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Chillidas Erbe aus der Schweiz verwaltet

Der baskische Bildhauer Eduardo Chillida selbst war es, der noch zu Lebzeiten neben seiner Bauernhof-Werkstatt Zabalaga einen Teil seiner bildhauerischen Werke ausgestellt hatte. Zwei Jahre nach der Eröffnung (2000) starb der Meister. Denn der „Chillida-Leku“ genannte Park (Chillidas Ort) war von der Familie finanziell nur zehn Jahre zu halten, dann wurde er geschlossen. Versuche der Neufinanzierung und Neueröffnung (unter anderem durch die Provinz- und Regionalregierung) waren bislang gescheitert.

Sieben Jahre nach der Schließung des Kunstparks Chillida-Leku in Hernani (Gipuzkoa) hat eine schweizer Stiftung die Neueröffnung des Parks angekündigt, in der wesentliche Werke des baskischen Künstlers Eduardo Chillida ausgestellt sind.

Die renommierte schweizer Galerie Hauser & Wirth gab am 30. November per Pressemeldung bekannt, dass sie den seit sieben Jahren geschlossenen Kunstpark Chillida-Leku im gipuzkoanischen Hernani im Jahr 2018 wieder öffnen und dem allgemeinen Publikum zugänglich machen will. Zuvor hatten sich die Verantwortlichen der Galerie die Rechte gesichert, das Werk des aus Donostia stammenden Künstlers in Absprache mit der Chillida-Familie weltweit zu vertreten.

Geschlossen seit 2010

Weil die Familie von Eduardo Chillida den Unterhalt des Parks nicht mehr finanzieren konnte, wurde er 2010, zehn Jahre nach seiner Eröffnung, wieder geschlossen und konnte seither nur bei vorheriger Besuchsvereinbarung besichtigt werden. Für Fachwissenschaftler*innen stand er weiterhin offen, fortgesetzt wurde auch die konservatorische Betreuung der Sammlung sowie der Leihverkehr von Werken für auswärtige Ausstellungen. Der Kunstpark außerhalb der Stadt Hernani besteht aus einem großen Grünbereich von 12 Hektar, auf dem zwei Gebäude stehen. Im alten Bauerhaus Zabalaga, das Chillida bereits vor langer Zeit gekauft hatte, lebte Chillida zuletzt. Dort hatte er auch eine Werkstatt. Im Park ist der Teil des Werkes von Chillida ausgestellt, der nicht an Institutionen oder Privatpersonen verkauft wurde.

chillida02Es ist gerade ein Jahr her, dass der letzte Versuch scheiterte, mit finanzieller Hilfe der Provinzregierung Gipuzkoa und der Regionalregierung des Baskenlandes das Kunstobjekt neu zu eröffnen. Das scheiterte daran, dass die beiden Institutionen zusammen nicht die dafür nötigen 100 Millionen Euro bereitstellen konnten oder wollten. Diesen finanziellen Aufwand leistet nun die schweizer Galerie Hauser & Wirth, in deren Hintergrund eine millionenschwere Elektrowaren-Kette steht.

Die neuen Verwalter

Hauser & Wirth ist eine 1992 gegründete Galerie für zeitgenössische Kunst in Zürich, mit weiteren Ausstellungs- und Verkaufsräumen in London und New York, sowie einer Sammlung in Henau im Kanton St. Gallen (1). Hauser & Wirth kündigte an, für Chillida-Leku ein „neues und nachhaltiges Modell zu erarbeiten, gemäß der Philosophie des Künstlers und basierend auf einem Programm, das die Figur Chillida gemeinsmam mit anderen Persönlichkeiten der Kunstgeschichte darstellt und für künftige Generationen zugänglich macht“ (2).

Das ist zwar vielversprechend, aber wenig konkret. Jedenfalls bedeutet es, das die Exklusivität des Kunstparks ein Ende hat und in Zukunft auch Werke anderer Künstler*innen zu sehen sein werden. 2017 feierte die Galerie ihr 25-jähriges Bestehen, von Beginn an gehörte ein Chillida-Werk zum Ausstellungsbestand. Für 2018 sind verschiedene Ausstellungen vorgesehen – unter anderem in der eigenen Galerie in New York – bei der Chillida-Werke gezeigt werden, gleichzeitig soll ein Chillida-Archiv bereitgestellt werden.

Eduardo Chillida

Der 1924 in Donostia / San Sebastián geborene Chillida gilt neben Jorge Oteiza und Nestor Basterretxea als der bedeutendste baskische Künstler und Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Chillidas bekannteste Werke sind große Skulpturen mit raumgreifenden Strukturen. Besonders gut vertreten ist der Künstler in Deutschland, seine Werke stehen in Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Bonn und nicht zuletzt vor dem Kanzleramt in Berlin.

Chillida zog 1943 nach Madrid und studierte bis 1946 Architektur an der Universidad de Madrid. 1947 ließ er sein Architektur-Studium hinter sich, um an der privaten Kunstakademie Círculo de Bellas Artes in Madrid Zeichnung zu studieren. 1948 zog er nach Paris und richtete sich dort ein Atelier ein. Hier formte Chillida erste figürliche Plastiken aus Gips und Ton. 1949 sowie im darauffolgenden Jahr beteiligte er sich am Salon de Mai. (3)

chillida03In San Sebastián heiratete Chillida 1950 Pilar de Belzunce und kehrte 1951 nach San Sebastián zurück. Er bezog noch im selben Jahr eine Villa im benachbarten Hernani, in der er sich ein Atelier mit eigener Schmiede einrichtete. Die hier geschaffenen Entwürfe und ersten Arbeiten in Schmiedetechnik schufen die Grundlage für seine späteren großen Werke in Eisenplastik. Von 1959 bis 1977 nahm er an den Documenta-Ausstellungen 2, 3, 4 und 6 in Kassel teil. In den 1980er und 1990er Jahren gab es bedeutende Retrospektiven seines Lebenswerks in New York, Bonn, Münster, Berlin, Frankfurt am Main und San Sebastián. (3)

Galerie Hauser & Wirth

Die Galerie beschäftigt sich auch mit der Herausgabe von Kunstbüchern und hat Ausstellungsräume in London und Bruton (England), Los Angeles und Zürich. „Iwan Wirth gründete bereits in jungen Jahren eine Galerie in St. Gallen; dabei knüpfte er Kontakte zu der Sammlerin Ursula Hauser, einer Teilhaberin der von ihrem Bruder Walter Fust geleiteten Schweizer Elektrowarenkette Fust. Gemeinsam mit Ursula Hausers Tochter Manuela, Iwan Wirths späterer Ehefrau, gründeten sie 1992 in Zürich eine Galerie mit bereits etablierten Künstlern wie Gerhard Richter und Marcel Broodthaers und beteiligten sich vorwiegend als Förderer an verschiedenen zeitgenössischen Kunstprojekten. 1998 beteiligten sich Hauser & Wirth als Teilhaber an der Zürcher Galerie Walcheturm, die bald parallel zu Hauser & Wirth als Hauser & Wirth & Presenhuber firmierte.“ (1) (4)

Iwan Wirths Wege führten auch nach Deutschland, ausgerechnet zum Unternehmer Friedrich Christian Flick – im Rahmen der Ermittlungen zur Steueraffäre Swiss-Leaks wurde 2014 entdeckt, dass Flick über Briefkastenfirmen etwa 60 Millionen Euro in der Schweizer Tochterbank von HSBC versteckt hatte. Die Zusammenarbeit mit dem korrupten Unternehmer und ausgemachten Kunstmäzen war für Iwan Wirth von großer Bedeutung. Wirth schrieb für dessen als Flick Collection bekannte Sammlung das Konzept und agierte als Berater. Mit zunehmendem Erfolg eröffneten Hauser & Wirth in Henau (CH) eine eigene Sammlung, zogen 2003 nach London und eröffneten dort eine Dependance.

chillida04Neben Schweizer Künstlern wie Roman Signer, Christoph Büchel und Pipilotti Rist vertreten Hauser & Wirth auch internationale Künstler wie Louise Bourgeois, Maria Lassnig und Paul McCarthy, Hans Arp, Fausto Melotti, Henry Moore und David Smith und verwalten die Nachlässe von Eva Hesse, Jason Rhoades, Lee Lozano, André Thomkins und Philip Guston. Im Jahr 2015 wurde Wirth von der Zeitschrift ArtReview an die Spitze einer Liste von 100 einflussreichen Persönlichkeiten in der Welt der Kunst gesetzt. Zusammen mit seiner Frau Manuela reichte es 2016 immer noch zum dritten Platz. (2)

Reaktionen im Baskenland

Chillidas Sohn Luis, Vorsitzender der Stiftung, verteidigte die Entscheidung, die Verwaltung des Erbes seines Vaters in private Hände zu geben: „Es war klar, dass wir uns für eine Galerie entscheiden mussten, um das Erbe meines Vaters zu bewahren. Bei der professionellen Erfahrung von Hauser & Wirth lag die Entscheidung auf der Hand.“ Chillida Junior hob „die Sensibilität“ der schweizer Galerie „gegenüber Werk und Familie“ hervor. (5)

Wirth selbst zeigte sich sehr zufrieden, mit der Wiedereröffnung von Chillida-Leku beauftragt worden zu sein, sowie mit der Bewahrung von Chillidas Erbe. Für sein Kunst-Imperium bedeutet es eine wichtige Expansion, thematisch wie regional, denn das Baskenland ist in Mode, egal, ob es um Sport, Musik oder Urbanismus geht. „Wir arbeiten an seiner Bekanntmachung in den USA, in Europa und Asien.“ – „Wir hoffen, dass die Neueröffnung das bereits reichhaltige kulturelle Angebot im Baskenland zusätzlich verbessert.“

Solche Worte hört man in der baskischen Regierung sicher gerne, denn mit Chillida-Lekue steht somit ein weiterer touristischer Attraktionspunkt zur Verfügung. Gerne hätten die Kultur-Verantwortlichen die Sache selbst in die Hand genommen. Doch eine derartig umfangreiche Investition von 100 Millionen wäre der Öffentlichkeit gegenüber sicher schwer erklärbar gewesen. Umso größer die Erleichterung über die Hilfe von außen.

chillida05Für den Kultursenator Bingen Zupiria bedeutet es „eine große Nachricht für die baskische Kultur, dass mit einer der bedeutendsten Galerien der Welt ein privates Abkommen geschlossen werden konnte“. (5) Er sicherte den neuen Verwaltern jegliche notwendige Unterstützung von Seiten seiner Regierung zu.

Mitte des Jahres 2018 soll die Wiedereröffnung über die Bühne gehen. Chillida-Leku solle gemeinsam mit dem Guggenheim und dem Bellas Artes in Bilbao sowie dem Artium-Museum in Gasteiz „eine wichtige Plattform für die Promotion baskischer Kunst in der ganzen Welt werden“. Dabei vergaß der Politiker, dass gerade das Guggenheim dafür kritisiert wird, dass viel zu wenig baskische Künstler*innen ausgestellt werden und die Entscheidungen über die Ausstellungen in der New Yorker Stiftung gefällt werden. Auch für den Bürgermeister von Donostia war es „eine sehr gute Nachricht“. Für den Kultursenator der Provinz Gipuzkoa Itsaso ist „Chillida-Leku ein kulturelles und touristisches Erbe erster Klasse, das nie hätte geschlossen werden dürfen“ (5).

ANMERKUNGEN:

(1) Wikipedia: Hauser & Wirth (Link)

(2) Tageszeitung Deia 30.11.2017: „Una prestigiosa galería suiza anuncia que reabrirá Chillida-Leku en 2018” (Eine renommierte schweizer Galerie kündigt die Wiedereröffnung von Chillida-Leku an) (Link)

(3) Wikipedia: Eduardo Chillida (Link)

(4) Die Fust AG ist eine Schweizer Fachgeschäftskette für Elektrohaushaltsgeräte, Unterhaltungs-Elektronik, Computer, Gastronomie-Geräte und Betriebsverpflegung. Dazu kommen die Bereiche Neubau, Umbau und Renovationen von Eigenheimen. Fust verfügt schweizweit über 160 Filialen und erwirtschaftete 2012 mit rund 2.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 909 Millionen Schweizer Franken. Seit November 2007 ist Fust eine eigenständig am Markt auftretende Tochtergesellschaft der Coop-Gruppe. (Link)

(5) Tageszeitung Deia 2.12.2017: „El Gobierno vasco apoya la reapertura de Chillida-Leku” (Die baskische Regierung unterstützt die Wiedereröffnung von Chillida-Leku) (Link)

ABBILDUNGEN:

(1) Chillida-Leku (ahora semanal)

(2) Chillida-Leku (abc)

(3) Chillida-Leku (deia)

(4) Chillida-Leku (sansebastianturismo)

(5) Chillida-Leku (sehacecaminoalandar)

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