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Antifranquistin, Internationalistin

Genoveva Forest Tarrat, im Baskenland besser bekannt unter dem Namen Eva Forest, war Ärztin, Schriftstellerin, Verlegerin und international bekannte Widerstands-Kämpferin gegen die Franco-Diktatur. Geboren wurde sie am 6. April 1928 in Barcelona, sie starb am 19. Mai 2007 in ihrer baskischen Wahlheimat Hondarribia. Als Oppositionelle gegen das franquistische Regime wurde Eva Forest wiederholt verhaftet und gefoltert. Einige ihrer Erzählungen und Essays wurden auch in die deutsche Sprache übersetzt.

Die Ärztin, Schriftstellerin, vor allem aber Internationalistin Eva Forest begann ihren Kampf für eine solidarische Gesellschaft im Franquismus. Einem reduzierten deutschen Publikum wurde sie bekannt durch Schilderungen von franquistischer Repression und Folter. Vor genau 13 Jahren ging ihr Leben zu Ende.

Kindheit in unruhigen Zeiten

Eva Forest wurde 1928 in Barcelona in einem anarchistischen Umfeld geboren. Ihr Vater war der Maler Juan Forest, von ihrer Mutter, einer Arbeiterin, ist der Name nicht überliefert. Sie war gerade acht Jahre alt, als sich faschistische Generäle um Mola und Franco zum Militäraufstand gegen die demokratische Republik erhoben. Wegen der ideologischen Einstellung der Familie ging sie erst nach Ende des Spanienkriegs in die Schule, die als unterdrückerische Institution verstanden wurde. Ihr Vater war bereits kurz vor Kriegsbeginn im Mai 1936 gestorben. Während des Krieges war Eva in einem aus der Schweiz finanzierten Kindergarten. Im Verlauf des Krieges wäre sie beinahe – wie Tausende von Kindern aus Katalonien und dem Baskenland – notevakuiert worden, in ihrem Fall in die Sowjetunion. (1)

Nach dem Krieg machte Eva Forest ihr Abitur am Instituto Maragall von Barcelona. Mit 20 Jahren (1948) ging sie nach Madrid, um Medizin zu studieren. Während dieses Studiums arbeitete sie im Provinz-Krankenhaus in der Abteilung Psychologie mit dem Doktor López Ibor zusammen. Gleichzeitig nahm sie an Gesprächsrunden teil, bei denen sie den Schriftsteller Luis Martín Santos (2) und den Neurologen und Psychiater Carlos Castilla del Pino (3) kennenlernte. Mit diesen Kontakten wuchs ihr politisches Bewusstsein.

eva02Alfonso Sastre

Am Ende ihrer Studien lernte sie 1955 den Dramaturgen und späteren Theater-National-Preisträger Alfonso Sastre (4) kennen, den sie im Dezember desselben Jahres heiratete und mit dem zusammen sie später drei Kinder hatte. Im folgenden Jahr wurde Sastre festgenommen, wegen der Teilnahme an den studentischen Protesten des Jahres 1956. Nach seiner Freilassung ging das Paar nach Paris ins Exil, dort wurde der erste Sohn Juan geboren. Im Pariser Exil begann Eva Forest, sich für Soziologie zu interessieren, sie schrieb den Roman “Februar“, ein Werk mit den studentischen Protesten als Hintergrund. 1958 wurde ihr zweiter Sohn Pablo geboren, im selben Jahr ging sie nach Madrid zurück, um ein Praktikum zu machen, das notwendig war, um einen soziologischen Bericht über eine Nachbarschafts-Initiative zu verfassen (Unidad Vecinal de Absorción, UVA). 1960 war Eva Forest Mitgründerin der Gruppe Realistisches Theater (Grupo de Teatro Realista, GTR), dessen Gründungs-Manifest Alfonso Sastre und José María Quinto geschrieben hatten.

Politische Aktivitäten

1962 wurde Eva Forest zum ersten Mal festgenommen, weil sie eine Frauen-Demonstration zur Unterstützung des Bergarbeiter-Streiks in Asturien organisiert hatte. Mit ihrer neugeborenen Tochter Eva verbrachte sie deshalb einen Monat im Gefängnis, weil sie sich weigerte das entsprechende Bußgeld zu bezahlen. 1966 reiste sie nach Kuba und schrieb nach einem viermonatigen Aufenthalt in der Sierra Maestra das Werk “Die neuen Kubaner“. Dieses Buch über das Leben auf dem Land nach der Revolution war im spanischen Staat durch die Zensur verboten. Ihre Verbundenheit mit den Befreiungs-Bewegungen führte ein Jahr später in Madrid zur Gründung des Solidaritäts-Komitees Vietnam.

eva03Ende der 1960er Jahre trat Eva Forest der Kommunistischen Partei Spaniens bei, war an der Herstellung von zwei Untergrund-Bulletins beteiligt (Information und Ausnahmezustand). Gleichzeitig war sie in der entstehenden feministischen Frauenbewegung aktiv. Ihre Verbindung mit der baskischen Unabhängigkeits-Bewegung geht auf das Jahr 1970 zurück. Die spanische Repression führte im sogenannten Burgos-Prozess ein Verfahren gegen eine Gruppe von ETA-Mitgliedern, denen die Todesstrafe drohte und der europaweit für großes Aufsehen sorgte (5). Während des Prozesses gründete Eva Forest in Madrid das “Solidaritäts-Komitee Euskadi“. Anfang der 1970er Jahre verließen Alfonso Sastre und Eva Forest die Kommunistische Partei, weil sie mit deren “reformistischem“ Kurs nicht einverstanden waren.

Vorwurf der Unterstützung von ETA

Die Vorwürfe gegen Eva Forest, sie würde mit ETA zusammenarbeiten, stammen aus den 1970er Jahren. Es heißt, sie habe Unterstützungs-Tätigkeiten ausgeführt, wie die Suche nach Unterkünften oder die Überbringung von Botschaften zwischen ETA-Kommandos und der Führung der Organisation. Der Journalist Manuel Cerdán zitiert aus Polizeiarchiven jener Zeit, Eva Forest habe mit dem ETA-Kommando zusammengearbeitet, das den damaligen franquistischen Regierungschef und designierten Franco Nachfolger, den Admiral Luis Carrero Blanco, am 20. Dezember 1973 in Madrid in die Luft sprengte (6). Sie habe die Attentäter in ihrer Wohnung aufgenommen und weitere Wohnungen als Unterschlupf organisiert. Außerdem habe sie Kommunikations-Funktionen zur ETA-Führung im französischen Baskenland ausgeführt, um nach dem Attentat die Flucht des Kommandos zu ermöglichen.

Operation Menschenfresser

1974 schrieb Eva Forest unter dem Pseudonym Julen Agirre das Buch “Operation Menschenfresser“ (Operación Ogro), das folgenden Untertitel trägt: “Wie und warum wir Carrero Blanco exekutiert haben“. Es ist eine historische Tatsache, dass dieses Attentat die spanisch-franquistische Geschichte nachhaltig beeinflusst hat und dem neuen König einen größeren Protagonismus einräumte. Die Franquisten hatten bis dahin nicht die geringste Motivation, von ihrem diktatorischen Regime abzurücken. Bei “Operation Menschenfresser“ handelt es sich um ausführliche Interviews mit den ETA-Aktivisten, die das Tyrannen-Attentat durchgeführt hatten und nie gefasst wurden. Der Verlag Ruedo Iberico publizierte das Buch in Frankreich.

eva04Am 17. September 1974 wurde Eva Forest festgenommen wegen der angeblichen Beteiligung am Attentat auf das von Polizisten und Sicherheitskräften frequentierte Café Rolando in der Madrider Poststraße (Calle Correo) am 13. September 1974, bei dem 13 Personen umkamen und 71 verletzt wurden. In den Madrider Polizeiverließen wurde sie gefoltert. Auch Alfonso Sastre wurde verhaftet, jedoch wieder freigelassen. Zwischen Juni 1975 und Februar 1976 wurden nach und nach alle des Attentats beschuldigten Personen freigelassen, mit Ausnahme von Eva Forest. Sie wurde im Yeserías-Gefängnis weiter festgehalten wegen des Vorwurfs, am Attentat gegen Admiral Carrero Blanco beteiligt gewesen zu sein.

Die Schriftstellerin

International bekannt wurde sie mit dem Band “Tagebuch und Briefe aus einem spanischen Gefängnis“, der 1975 auf Deutsch erschien. Aufgrund der dadurch entstandenen internationalen Solidarität und der Kampagnen für ihre Freilassung entging sie in jenem Jahr zumindest der Todesstrafe in einem Prozess, in dem ihr die Beteiligung am Rolando-Attentat vorgeworfen worden war. Juan Mari Bandrés, der während ihrer Haftzeit mit ihrer anwaltlichen Vertretung beauftragt war, behauptete, Forest sei tatsächlich in das Attentat verwickelt gewesen, ihre Zuarbeit könne jedoch niemals als “direkt und bewusst“ bezeichnet werden. Das Gegenteil behauptet Lidia Falcón, die ebenfalls wegen des Attentats festgenommen worden war. Sie sei von Eva Forest in diese Sache hineingezogen worden. Forest habe im Gefängnis zu ihr gesagt, sie sei stolz auf den Erfolg der Aktion.

eva05Eva Forest selbst äußerte sich nie zum Vorwurf ihrer Beteiligung am Attentat. Während ihrer Haftzeit schrieb sie neben dem erwähnten “Tagebuch und Briefe aus dem Gefängnis“ (Diario y cartas desde la cárcel) auch den Band “Zeugnisse von Kampf und Widerstand“ (Testimonios de lucha y de resistencia). Im zuerst genannten Buch, das 1975 in Paris veröffentlicht wurde, beschreibt sie die Folterungen und Misshandlungen, die sie in den Kerkern der Polizei erlitten hatte, auch ihren Gemütszustand und die Angst um ihren Ehemann Alfonso Sastre.

Eva Forest saß fast drei Jahre in Untersuchungshaft. Wegen der Amnestie von 1977 zugunsten vieler politischer Gefangener kam es nie zum Prozess gegen sie wegen der mutmaßlichen Beteiligung am Attentat gegen Carrero Blanco. Dennoch schrieb die Presse jener Zeit über die Vorwürfe gegen Eva Forest. Sie soll die Infrastruktur von ETA in Madrid organisiert haben, Informationen zum Attentat beschafft und eine heimliche Wohnung organisiert haben

Im Baskenland

Nach ihrer Freilassung zog die Familie Forest-Sastre nach Hondarribia im Baskenland (Gipuzkoa), direkt an der Grenze zum französischen Staat. Eva Forest unterstützte aktiv die links-abertzale Wahlplattform Herri Batasuna (7). In den folgenden Jahren denunzierte sie immer wieder die fortgesetzte systematische Folter im spanischen Polizei- und Gefängnissystem, auch nach dem Franquismus. Dazu publizierte sie eine Studie mit dem Titel “Folter und Demokratie“ (Tortura y democracia), die sie bereits im Gefängnis begonnen hatte. 1979 war sie Mitgründerin der Gruppe gegen Folter TAT (Torturaren Aurkako Taldea) und schrieb in der Monatzeitschrift “Punto y Hora“ (Punkt und Stunde) regelmäßig über Folter. Daneben publizierte sie die fiktive Erzählung “Onintze im Land der Demokratie“ (Onintze en el país de la democracia). Darin geht es um eine baskische Lehrerin, die versehentlich von der Guardia Civil festgenommen und gefoltert wird. Bei den Wahlen zum spanischen Parlament 1989 wurde sie als Vertreterin von Herri Batasuna in den Senat gewählt, als Ersatz für José Luis Álvarez Enparantza “Txillardegi“ (8).

eva06Der Hiru-Verlag

1991 gründete Eva Forest zusammen mit Alfonso Sastre den Verlag Hiru (baskisch: drei). Ziel war, billige Editionen auf den Markt zu bringen von Büchern, die sie “Notfall-Literatur“ nannte. Gemeint waren politische Texte, deren Publikation in anderen Verlagen wegen ihres Inhalts nicht einfach waren. In der Folgezeit widmete sie der Verlagstätigkeit viel Zeit und Energie. Bei Hiru wurden unter anderem Werke von Peter Weiss, Dario Fo, Heiner Müller und Noam Chomsky publiziert, die unter Franco in Spanien nicht hatten verlegt werden dürfen. Weil sie seit jeher von Romanen angetan war, wurde bei Hiru auch diese Literatur-Gattung berücksichtigt. Bis zu ihrem Tod nahm Eva Forest regelmäßig an Informations-Veranstaltungen teil und schrieb – zusammen mit Alfonso Sastre – regelmäßig für die linken Tageszeitungen Egin und Gara (9). Eva Forest starb am 19. Mai 2007 im Alter von 79 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors.

“Kurz vor ihrem Tod“, so erzählt Hochschullehrer und Freund Carlo Frabetti, “sagte Eva wörtlich zu mir, sie befinde sich im besten Moment ihres Lebens. Dass eine Person von fast achtzig Jahren, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte etwas derartiges sagen konnte, ist die beste und ermutigendste Bilanz, die jemand über ein ganzes Leben von Kampf ziehen kann. Das stärkste Argument, dass die Mühe sich gelohnt hat. Klar, sagte ich zu ihr, klar bist du im besten Moment deines Lebens, dieser Moment ist die Summe aller vorherigen Momente.“

eva08Werke

Essays: Operación Ogro: Cómo y por qué ejecutamos a Carrero Blanco, Hendaya (Francia), Ruedo Ibérico, 1974 (bajo el pseudónimo de Julen Agirre). / Diario y cartas desde la cárcel, París, 1975. / Testimonios de lucha y resistencia, París, 1976. / Tortura y sociedad, (coautora) Madrid, Ed. Revolución, 1982. / Onintze en el país de la democracia, Madrid, Ediciones Libertarias, 1985. / Tortura y Democracia, GGAA, 1987. / Dispersión, Hondarribia (Gipuzkoa), Edition Hiru, 1993 / Proceso al jurado, Hondarribia, Edition Hiru, 1997. / Los nuevos cubanos, 1997, IPES 2008 / Manual de solidarios, Hondarribia, Hiru, 1999. / Irak, ¿un desafío al nuevo orden mundial?, Hondarribia, Hiru, 1999. / El uranio empobrecido, (Mitautorin), Hondarribia, Hiru, 2001. / El retorno de los intelectuales (Mitautorin), Hondarribia, Hiru, 2004. Erzählungen: Febrero. Unveröffentlicht, 1956. Huelga General. Unveröffentlicht, 1958. Cuentos. Unveröffentlicht. El jardín. Unveröffentlicht. La casa. Unveröffentlicht. Una extraña aventura, Hondarribia, Edition Hiru, 2003.

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus Eva Forest, Wikipedia, spanische Version

(2) Luis Martín-Santos Ribera (1924-1964), spanischer Schriftsteller und Psychiater. Sein Roman “Zeit der Stille“ (Tiempo de silencio, 1961) leitete in den 1960er Jahren eine Erneuerung der spanischen Literatur ein.

(3) Carlos Castilla del Pino: Neurologe, Psychiater und Schriftsteller (1922-2009).

(4) Alfonso Sastre Salvador (* 20. Februar 1926 in Madrid) ist ein spanischer Dramenautor, Regisseur, Schauspieler, Übersetzer, Hörspiel- und Drehbuchautor.

(5) Burgos-Prozess: Am 3. Dezember 1970 begann in der spanischen Stadt Burgos vor einem Kriegsgericht der sogenannte “Burgos-Prozess“ gegen 16 Aktivistinnen der baskischen Untergrund-Organisation ETA. Ihnen wurde der Mord an drei Personen zur Last gelegt. Mobilisierungen auf den Straßen und internationaler Druck führten dazu, dass die sechs verhängten Todesurteile nicht vollstreckt und in Haftstrafen umgewandelt wurden.

(6) Das Attentat gegen Carrero Blanco 1973 (LINK)

(7) Herri Batasuna (baskisch: Volks-Einheit) war eine 1978 aus verschiedenen linken Gruppen gegründete baskische Wahl-Plattform. Sie wurde als politischer Arm der Untergrund-Organisation ETA verstanden. Ihr Ziel war ein unabhängiges, vereinigtes und sozialistisches Baskenland. Herri Batasuna wurde 2001 durch Batasuna ersetzt und 2003 von der spanischen Justiz für illegal erklärt.

(8) José Luis Álvarez Enparantza (1929-2012), besser bekannt unter dem Pseudonym Txillardegi war Linguist, Politiker und Schriftsteller, sowie einer der Gründer der Untergrund-Organisation ETA im Jahr 1959. Er gilt als einer der einflussreichsten Denker für die Entwicklung des baskischen Nationalismus und die baskische Kultur im 20. Jahrhundert.

(9) Egin (baskisch: machen) und Gara (baskisch: wir sind): zwei baskische Tageszeitungen, die in baskischer und spanischer Sprache schrieben bzw. schreiben. Egin wurde auf Veranlassung der spanischen Justiz 1998 geschlossen, Gara ist das bis heute existierende Nachfolgeprojekt.

ABBILDUNGEN:

(1) Eva Forest

(2) Eva mit Alfonso Sastre

(3) Buchtitel Eva Forest

(4) Auf Kuba mit Fidel

(5) Op. Menschenfresser

(6) Eva Forest

(7) Op. Ogro

(8) Buchtitel Febrero

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-05-19)

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