gonzalo01Retrospektive Europäische Kulturhauptstadt

Wenn von Chillida die Rede ist, denkt die Welt – nicht nur im Baskenland – an Eduardo Chillida, den bekannten Bildhauer aus Donostia, dessen Skulpturen zwischen Gipuzkoa und Berlin zu finden sind. Sein Bruder Gonzalo Chillida, ebenfalls Maler und Fotograf, erreichte nie den Grad an Bekanntheit und Anerkennung, im Gegenteil, er gilt bis heute als einer der großen unbekannten der baskischen Kunst. Dieser Eindruck soll durch die Ausstellung korrigiert werden, im Rahmen des Kultur-Programms San Sebastian 2016.

Zu Lebenszeiten konnte sich der Maler Gonzalo Chillida nie mit seinem berühmten Bildhauer-Bruder Eduardo Chillida messen. Denn einen bekannten Bruder oder Vater zu haben, erleichtert eine künstlerische Karriere nicht. Im Gegenteil, oft bedeuten solche Konstellationen, sich gegenüber dem Schatten des Berühmteren zu bewähren oder durch eine besondere Leistung glänzen zu müssen. Gonzalo Chillida ist ein Beispiel dafür. Nur der Tatsache, dass San Sebastián (baskisch: Donostia) in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt ist, ist es zu verdanken, dass an den jüngeren Bruder des großen Chillida nun mit einer Ausstellung erinnert wird, innerhalb einer Serie von Ausstellungen, die anlässlich des großen internationalen Kulturfestes verschiedenen Künstlerinnen aus Gipuzkoa gewidmet sind. Gonzalo Chillida war in Donostia bereits einmal ausgestellt worden, im Koldo Mitxelena Museum in einer weniger umfangreichen Retrospektive. Die aktuelle Ausstellung ist im Kursaal Donostia zu sehen, bis zum 3. Juli 2016.

Leben und Werk von Gonzalo Chillida

Gonzalo Chillida Juantegui (1926 bis 2008) war ein Maler und Fotograf aus Donostia. In der baskischen Malerei war er einer der bekanntesten Vertreter der sogenannten „Lyrischen Abstraktion“. Gonzalo Chillida begann 1947 in Madrid seine Laufbahn an der Akademie der Schönen Künste. Zwischen 1951 und 1953 vertiefte er in Paris seine Techniken. In diesen Studienjahren malte er in einem realistischen und naturalistischen Stil, beeinflusst vom Kubismus, ein geometrischer Malstil mit klaren Linien und kräftigen Farben. In den 60er Jahren ging er nach Donostia zurück, sein Stil veränderte sich hin zu stärkerer Abstraktion. 1962 hatte er seine erste individuelle Ausstellung. 1990 widmete ihm das Museum der Schönen Künste in Bilbao eine Retrospektive-Ausstellung, 2001 erhielt er die goldene Medaille der spanischen schönen Künste. Zu sehen sind seine Werke in verschiedenen Museen, unter anderem im Artium-Museum in Gasteiz-Vitoria, im Rathaus San Sebastián, im British Museum in London, dem Zeitgenössischen Andalusischen Kunstzentrum in Sevilla, einer privaten Sammlung in Madrid, einer Sammlung in Barcelona, im Kunst-Institut Valencia, auf Lanzarote, in Bilbao und im San Telmo Museum von San Sebastián.

Der berühmte Bruder

Sein zwei Jahre älterer Bruder Eduardo Chillida (1924 - 2002) war neben Jorge Oteiza und Nestor Basterretxea einer der legendären baskischen Bildhauer und Zeichner. Seine bekanntesten Werke sind große Skulpturen mit raumgreifenden Strukturen, die in einigen europäischen Ländern zu finden sind. In Hernani, nahe Donostia, gestaltete Eduardo Chillida den Kunstpark Chillida-Leku (1), der aktuell für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Seine Werke sind unter anderem zu finden in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Wien, Gijon, San Sebastián, Bilbao, Münster, München und im Saarland.gonzalo02

Gonzalo Chillida

Bis zum 3. Juli 2016 wird in den Räumen von Sala Kubo Kutxa nun eine Retrospektive gezeigt, innerhalb des Programms Europäische Kulturhauptstadt 2016. Sie besteht aus 314 unterschiedlichen Werken des Künstlers, Gemälde und Fotografien. Nachdem das europäische Jahr mit einer Ausstellung über Marta Cárdenas eröffnet wurde ist nun der jüngere der Chillida-Brüder an der Reihe, der auf interantionaler Ebene nicht die Bekanntheit erlangte wie sein Bruder Eduardo. Die Ausstellung besteht aus einer Sammlung von Ölgemälden, Zeichnungen, Drucken und Fotografien, organisiert und zusammengestellt wurde sie von Alicia Chillida, der Tochter des Künstlers und von Mikel Lertxundi unter dem Titel „Poesie der Stille“ (2). Trotz oder wegen des berühmten Bruders ist Gonzalo Chillida nach wie vor einer der großen Unbekannten der baskischen Malerei, die derzeitige Ausstellung ist die bisher umfassendste Hommage für den Künstler aus Gipuzkoa.

Die Ausstellung besteht aus drei Sälen. Im ersten werden Skizzen und Zeichnungen auf Papier präsentiert, die seine wesentlichen Themen beinhalten: Meer, Strand und Sand. Im zweiten Saal werden die Gemälde Gonzalo Chillidas ausgestellt. Die Reihe beginnt mit kastilischen Weinschänken und Landschaften aus seiner Madrider Zeit. Dabei dominiert der geometrische Stil, der langsam übergeht zu großformatigen Gemälden, auf denen Landschaften aus Gipuzkoa dargestellt sind: Donostia, Getaria, Pasaia, Hondarribia. Seine bevorzugten Motive stammten aus der eigenen Stadt Donostia, San Sebastián – Gonzalo Chillida wurde nicht müde, den Strand zu betrachten, den er vor sich hatte, die Bucht und das Meer. In den 60er Jahren habe ihr Vater die Grenzen zwischen Meer und Strand studiert und darzustellen versucht, die Spiegelung des himmlischen Lichts auf dem Wasser, erzählte Chillidas Tochter Alicia bei der Vorstellung der Werke.

Insgesamt vermittelt die Ausstellung einen Eindruck von der Entwicklung des Künstlers bis zum Ende seines Schaffens, seinen letzten Sandmotiven, Reflektionen des Himmels auf der Oberfläche der Wasserschicht, die bei Ebbe am Strand bleibt. Im dritten Saal werden seine Fotografien gezeigt, etwa 200 an der Zahl, die einmal mehr die Themen seiner Werke zeigen: Meer, Sand, Küstenlandschaften und Wälder. Dort befindet sich auch „Marina“, das letzte Werk Chillidas aus dem Jahr 2007, das ein Unwetter darstellt.gonzalo03

Im Rahmen der Ausstellung wurde auch der Dokumentarfilm „La idea del norte“ gezeigt (Die Nord-Idee). Dieser von Benito Macías gedrehte Film zeigt die Lieblingsorte von Gonzalo Chillida und bisher unveröffentlichte Super-8 Sequenzen, die der Künstler drehte. Auch als er aus gesundheitlichen Gründen bereits nicht mehr malen konnte, beschäftigte er sich weiter mit Fotografie. Ein Katalog umfasst alle in der Ausstellung gezeigten Werke. Daneben gibt es ein Begleitprogramm und Workshops für Kinder.

ANMERKUNGEN:

(1) Skulpturen-Park Chillidaleku bei Hernani in Gipuzkoa (Link)

(2) “La poetica del silencio de Gonzalo Chillida llega a la sala Kubo del Kursaal”, Tageszeitung Gara, 25.4.2016 (Die Poesie der Stille von Gonzalo Chillida kommt in den Kubo-Saal des Kursaals)

FOTOS:

(1) Werk von Gonzalo Chillida (euskomedia.org)

(2) Gonzalo Chillida bei der Arbeit (euskomedia.org)

(3) Ausstellung Gonzalo Chillida in Donostia 2013 (elpais.com)

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