Der Schriftsteller im Exil
Im Jahr 2004 starb der Schriftsteller und Euskaltzale Martin de Ugalde Orradre, ein baskischer Patriot, der sein Leben und Schaffen der Politik, der baskischen Kultur und Sprache gewidmet hatte. Die Erfahrung von wiederholtem Exil und Repression prägte das literarische und politische Werk von Martin Ugalde. Im Exil unterstrich er seine besondere Verbundenheit mit der baskischen Sprache, indem er bisher unbekannte Genre von Literatur in Euskara schuf.
(16.10.2014) Im Jahr 1974 lag das Franco-Regime in seinen letzten Zügen. Der altersschwache Diktator war krank, was er noch zum Ausdruck brachte, verstand niemand mehr. Die illegale Opposition mobilisierte auf den Straßen, ein historischer Wandel kündigte sich an. Die Untergrundorganisation ETA agierte und die führerlose Regierung erklärte einen Ausnahmezustand nach dem anderen. In diesem Klima hatte der Aberri Eguna (Tag des Vaterlandes), der baskische Nationalfeiertag als symbolisches Datum eine große Bedeutung. In der venezolanischen Hauptstadt Caracas war der Aberri Eguna gleichzeitig der große Tag des baskischen Kulturzentrums. An jenem Tag im April, nach der Messe, nach dem Hissen der baskischen Fahne, nach einem politischen Meeting und einem Volksessen versammelten sich alle in Venezuela lebenden Baskinnen und Basken. An jenem 14.April wurde den Anwesenden von der baskischen Regierung im Exil ein Anruf angekündigt. Dies erzählt der baskische Parlamentsabgeordnete Iñaki Anasagasti in einem Zeitungsartikel. (1)
Tatsächlich kam ein Anruf, aus Donibane Lohitzune, dem nordbaskischen Saint-Jean-de-Luz. Es war der Vizepräsident der baskischen Regierung im Exil, Martin Ugalde. "Iñaki, ich habe eine gute Nachricht für euch, die ihr bei Radio Euskadi verbreiten könnt. Der Ministerpräsident Leizaola (bask: Lehendakari) kam gerade aus Gernika zurück, wo er eine Rede gehalten hat, mit einer Botschaft an die Jugend und an das baskische Volk. Er sagte, er sei bereit, Rechenschaft abzulegen über die Bilanz von 40 Jahren Exil der baskischen Regierung, deren Vorsitzender er war. Nun muss die Leitung an eine neue Generation weiter gegeben werden". Es war eine riskante Aktion Leizaolas gewesen, denn der Franquismus hatte noch alle Fäden in der Hand. Aber die Mauer des Schweigens musste gebrochen werden, es musste eine klare Erklärung abgegeben werden, dass Nationalismus nicht nur ETA ist, dass es eine baskische Regierung im Exil gab und dass der Lehendakari diese Institution repräsentierte, die lange Zeit im Schatten des Regimes stand. Organisiert hatte diesen wagemutigen halböffentlichen Auftritt Martin Ugalde, der Joseba Rezola als Vizepräsident ersetzt hatte.
"Ich hatte das Glück", schreibt Iñaki Anasagasti in seinem Artikel, "Martin Ugalde in Caracas kennen zu lernen und mit ihm nach Cumaná zu reisen zur Eröffnung des dortigen baskischen Kulturzentrums. Er war der erste Präsident der Euzko Gaztedi, der baskischen Jugend des baskischen Zentrums gewesen, zufälligerweise sollte ich der letzte werden". In jenen Jahren hatte Ugalde eine einflussreiche Publikation ins Leben gerufen, mit demselben Namen "Euzko Gaztedi", gleichzeitig leitete er die Zeitschrift "Euskadi". Später arbeitete auch bei venezolanischen Zeitschriften wie "Momento" und war der Chefredakteur der Zeitschrift "Elite", für die er die Reisen des baskischen Exil-Präsidenten José Antonio Aguirre aus nächster Nähe begleitete. Er verfolgte auch die Entführung und Ermordung des Exilpolitikers Jesus Galindez (2). Von den Franquisten wurde Ugalde mit großem Unbehagen beobachtet, die Proteste der franco-spanischen Botschaft begleiteten seine Arbeit. Ugalde war gleichzeitig Präsident des baskischen Kulturzentrums in Caracas und Präsident der Ausländischen Vertretung der Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) in Venezuela (3). Er schrieb für die Zeitschrift "Nacional de Cultura", sowie Hunderte von Artikeln, Geschichten, Reportagen, sowohl auf Baskisch wie auf Spanisch. Regelmäßig lieferte Ugalde Beiträge für Euzko Deya, Tierra Vasca, Alderdi und Zeruko Argia (Baskischer Tag, Baskisches Land, Partei, Licht des Himmels – baskische Publikationen im Exil). Arbeit und Engagement des jungen Ugalde fanden Anerkennung, 1961 gewann er einen Preis für die Erzählung "Die großen Hände des Nebels" und 1964 den ersten National-Preis der baskischen Exil-Regierung.
Exil
Martin de Ugalde wurde 1921 in Andoain/Gipuzkoa geboren. Mit 15 Jahren wurde er mit dem Krieg konfrontiert. Mit der Familie verließ er seinen Heimatort, zuerst in Richtung Mundaka (Bizkaia) und Bilbao. Später kam er über Santander nach Frankreich und erreichte Chateau Chinon (Nièvre), um sich schließlich in Donibane Garazi (frz: St-Jean-Pied-de-Port) und Donibane Lohitzune (frz: St-Jean-de-Luz) in den französisch-baskischen Provinzen niederzulassen. Er studierte in Schulen, die die baskische Regierung organisiert hatte, und machte Abitur. Dort hatte Ugalde ausgezeichnete Lehrer: Zumalabe in Matematik, Jose Miguel Barandiarán (4)in Archäologie, Adrian de Ugarte, Felix Dorronsoro und andere. Kurz vor der Invasion der Nazis in Frankreich wurde Ugalde von französischen Behörden im Konzentrationslager Gurs eingesperrt. Im Juni 1940 wurde er entlassen, zu gleicher Zeit war die deutsche Besetzung im Gang. Auf den Straßen von St-Jean-de-Luz (bsk: Donibane Lohizune) begegnete er Besatzungs-Soldaten. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen ging er zurück nach Andoiain, wo seine Mutter lebte. Sein Vater war nach Venezuela ins Exil gegangen, sein jüngerer Bruder Joseba wurde nach der Bombardierung von Gernika nach Russland evakuiert. Der Krieg hatte eine Familie auseinander gerissen, Martin musste für das Franco-Regime in Tetuan, Teil der spanischen Kolonie Marokko, drei Jahre Militärdienst leisten.
Im Jahr 1947 ging er in Begleitung seiner Mutter auf Reisen. Sie schafften es, sich in Caracas mit Vater und Bruder zu treffen. Im Jahr 1948 wurde Ugalde zum ersten Präsidenten des baskischen Jugendverbandes Euzko Gaztedi von Caracas gewählt. In Venezuela begann er mit der Veröffentlichung seiner ersten Bücher, die sich stark mit der venezolanischen Realität beschäftigten.
Der Schriftsteller Ugalde
Doch fand Martin Ugalde mit einem ganz besonderen Stil nicht nur Eingang in die Welt der venezolanischen Literatur, er hielt auch eisern an der baskischen Sprache fest. Mit seinem Buch "Iltzalleak" (Mörder) gewann er 1961 den ersten von der baskischen Regierung im Exil verliehenen Literatur-Preis. "Iltzalleak" war das erste Buch mit Erzählungen in der Geschichte der baskisch-sprachigen Literatur, nie zuvor war in Venezuela ein Werk auf Baskisch publiziert worden. Dabei bedeutete der Wechsel der literarischen Sprache für Ugalde eine große Anstrengung. Weil das Buch weit entfernt vom Baskenland veröffentlicht wurde, fand es dort praktisch kein Echo. Erst später wurde seine Bedeutung von der baskischen Exil-Regierung anerkannt. Im Jahr 1997 verlieh ihm die Jury des Arregui-Journalismus-Preises von Andoain den Ehrenpreis für seine Bemühungen um die Entwicklung des Journalismus in baskischer Sprache. Die baskischen Schriftsteller Koldo Izagirre und Xabier Mendiguren Elizegi würdigten die Erzählungen Martin Ugaldes in der "Euskal literaturaren antologia", der Anthologie der baskischen Literatur (Verlag Elkarlanean, Gipuzkoako Ikastolen Elkartea), im Jahr 1998 mit den folgenden Worten: "Seine Erzählungen zeichnen sich in zweierlei Hinsicht aus: durch ihren literarischen Wert und durch die Tatsache, dass Ugalde sie in der Absicht geschrieben hat, ein neues modernes literarisches Genre zu schaffen. Bis dahin waren Erzählungen in der euskaldunen Literatur einfache Schriften gewesen, folkloristisch geprägt und von komischer Natur. In Lateinamerika hingegen hatte die Erzählung als eigene seriöse Literaturform eine große Tradition. Ugalde wandte die Techniken, die er dort gelernt hatte, auf seine Arbeiten in Euskara an". (5)
Im Jahr 1964 veröffentlicht Ugalde das Theaterstück "Ama gaxo dago" (Mutter ist krank) und im Jahr 1966 ein neues Buch mit Erzählungen für Kinder, "Umeentzako kontuak". Im Jahr 1966 folgt im Ekin-Verlag von Buenos Aires die in polemischem Stil gehaltene Schrift "Unamuno y el Vascuence" (Unamuno und baskische Sprache), in dem er sich mit einem der bekanntesten baskischen Schriftsteller, Miguel de Unamuno, auseinandersetzt, einem expliziten Euskara-Verächter.
Hinsichtlich seiner Romane in baskischer Sprache hat das Werk "Itzulera baten istorioa" (Geschichte einer Rückkehr) einen eindeutig autobiografischen Hintergrund. Es erzählt vom Exil und von der kulturellen Entwurzelung einer baskischen Familie nach dem Krieg von 1936. Die Protagonistin ist eine Jugendliche aus Caracas, die 1945ins Baskenland zurückkehrt. Das Werk wurde 1995 vom Hiru-Verlag auf Spanisch herausgegeben unter dem Titel "Historia de un regreso". Sein nächster Roman, "Pedrotxo" (Der kleine Pedro), spielt in den Jahren 1948 bis 1950 und erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der 1933 geboren wurde und im Waisenheim lebt. Marijose Olaziregi beschreibt den Roman im Jahr 2000 in "Geschichte der baskischen Literatur" von der Nationalen Universität für Fern-Ausbildung (Historia de la literatura vasca, Universidad Nacional de Educación a Distancia) als "eher humanistisch als politisch". Was der Junge erlebt, zeigt den repressiven Umgang des Franco-Regimes mit allem Baskischen. Sein letzter Roman "Mohamed eta parroko gorria" (Mohamed und der rote Pfarrer) schildert ebenfalls einen marginalisierten Jungen marokkanischer Herkunft. Er arbeitet in einer Schweinefarm, die eine Militär-Kaserne beliefert. Als der Krieg von 1936 ausbricht, sieht er sich gezwungen, sich im Konflikt auf eine Seite zu schlagen. Diesen Roman schrieb Martin Ugalde, als er bereits an der Parkinson-Krankheit litt. Manchmal, so wird erzählt, verlor er den roten Faden seiner Erzählung, Xabier Mendiguren vom Elkarlanean-Verlag half ihm bei der Orientierung. (5)
In den USA
In den 50er Jahren studierte Martin de Ugalde in den Vereinigten Staaten. Nur kurz kehrte er nach Caracas zurück und ging dann wieder nach New York, um seine Studien der Literatur fortzuführen. Daneben arbeitete er bei der Ölfirma Creole, wo er die Zeitschrift "El Faro" (Der Leuchtturm) leitete. Von dieser Firma erhielt er 1960 ein Stipendium, um einen Sonderzweig von Journalismus zu studieren. Er spezialisierte sich auf das Thema öffentliche Meinung und Massenkommunikation an der Universität Nordwester, anschließend unterrichtete er an der Katholischen Universität von Caracas.
Rückkehr ins Baskenland
Mit diesen kulturellen Gepäck und als Experte für Kommunikation kehrte er im Jahr 1969 endgültig ins Baskenland zurück, nach Hondarribia. Die PNV-Partei beauftragte ihn mit der Leitung der Monatszeitschrift "Alderdi" (Partei). Ugalde gab der Publikation ein Taschenformat im Stile von Readers Digest, nahm eine Reihe von interessanten Themen auf und beteiligte Leute wie Xabier Arzalluz, den späteren Partei-Vorsitzenden, der unter dem Pseudonym Peru Egurbide schrieb. (6)
Doch musste er 1973 erneut nach Baiona-Bayonne flüchten und lebte dort bis kurz nach dem Tod des Diktators am 20.November 1975. Seine Bücher wurden vom Franco-Regime zensiert, so war er gezwungen, indirekte Botschaften zu formulieren. Aus diesen Jahren stammt das interessante Buch "Hablando con vascos" (Gespräch mit Basken). Darin interviewt er baskische Persönlichkeiten aller Art, wie Ramon de la Sota, José Miguel de Barandiaran, Mitxelena, San Jaime, den Pater Pedro Arrupe (einige Antworten wurden zensiert) und Isidoro Fagoaga. Mit den Interviews versuchte Martin Ugalde, verschiedene Dimensionen baskischer Kultur und Lebensweise vorzustellen, indem er an Persönlichkeiten erinnerte, die vierzig Jahre totgeschwiegen worden waren. Er beteiligte sich an der inoffiziellen Diskussion um die Vereinheitlichung der baskischen Sprache, des Euskara. Ugalde suchte Dokumente über die Lehendakaris Aguirre und Leizaola für Herausgabe des Gesamtwerks der ersten beiden baskischen Ministerpräsidenten, die er koordinierte.
Ugalde war besorgt um die baskische Geschichte und kämpfte für ihre Anerkennung, dafür schrieb er im Jahr 1974 "Sintesis de la Historia del País Vasco" (Synthese der Geschichte des Baskenlandes), und 1975 "Hablando con Chillida, escultor vasco" (Im Gespräch mit Chillida, baskischer Bildhauer). Er schrieb auch "Las Brujas de Sorjin" (Die Hexen von Sorjin), in dem er die Probleme des Baskenlandes in den vergangenen vierzig Jahren analysierte, die baskischen Kämpfe, den Widerstand, die Entstehung und Erklärung der bewaffneten Organisation ETA. "Dieses Buch ist fundamental, um mein eigenes Leben zu verstehen und die Problematik, die Kultur und die Wurzeln des baskischen Volkes", sagte Martin Ugalde später über diesen Roman.
Postfranquismus
In den ersten Jahren nach Francos Tod, arbeitete Ugalde am "Weißbuch Euskera" (El libro blanco del euskera) und an der Herausgabe der Tageszeitung Deia. Im Juni 1977 wurde er zum stellvertretenden Direktor und zum Verantwortlichen für die baskische Sprache der Zeitung ernannt. Im Jahr 1978 veröffentlichte er "Herri baten deiahadarra" (El grito de un pueblo / Der Schrei eines Volkes) und 1980 "El problema vasco y sus profundas raíces culturales y políticas" (Das baskische Problem und seine wesentlichen kulturellen und politischen Hintergünde). Diese Titel und einige mehr machen deutlich, wie intensiv sich Martin Ugalde dem Schreiben widmete, dem Studium der baskischen Geschichte und Kultur. Im Jahr 1986, nach der Spaltung der PNV, schloss er sich der abgespaltenen Partei Eusko Alkartasuna (EA) an und wurde dort eines der angesehensten Mitglieder.
Ugaldes letzte Jahre
In seinen letzten Lebensjahren, wie er das bereits in Venezuela erlebt hatte, folgte eine offizielle Anerkennung nach der anderen: Universeller Baske, Ehrendoktor der Universität des Baskenlandes. Der uneingeschränkte Respekt seiner Umgebung war Ugalde sicher, nicht jedoch der Respekt der spanischen Justiz. Als Gründungsmitglied und Ehrenpräsident der einzigen auschließlich baskisch-sprachigen Tageszeitung "Egunkaria" und bereits in hohem Alter wurde er vom spanischen Richter Baltasar Garzón grob missachtet. Dieser Richter des Sondergerichts Audiencia Nacional veranlasste die Schließung der Tageszeitung und blockierte während des Vorgehens Ugaldes private Bankkonten. Die Anklage sprach von einem Zusammenhang von Egunkaria mit ETA, die Redakteure wurden gefoltert, im Prozess acht Jahre später erwiesen sich die Vorwürfe als haltlos. Martin Ugalde starb am 4.Oktober 2004 im Alter von 83 Jahren.
Freiheit als kategorischer Imperativ
Ugaldes gesamte Lebenserfahrung war geprägt von Exil und der Sehnsucht nach Freiheit. Es überrascht deshalb nicht, dass diese Erfahrung zu einem tragenden Element wurde in einem Großteil seines literarischen Werks, seines politischen Engagements und seines gesellschaftlichen Handelns. "Die Freiheit, vor allem Freiheit, richtige Freiheit. Jeder mag sich eine eigene Definition suchen, damit wir uns verstehen. Die spontane Verbindung ist eine fruchtbare Verbindung, die freie Vereinigung der Völker". (8) Freiheit hatte Vorrang, sie war die Basis der Existenz und beinhaltete andere Werte wie gegenseitige Achtung, Toleranz, das Recht auf Unterschiedlichkeit oder die Suche nach Gerechtigkeit und menschliche Würde. All das wurde zum Leitmotiv im kulturellen Schaffen von Martin Ugalde und insbesondere bei seiner Laufbahn als Schriftsteller. Die in Venezuela geschriebenen Erzählungen sind eine Beispiel für engagierte Literatur, deren Zweck es ist, soziale Ungerechtigkeit anzuklagen, Xenofobie, Ausbeutung durch Arbeit, Marginalisierung, der vor allem Migranten ausgesetzt sind, und die diskriminierende Verteilung gesellschaftlichen Reichtums.
Die Mehrheit dieser Erzählungen beinhaltet eine mehr oder weniger explizite Anklage gegen jedwede Unterdrückung sowie die Forderung von Freiheit als tragendes und unverzichtbares Element der Würde einer Person. In seinem Werk erscheinen schlichte Persönlichkeiten, problematische, gefallene und leidende, die sich in einem ständigen Kampf befinden um eine menschlichere Existenz und für die Ugalde Verständnis und Solidarität fordert.
In politischer Hinsicht vertrat Martin Ugalde immer einen integrativen und modernen Nationalismus, der von der tiefen Überzeugung ausging, dass niemand außen vor bleiben muss und dass eine Zukunft in Frieden und Stabilität für das baskische Volk nur über Akzeptanz und Integration der Unterschiede zu erreichen ist. Seine eigene Lebenserfahrung machte ihn zu einem Experten für die wesentlichen menschlichen Werte und Bedürfnisse. Sie lehrte ihn, dass wir neben ideologischen, kulturellen und ethnischen Unterschieden gemeinsame Grundwerte teilen sollten, eine gemeinsame Ethik, die uns erlauben, ein Leben in Würde zu führen. Seine gesellschaftlichen Vorstellungen waren geprägt von gegenseitiger Hilfe, Solidarität und Kooperation, auf dem Weg, Konflikte zu regeln und Interessen auszugleichen. Dies war Teil seines öffentlichen Diskurses.
Die Persönlichkeit
Martin Ugalde ist eine Persönlichkeit, die in Vergessenheit zu geraten droht. "Dieser Moment ist für mich sehr emotional", sagte der baskische Schriftsteller Anjel Lertxundi, verantwortlich für die Neuauflage der Erzählungen, die Martin Ugalde im Exil in Venezuela auf Spanisch geschrieben hatte. "Als Egunkaria geschlossen wurde, waren die meisten Baskisch Sprechenden besonders verletzt und wütend. Vor allem als wir sahen, wie ein Mensch von der Bedeutung wie Martin geschmäht wurde. Ich dachte, ich sollte auf diese Beleidigung reagieren und einer der besten Wege war es, eine weitgehend unbekannte Facette dieses großen Schriftstellers in Erinnerung zu rufen". Die baskische Demokratie steht in der Schuld dieses großen Exil-Schriftstellers und Darstellers des baskischen Lebens, der Flammen der Würde und Ethik entzündete zu einer Zeit, als dies noch äußerst schwierig war.
Zweifellos ist Martin Ugalde eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der baskischen Kultur in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Sein Leben war geprägt von Exil, von einem sich wiederholenden Exil. Das hat seine Interpretation des Weltgeschehens beeinflusst und aus ihm einen sensiblen und aufmerksamen Zeitgenossen gemacht hat, der sich jeder Realität und menschlichen Problematik stellte.
Quellen:
(1) Iñaki Anasagasti (*1947), der Autor des Artikels, der die Grundlage des vorliegenden Textes darstellt, wurde in Venezuela geboren. Seine Eltern, baskische Nationalisten, waren nach dem Ende des Spanischen Kriegs 1937 ins Exil gegangen. Nach seiner Rückkehr während des Franquismus studierte er in Donostia und arbeitete als Journalist. Später war er Funktionsträger bei der konservativen baskisch-nationalistischen Partei PNV, sowie Abgeordneter in verschiedenen Parlamenten im Baskenland und Spanien. Titel des Artikels aus der baskischen Tageszeitung DEIA ist "Martin de Ugalde, el gran escritor del exilio y la transición" (Martin Ugalde, der große Schriftsteller des Exils und der Transicion), 4.10.2014
(2) Jesus Galindez (*1915) war Mitglied der baskischen Partei PNV und ging nach Ende des Krieges 1937 über Frankreich ins Exil in die Dominikanische Republik. Dort lebte er sechs Jahre und war Mitglied der baskischen Exilregierung. 1946 ging er nach New York, arbeitete für den CIA und schloss seine Studien ab. In seiner Doktorarbeit setzte er sich mit dem dominikanischen Diktator Trujillo auseinander, unter dem Titel: "Die Aera Trujillo: Eine Fallstudie hispano-amerikanischer Diktatur". Die Arbeit sollte als Buch herausgegeben werden. Vor dem Erscheinen des Buches ordnete Trujillo Galindez Entführung an. Am 12.März 1956 wurde er von einem Kommando in die Dominikanische Republik entführt und umgebracht. Seine Leiche wurde nie gefunden.
(3) Die PNV, Partido Nacionalista Vasco (baskisch: EAJ - Eusko Alderdi Jeltzalea, Baskisch Nationalistische Partei) wurde 1895 von Sabino Arana Goiri gegründet. Während des spanischen Krieges von 1936 stand sie auf der Seite der demokratisch gewählten republikanischen Regierung und erlangte mit Jose Antonio Aguirre das erste baskische Autonomie-Statut. Nach der Niederlage der Republik wurde sie verboten, sie führte eine Exilregierung an, die bis zu Francos Tod in Frankreich und den USA arbeitete. Nach 1975 stellte sie meist die Ministerpräsidenten in der Autonomen Region Baskenland, politisch vertreten ist sie auch in Navarra und in Iparralde (frz. Baskenland).
(4) José Miguel de Barandiaran: Baskischer Priester, Anthropologe, Ethnologe und Archäologe (1889-1991). Er erforschte insbesondere die baskische Urzeit und entdeckte alte Begräbnisstätten.
(5) Enzyklopädie Auñamendi: Martín Ugalde Orradre, http://www.euskomedia.org/aunamendi/130588
(6) Xabier Arzalluz (*1932): Präsident der baskischen Partei PNV von 1980 bi 2004.
(7) Koldo Mitxelena (1915-1987): Linguist und Förderer der baskischen Sprache. / Agustín Ibarrola (*1930): baskischer Maler und Bildhauer. Wegen politischer Aktivitäten während des Franquismus mehrfach im Gefängnis. / Pater Pedro Arrupe (1907-1991): baskischer Jesuit, von 1965 bis 1983 Generaloberer des Ordens. / Isidoro Fagoaga (1893-1976): baskischer Tenorsänger, mehrfach in Argentinien im Exil. Nach Ende seiner Gesangskarriere widmete er martin Themen und forschte.
(8) Zitat aus: Martín de Ugalde, Unamuno y el vascuence, Ediciones Vascas, Bilbao, 1979; in Quelle (5)
(9) Reportagen-Portal Euskonews: "Martín de Ugalde, una vida y una obra al servicio de la libertad" von Iñaki Beti Sáez, Universität Deusto, http://www.euskonews.com/0271zbk/gaia27103es.html
Fotos: Internet, Euskonews