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Produktion im Wert von 800 Millionen Euro

Baskische Unternehmen verkaufen Militärmaterial im Wert von 800 Millionen Euro, daraus wird ein Gewinn von 150 Millionen Euro erwirtschaftet. Diese Zahlen wurden von Organisationen in Bilbao bekanntgegeben, die sich mit den Themen Ökologie, Antimilitarismus und Internationalismus beschäftigen. Im April 2017 veranstalteten sie eine Protestfahrt, die von Bilbao über Barakaldo nach Getxo führte. Dabei wurde auf den fragwürdigen Wirtschaftszweig aufmerksam gemacht, der Waffen in Kriegsgebiete bringt.

Von baskischen Firmen produziertes Waffenmaterial geht zum großen Teil an die Verteidigungs-Ministerien und Armeen von Mexiko, Brasilien, Marokko, an Israel, Jemen und Syrien, sowie an Saudi Arabien, die USA und an den spanischen Staat.

Diese Information wurde im April 2017 von den nichtstaatlichen Organisationen Eguzki und Ekologistak Martxan (Bereich Ökologie), Kakitzat, KEM-MOC (Bereich Antimilitarismus), Komite Internationalistak und Askapena (Bereich Internationalismus) vorgelegt. Gemeinsam hatten diese Organisationen zur 10. Ausgabe der Fahrrad-Protestfahrt gegen Militärausgaben aufgerufen, bei der es auch um den Widerspruch gegen die Produktion von Waffen und anderen Militärgütern geht. Die Protesttour führte durch verschiedene Städte von Bizkaia, dabei wurde gefordert, militärische Produktion auf zivile Produkte umzustellen. Kritisiert wurde zugleich die starke Verbindung, die baskische Institutionen mit den Unternehmen pflegen, die in der Militärproduktion tätig sind. (1)
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Gemäß den Informationen der Initiativgruppen sind allein im Baskenland etwa einhundert Unternehmen mit dieser Art von Forschung, Entwicklung oder Produktion beschäftigt. Damit nimmt die Autonome Region Baskenand (CAV) unter den spanischen Regionen den dritten Platz ein was den Umsatz anbelangt. Davor liegen nur die Regionen Madrid und Andalusien.

Die publizierten Daten basieren auf Informationen aus dem spanischen Verteidigungs-Ministerium. Zwei baskische Unternehmen sind demzufolge unter den zehn umsatzstärksten Militärproduzenten des Staates zu finden. Dabei handelt es sich um die Firmen ITP und Aernnova, auf den Rängen sechs und sieben. Zudem ist das Unternehmen SAPA auf Staatsebene der sechstwichtigste Produzent im Sektor Waffen. Die Firma Sener ist die zweitgrößte im Bereich der Produktion von Raketen, im Bereich Luftwaffen liegt sie auf Rang sechs.

7,6 Milliarden Militärhaushalt

Ein Blick auf den spanischen Staat macht deutlich, welch immense Ausgaben für Militärzwecke getätigt werden. Der Haushalt des Verteidigungs-Ministeriums im Jahr 2017 wurde im Vergleich zu 2016 um 30% erhöht, von 5,7 Milliarden auf 7,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden weitere 5,3 Milliarden ausgegeben für Schulung und militärische Organismen. Für das Innen-Ministerium sind 2,8 Milliarden vorgesehen, für das Industrie-Ministerium 700 Millionen. Dem hinzuzufügen sind 1,8 Milliarden Euro zur Schuldentilgung für vergangene Rüstungsprogramme. Die Schulden für Waffeneinkäufe in der Vergangenheit belaufen sich trotz fortgesetzter Tilgung noch auf 21 Milliarden Euro.

Interessant ist ein Blick auf die Liste der weltweiten Waffenexporteure. Auf der spanisch-sprachigen Seite von Wikipedia steht der spanische Staat in den Jahren 2003, 2005, 2006, 2007, 2009, 2010 und 2011 an der Spitze der exportierenden Länder, vor großen Produktions-Konkurrenten wie USA, Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und China. Die Zahlen stammen vom „Stockholm International Peace Research Institute“, die Zahlen beruhen somit auf gründlicher Recherche. (2)

waffen03Zu den Anschaffungen, die sich der spanische Staat für das laufende Jahr 2017 leistet, gehören 1.500 Panzer von den Typen Leopard und Pizarro, Eurofighter-Jagdflugzeuge, Unterseeboote, Raketen und Helikopter von den Typen Tiger und NH-90. Auch für das nächste Jahrzehnt sind Erhöhungen des Militärhaushalts vorgesehen, die Rede ist von 2% des Brutto-Inlands-Produkts (BIP). Das ist einer Broschüre der Organisationen entnehmen, die sich der Protestfahrt angeschlossen hatten.

An der Protestfahrt nahmen mehrere Hundert Personen teil. Sie begann am Mittag am Sitz der Provinzregierung von Bizkaia in Bilbao. Danach ging es weiter zum Unternehmen Precicast-PCB von der Gruppe ITP mit Sitz in Barakaldo. Diese Firma, so die Angaben, arbeitete an der Fabrikation von Komponenten für das europäische Jagdflugzeug Eurofighter sowie für das militärische Transportflugzeug A400M. Diese Maschine ist in der Lage, im Auftrag der NATO Truppen und Militärmaterial innerhalb von Stunden in alle Teile der Welt zu schaffen. Dafür wurde der durch die nazistische Legion Condor bekannt gewordene Fliegerhorst Wunstorf (Niedersachsen) aufgerüstet. Derzeit gibt es zwischen dem Baskenland und Wunstorf eine Polemik, weil die dortige Bundeswehrleitung den Plan verfolgt, auf dem NATO-tauglichen Fliegergelände einen Gedenkstein aufzustellen für die baskische Stadt Gernika, die am 26. April 1937 (vor ziemlich genau 80 Jahren) von der Legion Condor dem Erdboden gleich gemacht worden war (3). Von Barakaldo im Zentrum des ehemaligen Industriezentrums am linken Ufer des Nervion-Flusses ging es weiter vor die Tore der Firma Sener in Getxo, Flussmündung und Hafenbereich von Groß-Bilbao. Dieses Unternehmen arbeitet mit israelischen Waffenfirmen zusammen und ist beteiligt an der Entwicklung von verschiedenen Raketen-Typen.

waffen04Auf den Stationen dieses Fahrrad-Protestmarsches wurde auf die Zusammenhänge hingewiesen zwischen der baskischen Militärproduktion einerseits und kriegerischen Auseinandersetzungen andererseits. Das baskische Militärgeschäft „heizt ganz direkt Kriege an, vor denen Millionen von Menschen flüchten müssen“. Gleichzeitig solidarisierten sich die Teilnehmer*innen der Radrundfahrt mit einem Feuerwehrmann aus Bilbao, der sich geweigert hatte, im Hafen von Bilbao an einer Waffenverladung für Saudi Arabien teilzunehmen. Dabei handelte es sich um eine Fracht von mehreren Tausend Tonnen Bomben für ein allgemein bekanntes Kriegsgebiet, über das jede Woche in den Nachrichten berichtet wird.

Ziviler Ungehorsam

Ignacio Robles ist Feuerwehrmann in Santurtzi (Hafenstadt bei Bilbao). Weil er sich vor wenigen Wochen weigerte, an der Ladung von Waffen auf ein Schiff teilzunehmen, wurde gegen ihn ein Diziplinarverfahren eingeleitet, er musste vor einen Anhörungs-Ausschuss. Die Geschichte geht zurück auf den 13. März. Die Feuerwehr sollte im Hafen von Bilbao eine Verladung von Bomben absichern, die nach Saudi Arabien gehen sollten – nicht gerade das Paradebeispiel eines demokratischen Staates. Ignacio Robles Aufgabe war die Koordinierung dieser Feuerwehr-Einheit. Er weigerte sich aus Gewissensgründen, diesen Dienst auszuführen, weil er davon ausging, dass die Bomben im Jemen gegen Zivilbevölkerung eingesetzt werden könnten. Eben dort führt Saudi Arabien seit einiger Zeit Krieg (4).

waffen05Die Anhörung fand bei der Provinzregierung Bizkaia statt, dem Arbeitgeber der Feuerwehr. Dort stellte der Feuerwehrmann klar, dass er sich nicht geweigert habe, den Befehl auszuführen. Vielmehr habe er zu verstehen gegeben, dass er aus Gewissensgründen nicht an der Arbeit teilnehmen könne. Er blieb vor Ort bis eine andere Person geschickt wurde, die seinen Part auszuführen bereit war. Danach sei die Verladung vonstatten gegangen, ohne dass irgendein Schaden verursacht worden wäre. Es hätte die Möglichkeit bestanden, die Geschichte auf sich beruhen zu lassen und nicht weiter zu verfolgen, doch die Provinzregierung beschloss die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens. „Entweder um eine Wiederholung zu verhindern, oder um ein Exempel zu statuieren“, vermutet Robles. Der Vorfall wurde in der baskischen Presse ausführlich behandelt, Robles erfuhr viel Zustimmung. Eine Internetkampagne erbrachte 166.000 Stimmen für eine Resolution zu seinen Gunsten. Das macht deutlich, dass es im Baskenland, aber auch im Staat eine große Sensibilität gibt für Kriegsflüchtlinge. Von der „Willkommen-Flüchtlinge-Bewegung“ in Bilbao wurde er folgerichtig zur Anhörung begleitet und mit viel Applaus bedacht.

Diese Pro-Flüchtlings-Bewegung fordert seit zwei Jahren von der spanischen Regierung, dass Kriegsflüchtlinge ins Land gelassen und ins Baskenland gebracht werden. Die baskische Regierung sowie weitere Institutionen und Gemeinden haben sich ebenfalls hinter diese Forderung gestellt. Was einerseits eine vorbildliche Haltung von Seiten der Behörden zu Ausdruck bringt, wird andererseits zum krassen Widerspruch, wenn dieselbe Regierung Waffenproduktion fördert, absichert und Waffenlieferungen zulässt in Länder, die sich im Krieg befinden. Zynismus ist ein schwaches Wort für den Sachverhalt, Flüchtlinge aufnehmen zu wollen aus Kriegsgebieten, in die vorher baskisches Waffenmaterial geschickt wurde.

Fürchten muss der Verweigerer der Feuerwehr eine Suspendierung von zwei bis vier Jahren, was einem vorübergehenden Berufsverbot gleichkäme. Noch vertraut er auf den guten Willen der Kommissionsvorsitzenden. Doch fürchtet er politischen Druck von außen. Zur Anhörung begleitet wurde er von Abgeordneten der baskischen Parteien EH Bildu und Podemos.

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus dem Artikel „Empresas vascas venden material militar por valor de 800 milliones“ aus der Tageszeitung Gara vom 23.4.2017 (Baskische Unternehmen verkaufen Militärmaterial im Wert von 800 Millionen Euro)

(2) Wikipedia Waffenindustrie, spanische Version (Link)

(3) Artikel „Aufarbeitung Legion Condor. Die Wunstorf-Guernica-Connection“, Mai 2017 bei Baskultur.info (Link)

(4) Artikel „Umgang mit Bomben“ vom 28.5.2017 im Blog Baskinfo (Link)

FOTOS:

(1) Ohne Kaserne - Symbol baskischer Anti-Militarist*innen (FAT)

(2) Waffen-SS mit Pak und MG (Bundesarchiv, Commons.wikipedia)

(3) NATO-Flugzeugträger (Wikipedia)

(4) US-Militärszene (Foto: Wikipedia gemeinfrei)

(5) Feuerwehrmann Ignacio Robles (Foto: www.eguzki.org)

 (PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 22017-06-17)

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