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BASKINFO informiert über die Widersprüche

BASKINFO ist ein Nachrichten-Blog, der vor 13 Jahren im Baskenland gegründet wurde und seither kritische und in anderen Medien nicht publizierte Informationen verbreitet. BASKINFO versteht sich als Gegen-Informations-Medium. Gegründet wurde BASKINFO von deutschen Auswanderer*innen, die in Euskal Herria leben und sich den dortigen politischen Bewegungen angeschlossen haben. Lange Zeit waren die Publikationen vorwiegend auf Deutsch, zuletzt kamen Baskisch, Englisch, Spanisch, Katalan und Französisch dazu.

Seit dreizehn Jahren publiziert ein Kollektiv über den Nachrichten-Blog BASKINFO.blogspot alternative Information zu Themen im Baskenland – ein Interview mit dem BASKINFO-Aktivisten Uwe Bein.

Das ist ja ein schönes Sprachchaos, was BASKINFO uns da in letzter Zeit bietet: Deutsch, Spanisch, Baskisch,Englisch, Französisch – wer soll das alles lesen!

Katalan hast du vergessen, die meisten Spanisch Sprechenden verstehen das! Lesen sollen es alle, die am Baskenland interessiert sind. Das heißt nicht, dass es ausschließlich um rein baskische Themen geht. Anfangs war das so, aber mit dabei sind auch Themen, die im Baskenland von sozialen Bewegungen aufgegriffen werden. Wie zum Beispiel die Pro-Flüchtlings-Bewegung, die Antikriegs-Bewegung oder internationalistische Solidaritäts-Initiativen – also Themen, die vielleicht nur indirekt mit dem Baskenland in Zusammenhang stehen, die aber den politischen Alltag mitbestimmen.

Wie würdest du das Projekt BASKINFO beschreiben?

BASKINFO gibt es seit 12 oder 13 Jahren, ich selbst zähle nicht zum Ursprungsteam. Es gab Wechsel in der Redaktion, auch beim Konzept. BASKINFO war von Beginn an eine alternative Informationsquelle zum Baskenland, mit Nachrichten aus sozialen Bewegungen, aus der abertzalen Linken, eben das, was sonst nur zu schwer zu finden war im Mediendschungel. BASKINFO ist kein professionelles Projekt, was nicht heißt, dass die Beteiligten nicht schreiben könnten. Wir haben immer versucht, mit anderen zu kooperieren, die ähnliche Motivation haben, das hat manchmal besser, manchmal weniger gut funktioniert.

Mit welchen Medien habt ihr zusammengearbeitet?

baskinfo02Anfangs hatte die baskische Linke im Ausland ein gewisses Interesse, wir haben einige Übersetzungen gemacht für die Angehörigen der politischen Gefangenen, Etxerat, auch für die Internationalist*innen von Askapena und für die Gewerkschaft LAB. Doch das ist Geschichte. Dann kam Lagunak auf, die Freund*innen des Baskenlandes im Ausland, in Deutschland mit Info-Baskenland als Publikation. Anfangs war das vielversprechend, die Seite ist dann aber ziemlich eingeschlafen, nur noch sporadisch erscheint da was. Die besten Erfahrungen machen wir mit Ralf Streck, einem im Baskenland ansässigen Freelance-Journalisten. Es ist fast peinlich von Zusammenarbeit zu sprechen, denn wir „profitieren“ von ihm und seinen Artikeln. Für baskische Themen leistet er hervorragende Arbeit, die sich in den Internet-Portalen Heise.de und Telepolis niederschlägt. Unser bescheidener Beitrag ist, seine Artikel zu reproduzieren und zu seiner Bekanntheit beizutragen – danke an dieser Stelle!

Sonst gibt es keine akzeptablen Nachrichten über das Baskenland!

Nicht viel. Hervorzuheben ist noch die Junge Welt und Einzelpersonen wie Ingo Niebel oder Raul Zelik, absolute Kenner des Baskenlandes und gute Kommentaristen. Damit hat es sich aber auch. Der Rest ist marginal, mal was Akzeptables bei der TAZ, im Spiegel, bei der NZZ, aber wie gesagt eher zufällig. Freitag vielleicht noch, in die Jungle World schauen wir besser nicht rein, die verstehen das Baskenland nicht wirklich.

Wie ist das zu verstehen?

Naja, kritische Berichte schreiben wir selbst, eine gesunde kritische Haltung ist die Grundlage für guten Journalismus. Aber wenn das Einstiegsparadigma den Blick auf die Realität verstellt, dann kann dabei nichts herauskommen. Um es deutlicher zu sagen: für die bürgerliche Presse war das Baskenland lange nichts als ETA und Gewalt, und für die Antideutschen von Jungle World sind baskische Linke nichts als nationalistische Spinner. Das führt zu einem völlig verzerrten Bild der baskischen Realität, schlechter Journalismus. Kritik muss sein, aber mit Kriterien. Wir kritisieren zum Beispiel die baskische Tageszeitung Gara,weil sie zu einem bloßen Sprachrohr für die neue baskische Linke geworden ist. Gleichzeitig betrachten wir uns selbst als Teil derselben. Man muss nicht Nationalist sein, um das Selbstbestimmungsrecht einzufordern, als Beispiel. Aber das zu unterscheiden fällt in vielen linken mitteleuropäischen Kreisen mitunter ziemlich schwer.

Vor nicht allzu langer Zeit habt ihr euer Konzept gewechselt und das erwähnte Sprachchaos eingeführt. Was hat euch dazu bewogen?

In der Anfangszeit hat BASKINFO eher sporadisch publiziert, alle paar Tage, eigene Artikel und solche von anderen, vor 13 Jahren gab es noch nicht viel, erst nach dem Gewaltverzicht von ETA kam es zu einem Schub von Information. Zu Beginn haben wir Links zu unseren Artikeln gelegentlich per Mail verschickt, damit die Leute auch reinschauen. Heute wäre das eine Belästigung, die Zeiten ändern sich. Dann kamen die sogenannten sozialen Medien auf, konkret Twitter und Facebook. Wir haben lange gebraucht, um uns das zu eigen zu machen und das Produktive daran zu entdecken. Nicht dass wir von diesen Hilfsmitteln überzeugt wären, wir versuchen, sie zu nutzen, solange es vertretbar ist. Dabei haben wir Überraschungen erlebt. Denn mit der Verlinkung bei Facebook und Twitter haben wir ein Vielfaches an Besuchen erzielt. Vor Jahren waren wir mit 200 Besuchen pro Monat zufrieden, heute sind es zwischen 500 und 1.500 pro Tag – das ist schon ein Unterschied!

Eigentlich hatte ich nach dem Ursprung des Sprachchaos gefragt …

baskinfo03Ach ja, Schuld hat Katalonien! Als im September 2017 die Polemik um das Referendum begann, fingen wir an, alternative Nachrichten aller Art in verschiedenen Sprachen zu publizieren. Das war für uns selbst eine Initialzündung. Im ersten Moment ging es darum, unterdrückten Stimmen zum katalanischen „Prozess“ eine Plattform zu geben. Das war schlicht Archivarbeit, die Suche nach Artikeln im WWW-Dschungel und die entsprechende Auswahl. Dann haben wir Bestandsaufnahme gemacht: unsere Kontakte im Baskenland – und außerhalb. Natürlich überwogen die einheimischen. Das hat die Entscheidung für das Sprachchaos beflügelt – wir sehen das natürlich nicht als Chaos! Warum nicht verschiedene Sprachen benutzen? Bis dahin hatten wir nur Deutsch und gelegentlich Englisch. Vielleicht klingt es wie eine Legitimation: aber erstens ist BASKINFO auch für baskische Leser*innen zu einer interessanten Informationsquelle geworden; und zweitens verstehen manche Deutsch-Sprachigen auch Spanisch und Englisch. Diese Dynamik hat dazu geführt, dass Spanisch aktuell zu unserer Hauptsprache geworden ist. Englisch bei Ereignissen in den USA; Französisch kam dazu, weil es in Paris eine aktive Gruppe gibt, die Solidaritätsarbeit zum afroamerikanischen politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal macht – und weil ein Teil des Baskenlandes eben auch französisch-sprachig ist. Und Katalan – das versteht sich beim zentralen Thema der letzten Monate fast von selbst. Baskisch natürlich auch, die Klicks auf unseren Seiten bestätigen das Interesse. Soviel zum Sprachchaos, wir versuchen es mit aller Natürlichkeit zu nehmen. Sprachen sind für uns einHilfsmittel, unsere Inhalte zu transportieren, da darf es keine Hierarchie geben. Eben das verstehen viele Spanisch-Sprechende nicht, oder wollen es nicht verstehen. Natürlich würden wir gerne mehr auf Baskisch publizieren, bisher ist das utopisch!

Eure Themen außer Baskenland und Katalonien?

Dazu gehörten von Beginn an Unabhängigkeits-Bewegungen in aller Welt, von Puerto Rico bis Kurdistan, eng verbunden mit Formen des Internationalismus, der im Baskenland sehr stark ausgeprägt ist. Kurdische Themen haben uns in den vergangenen Jahren besonders beschäftigt, weil es in Bilbao mittlerweile kontinuierliche Beziehungen gibt, regelmäßige Besuche und weil hier Kurd*innen leben. Sozialpolitik ist ein weiteres Thema von Bedeutung, die baskischen Gewerkschaften sind ja eine Besonderheit im europäischen Panorama. Als viertes Thema würde ich politische Gefangene in aller Welt nennen, Mumia Abu-Jamal, Leonard Peltier oder Oscar Lopez Rivera in den USA, die Todesstrafe.

Im Baskenland gibt es ja schon ziemlich viele politische Gefangene …

… nun auch in Katalonien. Und nicht zu vergessen anarchistische Gefangene, von denen nicht viel die Rede ist. Unsere Erfahrung ist, dass es hier im Baskenland eine größere Sensibilität gibt für Gefangene, auch aus anderen Ländern. Bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Bilbao steht ein Foto von Mumia Abu-Jamal neben dem Podium, niemand würde das in Frage stellen. Das ist keine Konkurrenz, sondern eine thematische Integration.

Was seht ihr die Situation in Katalonien?

baskinfo04Hast du eine halbe Stunde Zeit hast, kann ich dir die Frage halbwegs beantworten! Das soll heißen: die Antwort ist nicht einfach. Die Position in der Redaktion ist folgende: Wir sind es leid, tausend Mal dieselben Argumente zu hören, die keine sind: Kleinstaaterei, Separatisten, Nationalisten, Populisten. Es scheint, dass viele Konsument*innen Spanien für eine Modell-Demokratie halten und den Post-Franquismus nicht zur Kenntnis nehmen. Die Position in Deutschland ist arrogant, nach dem Motto, „die Kleinstaaterei haben wir hier schon vor 150 Jahren überwunden“. Dabei treffen sich interessanterweise konservative mit anarchistischen Positionen – die baskischen Anarcho-Syndikalist*innen betrachten das etwas genauer. Diese Begriffe erklären nicht was in Katalonien abspielt. Sie marginalisieren nur. Das ist schlechter Journalismus, teilweise sind es Lügen, manchmal direkt übernommen von der Presseabteilung des spanischen Außenministeriums. Überraschenderweise haben wir zum Thema Katalonien aber auch in bürgerlichen Medien interessante Sichtweisen gefunden: in der Neuen Züricher Zeitung und teilweise im Spiegel. Oder bei der Wochenzeitung Freitag.

Und wie ist nun die Position von BASKINFO?

Wir sind ein Projekt im Baskenland. Das ist nicht einfach eine neutrale Feststellung, sondern hat auch eine inhaltliche Dimension. Es ist ein Unterschied, ob du über ein Thema schreibst, das sich Tausend Kilometer entfernt abspielt, oder ob du direkt vor Ort bist, ob du mit den Beteiligten diskutieren kannst und vielleicht sogar selbst involviert bist. BASKINFO ist involviert. Wir tun gar nicht erst so, als wären wir journalistisch neutral, wie zum Beispiel beim Thema der politischen Gefangenen. Wir sind parteiisch und machen unsere Position deutlich. So sind wir für alle einschätzbar. In jedem Fall haben wir mehr Blick ins Innnere des Baskenlandes und Kataloniens als jeder Spiegel, jede Rundschau, FAZ oder Welt.

Die Frage bezog sich auf Katalonien!

Richtig. Wer im spanischen Staat lebt kennt nicht nur die Geschichte, sondern auch den repressiven Alltag – das ist ein gewaltiger Unterschied. Das macht sich auch bei der Analyse der Vorgänge in Katalonien bemerkbar. Für Normalos in Europa mag Spanien wie eine der üblichen bürgerlichen Demokratien wirken – für uns ist diese Annahme meilenweit von der Realität entfernt. Dieser Staat hat sich nie über seine franquistische, dikatorische, faschistische, autoritäre Geschichte hinweggesetzt – wie auch immer du das nennen willst. Das sind Völkermörder, die straffrei geblieben sind. Das sagen übrigens auch die UNO und Amnesty International. Nichts ist aufgearbeitet. Im Zentralstaat besteht kein Interesse daran. Systematische Folter über Jahrzehnte.

Die Region Katalonien fordert mehr Selbstverwaltung, das ist völlig legitim – der zentralistisch-autoritäre Staat verweigert aber jede Verhandlung. Katalonien will dieselben Verwaltungsrechte wie Euskadi – warum nicht! Das hätte nicht den Verbleib im Staatsgefüge in Frage gestellt. Aber nein. Die sopanische Blockadehaltung hat Katalonien zum versuchten Bruch getrieben. Die Basken hatten vor 40 Jahren bei den Verhandlungen den richtigen Riecher, Katalonien kam zu spät. Dazu kommt die kulturelle und sprachliche Feindeshaltung im Staat: wenn du drei Worte auf Baskisch oder Katalan sagst, bist du schon verdächtig. Was das betrifft, gibt es keinerlei Natürlichkeit oder Toleranz. So etwas wie die Rechte der südschleswigschen Minderheit in Norddeutschland sind für die Spanier ein Grund, die große Keule auszupacken und auf das Militär zu schielen. Die Autonomie-Statute an der Peripherie, im Baskenland oder Katalonien, sind nur ein Bruchteil dessen, was in der BRD jedem Bundesland an Kompetenzen zugebilligt wird.

Mit ihrer Verweigerungs-Haltung haben die spanischen Instanzen den katalanischen „Separatismus“ überhaupt erst provoziert. Mehr Rechte für die Regionen, das unterstützt im Baskenland ca. 75% der Bevölkerung. Und nicht einmal die Häfte davon will dies über die Unabhängigkeit erreichen. Mit diesem Forderungen sind wir einverstanden.
Auf einem anderen Blatt steht die politische Herkunft der aktuellen Unabhängigkeits-Parteien in Katalonien. Die Mehrheitspartei – vorher CiU und heute PdCat – ist eine bürgerliche Partei, die ähnlich wie die PP ziemlich im Korruptionssumpf steckt. Vorherige Regierungen in Barcelona haben eine Polizei aufgebaut, die der Guardia Civil alle Ehre macht, Folter, Prügeltruppe, nicht nur ein Mal wurden die Protestbewegungen wie M15 oder Hausbesetzer*innen auseinandergetrieben oder niedergeknüppelt. Kein Ruhmesblatt also. An dieser Stelle sehen wir einen Widerspruch innerhalb der baskischen Linken. Einerseits wird der katalanische „Prozess“ mit Mas und Puigdemont an der Spitze bejubelt, andererseits werden deren politischen Pendants im Baskenland angegriffen oder beschimpft. PNV im Baskenland und PdCat in Katalonien haben jedoch denselben ideologischen Hintergrund: neoliberal, anti-ökologisch. Das sollten wir im Auge behalten. Sich eine Position zu erarbeiten im Fall Katalonien erfordert dialektisches Denken, da gibt es kein schwarz und weiß, Freund und Feind. Ein wichtiges Kriterium ist für uns die grundsätzliche Ablehnung des spanischen Modells der Fortführung des Franquismus mit Valium und Weichzeichnern. Puigdemont hat das mehrfach auf den Punkt gebracht, da sind wir einverstanden. Der spanische Staat braucht einen zweiten Übergang, eine zweite Transition, eine Rücknahme der Amnestie für franquistische Verbrechen von 1977, einen Bruch mit dem Franquismus, eine Exhumierung von 140.000 Leichen unter spanischer Erde. Solange das nicht in Sichtweite ist, unterstützen wir jede emanzipatorische Bewegung, auch wenn sie zum Teil bürgerlich strukturiert ist. Als Linke können wir uns heutzutage nicht den Luxus leisten, den Trennungsstrich vor den Fußspitzen zu machen. Für eine katalanische Republik würden wir uns allerdings ein sozialistisches Modell wünschen, da halten wir es eher mit der Juniorpartnerin CUP, einer Plattform in Katalonien, die antikapitalistische Positionen vertritt.

Du benutzt den Begriff „Peripherie“ – was meinst du damit?

baskinfo05Peripherie, das sind Katalonien und das Baskenland als kulturell und sprachlich unterschiedliche Regionen. Peripherie ist aber auch jede abweichende Haltung im Staat selbst, sei es aus kommunistischer, anarchistischer oder humanistisch-sozialdemokratischer Richtung. Teile von Podemos miteingeschlossen, aber nur Teile. Dieser Staat ist kein föderales System, es ist ein klassicher Zentralismus nach streng autoritärem Vorbild. Die regionalen Autonomien sind nicht wirklich autonom, jedes im Baskenland verabschiedete Gesetz wird hinterfragt und vor das Verfassungsgericht gezerrt. Diese „Demokratie“ ist ein Zerrbild, ein kleines Zugeständnis bei jenem politischen Manöver vor 40 Jahren. Es gab nie einen demokratischen Übergang nach Franco, es war eine Simulation von Demokratie, nicht mehr und nicht weniger.

Wäre ein föderales Modell eine Lösung?

Wäre, würde, sollte – ein föderales Modell im Staat ist absolut unrealistisch, solange Parteien wie die PP oder die aufkommende Ciudadanos das Sagen haben. Eine entsprechende Diskussion ist Augenwischerei. Die Vereinigte Linke und die Sozialdemokraten starten immer wieder Versuchsballons, weil sie keine wirklichen Strategien haben. Aber sie wissen genau, dass solche Modelle angesichts des Postfranquismus nie eine Chance bekommen. Deshalb sind es Nebelkerzen. Föderalismus? Theoretisch ja, aber nicht unter den bestehenden Prämissen, die Diskussion ist Zeitverlust.

Wie ist die Situation im Baskenland nach sieben Jahren ETA-Ende?

Etwas verfahren. Der sogenannte Friedensprozess hat auch nach sieben Jahren noch komplett Schlagseite. Hier bewegen sich nur ETA und die baskische Linke – die Spanier haben sich eingebunkert. Die internationalen Konfliktvermittler sind verzweifelt – eine Weltneuheit sagen viele! Die verbleibenden politischen Gefangenen sind weiter denn je von zu Hause entfernt. Die spanische Justiz inszeniert weiterhin politische Prozesse. Das ist fortgesetzter Franquismus. Als es jedes Jahr 100 Tote bei Anschlägen gab, hat der Staat mit ETA verhandelt. Jetzt, nach Waffenabgabe und kurz vor der Auflösung wird jeglicher Kontakt abgelehnt. Das soll jemand verstehen. Manchmal wirkt das alles ziemlich surrealistisch.
Gleichzeitig ist die baskische Linke dabei, sich immer mehr auszudifferenzieren. Das heißt, ideologische Unterschiede werden deutlich, die vorher nicht sichtbar waren. Teilweise geht das bis zur Spaltung. Die baskischen Christdemokraten von der PNV, die sich ebenfalls nationalistisch nennen, den Prozess in Katalonien aber ablehnen, sitzen besser im Sattel als je zuvor. Sie kontrollieren alle relevanten Institutionen im Baskenland und teilweise in Navarra. Gleichzeitig wollen sie ein neues Statut, das soll mit dem Staat abgestimmt werden. Darin soll das Recht auf Selbstbestimmung festgeschrieben werden – also dasselbe, was aktuell in Katalonien gefordert wird. Das klingt ziemlich abenteuerlich! Wie sollte der Staat einem solchen Vertrag zustimmen! Nicht einmal bei Podemos findet sich dafür eine Mehrheit. Mal sehen, ob das auch nur eine Nebelkerze ist, oder wieviel Ernsthaftigkeit dran ist!

Bis vor einem Jahr hat BASKINFO auf Deutsch publiziert, nun sind alle Sprachen der Welt willkommen – habt ihr einen Schritt nach vorne gemacht?

Das wird sich zeigen. Momentan ist es jedenfalls mehr Arbeit. Unser Publikum ist in vielen Sprachen zu Hause, insofern ist es kein Sprachchaos, wie du sagst, sondern ein Spektrum Vielfalt, das über Sprachvielfalt möglich wird. Im Baskenland sind wir Mehrsprachigkeit gewohnt, zwei sind offiziell, mit Englisch wird eine dritte kräftig gefördert, in Gipuzkoa spielt Französisch eine wichtigere Rolle. Sprachvielfalt ist kultureller Reichtum – das Problem ist nur, dass das im spanischen Staat die wenigsten verstehen. Hast du Aznar oder Rajoy mal Englisch sprechen hören? Wohl kaum. Der Katalane Puigdemont hingegen bewegt sich fünfsprachig durch die Welt!
Der Wechsel bei BASKINFO hat sich auf zwei Ebenen abgespielt: einerseits die Sprachen, andererseits das Publikum, das uns liest. Manchmal schreiben wir selbst sogar Spanisch und Baskisch, aber das ist eher die Ausnahme.

Was sind eure aktuelle Themen?

baskinfo06Unser beständigstes Thema ist die historische Aufarbeitung des Faschismus, wir nennen das hier Memoria Historica, historische Erinnerung. Das ist eine Basisbewegung, die nur langsam in Institutionen ihren Ausdruck findet. Danach kommen Internationalismus und Repression und ganz aktuell haben wir viele feministischen Themen. Der bevorstehende 8. März wird hoffentlich nicht nur irgendein internationaler Tag der arbeitenden Frauen sein, hier ist ein Streiktag in Planung, manche wollen Generalstreik, andere Teilstreik. Wir unterstützen das nach Kräften.
Generell geht es um die Verbreitung von Nachrichten, die es schwer haben, gehört und gelesen zu werden. Zuletzt das Fußballspiel Athletic gegen Spartak Moskau, da gab es viel zu berichten und zu korrigieren. Nicht mal auf die kritischen Medien ist da Verlass, manche klingen wie Verlautbarungen der Polizei. Die sozialen Medien – und wir – sind da ein Korrektiv, bzw. eine zusätzliche Informationssquelle. Das macht unsere Arbeit wichtig, in deutscher Sprache, aber auch hier für das Baskenland.

Was bedeutet Internationalismus im Baskenland?

Internationalismus ist nicht einfach nur Solidarität mit hier und da. Es ist auch der Versuch, Themen zu verbinden, die scheinbar getrennt daherkommen. Die Flüchtlingsbewegung aus dem Nahen Osten Richtung Europa ist ein Beispiel. Das ist nicht nur eine humanitäre Frage: sollen wir Flüchtlinge aufnehmen und wenn ja, wieviele. Es wird gleichzeitig die Frage gestellt: weshalb flüchten die Leute? Warum gibt es da Krieg, in Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen. Wer ist für diese Kriege verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich? Und woher kommen die Waffen für diese Kriege. Also wer verdient daran. Ideologisch unterschiedliche Bewegungen im Baskenland geben Antworten auf diese Fragen. Zum Beispiel „Ongi Etorri Errefuxiatuak“, auf Deutsch „Herzlich willkommen Flüchtlinge“, ein ziemlich großes Kollektiv, das von der spanischen Regierung fordert, dass die andernorts ungeliebten Flüchtlinge hierher gebracht werden. Dieses Kollektiv protestiert zusammen mit feministischen Gruppen gegen Waffentransporte. Vor einem Jahr wurde bekannt, dass in Bilbao alle paar Wochen Schiffe mit Waffen beladen werden, die nach Saudi Arabien geliefert werden und in Jemen gegen Zivilbevölkkerung eingesetzt werden. Das ist gravierend. Noch gravierender ist, dass ein Teil dieser Waffen im Baskenland selbst produziert wird. Die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar 2018 in Bilbao hat dieses Thema aufgegriffen. So weit ich weiß hat auch Baskultur.info darüber berichtet.

Das ist richtig. – Aber nochmal ein Themenwechsel: Wie sieht es im Baskenland aus mit der Pressefreiheit? Ihr habt kritische Inhalte? Könnt ihr einfach schreiben was ihr wollt?

Die Antwort ist ein klares NEIN. Das hat verschiedene Hintergründe. Der spanische Staat hat baskische Medien systematisch zensiert. Nicht nur im Franquismus. 1998 wurde EGIN geschlossen, 2003 die einzige ausschließlich basksich-sprachige Tageszeitung EGUNKARIA. Der Vorwand war ETA, in beiden Fällen haben nicht einmal die Gerichte die fahrlässigen Anschuldigungen bestätigt. Nach ETA haben sich die Post-Franquisten eine neue Bedrohung einfallen lassen: Verherrlichung, Hass-Delikte, Beleidigung von Institutionen und der Monarchie. Dafür wurde das „Mordaza-Gesetz“ eingeführt, wir sagen Maulkorbgesetz dazu. Das ist zu einer Art Allzweckwaffe geworden, die fleißig zum Einsatz kommt. Das Gesetz ist breit angelegt und gleichzeitig so unklar formuliert, dass praktisch jede regimekritische Aussage kriminalisiert werden kann. Und auch schon wurde. Es ist nicht übertrieben: einzelne Sätze, die ich in diesem Interview gesagt habe, könnten mich ein Bußgeld kosten.

Es gab schon Gefängnisstrafen, weil Einzelpersonen zum Thema der politischen Gefangenen nicht geschwiegen haben. Ein Bekannter sitzt momentan ein Jahr Strafe ab, weil er sich kritisch geäußert hat und bei einer Fiesta das Gesicht eines politischen Gefangenen auf eine Puppe geklebt hatte. Sobald die Situation der politischen Gefangenen angesprochen wird, läufst du Gefahr, dass dir das als sogenannte „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ ausglegt wird. Allein der Begriff „politische Gefangene“ ist bereits eine Verleumdung des Staates. Das hat dramatische folgen und nimmt der Meinungsfreiheit jegliche Grundlage. Es wirkt sich natürlich auch auf die Presse aus. Für die meisten Medien ist das kein Problem, weil sie sowieso fast gleichgeschaltet sind. Unser Spielraum ist, dass wir auf Deutsch schreiben und von den Häschern bisher nicht gelesen werden. Vielleicht nur eine Frage der Zeit.

Dieses Maulkorb-Gesetz der Rajoy-Regierung öffnet der Polizei und den Gerichten alle Türen zur Verfolgung. Wenn du ein ACAB-Tshirt trägst, kannst du auf der Stelle zu 800 Euro Strafe verdonnert werden. Verschiedene freie Journalisten, Musiker oder Marionettenspieler wurden verhaftet oder zu Gefängnis verurteilt, wegen „Verherrlichung von …“ oder „Beleidigung von …“. Es reicht aus, musikalisch festzustellen, dass der König verschiedene Sexaffairen hat oder in Afrika Elefanten schießt. Der Rapper Pablo Hasel ist aktuell das bekannteste Beispiel. Wenn nicht ein Wunder geschieht geht er für Jahre in den Knast wegen seiner Lieder – richtig bissige Texte versteht sich.

Ich will es nicht mit der Türkei auf eine Stufe stellen, aber wir sind nahe dran. Die baskische Rechte kritisiert das Gesetz und fordert seine Rücknahme, aber die baskische Polizei hat es bereits hunderte von Malen angewandt. Wir müssen genau überlegen, was wir öffentlich sagen und schreiben, das ist eine Tatsache.

Wir danken für das Interview und wünschen ein erfolgreiches Rudern gegen den Strom!

Der Strom ist hier im Baskenland zum Glück ziemlich breit, manchmal sogar reißend und mit Stromschnellen. Das ist eine gute Basis, wir haben Spaß an dieser Arbeit!

ANMERKUNGEN:

(*) Der BASKINFO-Blog ist zu finden unter www.baskinfo.blogspot.com

(*) Das Interview führte Klaus Armrbuster von Baskultur.info

ABBILDUNGEN:

(*) Blog BASKINFO (Link)

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