebiet. Am 17. Juni fielen 20.000 Bomben auf die Stadt. Mitten in dieser Situation wurde die Evakuierung der Industrie angeordnet.

DER FALL

Am 18. Juni kam es zum Rückzug der Verteidigungs-Truppen. Die letzten verließen die Stadt in den frühen Morgenstunden des 19. Juni, so dass Bilbao in den frühen Morgenstunden fast menschenleer war. Menschen und Material wurden mit der Bahn oder über die letzten beiden frei gebliebenen Straßen in Richtung Santander transportiert. Diese Straßen lagen in Reichweite der italienischen Artillerie, die ihren Vormarsch fortsetzten und nicht zögerten, auch Zivilisten zu bombardieren. Am späten Nachmittag übergab Leizaola die politischen Gefangenen an den Feind. Zu diesem Zeitpunkt kontrollierten die Rebellen das gesamte rechte Ufer des Nervión, von der Stadt bis zum Meer und den größten Teil des linken Ufers bis zur Eisenbahnbrücke.

Die karlistischen Truppen unter dem Kommando von Bautista Sánchez hängten am 19. um 17 Uhr die spanische Flagge vom Rathaus-Balkon und markierten so das Ende der Schlacht. Die Brücken der Stadt waren zerstört, um den feindlichen Truppen den Einzug zu erschweren. Aber die Stadt blieb weitgehend intakt, einschließlich der wichtigen Industrien, die unangetastet geblieben waren, obwohl einige republikanische Führer ihre Zerstörung vorgeschlagen hatten, damit sie nicht von den Rebellen genutzt werden konnten. Zwischen 17 und 18 Uhr drangen navarrische Truppen in die Stadt. Dies war das Ende der Schlacht um Bilbao.

KONSEQUENZEN

Angesichts der Niederlage wurde versucht, so viele Truppen wie möglich aus Bilbao abzuziehen und sie Richtung Santander zu bewegen. Dennoch gelang es den Franquisten, zwei prominente republikanische Befehlshabergefangen zu nehmen, später vor Gericht zu stellen, zum Tode zu verurteilen und zu erschießen. Der Fall von Bilbao und Bizkaia war ein schwerer Schlag für die Republik, denn er bedeutete den Verlust eines ihrer wichtigsten Industrie- und Bergbauzentren, die nun die Rebellen nutzen konnten. Die Sieger waren brutal im Umgang mit den Besiegten, wie vorher bereits in Gipuzkoa, das Monate zuvor erobert worden war. Sie wurden als "Verräter-Provinzen" eingestuft, die baskische Sprache wurde verboten, und alle, die mit republikanischen Stellen zusammengearbeitet hatten, wurden hart unterdrückt und zum Teil erschossen.

DIE REPRESSION

Als Bilbao am 19. Juni fiel, waren mehr als 200.000 Menschen auf dem Land- und Seeweg auf der Flucht nach Westen in Richtung Santander und wurden von Flugzeugen der Legion Condor beschossen. Es kam zu Plünderungen und außergerichtliche Hinrichtungen durch Falangisten, die Repression in Bilbao und seinem Stadtgebiet wurde mittels der kürzlich geschaffenen "Notstands-Kriegsgerichte" durchgeführt, dabei hatten Angeklagte keinerlei Rechte. Von Erschießungskommandos wurden Hunderte exekutiert, 30 Häftlinge wurden durch die Garrotte hingerichtet. Tausende wurden unter dem Vorwurf, baskische Nationalisten zu sein, inhaftiert und viele in Zwangsarbeits-Bataillone geschickt. Der Falangist José María de Areilza wurde neuer Bürgermeister von Bilbao.

RÜCKBLICKE: * (1981) Juan José Crespo Galende, Aktivist der PCE (r), einer militanten Kommunistischen Partei Spaniens, stirbt mit 27 Jahren nach einem 97-tägigen Hungerstreik gegen die Isolationshaft. * (1987) Ein ETA-Attentat im Hypercor-Supermarkt in Barcelona fordert 21 Tote. ETA hatte vor der Bombe gewarnt, die Polizei hatte den Supermarkt nicht geräumt. * (2009) Mit einer Autobombe tötet ETA den Nationalpolizisten Puelles in Arrigorriaga, Bizkaia. * (2014) Nach einer Reihe von Skandalen (Ehebruch, Elefantenjagd, illegale Kommissionen für Deals mit Saudi Arabien, Geheimkonten in der Schweiz) dankt der spanische König Juan Carlos I. ab und überlässt seinem Sohn Felipe VI die Funktion als König und Staatsoberhaupt des spanischen Staates.

(2021-06-18)

POLIZEILICHE AUSWÄRTSSPIELE

“Ertzaintza” ist der baskische Begriff für die Polizei der autonomen Region und setzt sich zusammen aus “erri” und “zaindu”, “Volk” und “hüten”. Womit die Polizisten per Definition die Hüter des Volkes wären. Derzeit ist nichts weiter von der Realität entfernt, denn die Blau-Uniformierten entwickeln sich immer mehr als Bluthunde gegen Migrant*innen, Antifaschist*innen und streikende Arbeiter*innen. Dennoch oder gerade deswegen ist die baskische PNV-Regierung enorm stolz auf ihre Beißer.

juni74x18Stolz ist man auch deshalb, weil der Ertzaintza nun neue Wege eröffnet werden. Ausgangspunkt ist das Schengener Abkommen, mit dem 26 europäische Länder die Kontrollen ihrer Binnengrenzen abgeschafft haben. Artikel 41 dieses Abkommens ermächtigt die Polizeikräfte jedes Staates, etwaige Ermittlungen auf ausländischem Boden fortzusetzen, falls Verdächtige eine dieser Grenzen überschreiten. Doch war es Sache eines jedes Landes, zu entscheiden, welche Polizeikörper mit dieser Kompetenz ausgestattet werden. Im Falle des spanischen Staates waren dies bislang die Nationalpolizei und die Guardia Civil, die bei zahlreichen Gelegenheiten diese Möglichkeit nutzten, um ihre Überwachungsarbeit fortzusetzen. Zum Beispiel bei der Verfolgung von baskischen Oppositionellen. Die baskische Ertzaintza war bisher außen vor.

Das ändert sich nun. Der spanische Sicherheitsrat beschloss heute, die autonome Polizei mit den zentralstaatlichen Verfolgern gleichzustellten. Bis heute durften Ertzainas die Grenze nur bei dringender Verfolgungsjagd überschreiten, solange es sich um die Aufklärung eines schweren Verbrechens handelte. Grund zum Stolz, oder nicht?

Weiteres Sehnsuchts-Thema für die Basken sind Drohnen-Bewegungen. Deren Kontrolle liegt bis jetzt ausschließlich in den Händen der Guardia Civil. Zumindest außerhalb der Flughäfen (die als Staatsgrenze gelten) will die baskische Regierung hierbei ebenfalls die Kompetenz an sich ziehen.

RÜCKBLICKE: * (1937) Die baskische Regierung veranlasst die Sprengung aller Brücken in Bilbao, um den faschistischen Vormarsch zu behindern, gestoppt werden kann er bereits nicht mehr. * (2006) Mit einem Referendum wird in Katalonien die Reform des Autonomie-Statuts auf den Weg gebracht. (Deren brüske Ablehnung in Madrid führt 11 Jahre später zum Versuch der einseitigen Loslösung vom spanischen Staat.) * (2010) Tod des portugiesischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Jose Saramago (Stadt der Blinden). * (2018) Der königliche Schwiegersohn Urdangarin (aus der baskischen High Society) tritt seine Haftstrafe wegen Korruption und Betrug an.

(2021-06-17)

GUGGENHEIM – SCHAMLOS

Wir wissen, dass hinter dem Guggenheim-Museum in Bilbao millionenschwere Interessen stehen. In Wirklichkeit ist es kein Kunst-Projekt, sondern soll Massentourismus anziehen und nutzt die prekäre Arbeit der Angestellten, um die Taschen der städtischen Institutionen zu füllen. Wir wissen, dass jetzt 80 Millionen aus Europa eingesackt werden sollen, um gleichzeitig 120 Millionen für zwei weitere G-Museen in Urdaibai auszugeben, für mehr Tourismus und mehr Schaden in jeglichem Sinne. Gleichzeitig streiken derzeit die Reinigungskräfte des Museums, weil sie von den herrschenden Arbeitsbedingungen die Schnauze voll haben, angestellt sind sie selbstverständlich über ein Subunternehmen. Wir wissen, dass jährlich Millionen für neue ”eigene” Kunstwerke ausgegeben werden, mit Steuergeldern bezahlt, versteht sich.

juni74x17Nun kommt der Gipfel des schlechten Geschmacks: Um die lächerliche Hunde-Figur vor dem Gebäude zu renovieren, wird zu einem Crowdfunding aufgerufen, sie tun so, als hätten sie kein Geld: Arme Kerle! Der Aufruf liest sich wie folgt: "Das Guggenheim Museum Bilbao präsentiert die Crowdfunding-Initiative #DaVidaAPuppy (#LebenFürPuppy). Am Mittwoch, den 9. Juni, präsentiert das Guggenheim Museum Bilbao die Crowdfunding-Initiative #DaVidaAPuppy, um die notwendige interne Restaurierung eines der ikonischsten Kunstwerke in seiner Sammlung und in der Stadt Bilbao, Puppy von Jeff Koons, vorzunehmen. Aufruf an die Medien: 9. Juni / 10:00 Uhr: Pressekonferenz am Puppy. Anwesend: Juan Ignacio Vidarte, Generaldirektor des Guggenheim Museums Bilbao".

Diese Mitteilung wurde am 8. Juni an die Medien gesendet. Genau gesagt um 12:28 Uhr. Um 14:31 Uhr wurde eine weitere Nachricht verschickt: "Verschobener Aufruf / Deialdia Aztertuta Crowdfunding Puppy / Datum noch nicht festgelegt". Vielleicht, weil Generaldirektion merkte, dass jeden Tag um 12 Uhr mittags die streikenden Reinigungskräfte den Platz besetzen, um die Schamlosigkeit ihrer "armen" Chefs anzuprangern.

RÜCKBLICKE: * (1516) Kurz vor der definitiven Eroberung Süd-Navarras durch die Kastilier 1521 stirbt der navarrische König Juan III. de Albret. * (1876) Mit Häuptling Verrücktes Pferd besiegen 1500 Sioux und Cheyenne Indianer in Montana US-Truppen. * (1937) Die nazideutsche und die italienische Luftwaffe werfen 20.000 Bomben über Bilbao ab, die Industrie wird evakuiert. *(1960) Das Indianervolk der Nez Percé erhält nach einer Klage eine Entschädigung von über 4,15 Millionen US-Dollar durch die USA zugesprochen. Grund sind zwangsweise Landabtretungen an die US-Regierung 1863 zu einem zu niedrigen Preis.

(2021-06-16)

SOZIALE AUSGRENZUNG VON FRAUEN

Baskische Regierung lässt alleinerziehende Mütter, die Opfer männlicher Gewalt wurden und von Zwangsräumung bedroht sind, ohne das Recht auf eine Wohnung im Regen stehen. Vom zuständigenSenator für Raumordnung, Wohnungsbau und Verkehr wird die Einhaltung der Gesetze gefordert, die den Zugang zu Wohnraum für Frauen vorschreibt, die lange Zeit in provisorischen Einrichtungen für Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt untergebracht waren.

juni74x16Soziale und feministische Gruppen haben bekräftigt, dass "die aktuelle Gesetzgebung die öffentlichen Einrichtungen verpflichtet, von Gewalt betroffene Frauen dringend Wohnalternativen anzubieten. Umso mehr, weil diese Frauen keine eigenen Einnahmen und keinen Wohnraum haben, als Resultat der Flucht vor den Gewalttätern", wurde angeprangert. An der Mobilisierung nahmen folgerichtig Frauen mit abhängigen Kindern teil, die von Zwangsräumung bedroht sind, deren Ex-Partner mit Distanz-Verfügungen belegt sind oder die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind. Die baskische Regierung zeigt wenig Bereitschaft, auf diese Notsituationen angemessen zu reagieren. Die portestierenden Gruppen sprechen deshalb von einer "systematischen Verletzung der Gesetzgebung und der Rechte zum Schutz von Frauen, die von Gewalt-Situationen betroffen sind".

"Solche Frauen mit Kindern, müssen nach dem Gesetz bei der Vergabe einer alternativen Unterkunft Priorität haben, und zwar so schnell wie möglich. Das geschieht nicht, wie die beiden Fälle zeigen, die heute vor dem Sitz der Regierung beklagt wurden", so die anwesenden Gruppen. Das Frauen-Beratungszentrum Argitan und die Plattform gegen soziale Ausgrenzung Berri-Otxoak haben die baskische Regierung aufgefordert, nicht nur die geordnete Umsiedlung von zwangsgeräumten Familien zu organisieren, wie die Vorschriften dies vorschreiben. In den gegenwärtigen Krisenzeiten müsste auch die Umsiedlung von Frauen vorrangig sein, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sind und sich in Übergangszentren befinden.

ARGITAN bietet den Frauen von Barakaldo seit 25 Jahren kostenlos Information über ihre Rechte, sozialpädagogische Beratung sowie psychologische Betreuung. Das Zentrum arbeitet nach Vereinbarung. Berri-Otxoak entstand vor drei Jahrzehnten, im Jahr 1992, und hat sich in den 28 Jahren seines Bestehens durch seine Mobilisierungen für das Recht auf angemessenen Wohnraum, gegen Spekulation und Zwangsräumungen sowie gegen Kürzungen, Prekarität und Armut hervorgetan. Seit dem 17. November 1997 unterhält das Kollektiv auch ein Informationsbüro für Sozialhilfe, in dem 13.000 Familien beraten wurden. (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (1892) Der legendäre Apachen-Häuptling Jeronimo wird geboren. * (1940) Der nazifreundliche französische Marschall Petain bittet die deutschen Besetzer um einen Waffenstillstand. * (1975) Ein Guardia Civil erschießt vor der Tür einer Diskothek in Mungia (Bizkaia) Alfredo San Sebastián. * (1976) In Soweto beginnt ein Volksaufstand gegen die Apartheid-Politik des weißen Regimes. Bis zu 700 Jugendliche werden von der Polizei durch gezielte Schüsse getötet, bis zu 1.000 verletzt.

(2021-06-15)

ANGRIFF GEGEN SCHWULEN

Wieder einmal wurde deutlich, dass auch das Baskenland – trotz aufwendiger Gegen-Kampagnen – noch meilenweit von einer homophobie-freien Gesellschaft entfernt ist. Der 23-jährige Ekain war vor einer Woche am frühen Samstagmorgen von einer Gruppe von 13 jungen Leuten als “Scheiss Schwuchtel” beschimpft und bewusstlos geschlagen worden. Er war mit ein paar Freunden unterwegs gewesen und allein auf dem Weg nach Hause. Die Bewohner*innen der Stadt Basauri stehen nun auf gegen diese Form von Hass. Tausende haben in den Strassen der Nachbar-Stadt von Bilbao demonstriert, um ihre entschiedene Ablehnung von homophober Hassgewalt zum Ausdruck zu bringen. Nach Angaben der Veranstalter*innen nahmen etwa 2.000 an der Demo teil, darunter auch Ekains Mutter und sein Lebensgefährte.

juni74x15Mit dem Marsch sollte Solidarität für Ekain gezeigt werden, der sich von den Verletzungen erholt, die er nach dem Angriff erlitten hat. Die Demonstrant*innen machten deutlich, dass Hass aufgrund von sexueller Orientierung keinen Platz hat in einer fortschrittlichen und laizistischen Gesellschaft. “Nein zu Homophobie!” – Unter diesem Motto stand der Marsch, der vom Rathaus in Richtung Bizkotxalde Park ging, wo Ekain bewusstlos zurückgelassen wurde. “Um ein Haar wäre ich auf der Strecke geblieben”, sagte er in einem Interview. Mittlerweile wurden neun der 13 Täter identifiziert.

An der Demo nahmen viele Familien und ältere wie jüngere Menschen teil, die vielfch die Regenbogenflagge zeigten. Darunter Lorena, die mit ihrer 11-jährigen Tochter und drei weiteren Familien zur Demo gekommen war. “Man muss für das Thema sensibilisieren”, erklärte sie. Man müsse als Gesellschaft immer auf Angriffe und Ungerechtigkeiten reagieren. “Ich finde es toll, dass so viele Menschen gekommen sind”, so die Demonstrantin. Zur Demo aufgerufen hatten ausnahmeweise auch alle Rats-Fraktionen im Konsens (Faschisten sind nicht vertreten).

Ein ähnlicher Aufruf erging vom baskischen Regional-Parlament aus, nur die faschistische Vox-Partei enthielt sich. Genau dort liegt eines der dicksten Probleme: ultrarechts bedeutet ultrakatholisch, zurück ins 18. Jahrhundert und zu Francos Normen. Ginge es nach diesen Parteien und Organisationen, müssten alle Gleichstellungs-Gesetze und Organisationen zum Schutz von Frauen vor patriarchaler Gewalt ebenso zurückgenommen werden, wie die Gleichstellungs-Rechte von Lesben und Schwulen. Denn rechts ist nicht einfach rechts, es ist rassistisch, frauenfeindlich, homophob, klassistisch und faschistoid. Das vergessen die bürgerlichen Parteien bei ihren Empathie-Kampagnen geflissentlich. (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (1300) Tag der offiziellen Gründung Bilbaos, die Stadt erhält vom Grundherren Lope de Haro das Stadt- und Marktrecht. * (1835) Der Karlisten-General Tomas de Zumalakarregi wird bei der Belagerung von Bilbao schwer verletzt und stirbt an den Folgen. * (1934) In Gipuzkoa wird der Liedermacher Mikel Laboa geboren, der während der Franco-Diktatur zu einem der wichtigsten baskischen Protestsänger wurde. * (1937) Die Franco-Truppen rücken weiter vor, voran die italienischen “Schwarzen Pfeile“ (flechas negras) und die Karlisten. An einem Schwachpunkt durchbrechen sie den baskischen Verteidigungsring. *(1937) In Anbetracht des zu erwartenden Falls von Bilbao evakuieren die zu Kriegsschiffen umfunktionierten Fischkutter Gipuzkoa, Bizkaya, Iparreko, Izarra und Gasteiz Teile der Bevölkerung von Bilbao und fahren in das noch republikanische Santander. * (1977) Die ersten demokratischen Wahlen im spanischen Staat nach 1936 und nach dem faschistischen Franco-Regime. Alle alten Franquisten sind mit neuen Parteien mit von der Partie. Die rechte UCD mit dem ehemaligen Faschisten Suarez an der Spitze gewinnt die Mehrheit.

 

(2021-06-14)

FRANCO ZUR ERINNERUNG

Bis heute trägt eine Reihe von spanischen Dörfern in der Nebenbezeichnung den Namen des Diktators Franco. Manche versuchen, die faschistische Vergangenheit abzuschütteln, einige werden von den Sozialdemokraten regiert. Die Siedler Francos. Die besagten Dörfer entstanden in den 1950er Jahren. Bevölkert wurden sie von armen spanischen Siedler-Familien, die kaum etwas hatten. Sie litten unter dem gravierenden Mangel der ”Transformations-Dekade“ der 1940er Jahre. In ihren neuen Dörfern angekommen, sahen viele erst nach Jahren unvorstellbarer Mühe eine Verbesserung. Nicht jedoch dank Francos Politik. Hauptverantwortlich dafür waren allgemeine wirtschaftliche Änderungen.

juni74x14Nicht zu vergessen, dass ab 1957 die sogenannten Technokraten des ultra-katholischen Ordens Opus Dei in Francos Regierung die Zügel übernahmen. Sie standen hinter “Entwicklungsplänen”, mit denen die Selbstversorgungs-Ambitionen (Autarkie) der Nachkriegszeit aufgegeben wurden. In Rechnung gestellt wird auch, wie die ländlichen Gebiete Spaniens in den 1960er Jahren eine Massenmigration vom Land in die Industrie-Regionen (Madrid, Levante, Katalonien und Baskenland) erlebte oder gleich ins Ausland (Belgien, Frankreich, Schweiz, Deutschland).

Die neu geschaffenen Siedlungen sollten diesem ländlichen Ausbluten entgegen wirken und zur landwirtschaftlichen Stärke beitragen. Arme Leute wurden mit mehr oder weniger Druck und Zwang hierher gelotst, sie erhielten eine Behausung, ein Stück Land und die notwendigen landwirtschaftlichen Geräte zur Verfügung. Um diese künstlichen Orte als Verdienst der Diktatur zu markieren, erhielten sie die Namen des Diktators: Llanos del Caudillo (Ciudad Real); Gévora und Guadiana del Caudillo, beide in Badajoz; Guadalcacín del Caudillo, bei Jerez de la Frontera (Cádiz); Bembézar del Caudillo (Hornachuelos-Córdoba); Águeda del Caudillo (Ciudad Rodrigo-Salamanca); Alberche del Caudillo (Calera y Chozas-Toledo); Bardena del Caudillo (Ejea de los Caballeros-Zaragoza); sowie Ribadelago de Franco (Zamora). “Caudillo” bedeutet auf Spanisch “Anführer” oder “Oberhaupt” und war der selbstgewählte Ehrentitel des Putschisten und Massenmörders Franco.

Später gewannen die Kräfte gegen Franco und die Konföderation der Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO) an Stärke, sodass ihre Lohnforderungen nicht länger ignoriert werden konnten. Nach den Reformen der Pragmatiker verlor die faschistische Falange mehr und mehr an Einfluss und Machtpositionen innerhalb der Regierung. Das Landwirtschafts-Ministerium, von dem das Nationale Siedlungs-Institut abhängig war, blieb jedoch bis zum Ende des Franco-Regimes in den Händen der Falange.

Ein befragter Siedler sagte, das Leben in der Siedlungs-Kolonie war wie die Arbeit in einem “Konzentrationslager”. Die Siedler waren willkürlichen Befehlen, ständigen Durchsuchungen, auferlegten Produktions-Zielen, fristlosen Entlassungen wegen geringfügiger Verstöße, unbezahlten Überstunden ausgesetzt und bekamen die unfruchtbarsten Äcker, während sie gleichzeitig die fruchtbaren Felder bepflanzen mussten, die die “Aufseher” der Falange unter ihrer Kontrolle behielten.

RÜCKBLICKE: * (1928) Geburt von Ernesto Che Guevara, argentinisch-kubanischer Revolutionär. * (1931) Die Versammlung baskischer Bürgermeister beschließt in der Stierkampf-Arena von Lizarra-Estella (Navarra), von der spanischen Regierung ein Autonomie-Statut für das Baskenland (Navarra eingeschlossen) zu fordern. * (1937) Angesichts des Vorrückens der faschistischen Truppen zieht sich die baskische Regierung nach Trucios in den äußersten Westen von Bizkaia zurück, in Bilbao bleibt die Verteidigungsfront.

(2021-06-13)

FÜR EINE BASKISCHE AUSWAHL

63,5 % der baskischen Bevölkerung sind der Meinung, dass eine baskische Fußball-Auswahl, die sich aus Spieler*innen der drei Verwaltungsgebiete Euskadi, Navarra und Iparralde zusammensetzt, an offiziellen internationalen Wettbewerben teilnehmen sollte. Zum Beispiel an der eben begonnenen Europameisterschaft. Das geht aus einer Umfrage zum Thema der baskischen Selbstbestimmung hervor, durchgeführt von einem Ideenlabor und einer Forschungsgruppe der Universität des Baskenlandes. Dafür wurden insgesamt 1.201 Interviews mit Personen über 18 Jahren durchgeführt, nur 20,6% sind gegen eine offizielle Vertretung des Baskenlandes bei großen Fußball-Ereignissen.

Nach Regionen betrachtet ist der Zuspruch in Euskadi (Araba, Bizkaia, Gipuzkoa) am größten. 68,6% sprachen sich dafür aus, nur 17,8% dagegen. Es folgt das Nordbaskenland, wo die Befürworter*innen mit 59,4% der Befragten ebenfalls in der Mehrheit sind, 13,5% sind dagegen, hier ist der Anteil der Zweifler*innen mit 27,1 % am höchsten. In Nafarroa ist das Ja zu einer offiziellen internationalen Teilnahme mit 46% ebenfalls vorherrschende Option, allerdings sind unter den Befragten 34,5% gegenteiliger Meinung.

juni74x13GEGEN SPANIEN UND FRANKREICH

Eine offizielle Anerkennung einer baskischen Auswahl würde auch sportliche Vergleiche mit spanischen oder französischen Nationalteams ermöglichen. Die Meinung der Befragten hierzu ist mehrheitlich positiv. 31,5% finden die Vorstellung sehr gut, weitere 22,6% sind ebenfalls dafür. Die Unentschiedenen machen 19,8% aus, die Gegner*innen dieser hypothetischen sportlichen Treffen sind deutlich in der Minderheit: für 10% der Befragten ist es eine schlechte und für 6,7% eine sehr schlechte Idee.

Auf dem dornigen Weg zur offiziellen Anerkennung hat der Baskische Fußballverband vergangenen Dezember einen wichtigen Schritt getan, als er zusammen mit Vertretern der baskischen Regierung bei der FIFA und der UEFA vorstellig wurde, um den Antrag auf Beitritt als vollwertiger Verband einzureichen. Im positiven Fall würde irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem Spieler*innen aus den baskischen Regionen vor der Entscheidung stehen, ob sie für Spanien und Frankreich spielen wollen, oder sich für eine baskische Auswahl entscheiden. Unter den Befragten ist eine große Mehrheit von 72,2% der Meinung, dass die Kicker*innen das Recht haben sollten, diese Entscheidung individuell zu treffen, 14,5% sind dagegen, 12,8% unentschieden. Aufgeschlüsselt nach Territorien ergibt sich die gleiche Verteilung wie bei der Frage, ob das Trikolore-Team (grün-weiß-rot) in offiziellen Wettbewerben spielen soll. In Euskadi ist die Zustimmung größer: 76,1%, 11,8% dagegen, im Nordbaskenland 63,2% ja und 16,8% nein, in Navarra 61,6% dafür, 23,2% dagegen.

RÜCKBLICKE: * (1937) Die franquistischen Truppen rücken auf Bilbao zu, die baskische Regierung bereitet eine MAssen-Evakuierung vor. * (1937) Vier Tage vor dem Fall Bilbaos verstärkt die baskische Regierung die Rettungsaktion von Kindern. Von Santurtzi läuft das Schiff Habana Richtung Bordeaux aus, mit 4.500 Kindern an Bord. 1495 davon werden von Bordeaux in die UdSSR gebracht. * (1937) Bei einem Luftangriff auf Portugalete (Bizkaia) werden zwei Minen-Suchschiffe versenkt, weitere Schiffe schwer beschädigt.

(2021-06-12)

STREIK IM GUGGENHEIM

Das berühmte Museum in Bilbao liefert neuerdings täglich Schlagzeilen, die nicht unbedingt zu seinem Vorteil geraten. Das Kunst-Unternehmen lässt keine Gelegenheit aus, sich wie ein normales kapitalistisches Unternehmen aufzuführen, das von der Ausbeutung bestimmter Arbeitskräfte lebt und keine Rücksichten nimmt. Vor Jahren waren es die pädagogischen Kräfte, die auf die Barrikaden gingen und dafür auf die Straße gesetzt wurden. Nun folgen die Reinigungskräfte.

juni74x12Die Reinigungskräfte im Guggenheim Bilbao, überwiegend Frauen, haben einen Streik bis zum 21. Juni begonnen, um ihre prekären Arbeitsbedingungen zu beklagen und zu verbessern. Einerseits fordern die Arbeiterinnen die Beseitigung des bestehenden Lohngefälles und eine Verbesserung der Bezahlung. Die meisten sind Frauen, die seit 20 Jahren, also seit der Eröffnung des Guggenheim, diesen Dienst für das Museum leisten. Das Durchschnittsgehalt liegt bei rund 600 Euro im Monat. Vergleicht man diese Gehälter mit denen der Straßen-Reinigungskräfte desselben Sub-Unternehmens Ferrovial Services, die überwiegend männlich sind, beträgt die Differenz 7.941 Euro pro Jahr. Ein Unterschied von 49,81%. Das Guggenheim Museum und Ferrovial Services erkennen die Existenz der Lohndifferenz hingegen nicht an und haben sich bei den Treffen der Gewerkschafts-Vertreter*innen mit Ferrovial geweigert, diese Gehälter zu verbessern.

Auf der anderen Seite fordert die Belegschaft eine Reduzierung der Arbeitsbelastung, unter denen sie seit Jahren leidet. Der Reinigungsdienst wurde von den Museums-Verantwortlichen exklusiv dem Unternehmen Ferrovial Services überlassen, ist also in privater Hand. Das Unternehmen stellt sein Profitinteresse über die Gesundheit der Arbeiterinnen. Man spart Kosten bei der Einstellung von Personal, wenn Angestellte wegen Urlaub, Ferien oder vorübergehender Krankheit abwesend sind. Ein weiteres Problem ist die Teilzeitarbeit, das Gehalt einiger Arbeiterinnen beträgt weniger als 600 Euro pro Monat. Zu wenig zum Leben.

Die Guggenheim-Führung behauptet, keine Verantwortung für dieses Kollektiv zu haben. Vom ersten Tag der Verhandlungen an wurde man nicht müde, die Arbeiterinnen unter Druck zu setzen, damit sie nicht mobilisieren. Auch vom Unternehmen wurden sie unter Druck gesetzt, sich nicht an den Streiktagen zu beteiligen. Das ist nicht gelungen. Die Belegschaft bleibt bei ihrem Entschluss, ihre Probleme sichtbar zu machen und die Situation im Titanium-Gebäude öffentlich anzuprangern. Zur Erinnerung: das Museum wird mit öffentlichen Geldern finanziert und verwaltet von einem Aufsichtsrat, in dem die baskische Regierung, die Provinzregierung von Bizkaia und der Stadtrat von Bilbao vertreten sind. Mit ihrer Beschäftigungs-Politik stellen diese Institutionen unter Beweis, dass ihnen der häufig und lautstark verkündete “Kampf um Gleichstellung der Geschlechter“ in Wirklichkeit völlig egal ist. Das genaue Gegenteil.

Aus diesem Grund hat das Reinigungs-Personal des Guggenheim-Museums Bilbao am 11. Juni einen Streik begonnen. Bis zum 21. Juni sollen verschiedene Mobilisierungen durchgeführt werden, um die prekäre Arbeitssituation anzuprangern. Am ersten Streiktag wurde auf der Esplanade des Museums eine Aktion inszeniert, bei der sich die Arbeiterinnen selbst als Kunst-Objekte darstellten.

Die Aktionen, die dem aus Europa und Amerika anreisenden Guggenheim-Publikum mit großer Sicherheit vorenthalten werden, sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Wer sich für Kunst und Architektur in Bilbao interessiert, sollte über die arbeits- und frauen-feindlichen Machenschaften im Bilde sein.

RÜCKBLICKE: * (1932) In Eibar (Gipuzkoa) wird die erste Versammlung der links-nationalistischen ANV abgehalten. * (1937) Der Chefingenieur des Verteidigungsrings “Cinturón de Hierro“ Alejandro Goicoecheas desertiert und schließt sich den Putschisten an, die Baupläne nimmt er mit. * (1937) Die aufständischen Truppen von Franco durchbrechen bei Fruiz den Eisernen Ring (Cinturón de Hierro), mit dem die baskische Regierung Bilbao schützen wollte. * (1964) In Südafrika wird Nelson Mandela zu lebenlanger Haft verurteilt. * (1979) Zwei Tage nach dem Polizeimord an dem Transvestiten Francis in Rentería kommt es zur ersten Gay-Demonstration in Donostia. * (1991) In Pamplona (Iruñea) wird der erste Totalverweigerer, Joseba Lazkano, vor Gericht gestellt, ein Militärgericht fordert zwei Jahre Haft.

(2021-06-11)

FUSSBALL-SCHADENSERSATZ

Als der Europäische Fußballverband UEFA der Stadt Bilbao kürzlich den Status als Austragungsort für die Europa-Meisterschaft entzog, weil kein Publikum zugelassen werden konnte, war man in Bilbao und Gasteiz beleidigt und wütend zugleich. Man beschloss, den Verband auf Schadensersatz zu verklagen für die Unkosten und Investitionen, die die Stadt bereits geleistet hatte. Nun haben die baskischen Institutionen eine fette Entschädigung erhalten. Aber nicht vor Gericht, sondern am Verhandlungstisch. Denn die UEFA hat einen Kompromiss vorgezogen, anstatt wegen Vertragsbruch verurteilt zu werden. Auf dem Spiel stand schließlich “der gute Ruf“.

juni74x11Ohne Richterspruch zahlt der superreiche Verband die 1,3 Millionen Euro Bilbao-Vorleistungen. Sozusagen aus der Portokasse, in Anbetracht der Unsummen, die bei solchen internationalen Turnieren an Fernsehgeldern im Spiel sind. Doch nicht nur über Euros wurde zwischen Bilbao und der UEFA verhandelt, die Bizkaia-Hauptstädter holten zusätzlich die Zusage für zwei europäische Finale auf höchster Ebene für sich heraus. Im Jahr 2024 soll das Finale der Europa-League in San Mamés stattfinden und ein Jahr später, 2025, das Finale der Champions-League. Leider nur das der Frauen, werden manche Größenwahnsinnige sagen. Aber immerhin. Dieses Doppel-Versprechen muss nur noch bei der UEFA-Sitzung Anfang Juli ratifiziert werden.

Der Klage-Druck der Stadtverwaltung, der Provinzregierung Bizkaia und der baskischen Regierung hat also Wirkung gezeigt. Stolz und glücklich sind die Verhandler vor allem über die beiden Großevents, die sich in die immer länger werdende Liste von internationalen Bilbo-Terminen einfügen werden (falls die UEFA nicht erneut ihr Wort bricht). Letztendlich geht es immer um viel Geld, das die Besucher*innen einfahren sollen und um den “internationalen Ruf“ der Stadt, der es immer leichter macht, um solche Events zu buhlen.

Bleibt nur zu hoffen, dass in jene beiden Finalen kein spanisches Team steht, schon gar nicht aus Madrid. Denn der Hauptgrund, weshalb sich im Baskenland so viele Stimmen gegen die Eurocopa erhoben haben, war die Tatsache, dass die spanische Auswahl hier agieren sollte. Von “national gesinnten Medien“ (wie dem im Baskenland meistgelesenen El Correo) wird sogar den geldgeilen baskischen Christdemokraten von der PNV eine Abneigung gegen solche Auftritte nachgesagt. Die beiden Events zur Ausgleichszahlung kommen eher europäisch neutral daher und werden in der Bevölkerung kaum großen Widerspruch hervorrufen – abgesehen von den tourismus-kritischen Stimmen, für die es egal ist, ob es um Turmspringen, Basketball oder Fußball geht. Zur Erinnerung: vor den Kicksport-Events kommt ein Jahr zuvor auch noch die Tour de France auf zwei Etappen am Nervión vorbei. Falls wir bis dahin nicht eine Schweinepest-Pandemie verzeichnen oder irgendeine andere Zoonose in baskischen Gegenden vorbeikommt.

RÜCKBLICKE: * (1937) Die faschistischen Truppen rücken von Norden und Osten vor, Bilbao wird mit Artillerie und Luftangriffen der Legion Condor und der italienischen Luftwaffe angegriffen. * (1977) Bei einem Attentat der faschistischen Gruppe BVE wird der Radiosender Radio Popular de Loiola (Gipuzkoa) zerstört. * (1979) Ein betrunkener Nationalpolizist außer Dienst erschießt in Renteria in einem Nachtclub den Transvestiten Francis. R wird verurteilt, kommt aber nie ins Gefängnis. * (1980) Im Nord-Baskenland wird der Flüchtling Jose Miguel Etxeberria zum letzten Mal gesehen, er wird von der neofaschistischen BVE-Gruppe entführt, seine Leiche wird nie gefunden.

(2021-06-10)

ISRAEL GREIFT GESUNDHEITS-NGO AN

Die israelische Armee ist ins Hauptquartier von Health Work Committees (HWC) in der Nähe von Ramallah eingebrochen, es gibt Gerüchte, das Ziel dieses Angriffs sei die Zerschlagung dieser NGO. Die HWC bieten der palästinensischen Bevölkerung Sozial- und Gesundheitsdienste, zu denen sie sonst keinen Zugang dazu hätte. Sie haben hat historische Verbindungen zu baskischen Internationalismus-Gruppen. Viele der Hunderten von baskischen Brigadisten, die in der Vergangenheit nach Palästina reisten, kennen die Arbeit der Health Work Committees, deren Büros in Al-Bireh, einem Vorort von Ramallah, kürzlich von der israelischen Armee gestürmt wurden.

juni74x10Wenn baskische internationalistische Organisationen wie Askapena oder Komite Internazionalistak Solidaritäts-Brigaden organisieren, ist der erste Schritt, in Palästina ein Kollektiv zu finden, das als Empfangs-Organisation fungiert. Um zu vermeiden, dass man wie ein Elefant im Porzellanladen auftritt und um zu verhindern, dass der gute Wille, einem unterdrückten Volk zu helfen, zu einem negativen Element wird. Wie internationalistisch gesinnt wir auch sein mögen, in einem konfliktreichen Szenario sind wir Fremdkörper. Daher ist es notwendig zu wissen, auf welchem Boden wir uns bewegen, was getan werden kann und vor allem, was nicht.

Partner-Organisationen sind dafür unerlässlich, die HWC-Gesundheits-Komitees haben diese Funktion für baskische Organisationen seit vielen Jahren übernommen. Vor wenigen Wochen wurde die Inhaftierung der aus Madrid stammenden humanitären Helferin Juana Ruiz durch Israel bekannt. Ruiz ist seit Jahrzehnten eine der Mitarbeiterinnen der HWC, sie war lange Zeit Kontaktperson für baskische und spanische Besuchsgruppen sowie für Internationalisten aus anderen Teilen Europas und der Welt.

Der Mangel an Sozial- und Gesundheits-Diensten ist eine der grausamsten Auswirkungen der zionistischen Besatzung. (Anmerkung: der hier dokumentierte Text unterscheidet gezielt zwischen den Begriffen “Israel” und “zionistisch”, der Begriff “jüdisch” kommt nicht vor). Nachrichten aus Gaza informierten uns über die Auswirkungen der Blockade auf Krebspatienten, denen der Zugang zu den notwendigen Behandlungen verwehrt wird, eine der dramatischen Seiten, die Palästina erlebt, aber nicht die einzige. Auch im Westjordanland ist der Zugang zur Behandlung aufgrund der zionistischen Besatzung schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Eine der Aufgaben der Komitees ist es, diese Lücken in den palästinensischen Gebieten zu füllen. Bei dieser Arbeit, die die HWC in vierzehn Kliniken durchführen, werden sie unter anderem von der baskischen und der spanischen Regierung, sowie von weiteren europäischen Exekutiven unterstützt.

Beobachterinnen sind sich einig, dass einer der Gründe für das Wachstum von Hamas in Palästina und der islamistischen Bewegungen in anderen Teilen der Welt jene Dienstleistungen sind, die sie für eine Bevölkerung erbringen, die der elementarsten Bedürfnisse beraubt ist. Auch die Ultra-Rechte hat diese Strategie benutzt, um Zugang zu Armenvierteln zu erlangen. Die Gesundheits-Komitees hingegen arbeiten aus einer linken palästinensischen Perspektive.

Dadurch gerieten die HWC schon seit einiger Zeit ins Visier des Staates, die Organisation wird mit der PFLP in Verbindung gebracht, einer linken Formation, die von den USA und der EU als "terroristisch" eingestuft wird, aber seit den letzten Wahlen im Jahr 2006 mit drei Abgeordneten im palästinensischen Legislativrat vertreten ist. Eine ihrer Parlamentarierinnen, Khalida Jarrar, ist derzeit ebenfalls von den zionistischen Besatzern inhaftiert. Die Anklage gegen Juana Ruiz stützt sich auf die angebliche Beschaffung von Finanzmitteln für die PFLP.

Israel kriminalisiert linkes Engagement in Palästina und verurteilt die Bevölkerung zum Verzicht auf Gesundheitsdienste, wodurch die Gesundheit zu einem weiteren Werkzeug der Besatzung wird. Teil einer palästinensischen Organisation mit parlamentarischer Vertretung zu sein, reicht aus, um Ziel zionistischer Repression zu werden. Für die Gesundheit der palästinensischen Bevölkerung zu arbeiten, ebenfalls. (Quelle)

RÜCKBLICKE: * (1942) Im polnischen Lidice begehen die Nazis ein Vergeltungs-Massaker an der Zivilbevölkerung. * (1944) Eine der sechs Überlebenden des Nazi-Massakers im französischen Oradour-sur-Glane ist ein kleines Mädchen aus Bayonne, dessen Familie zu den 642 Opfern gehören. Am selben Tag verüben die Nazis in Griechenland ein weiteres Massaker an 200 Einwohner*innen des Ortes Distomo. * (1993) Tod der Franquistin Maria del Pilar Careaga, Bürgermeisterin in Bilbao (1969-1975). Am 4. Januar 1937 überlebt sie den Rachesturm auf die Gefängnisse nach einer franquistischen Bombardierung, 1979 ein ETA-Attentat.

(2021-06-09)

35.000 WOHNUNGEN LEER, 213 ZWANGSRÄUMUNGEN

Die Basis-Bewegung “Zwangsräumungen stoppen in Euskadi” (Stop Desahucios Euskadi) will Druck machen, um 35.000 leer stehende Wohnungen auf den Markt zu bringen. Sie berichtet von 213 Zwangsräumungen im ersten Quartal des Jahres. Die Bewegung ist nicht zufrieden mit dem Dekret, das vor Kurzem von der baskischen Regierung präsentiert wurde, mit dem Ziel, den bestehenden Wohnungs-Leerstand zu reduzieren.

juni74x09Wie berichtet, öffnet sich die Regierung die gesetzliche Möglichkeit, zwei Jahre unvermietete Wohnungen zu beschlagnahmen oder sie zwangsweise zu vermieten. Dazu die Option, den Leerstand per Quadratmeter mit Bußgeldern zu sanktionieren. Dafür muss jedoch eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt sein. Nun reagiert die Plattform. Sie beklagt, dass es letztendlich den Gemeinden vorbehalten sei, das Dekret umzusetzen, deshalb solle die Regierung die Sache selbst in die Hand nehmen.

Gleichzeitig wurde der öffentlich verkündete Verzicht auf Zwangsräumungen, der von verschiedenen Verwaltungen und Regierung im Verlauf der Pandemie kund getan wurde, als glatte Lüge bezeichnet. Allein in Euskadi wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 213 Zwangsräumungen durchgeführt, zum Teil sogar auf behördliches Verlangen. Während der Corona-Pandemie hatten viele Personen ihre Arbeit und Einkünfte verloren, waren zahlungsunfähig geworden, und konnten die Kosten von Strom und Miete nicht mehr aufbringen. Der Schutz dieser von sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen ist laut Plattform reine Propaganda.

RÜCKBLICKE: * (1808) Französische Truppen unter José Bonaparte besetzen Donostia (San Sebastián) und lösen den sog. Unabhängigkeits-Krieg aus, die Stadt wird erst 1813 wieder befreit durch portugiesisch-britische Truppen. * (1862) Der Senat der USA verbietet die Sklaverei. * (1939) Nachdem der Einsatz der Legion Condor im Spanischen Krieg von Beginn an strengster Geheimhaltung unterlag, wird die Truppe nach Ende des Kriegs bei einer Siegesfeier in Berlin heldenhaft gefeiert. Zur Feier des Tages wird die Wannsee-Allee in Spanische Allee umbenannt (Name bis heute beibehalten). Im Jahr 1956 sagt der Condor-Pilot und spätere Bundeswehr-Aufbauer Johannes Trautloft: “Das Wirken der Legion Condor in Spanien muss der bundesdeutschen Jugend als Vorbild dienen“. Kriegsverbrechen wie in Gernika werden bis heute weitgehend verschwiegen. * (1973) Der franquistische Admiral Luis Carrero Blanco wird als Präsident des spanischen Regimes vereidigt, als designierter Nachfolger des alternden Generals Franco. Nur ein halbes Jahr später macht ETA mit einem tödlichen Attentat den Plan der Kontinuität des spanischen Faschismus zunichte.

(2021-06-08)

ZELLTEILUNG BEIM GUGGENHEIM

Seit 13 Jahren wird der Plan von einer Schublade in die andere gelegt, nun scheinen sich die Pläne zu konkretisieren, das Guggenheim-Museum zu erweitern. Und zwar nicht in Bilbao, dem bisherigen Standort, sondern ausgerechnet im Biosphären-Reservat Urdaibai, einem Vogel- und Naturschutzgebiet zwischen Gernika und dem Meer. So sollen mit dem Markenzeichen Guggenheim weitere Millionen von Besucher*innen ins Baskenland gelockt werden. Die Politisch Verantwortlichen geben sich nun alle Mühe, das Projekt mit allen denkbaren Attributen von ökologisch, grün, nachhaltig usw. zu verkaufen.

Der erste Plan aus dem Jahr 2008 sah vor, die Kinder-Ferienkolonie Sukarrieta (vor Mundaka), mit einem Gebäudekomplex aus den 1920er Jahren abzureissen, um dort eine zweite Guggen-Blechdose zu bauen. Die Opposition widersprach, ein Regierungswechsel (mit dem Sozialdemokraten Patxi Lopez) stoppte das Projekt. Die neuen Regierungs-Verwalter stellten die Kolonie unter Denkmalschutz, um den Plan der baskischen Rechten (PNV) zu vereiteln. Die klagten, mit der Begründung, der Denkmalschutz sei nicht ehrlich gemeint, sondern nur ein taktischer Schritt, um das Projekt zu verhindern. Das Gericht folgte diesem Argument und hob den Schutz (eines wirklich einmaligen Komplexes vor der Flussmündung) wieder auf.

Lange war Schweigen im Walde, doch es war klar, dass die Beton- und Tourismus-Fraktion der PNV weiter an der Umsetzung des Projekts arbeiten würde. Im vergangenen Jahr machte die Leitung des Museums in Bilbao einen erneuten Vorstoß, sicher gut getimt und in Absprache mit der Partei. Denn offiziell ist das Museum die treibende Kraft, bzw. dessen Aufsichtsrat mit multipler Besetzung. Nun liegt die Bescherung auf dem Gabentisch.

juni74x08EINS ZWEI DREI

Erweitert werden soll der Guggenheim-Effekt nicht um ein Museum, sondern gleich um zwei, die Großmäuler in Bilbao sind schon lange bekannt dafür, keine halben, sondern doppelte Sachen zu machen. Der erste Standort soll eine riesige leerstehende Fabrik im Industriegebiet von Gernika sein. Der zweite Standort ist 5 Kilometer entfernt, liegt ebenfalls am Oka-Fluss: eine noch produzierende Werft in Murua (ohnehin ein Anachronismus in einem Naturschutzgebiet). Die beiden Standorte sollen mit einem Wander- und Radweg, oder mit Elektrobus verbunden werden, quer durch die Landschaft, mit allerlei Skulpturen und anderen Sehenswürdigkeiten bestückt.

Das Projekt soll 120 Millionen kosten, kein Kleingeld. Vierzig davon sollen baskische Euros sein, den Rest soll Europa berappen. Über einen Fond für spanische Investitions-Projekte, von dem sich die baskische Regierung ein großes Stück Kuchen verspricht. “Next Generation” ist der vielsagende Name, der im schlechtesten Fall als “No future für Urdaibai” interpretiert werden kann.

Als ideologische Begleitmusik ist von “Erweiterung des kulturellen und touristischen Angebots” und von "Erhaltung des Naturraums" und selbstverständlich “der Förderung der wirtschaftlichen Aktivität” in der Region die Rede. Die soll vermarktet werden, wie alles, was sich zu barer Münze machen lässt: die Gastronomie, sehenswerte Orte und Altstädte. Wegen des inszenierten Massentourismus ist das Konzept meist verheerend erfolgreich, nur bei der Eurocopa hat es zuletzt nicht geklappt.

Für den sozialdemokratischen Koalitionspartner soll es ein “nachhaltiger Plan” werden, “mit Umweltintegration und kultureller Projektion", dessen Umsetzung nicht die öffentlichen Kassen der Regional- und der Provinz-Regierung belasten, sondern von europäischen Mitteln abhängen soll. Die Sozis haben immerhin eine 180-Grad-Wendung voll zogen, und die muss dem Publikum verkauft werden. Die Rettung der Ferienkolonie allein kann das nicht erklären, Umweltschutz muss her.

INTERNATIONALER WETTBEWERB

Noch ist die Finanzierung völlig unklar, da wird schon von einer Ausschreibung gesprochen. Laut Tageszeitung BERRIA ist beabsichtigt, “einen internationalen Wettbewerb für Gruppen von Künstlern, Landschaftsarchitekten, Architekten und Ökologen” zu organisieren. Das hört sich bekannt an, auf diesem Weg wurde für die umstrittene Erweiterung des Museums der Schönen Künste (ebenfalls Bilbao) der VIP-Architekt Norman Foster ausgewählt, manche behaupten, mit Schmuh. Bei solcherart Entscheidungen braucht es keine hellseherische Fähigkeiten, um vorauszusehen, dass es ein ganz ganz berühmter Name sein wird, dem das kreative Schaffen zuteil werden soll. Denn Museen sind nicht nur ausgestellte Kunst, sie sind auch und vor allem Namen – Guggenheim, Gehry, Foster.

Die Bauarbeiten sollen fünf Jahre dauern und die Zement-Fraktion hofft auf 140.000 Besucher pro Jahr. Für Gernika und das Biosphären-Reservat wäre es ein anti-ökologischer Tiefschlag. Denn bereits jetzt findet jeden Sommer drei Monate lang ein verantwortlungsloser baskischer Wettlauf auf die gefragten Urdaibai-Strände statt. Der würde multipliziert und auf das ganze Jahr ausgedehnt. Alternative wäre eine Autobahn, etwa auf Stelzen, von Gernika zur Insel Izaro. Das zu verhindern wird Aufgabe einer Widerstands-Bewegung sein, die sich bereits vor 10 Jahren formiert hatte.

RÜCKBLICKE: * (1476) die sogenannten Katholischen Könige (Fernando und Isabel) schwören in Gernika auf die Selbstverwaltungsrechte der Provinz Bizkaia. * (1977) Erster Erscheinungstag der neuen baskischen Tageszeitung Deia (Ruf), die von der baskisch-nationalistischen Partei PNV herausgegeben wird. * (1996) Der baskische politische Gefangene Joseba Asensio “Kirruli“ wird in seiner Zelle in Herrera de la Mancha tot aufgefunden. * (2014) Mit einer Menschenkette von 150.000 Personen zwischen Durango (Bizkaia) und Iruña (Pamplona, Navarra) wird im Baskenland auf einer Strecke von 123 km das Recht auf Selbstbestimmung eingefordert.

(2021-06-07)

VON HASS UND GEWALT

Der Ton in der baskischen Politik wird rauher. Wo Zwangsräumungen, Entlassungen, illegale Besäufnisse, Streiks, Proteste, Covid-Limitierungen und Haus-Besetzungen zur Tagesordnung gehören, ist Polizei gefragt. In diesem Fall die baskische. Die macht ihren Job mit allen Mitteln. Mit allen. Verhältnismäßig oder nicht. Besonders gerne gegen Jugendliche und Migrant*innen, die letzten auf der sozialen Leiter. Gesellschaftliche Probleme werden nicht rational gelöst, sondern mit Polizeigewalt verdrängt und totgeschwiegen.

juni74x07Wer diese Gewaltorgie anklagt, gerät ins Visier der Uniformierten und ihrer politischen Vertreter. Die linke baskische Jugend hatte in den vergangenen Wochen eine Kampagne gestartet, die Situation der jungen Generation auf die Tagesordnung zu bringen und die Versuche der Polizei zu beklagen, die Jugend einzuschüchtern.

Der baskische Ministerpräsident (Lehendakari) nutzte am Wochenende die Gelegenheit, im Hauptquartier der baskischen Ertzaintza in Arkaute einen korporativen Schulterschluss zu inszenieren. Allen Protestierenden werden Hass-Absichten, Hass-Delikte vorgeworfen – “Hass“-Vorwürfe sind die neue Kriminalisierungs-Nummer in der baskisch-spanischen Politik. Im Fußball dient der Vorwurf zur Bekämpfung von Rassismus ebenso wie zur Exklusion von unerwünschten (linken) Fans. In der Politik zur Neutralisierung von politischen Gegner*innen. Radikale Kritik wird als Hass definiert und als Form von Gewalt dargestellt, die mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden muss. Die rassistische und demokratie-feindliche Polizeigewalt hingegen ist gott-gewollt. Dass die baskische Linke ein neues “bürgernahes“ Polizei-Modell fordert, ist ungeheuerlich, unerträglich. Die baskischen Regierung setzt auf die Verrohung der baskischen Gesellschaft.

RÜCKBLICKE: * (1937) Picasso beendet die Gestaltung des von der republikanischen Regierung in Auftrag gegebenen Gemäldes, das nach der Vernichtung der baskischen Stadt Gernika den Namen “Guernica“ trägt. * (1942) Ein mit Eisenerz für die Nazi-Kriegsindustrie beladener deutsche Frachter läuft auf der Fahrt von Bilbao nach Bordeaux auf Grund, als er vor einem englischen U-Boot flüchtet. * (1968) Mit Txabi Etxebarrieta stirbt das erste ETA-Mitglied bei einer Polizeikontrolle durch die Guardia Civil. * (1995) In Belfast beginnt die Internationale Konferenz für Frieden und Versöhnung.

(2021-06-06)

ANTIFRANQUIST ODER TERRORIST

Am 7. Juni 1968 wurde nahe Tolosa das ETA-Mitglied Txabi Etxebarrieta von der Guardia Civil erschossen. Etxebarrieta und sein Bruder Joxean gehörten zu den maßgeblichen Ideologen der baskischen Widerstandbewegung gegen den spanischen Faschismus. Etxebarrieta war der erste Tote auf Seiten von ETA, nur Stunden zuvor war ein Zivilgardist bei einer Polizeikontrolle das erste ETA-Opfer. Seither wird an jedem 7. Juni mit Veranstaltungen an Xabi Etxebarrieta gedacht.

juni74x06Für die einen ist es die Erinnerung an die eigene Vergangenheit – für andere ist es Verherrlichung von Terrorismus und Verächtlichmachung der Opfer von ETA. Dass Etxebarrieta den Tod Francos und das Ende der Diktatur nicht erlebte, spielt dabei keine Rolle. Denn in der offiziellen spanischen Geschichts-Schreibung wird kein Unterschied gemacht zwischen Franco und danach, zwischen Faschismus und Demokratie (was ein schlechtes Licht auf die Demokratie wirft). Während des Franquismus waren die Aktionen von ETA durchaus populär und wurden in der unsichtbaren Opposition heimlich beklatscht.

In diesem Jahr 2021 war (neben der üblichen Blumengabe am Friedhof) eine Veranstaltung geplant, zu der Historiker und Anthropologen eingeladen waren, um etwas mehr Licht in die Todesumstände von Txabi Etxebarrieta zu bringen. Nach einer Anzeige von rechten “Terrorismus-Opfer-Verbänden“ in Madrid zog die Stadtverwaltung Bilbao die Zusage für den Veranstaltungsraum zurück, was zum Rückzug der Anthropologen führte. Bei der Veranstaltung sollten kürzlich freigegebene Polizei-Akten analysiert werden, denn die Vorgänge vom 7. Juni 1968 werden unterschiedlich interpretiert oder dargestellt. Die offizielle Version der Guardia Civil ist, dass Etxebarrieta auf der Flucht erschossen wurde, andere sprechen davon, dass er festgenommen und exekutiert wurde.

So groß das Interesse der spanischen Rechten und der gleichgesinnten Opfer-Verbände an der Aufklärung bisher unklarer Attentate ist, so wenig interessiert das Schicksal von Verschwundenen aus der Zeit der Transition. Dazu gehört auch die Frage nach dem Tod von Etxebarrieta. In Spanien ist es bis heute üblich, Franco abzufeiern, faschistische Symbole auf die Straße zu tragen und antisemitische Diskurse zu führen. Die Erinnerung an einen baskischen Antifaschisten wird geleichzeitig als “Verherrlichung von Terrorismus“ interpretiert und behindert, wenn nicht verboten. Kein Zeichen von “vollständiger Demokratie“, wie es Regierungschef Sanchez kürzlich formulierte. Wer Txabi Etxebarrieta als Terrorist bezeichnet, spricht Franco von Verbrechen frei und hält sich an die faschistische Geschichtsversion.

RÜCKBLICKE: * (1939) In Berlin findet die Siegesfeier der Nazis für die Legion Condor statt. Aus diesem Anlass wird die Wannsee-Allee in Spanien-Allee umbenannt, der Name gilt bis heute. Die Legion, eine illegale Luftwaffen-Einheit, hatte dem Faschisten Franco im Spanischen Krieg entscheidende Hilfe geleistet. * (1944) Beginn der Landung der Alliierten Truppen in der Normandie. * (1976) Ein halbes Jahr nach dem Tod des Diktators Franco legalisiert die franquistische Kontinuitäts-Regierung alle Parteien, die weder kommunistisch noch separatistisch orientiert sind. * (1984) Der PNV-Abgeordnete Joseba Elosegi stiehlt aus dem Armee-Museum in Madrid eine baskische Flagge (Ikurriña), die ausgestellt war unter dem Titel “Symbole der Republikaner aus der Zeit des Befreiungskrieges“. * (1986) In Donostia (San Sebastian) wird vor Gericht zum ersten Mal eine Klage in der baskischen Sprache Euskara zugelassen.

(2021-06-05)

WER DIE TODESSCHWADRONEN SCHICKTE

Eine Strategie, die fortwährende Rebellion der Bask*innen zu bekämpfen, war die Aufstellung einer Todesschwadron, die sich zynischerweise “Befreiungsgruppen“ nannten, “Grupos de Liberación Antiterrorista“, GAL. In jenem Fall zwischen 1983 und 1987 ging es gegen die nach Iparralde ins Nord-Baskenland Geflüchteten. Die GAL-Aktivisten bombten und schossen durch die Region und nahmen auch Verwechslungen in Kauf. Schließlich wurde eine ganze Reihe von Mördern und Rädelsführern erwischt und verurteilt, darunter ranghohe Politiker. Nicht von der postfranquistischen PP, sondern von der sozialdemokratischen PSOE, die immerhin zu den Opfern der Diktatur gezählt hatte. Trotz langwierigen Verfahren nie erwischt wurde der Chef oder Initiator dieser Mörderbande. Obwohl es im ganzen Baskenland die Spatzen vom Dach pfeifen, um wen es sich handelt: Mister X – Felipe Gonzalez. Und wer noch? (LINK)

juni74x05Soeben hat die Staatsanwaltschaft des Polit-Gerichts Audiencia Nacional in Madrid beschlossen, das Verfahren nicht wieder zu eröffnen, weil die Taten verjährt seien. Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren jedoch nicht. Um einer neuen und weiter gehenden Untersuchung Bahn zu schaffen, haben sich Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Journalismus in der unabhängigen Plattform B-Egiaz (baskisch: B-Wahrheit) zusammengeschlossen, um zu klären, wer hinter den GAL steckte.

Dazu diente fürs Erste eine Pressekonferenz (4.6.), um über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft des Nationalen Gerichtshofs AN zu berichten, nach der von Pilar Zabala eingereichten Petition zur Untersuchung der möglichen Verbindung zwischen der Regierung von Felipe González und den GAL. Pilar Zabala ist die Schwester von Joxi Zabala, der 1985 von den GAL entführt und ermordet wurde, sie hat die Plattform ins Leben gerufen, um im spanischen Staat und auf internationaler Ebene Initiativen zu ergreifen, die darauf abzielen, "aufzudecken, wer hinter der Terrorgruppe steckt“.

Denn es gibt durchaus neue Aspekte in diesem GAL-Dschungel von Politikern, Zivilgardisten, Rechtsradikalen und Söldnern. Vor einem Jahr gab die CIA geheime Dokumente frei, die die vermutete Verbindung zwischen Gonzalez und den GAL bestätigen. Die Mitglieder der Plattform werden auch künftig Initiativen und Aktivitäten ankündigen, um die Identität der GAL-Verantwortlichen herauszufinden. Neben Zabala haben an der Pressekonferenz der Schauspieler Juan Diego Botto, die Historikerin María del Olmo und Maria Jauregi teilgenommen, die Tochter des von ETA ermordeten PSOE-Politikers Juan Mari Jauregi.

RÜCKBLICKE: * (1975) Tod des baskischen Schriftstellers und Marxisten Gabriel Aresti, der sich bereits in Zeiten der Franco-Diktatur und des Euskara-Verbots um die Vereinheitlichung der baskischen Sprache verdient machte. * (1980) Die 16-jährige Maria Jose Bravo wird in Donostia entführt, vergewaltigt und erschlagen, nachdem sie mit ETA in Zusammenhang gebracht wurde. Die faschistische Gruppe BVE bekennt zu dem Mord. * (1982) Beitritt des spanischen Staates zur NATO. Im Baskenland ist eine große Mehrheit gegen diese Entscheidung, bei der die regierende sozialdemokratische Partei ihren Standpunkt von Nein auf Ja geändert hatte.

(2021-06-04)

KEIN FRANCO-TWEET IN GERMANY

Nutzerinnen in Deutschland können auf das Twitter-Profil der Francisco-Franco-Stiftung nicht zugreifen. Dieses Veto wird im spanischen Staat nicht angewandt, dort ist die Organisation bis heute legal. Im Lande der Dichter und Denker hingegen ist jeder Bezug zum Faschismus verboten. Die Verbreitung von Symbolen wie dem Hakenkreuz, dem Hitlergruß oder der Hymne der Nazipartei wird mittels des Strafgesetzbuches bestraft. Konkret umfasst der Artikel 86 Flaggen, Abzeichen, Uniformen, Slogans, Lieder und Grußformeln.

juni74x04Darüber hinaus sind in diesem Verbot die Symbole von Organisationen und politischen Formationen enthalten, die zwar als legal gelten, aber das Risiko in sich tragen, verfassungswidrigen Parteien oder Vereinigungen zu ähneln. Dieser Linie folgend, hat das soziale Netzwerk (Twitter) in Deutschland beschlossen, die Inhalte der von Juan Chicharro geleiteten franquistischen Stiftung (die in Spanien Staatsgelder erhält) zu sperren. Twitter betrachtet die Veröffentlichungen zwar als "sensible Inhalte". Es ist dennoch sehr einfach, sie zu konsultieren, sie müssen sie nur angeklickt werden.

GESETZ IN ARBEIT

In der Zwischenzeit kommt das erwartete Gesetz zur “Historischen Erinnerung“ in der spanischen Gesetzgebung nur sehr langsam voran. Bis heute können faschistische Organisationen nach wie vor Veranstaltungen zu franquistischen Verherrlichung durchführen, wie die vom 28. März in Madrid. Was soll im “Gesetz der Historischen Erinnerung“ enthalten sein?

Nach dem bislang gültigen Erinnerungs-Gesetz sind diese faschistischen Umtriebe im spanischen Staat immer noch legal. Der von den Sozialdemokraten der PSOE geförderte Vorentwurf zu einem neuen “Gesetz der Demokratischen Erinnerung“ sieht vor, die Straflosigkeit für die Verherrlichung des Franquismus zu beenden und sie künftig (wie in Deutschland) unter Strafe zu stellen. Das wurde im vergangenen September 2020 beschlossen und ist aber noch nicht im Parlament debattiert worden. Angeblich kam es zu bürokratischen Verzögerungen.

Wird das Gesetz schließlich verabschiedet, wird jeder Akt der Verherrlichung Francos im spanischen Staat verboten sein. Als "Handlungen, die der demokratischen Erinnerung widersprechen", werden nach dem neuen Gesetz solche Handlungen angesehen, die "eine Diskreditierung, Verachtung oder Demütigung der Opfer oder ihrer Angehörigen sowie eine persönliche oder kollektive Verherrlichung des Militäraufstandes, des Krieges oder der Diktatur" beinhalten. Die Aufforderungen zu diesen Handlungen werden als schwerwiegende Delikte betrachtet, die mit Geldstrafen zwischen 10.001 und 150.000 Euro geahndet werden.

Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf auch die zwanghafte Auflösung von Organisationen wie der Francisco-Franco-Stiftung vor, die bisher legal waren. Die Straflosigkeit solcher Verbände ist wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, seit die Gruppe “Juventud Patriota“ (Patrioten-Jugend) im Februar 2021 eine Ehrung für die “Blaue Division“ organisierte (Franco-Truppen, die im 2. WK gegen die Sowjetunion kämpften), bei der eine junge Nazifrau eine offen antisemitische Rede hielt. An dieser Veranstaltung nahmen andere legale Organisationen wie“Falange“ oder “España 2000“ teil. (Quelle)

RÜCKBLICKE: * (1937) Picasso vollendet sein Gemälde “Guernica“, das ihm von der spanischen Republik für die Weltausstellung in Paris in Auftrag gegeben wurde. Außer dem Titel hat es mit der Zerstörung der baskischen Stadt Gernika durch die Legion Condor der Nazis nichts zu tun. * (1944) Die italienische Hauptstadt Rom wird von den Alliierten befreit. * (1989) Der Protest gegen das chinesische Regime auf dem Tiananmen-Platz in Peking endet mit einem Blutbad.

(2021-06-03)

ENTEIGNUNG UND MIETVERPFLICHTUNG

Immer mehr greift das Problem der Wohnungsnot um sich. Leute, die eine Wohnung haben, können sie wegen aufkommender Armut nicht mehr bezahlen und werden zwangsgeräumt. Andere suchen verzweifelt und finden nichts Bezahlbares, vor allem Junge und Alleinstehende. Unterschiedliche Gründe sind dafür verantwortlich. Der Tourismus in den Stadtkernen führt zu einer Preistreiberei ohnegleichen; Immobilien-Spekulation in attraktiven Investitionsorten wie Bilbo oder Donostia hat dieselbe Folge. Dazu kommt die seltsame Haltung vieler Bask*innen zum Thema Vermietung, sie lassen die Immobilie lieber jahrelang leer stehen (ohne Mieteinnahmen), als sie auf den Markt zu geben: “Vermietung bringt immer Probleme“ – Probleme, die ein völlig unzureichendes Mietgesetz nicht löst.

juni74x03Demgegenüber steht eine völlig verfehlte Politik im sozialen Wohnungsbau, die dazu geführt hat, dass kaum Sozialwohnungen auf dem Markt sind. Das Ganze führt zu der perversen Situation, dass einerseits gebaut wird wie wild (für die kaufkräftigen Schichten) und gleichzeitig Tausende von vermietungsfähigen Wohnungen leer stehen, volkswirtschaftlich und ökologisch ein Wahnsinn. Diesem Notstand will die baskische Regierung nun eine Grenze setzen, indem die gesetzliche Handhabe geschaffen wird, zwei Jahre leer stehende Wohnungen zu enteignen oder die Eigentümer zur Vermietung zu zwingen. Diese Maßnahmen werden allerdings nur in Gebieten mit großer Nachfrage und hohen Preisen gelten, steht im Dekret, das die baskische Regierung demnächst verabschiedet.

Eine Wohnung länger als zwei Jahre leer stehen zu lassen, soll im Baskenland nicht mehr so einfach möglich sein. Zusätzlich zur Besteuerung mit einer Sonderabgabe können lokale und regionale Behörden die Eigentümer zwingen, ihren Besitz zu vermieten oder sogar enteignen. Dazu müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Der Senator erklärte, dass die neue Gesetzgebung habe das Ziel, die aktuelle Unmenge an unbelegten Wohnungen zu reduzieren. Offizielle Daten sprechen von unglaublichen 15.000 Mietobjekten in der gesamten Region Baskenland, die inoffizielle Zahl liegt wenigstens doppelt so hoch. Nun soll der Leerstand auf den Markt. Gleichzeitig wird von der Regierung klargestellt, dass die neuen Regeln "vernünftig" angewandt werden. Immerhin geht es um den Eingriff in das Privateigentum, die heilige Kuh des Kapitalismus, Eigentum geht über soziale Verantwortung. Deshalb wurden Kriterien festgelegt und Ausnahmen definiert, die den Eingriff konditionieren.

Es muss eindeutig nachgewiesen sein, dass die Immobilie aus “ungerechtfertigten Gründen“ mehr als zwei Jahre leer stand. In der Umgebung muss es eine Liste von mehr als hundert Personen geben, die öffentliche Wohnungen mit geschützter Miete suchen. Voraussetzung ist auch, dass das Preisniveau mindestens 10% über dem Durchschnitt des Ortes liegt. Eine Menge Bedingungen müssen also erfüllt sein.

Auf der anderen Seite werden Ausnahmen definiert, die ein öffentliches Eingreifen verhindern. Ausgeschlossen sind Zweitwohnungen und solche, die "aus gesundheitlichen Gründen, wegen Arbeit, wegen Abhängigkeit oder wegen sozialer Notlagen leer stehen“. Das sind sehr interpretationsfähige Kriterien. Ebenfalls ausgenommen sind Wohnungen, die auf dem Markt zum Verkauf oder zur Miete angeboten werden, "oder wenn es sich bei den Eigentümern um gemeinnützige Organisationen handelt und der Wohnraum für Organisationsziele benötigt wird“.

JÄHRLICHE STRAFZAHLUNGEN

Um ein Verfahren mit Mietzwang oder Enteignung in die Wege zu leiten, muss “die Nachfrage akkreditiert und die Wohnungs-Notwendigkeit demonstriert sein". Im Verfahren wird es von "entscheidender Bedeutung" sein, dass jede Gemeinde eine kommunale Karte erstellt, in der die Notlagen dargestellt sind. Die baskische Exekutive hat sechs Monate Zeit, einen Beschluss zu fassen, nach dieser Frist wird das Verfahren eingestellt.

Die neue Gesetzgebung gesteht auch "Gemeinden eine Befugnis zu, Leerstand jährlichen finanziell zu sanktionieren". Auch dafür gilt die Frist von zwei Jahren Nichtnutzung, die Sanktion soll 10 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche betragen, was im Falle einer Wiederholung verdreifacht werden kann. Angesichts der Bedingungen und Ausnahmen bleibt abzuwarten, ob das Dekret eines Tages zum Einsatz kommen wird, oder ob der Erlass nur Drohwirkung haben soll. Die Vereinigung der Hausbesitzer wird gegen das Dekret den Klageweg beschreiten und die Leerständler haben genug Zeit, sich entsprechende Ausreden zurecht zu legen. Die einfachste Alternative ist Hausbesetzung.

RÜCKBLICKE: * (1937) Der faschistische General Emilio Mola, der zusammen mit Franco den Militäraufstand gegen die spanische Republik anführte, stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Zuletzt hatte Mola der Krieg im Norden geführt, um Bizkaia zu erobern und die republiktreue baskische Regierung zu stürzen. Sein Tod ereignet sich 16 Tage vor der Eroberung von Bilbao. * (1979) Die Anti-AKW-Demontrantin Gladys del Estal wird bei einer antimilitaristischen Demo in Tutera/Tudela in Navarra von der Guardia Civil erschossen. * (1982) Der afro-amerikanische Journalist und Aktivist Mumia Abu-Jamal wird in Philadelphia wegen angeblichen Polizistenmords zum Tode verurteilt. * (1994) Die spanische Regierung verkündet das endgültige Ende der Pläne für das umstrittene AKW Lemoiz (Lemoniz) in Bizkaia.

(2021-06-02)

REISGERICHTE DER WELT

Zum Thema Antirassismus und kulturelle Vielfalt eine Nachricht aus Bilbo: Seit 17 Jahren wird im Stadtteil mit dem höchsten Anteil an migrantischer Bevölkerung ein Reis-Fest organisiert, das “Reisgerichte der Welt“ genannt wird. Die Initiative besteht darin, dass migrantische wie einheimische Gruppen oder Freundeskreise auf offenem Feuer Reisgerichte kochen, die anschließend gemeinsam verzehrt werden, begleitet von kulturellen Aktivitäten auf der Bühne. Wie im vergangenen Jahr kann die Initiative, zu der sich üblicherweise drei bis vier Tausend Personen einfinden, wegen der Pandemie nicht im üblichen großen Rahmen stattfinden. Dennoch soll sie nicht in Vergessenheit geraten. Der Aufruf 2021:

“Der beste Impfstoff: Zusammenleben in Vielfalt, Solidarität und gegenseitiger Unterstützung. Das zweite Jahr in Folge kann Munduko Arrozak (das bekannte Reis-Fest im Barrio San Francisco von Bilbao) nicht auf dem öffentlichen Platz des Stadtteils gefeiert werden. Erneut muss (aus naheliegenden Gründen) zu Hause gekocht werden. Aber es wird zu einer Menschenkette aufgerufen, die am 19. Juni um 13 Uhr vom Plaza Corazón de María im Viertel San Francisco startet.

juni74x02MUNDUKO ARROZAK 2021

Die Koordination der Gruppen von Bilbao La Vieja, San Francisco und Zabala ruft dazu auf, dass so viele Menschen wie möglich zu Hause Reis kochen und, obwohl es nicht mit allen geteilt werden kann (wie wir es normalerweise auf dem Platz tun) rufen wir alle dazu auf, ihre Erlebnisse und Fotos über soziale Netzwerke an uns zu schicken.

Wir rufen auch zu einer Menschenkette auf, die am 19. Juni um 13 Uhr vom Plaza Corazón de María aus (unter Einhaltung aller notwendigen Gesundheits-Maßnahmen) die Straßen unserer Stadtteile durchqueren soll, damit in dieser 18. Ausgabe von “Reisgerichte der Welt“ (trotz Einschränkungen) die Farben, Parolen und wir selbst die vielfältigen interkulturellen, würdigen und lebenswerten Stadtteile widerspiegeln, die wir beanspruchen und die wir aufbauen.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir einige der Gründe nennen, die uns dazu bewegen, dieses Kochfest zu einem Akt des Engagements für die Verbesserung der Lebensbedingungen unserer Nachbarschaften zu machen und für die Menschen, die hier leben, ganz besonders in diesen dunklen Zeiten der Pandemie:

1. Wir fordern und feiern die Interkulturalität, die Teil der Identität unserer Nachbarschaften ist. Eine Identität, die von verschiedenen Identitäten der Kultur, des Geschlechts, der Sexualität und der Lebensform geprägt ist. Eine Vielfalt, die uns stark macht gegenüber jeder Art von diskriminierenden Haltungen und Verhaltensweisen gegenüber Einzelpersonen oder sozialen Gruppen.

2. Wir besetzen die Straßen, weil sie uns gehören, den Menschen, die in diesen Vierteln leben, arbeiten und sie bevölkern. Straßen, aus denen wir jede Art von rassistischem, diskriminierendem oder gegen die Menschenrechte gerichteten Aktionen der Polizei verbannen wollen.

3. Wir arbeiten für Nachbarschaften, die frei von sozialer Ausgrenzung und institutioneller Vernachlässigung sein sollen. Wir leben in Zeiten großer Notlagen, die sich in wachsender Armut, Kürzungen bei den öffentlichen Diensten, städtischer Spekulation und drohenden Zwangsräumungen äußern, enorme Bedrohungen für verletzliche und “unsichtbare“ Menschen und Bevölkerungsgruppen. Wir fordern lebenswerte, gerechte und unterstützende Nachbarschaften. In dieser Situation geht es um Menschen, die unter Ausgrenzung, Ungleichheit und Diskriminierung am meisten leiden. Genau dann ist gegenseitige Unterstützung am nötigsten. Angesichts der Besonderheiten dieser Initiative, die wir seit 18 Jahren organisieren, rufen wir in diesem Jahr auf zur Aktivierung der Solidarität mit unseren Nachbar*innen und ausgegrenzten Migrant*innen und Nachbar*innen.

Wir ermutigen alle, Einzelpersonen wie Organisationen, einen Beitrag zu leisten, indem ihr euch bei Munduko Arrozak einschreibt oder Materialien zur Unterstützung der Initiative erwerbt, damit die Widerstands-Kassen unserer Schwestern und Brüder nicht leer bleiben: Nachbarinnen sind solidarisch! Nur mit Solidarität und gegenseitiger Unterstützung bilden wir eine Gemeinschaft.

RÜCKBLICKE: * (1964) Gründung der PLO, Palästinensische Befreiungs-Organisation. * (1967) Der Student Benno Ohnesorg wird während des Schah-Besuchs in Berlin erschossen, die Protest-Bewegung radikalisiert sich, es folgt die bewaffnete Bewegung 2.Juni. * (1983) In Urkiola/Bizkaia findet das erste Zeltlager der Baskisch-Schulen AEK statt.

(2021-06-01)

UNTER DIE GÜRTELLINIE

Was die Stadtverwaltung von Bilbao vor sechs Wochen einstecken musste, war ein deftiger Schlag unter die Gürtellinie. Denn der europäische Fußball-Verband setzte der baskischen Regierung das Messer auf die Brust und forderte für Bilbao, den Sitz der Europa-Meisterschaft, ultimativ die Zulassung von Publikum. Es wäre keine große Überraschung gewesen, wenn die Regierung eingeknickt wäre. Denn wenn es um das globale Bild der Stadt und um das Herbeilotsen von Tausenden von Touristen geht, ist man üblicherweise zu allem bereit.

Insofern hatte die Überraschung umgekehrte Vorzeichen, weil die regierende baskische Rechte ein einziges Mal standhaft blieb, ganz den Coronavirus-Vorsichts-Maßnahmen entsprechend. Was Bilbao durch diesen Tritt in die politischen Weichteile erspart blieb, können sich viele noch gar nicht vorstellen. Dafür gibt es im Juni die Gelegenheit, einen Blick über den Zaun zu werfen, nach Sevilla, den Ersatz-Sitz für die Eurocopa. Es besteht kein Zweifel, dass die “Nationalmannschaft“ dort viel besser aufgehoben ist als in Bilbao: Ultranationalisten fallen dort weniger auf als im republikanischen Baskenland.

Zugelassen werden sollen 30% der Zuschauer-Kapazität, das macht um die 16.000 Hooligans und Nicht-Hooligans. Woher die kommen dürfen, aus dem Staat oder aus den Gastländern, mit welchen Tests oder welcher Quarantäne, da hält man sich bei den Verantwortlichen noch bedeckt. Jedenfalls sollen mehr als tausend Polizisten für Sicherheit sorgen: neben Verkehrspolizisten auch Hundeführer, Sprengstoff-Entschärfer und Anti-Drohnen-Spezialisten. Eins zu sechzehn also, ein gutes Verhältnis, da kann praktisch nichts passieren, wo Fußball doch so ein friedlicher Sport ist. Die Tausend gewaltbereiten Uniformierten bleiben Bilbao jedenfalls erspart. Die Limits, die die baskische Regierung als Voraussetzung für die Zulassung von Publikum ausgegeben hatte, liegen zehn Tage vor dem ersten Spiel in unerreichbarer Ferne. Dasselbe gilt auch für die Zahlen in Sevilla, dort werden die Limits – in diesem Fall von Madrid ausgegeben – ebenfalls noch weit überschritten. Aber irgendwie wird man dort eine Regelung finden, und sei sie noch so widersprüchlich.

Sevilla somit zu einem der zwölf Austragungsorte dieser seltsamen Eurocopa, die eigentlich schon letztes Jahr hätte stattfinden sollen und wegen des Coronavirus verschoben wurde. Sie ist das erste Turnier, das in zwölf verschiedenen Ländern ausgetragen wird. Während in Sevilla der spanische Ultra-Nationalismus freien Lauf hat, treffen sich in Bilbao die Stadtverwalter mit ihren Anwälten, um die eineinhalb Millionen Investitionen zurückzuklagen, die man in Bilbao getätigt hatte zur Vorbereitung des Turniers. Es ist wie praktisch immer bei der Pandemie, Gerichte müssen entscheiden, wo es lang geht, wer was darf und was nicht, und wer wem wieviel schuldet. Hoffentlich verliert Spanien – und sei es am grünen Tisch.

RÜCKBLICKE: * (1930) In Orereta (Renteria, Gipuzkoa) wird der erste Tag der baskischen Poesie veranstaltet, den Preis erhält Lauaxeta, der später im Krieg von 1936/37 von den Faschisten ermordet wird. * (1951) Tod von Luis Arana Goiti, der zusammen mit seinem Bruder Sabino den baskischen Nationalismus und die Baskisch Nationalistische Partei EAJ-PNV gegründet hatte.

ABBILDUNGEN:

(00-06) Nein zu San Mamés

(01-06) Scheiß Eurocopa

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-06-01)

Die franquistischen Truppen rücken auf Bilbao zu, die baskische Regierung in Bilbao arbeitet eine Massen-Evakuierung vor

 

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