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Abriss oder Umbau der Kasernen?

Mit ihrer Zustimmung zum Haushalt der spanischen Regierung hat die baskische Regierungspartei PNV für die Stadt Donostia ein appetitliches Grundstück erkauft. In direkter Nähe des Zentrums befindet sich die historische Loiola-Kaserne der spanischen Armee. Sie wird nach dem Stimmendeal in den Besitz der Stadt übergehen. Ob die Gebäude abgerissen werden oder nicht, darüber besteht Uneinigkeit. Die Bauindustrie sieht einen dicken Fisch vor sich, die PNV ist bereit, ihn entsprechend zuzubereiten.

Die neoliberale Baskenpartei PNV will auf dem Grundstück der Loiola-Kaserne im Stadtgebiet Donostia 1.700 Wohnungen bauen lassen und einen neuen Stadtteil errichten. Dass dafür die historischen Gebäude abgerissen werden müssen, führt zum Widerstand eines Teils der Bevölkerung, der eine andere Nutzung vorschlägt.

Schon lange war die Stadtverwaltung Donostia (San Sebastian) hinter dem Grundstück der Loiola-Kaserne her. Bei den Verhandlungen um die Zustimmung zum Staatshaushalt der sozialliberalen Minderheits-Regierung Sanchez bot sich dafür eine einmalige Chance. Die baskische Regierungs-Partei PNV bot ihre Zustimmung, im Gegenzug sollte das Verteidigungs-Ministerium die Kaserne abgeben. Im November 2020 war der Deal perfekt. Nach den Plänen der PNV (in Donostia in Koalition mit den Sozialdemokraten) sollen die Kasernen-Gebäude abgerissen und an ihre Stelle 1.700 Wohnungen gebaut werden. Die Opposition hingegen fordert, die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, sie zu erhalten und umzubauen, um sie anschließend für soziale und kulturelle Zwecke zu nutzen.

loiola02Geschichte der Kaserne

Die Loiola-Kaserne (spanisch: Loyola) ist eine militärische Anlage im Zentrum von San Sebastian (Hauptstadt der Provinz Gipuzkoa). Sie liegt im bekannten Donostia-Stadtteil Loyola, am Urumea-Fluss, unterhalb der Hügel Ametzagaña und Zorroaga. Die Kaserne war bislang im Besitz des Verteidigungs-Ministeriums und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut. Bis dahin war das Militär in der Urgull-Festung untergebracht, ein emblematischer Ort der Stadt, heute ein Museum und touristischer Anziehungspunkt unter der Christus-Statue aus dem Jahr 1964 (Franquismus). (1)

Urgull erfüllte nicht mehr die notwendigen Bedingungen, um die Truppen der Stadt unterzubringen. Die Stadtverwaltung erwarb von privat das Grundstück in Loyola, Anfang der 1920er Jahre begannen die Arbeiten zum Bau der militärischen Anlage. Im Februar 1926 wurde der erste Teil der Kaserne eingeweiht, die heute etwa 20 Hektar einnimmt. Seitdem sind dort militärische Einheiten stationiert.

Loiola im Spanienkrieg

Während des Spanienkriegs (meist “spanischer Bürgerkrieg“ genannt) wurde in der Loiola-Kaserne ein eigenes Kapitel geschrieben. Sie wurde zum Ausgangspunkt des Versuchs der Putschisten, die Stadt in den Griff zu bekommen. Dies gelang zuerst, danach formierte sich, angeführt von der anarcho-syndikalistischen CNT, ein energischer Widerstand gegen die Faschisten. Am 21. Juli 1936, drei Tage nach dem Militärputsch, hatten faschistischen Verschwörer die Kaserne angegriffen und es geschafft, einige der wichtigsten Gebäude im Stadtzentrum zu besetzen. Den republik-treuen Ordnungskräften und linken Milizen gelang es jedoch, den Aufstand zurückzuschlagen und die Aufständischen in der Loiola-Kaserne einzukesseln. Der rechte Aufstandsversuch endete am 27. Juli, als sich die letzten Verteidiger der Loiola-Kaserne ergaben. Erst als Ende September weitere aufständische Truppen in die Stadt drangen, fielen die Loiola-Kaserne und Donostia angesichts einer Übermacht in die Hände der Franquisten.

Kulturerbe oder nicht

Wenn es nach der rechten PNV geht, wird der Komplex abgerissen und durch Wohnungen ersetzt – ein riesiges Geschäft, über das sich verschiedene Bauunternehmen freuen würden. Was den Zugriff der Beton-Fraktion verhindern könnte wäre, wenn die Gebäude als schützenswertes Kulturgut definiert werden. Momentan sind sie nicht in der Liste enthalten, die derzeit aktualisiert wird. Ein neu geschaffener “Beirat für Kulturerbe“ soll seine Meinung abgeben, bevor neue Immobilien in den Katalog des Sonderplans für städtisches Gebäude-Kulturerbe (Peppuc) aufgenommen oder ausgeschlossen werden. Am neuen Beratungs-Gremium werden neben den Verantwortlichen der Abteilung Stadtplanung des Stadtrats und Vertreter*innen der Partei-Fraktionen auch Experten wie die Architektur-Kammer, Aranzadi und Ancora teilnehmen. (2)

loiola03Die Verantwortlichen für Stadtplanung erklärten, das neue Peppuc Schutz-Register enthalte 210 neue Elemente, so dass Donostia 1.310 Gebäude mit einer Art von Denkmalschutz haben werde. Fünfzehn davon erhalten einen erhöhten Schutzgrad. Die Kaserne von Loiola ist nach deren Ansicht jedoch "nicht wertvoll genug, um in den Katalog aufgenommen zu werden". Sie brachten zum Ausdruck, dass die Gebäude im späten neoplateresken Stil "im Prinzip kein größeres architektonisches Interesse haben". (2) Der platereske Stil (spanisch: estilo plateresco, abgeleitet von platero = Silberschmied) ist ein Architektur-Stil der spanischen Früh-Renaissance. Der Stil trat Ende des 15. Jahrhunderts erstmals in Erscheinung. Er verzichtet auf Tiefen-Räumlichkeit zugunsten einer feinen Ausarbeitung der Fläche und behält spätgotisch-isabellinische und Mudéjar-Komponenten bei. Seinen Namen erhielt er auf Grund der ihn kennzeichnenden, überreich verzierten Altarretabel (retablos) und Fassaden, die an getriebene filigrane Silberschmiede-Arbeiten erinnern. (3)

Widerstand gegen die Baupläne

Die EHUN-Bewegung in Donostia (San Sebastian) hat die Bevölkerung aufgerufen, am 27. März 2021 auf die Straße zu gehen, um die Loiola-Kaserne symbolisch zu "enteignen" und eine Baskische Republik zu fordern, die das "Regime von 78" überwindet. Unter diesem mittlerweile häufig gebrauchten Begriff wird die spanische Verfassung aus dem Jahr 1978 zu verstehen, die drei Jahre nach dem Tod Francos in die Wege geleitet wurde und die nie mit dem Erbe des Franquismus aufgeräumt hat. In Polizei, Politik, Justiz und Militär blieben dieselben Figuren in Amt und Würden, die auch das franquistische Regime geprägt hatten, daher der Name „Regime von '78“. EHUN-Mitglied Unai Apaolaza erklärte, wie diese Aktion aussehen und ablaufen soll (ehun ist baskisch und bedeutet hundert). (4) Zum Interview:

Was wird am kommenden 27. März an der Loiola-Kaserne gefordert?

EHUN: Wir wollen auf ein Problem hinweisen, das Regime von '78. Am Kauf der Loiola-Kaserne durch die Stadtverwaltung Donostia können wir deutlich sehen, was das '78er Regime ist und welche Faktoren es ausmachen. Auf der einen Seite haben wir die Militärs, die Garanten der "Einheit Spaniens". Und auf der anderen Seite die Vertreter der Zementpolitik. Bauarbeiten sind in der Regel der Weg, um öffentliche Gelder in private Hände umzuleiten, in diesem Fall an Baufirmen, die direkt mit politischen Parteien verbunden sind. Kurz gesagt, das Regime von '78 ist das Hauptmerkmal des spanischen Staates, und wir denken, dass dies nicht geändert werden kann. Deshalb sagen wir, die einzig mögliche Alternative ist eine Baskische Republik.

loiola04Wem nützt diese Loiola-Operation?

EHUN: Erstens begünstigt sie das Militär, weil in weniger als 300 Metern Entfernung eine neue Kaserne mit öffentlichen Geldern gebaut werden wird. Und zweitens begünstigt sie die Baufirmen und die politischen Parteien, die direkte Verbindungen zu ihnen haben. Sie nutzen die Tatsache, dass Spekulation legal und eines der Hauptmerkmale des Regimes von '78 ist, und setzten die Maschinerie in Gang, um die spanischen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Eliten zu begünstigen. All das, ohne die Bürger zu fragen, in diesem Fall die Bevölkerung von Loiola und Donostia.

Was sind die Alternativ-Vorschläge von EHUN für den Militärkomplex?

EHUN: Es ist nicht nötig, den Komplex abzureißen, denn es ist ein Gebäude, das für die Bürger von Loiola und Donostia nützlich sein kann. EHUN ist in Kontakt mit den Bürger*innen, wir wissen, dass dem Stadtteil Loiola verschiedene Infrastrukturen fehlen, wie zum Beispiel ein neues Sportzentrum oder Räumlichkeiten für die Nachbarschafts-Vereine. Die Kasernen-Gebäude bräuchten nur eine minimale Reform, um von der Bevölkerung genutzt werden zu können.

Dagegen sehen die Vertreter der Stadtverwaltung von PNV und PSE in jedem öffentlichen Bauprojekt ein lohnendes Geschäft, angefangen bei der Aufstellung eines Laternenpfahls bis zum Bau von 1.700 Wohnungen. Das Regime von '78 gibt der Zement-Politik regelmäßig den Vorrang. In der Tat ist die Zementmafia im spanischen Staat legal, und um ihr zu entkommen, brauchen wir die Baskische Republik.

Mit Blick auf die Aktion am 27. kündigen Sie überraschende und innovative Formen des Protests an. Worin werden sie bestehen?

Es wird weder eine Demonstration noch eine Kundgebung sein, sondern eine dynamische Mobilisierung. Zuerst werden wir uns um 12 Uhr auf dem Latsari-Platz versammeln und von dort aus eine Performance machen, um die Loiola-Kaserne symbolisch für das Volk zurückzugewinnen. Zusätzlich zum Protest wollen wir, dass die Leute Unterhaltung haben und zu einem Teil des Geschehens werden. Die Aktion findet zu Lande, zu Wasser und in der Luft statt. Neben der “Enteignung“ der Kaserne werden mehrere Ruderboote vom Fluss aus am Protest teilnehmen. Am Ende werden wir einige Raketen in die Luft schießen.

loiola05Die Forderung nach einer Baskischen Republik steht in Verbindung mit dem Kampf der Totalverweigerer, der vor Jahrzehnten stattfand. Welche Merkmale haben beide Kämpfe gemeinsam?

Der Kampf für die Baskische Republik hat viele Ähnlichkeiten mit dem der Kriegsdienst-Totalverweigerer der 1990er Jahre. Denn der spanische Staat wird unser Recht auf Selbstbestimmung oder Souveränität in keiner Hinsicht anerkennen. Der Kampf der Totalverweigerer setzte Souveränität in die Praxis um, ohne um Erlaubnis zu fragen. Damals wie heute läuft die Ausrufung der Baskischen Republik über den Geist der Ungehorsamkeit: Selbstbestimmung in die Praxis umzusetzen.

Welche anderen Kollektive außer EHUN werden an der Mobilisierung teilnehmen?

Wie bei der Veranstaltung in Gasteiz im letzten Jahr hat die Mehrheit der baskischen Gewerkschaften ihre Unterstützung für die Mobilisierung zugesagt. Mitglieder von sozialen Bewegungen werden ebenfalls teilnehmen. In diesem Sinne hat der Aufruf zur Partizipation viel Potenzial, weil wir die täglichen Probleme der Menschen mit der Forderung nach einer baskischen Republik verbinden.

Epilog: Sollte die Loiola-Kaserne nicht in den Plan des geschützten Kulturerbes von Donostia aufgenommen und zugunsten einer urbanistischen Bausünde abgerissen werden, wiederholt sich eine Geschichte aus Bilbao. Hier wurde vor zehn Jahren ein Großteil der Garellano-Kasernen im Stadtteil Basurto abgerissen, wo zuletzt Feuerwehr und Stadtpolizei untergebracht waren. An ihrer Stelle stehen heute (direkt hinter dem ebenfalls neuen Stadion San Mames) vier Hochhäuser und der riesige Block der neuen Fernbus-Station Termibus.

 

ANMERKUNGEN:

(1) “El Cuartel de Loyola: dónde se encuentra y cuál es su historia” (Die Loyola-Kaserne: Standort und Geschichte), Tageszeitung 20Minutos, 2020-11-25 (LINK)

(2) “Un consejo asesor agilizará la selección de edificios protegidos” (Ein Beirat unterstützt die Auswahl der geschützten Gebäude) Tageszeitung Noticias de Gipuzkoa, 2021-03-06 (LINK)

(3) Plateresker Architektur-Stil (WIKIPEDIA)

(4) “En Loiola se visualiza el Régimen del 78: militares y pelotazo urbanístico” (In Loiola hinterlassen das 78er-Regime und die Zement-Industrie ihre Spuren) Tageszeitung Gara, 2021-03-19 (LINK)

(5) Die Bewegung EHUN ist relativ neu, sie arbeitet für die Unabhängigkeit des Baskenlandes in Form einer Republik und ist in allen Teilen des historischen Baskenlandes vertreten. (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Loiola-Kaserne (wikipedia)

(2) Loiola-Kaserne (not.de gipuzkoa)

(3) Loiola-Kaserne (la razon)

(4) Loiola-Kaserne (abc)

(5) Loiola-Kaserne (la razon)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-03-20)

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