Emeek Emana - Sie haben nie darüber gesprochen
Ein Projekt des Kulturvereins Intxorta 1937 beschäftigt sich mit dem Leben und Widerstand von Frauen während des Krieges von 1936 und der anschließenden 40-jährigen franquistischen Diktatur. Das Projekt beinhaltet Einzelinterviews der noch lebenden Frauen und eine Ausstellung ihrer Portraits. Gleichzeitig wird das Leben von mehr als sechzig Frauen dokumentiert, die den Krieg erlebten, aber auch Exil, Folter und vielfältige Repression. Die interviewten Frauen wurden zwischen 1913 und 1956 geboren.
„Emeek Emana“ ist der Titel eines Projekts, das die Schicksale von baskischen Frauen im Spanienkrieg dokumentiert – zu Ehren aller Frauen, die von der franquistischen Terrorherrschaft nicht gebrochen wurden.
Mit den im Buch geschilderten Biografien sollen alle Frauen geehrt werden, die in verschiedenen Phasen, an unterschiedlichen Orten und auf verschiedene Weise gegen den Faschismus kämpften. Frauen, die sich der Diktatur wiedersetzten, die unter widrigsten Bedingungen ihre Familien ernährten und Kinder erzogen. Anonyme Frauen, kämpfende Frauen, Frauen, die nie besiegt wurden. (1)
Julia Monge ist Aktivistin bei Intxorta 1937 Kultur Elkartea, einem gemeinnützigen Verein, der an der Aufarbeitung von Krieg, Faschismus und Diktatur arbeitet, im kleinen Ort Elgeta (Gipuzkoa) jährlich eine Erinnerungs-Veranstaltung organisiert und bereits eine beachtliche Anzahl von Büchern publiziert hat. Julia stellt fest, dass „nach wie vor leicht vergessen wird, dass es Frauen waren, die unter den schwierigsten Umständen das soziale und familiäre Leben jener Zeit organisierten. Dennoch sind sogar in der Bewegung, die sich der Aufarbeitung des Faschismus widmet, Frauen nach wie vor Randfiguren“.
Mit dem Projekt Emeek Emana sollen diese Frauen eine Stimme erhalten, und zwar nicht nur als Opfer, sondern vor allem als Protagonistinnen. Einige der interviewten Frauen sprechen zum allerersten Mal in ihrem Leben von dem, was sie durchgemacht haben. Auf die Frage, ob die befragten Frauen beim Erzählen Erleichterung spürten, sagt Julia: „Anstatt Erleichterung war bei vielen die erste Reaktion Überraschung. Sie fragten sich, warum wir uns gerade für sie interessierten. Diejenigen, die als kleine Mädchen Zeuginnen besonderer Brutalität und harter Repression wurden, sprachen besonders bewegt von ihren Müttern. Manche sagten, meine Mutter hättet ihr interviewen sollen, aber was kann ich schon sagen ... Ein Zeichen großer Bescheidenheit. Am Ende des Gesprächs jedoch fühlten sich alle erleichtert und auch stolz, obwohl es sie einige Überwindung kostete, über sich selbst in erster Person zu sprechen. Für manche war es in all ihren langen Lebensjahren wirklich das erste Mal!“
Mary Zagala De Carranza (Tolosa, 1913)
Mary lebte bis zu ihrem 21. Lebensjahr in Tolosa. Nach dem Tod ihres Vater ging sie nach Barcelona. Als das Baskenland 1937 in die Hände der Franquisten fiel und die baskische Regierung ihren Sitz nach Katalonien verlagerte, trat Mary dem Kommitee zur Hilfe der baskischen Flüchtlinge bei und wurde zur Leiterin der Geschäftsstelle ernannt. Sie erstellte die Listen der baskischen Gefangenen, sowie der Gefangenen in republikanischen Gefängnissen, um einen Austausch zu erreichen. Sie kümmerte sich um Kodierungen, entschlüsselte Telegramme und betreute das Büro von Manuel de Irujo, dem Justizminister der republikanischen Regierung unter Negrin bis Ende 1937. In eben diesem Büro lernte sie ihren späteren Mann, Fernando Carranza, kennen.
Im Februar 1939, im vierten Monat schwanger, ging sie zusammen mit ihrer Mutter nach Frankreich ins Exil. Im Juni kam ihre Tochter Maite zur Welt. Nach zwei schwierigen Jahren ging sie 1941 nach Venezuela, wo ihre zweite Tochter Mirentxu geboren wurde. Zusammen mit ihrem Mann, der Beauftragter der baskischen Exilregierung war, baute sie in Caracas das baskische Zentrum auf. Sie war Mitglied der patriotischen Frauenvereinigung Emakume Abertzale Batza. Mary war eine außergewöhnliche Frau, sie kochte mit derselben Geschicklichkeit mit der sie auch den Motor der Waschmaschine reparierte. Im Oktober 2016 kam sie aus Venezuela zurück und lebte in Canet de Mar (bei Barcelona), wo sie am 3. Februar 2017 starb, zwei Monate nachdem sie für das Ausstellungsprojekt interviewt wurde.
Julia Lanas Zamakola (Eibar, 1919)
Auf ihre alten Tage geriet Julia im Dezember 2014 bei einer Aktion der baskischen Polizei Ertzaintza ungewollt in die Schlagzeilen. In Gernika hatte sich eine Gruppe von Personen versammelt, um die Festnahme einer jungen Frau zu be- oder verhindern. Bei dieser Polizeiaktion erlebte die 95-jährige eine brutale polizeiliche Gewalt. Mit gebrochenem Handgelenk und Verletzungen am Bein erklärte Julia in einem Interview mit der Tageszeitung Gara: „Das war ein Kriegsakt. So etwas habe ich noch nie gesehen und dabei habe ich den Krieg und die Diktatur erlebt, mit Toten in meiner Familie, Gefolterten“. Sie wusste, wovon sie sprach: ihr Vater, verhaftet und gefoltert, starb im Gefängnis in Ondarreta (Donostia); ihr zu Zwangsarbeit verurteilter Bruder starb im Alter von 28 Jahren. Als Konsequenz des Krieges verlor sie zwei weitere Schwestern, in den 60er Jahren wurde ihr Ehemann verhaftet, weil er politische Propaganda verteilte. Zweifellos war Julia Opfer und Zeugin der Repression in allen Formen und Farben geworden.
„Was mich betrifft, das spielt keine Rolle, ich bin am Leben. Außerdem hatte ich keine Angst, was ich erlebt habe, gab mir neue Kraft. Aber was meine Familie mitgemacht hat! So viele junge Leute tot, und mein Vater ... das ist so ungerecht, er war ein Mann, der gekämpft hat“. In keinem Moment hat sie ihn vergessen. „Sie rissen ihm die Fingernägel aus und misshandelten ihn derart, dass er nicht mehr gehen konnte. Er starb, weil er nicht mehr essen konnte. Sie hatten ihm das ganze Gebiss kaputt geschlagen“. Oder ihre Mutter, eine Frau von 1,80m Körpergröße, die am Ende nur noch 39 kg wog.
Felisa Iturricastillo Askasibar (Elgeta, 1924)
Felisa war elf Jahre alt, als ihr Dorf bombardiert und zerstört wurde. Sie erlebte die Gräueltaten der einmarschierenden faschistischen Truppen, denen General Emilio Mola eine Freikarte für alle Brutalitäten gegeben hatte. Sieben Monate lang konnten die baskisch-republikanischen Kräfte die Front halten, aber als den Angreifern zuguterletzt der Durchbruch gelang, wurde Elgeta zum Schauplatz aller erdenklichen Grausamkeiten. „Sie hatten freie Hand, zu tun was sie wollten. Sie holten sich Frauen, um sie zu demütigen und zu vergewaltigen. Ich war sehr jung damals, 11 Jahre alt, aber Anttoni war 14 und wurde vergewaltigt. Und so wie sie traf es viele“. Sie erinnert sich auch wie sich der Hunger breit machte, als der Kampf vorbei war. „Als mein Vater und mit ihm viele andere von der Front zurückkamen, hatten wir nichts zu essen. Sie hatten uns alles genommen, das ganze Vieh hatten sie mitgenommen, um denen, die auf ihrer Seite standen, zu essen zu geben. Wir lebten in völliger Armut“.
Felisa konnte auch die tiefe Trauer ihrer Großmutter nicht vergessen, als deren Sohn, Felisas Onkel José Iturricastillo, ermordet wurde. Er war Gemeindepfarrer. „Ich will der Beerdigung meines Sohnen nicht beiwohnen“, sagte unsere Oma. Stellt euch vor wie schlimm das für sie war. „Danach“, ergänzt Felisa, „war Religion für uns kein Thema mehr. Mein Vater war 39 Jahre alt, als sein Onkel erschossen wurde, er sagte, nie mehr werde ich auch nur einen Cent der Kirche spenden“. Niemand hat jemals diese Erschießungen aufgeklärt, sagt sie und fügt hinzu, dass sie nie mehr Krieg will“. Heute ist sie selbst Großmutter, doch will sie die Spuren, die die Ereignisse bei ihr hinterlassen haben, nicht an ihre Enkelinnen und Enkel weitergeben. Weil sie nicht will, dass die auch noch darunter zu leiden haben.
Pilar Garciandia Ancín (Tolosa, 1924)
Pilar begann sehr jung zu arbeiten, mit 15 Jahren, zeitgleich schloss sie sich der Sozialistischen Jugend an. Wegen des Vormarschs der Faschisten flüchtete sie nach Donostia, Bilbao und Santander, wo sie auf der Straße von einem Mann festgenommen wurde, der zu den navarrisch-franquistischen Requetés gehörte. Im Alter von 17 Jahren wurde sie zu zwölf Jahren und einem Tag Gefängnis verurteilt und wurde in den Gefängnissen in Tolosa und Ondarreta gefangen gehalten. Ihr Lebensgefährte Andrés Ponga war im selben Gefängnis, bevor er erschossen wurde. Über das Erlebte sagt sie folgendes:
„Ich hatte das Glück, dass sie mich nur geschlagen haben. In Tolosa war ich nur ein paar Tage lang, dann brachten sie mich nach Ondarreta. Ich war 17 Jahre alt, Einzelkind, kaum dem Rocksaum meiner Eltern entwachsen und plötzlich saß ich da vor einem Gericht ... alles Militärs, furchtbar, furchtbar ...“. Nie konnte sie vergessen, wie ihr damaliger Freund seinen gewaltsamen Tod voraussah: „Es gab eine Zeit, in der regelmäßig Erschießungen stattfanden. Er sagte mir: Wir werden weniger. Es kommt der Tag, an dem wir dran sind“. Und so war es. Pilar erlangte die Freiheit im Jahr 1940.
Für ihre Mutter hat Pilar nur Lob: „Sie war aus Navarra, eine Frau mit Charakterstärke. Meine Mutter war eine Heldin, sie widmete sich dem Kauf und Verkauf von Waren. Das war das einzige, was sie tun konnte, sie hatten uns alles genommen. Sie brachte Bohnen nach San Sebastian und von dort andere Waren nach Tolosa. Was hätte sie tun können? Sie musste uns durchbringen. Als ich aus dem Gefängnis kam, hatte sie eine Pension aufgebaut. Sie schaffte einfach alles, sie ließ sich nie unterkriegen“.
Juana Uranga Mandaluniz (Arrasate, 1925)
Juanas Familie musste vor dem unmittelbar bevorstehenden Einmarsch der faschistischen Truppen in ihren Heimatort fliehen. Ihre Flucht führte sie nach Bilbao, Santander, den französischen Staat und letztlich nach Katalonien. Zuerst nach Barcelona und später nach Premia de Mar, wo sie bis zum Ende des Krieges blieb. Doch ihr Vater wurde erschossen. „Mein Vater war einfach nur Politiker, Sozialist, von der Gewerkschaft UGT und Stadtrat in Arrasate. Außerdem war er Arbeiter bei der Unión Cerrajera, Schlossermeister“, erklärte Juana, die sich daran erinnerte wie ein Bekannter ihrer Mutter erzählte wie deren Freund starb. „Ihr Ehemann, Jesús Uranga, starb, wohl wissend, dass in Premia de Mar alle in Sicherheit sind, sowohl seine Mutter als auch Juana und die Kinder. Dieses Wissen begleitete ihn auf seinem letzten Weg. Ich kannte Jesús aus den Kämpfen des Jahres 1934 und habe alles in meiner Macht stehende versucht, aber ich konnte die Erschießung nicht verhindern, nicht einmal hinausschieben, weil dies ein falscher Kriegsrat war“. (2)
„So wurde er erschossen“, erzählte seine Tochter, die in den letzten Jahren an vielen Erinnerungs-Initiativen für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung aktiv beteiligt war. Bei ihrer Rückkehr nach Arrasate fand die Familie ihr Haus verwüstet vor, sie hatten große Schwierigkeiten Arbeit zu finden, weil sie „Rote“ waren. Juana musste ihren Wunsch Stenotypistin zu werden, aufgeben und begann zusammen mit ihrer Schwester in einem Friseursalon zu arbeiten. Obwohl sie sich ihr Leben lang gegen die an ihrem Vater begangene Grausamkeit auflehnte, hob sie besonders die Strafen hervor, die Frauen zu erleiden hatten: „Für mich waren die wirklichen Opfer die Mütter, die Opfer des staatlichen Terrorismus. So war es, sie traf der schlimmste Part: zuerst wurden ihre Ehemänner umgebracht und dann mussten sie ihre Kinder großziehen und ums Überleben kämpfen, manchmal mit eingezogenem Kopf“.
Josefina Lamberto Yoldi (Larraga, 1929)
Josefina ist die Schwester von Maravillas Lamberto, die im Alter von 14 Jahren brutal vergewaltigt, getötet und am Wegrand verscharrt wurde. Maravillas Tod ist eines der grausamsten Beispiele der von Faschisten begangenen Verbrechen im Baskenland. Der navarrische Liedermacher Fermin Balentzia widmete ihr ein Lied mit dem Titel „Florecita de Larraga“, „Blümchen von Larraga“, das viele kennen und mitsingen in Gedenken an das tapfere junge Mädchen, das ihren Vater, als die Faschisten kamen, um ihn abzuholen, nicht alleine lassen wollte. Der Vater Vicente und seine Tochter wurden an jenem 15. August 1936 beide umgebracht.
„Meinen Vater brachten sie ins Gefängnis, meine Schwester ins Sekretariat, wo sie mit ihr machten, was sie wollten. Als sie später ins Auto gebracht wurde, war ihre Kleidung komplett zerrissen, was darauf schließen lässt was sie mit ihr gemacht hatten. Von dort brachten sie sie nach Ibiriku de Yerri. Meinen Vater schmissen sie in einen Bewässerungsgraben. Meine Schwester wurde gefunden, weil die Schafe zum Weiden gebracht wurden. Ihr Körper war halb verwest, halb nackt, die Hunde hatten Teile ihrer Oberschenkel gefressen“.
„Als meine Mutter aus dem Gefängnis entlassen wurde, musste sie im Haus eines Militärs als Bedienstete arbeiten. Später sagten sie uns, dass ein Sohn jenes Hauses derjenige war, der meine Schwester vergewaltigt und ermordet hatte“. Josefina ging später zusammen mit ihrer Schwester Pilar und ihrer Mutter nach Pamplona, wo die Mutter zunächst von Almosen lebte bis sie Arbeit als Sacknäherin fand. „Sie stand um vier Uhr morgens auf, um ein bisschen mehr zu nähen und davon das Zimmer und unser Essen zu bezahlen. Wir gingen zur Auxilio Social (Sozialeinrichtung), dort bekamen wir Frühstück und Abendessen, aber meine Mutter nicht. Später, mit 12 Jahren schickten sie mich ins Kloster, da hatte ich schon vieles hinter mir. Nie in meinem Leben werde ich diesen Leuten verzeihen“, betont Josefina.
María Teresa Pontón Fernández (Vitoria-Gasteiz, 1935)
María Teresa war Teil der Frauenversammlung, die im Zusammenhang mit den Streiks und Demonstrationen in mehreren Unternehmen in Gasteiz Mitte der 1970er Jahre gegründet wurde. Die spanischen Machthaber schlugen diese Bewegung mit Gewalt nieder. Die Intervention der Polizei gegen die in einer Kirche abgehaltene Vollversammlung am 3. März 1976 war einer der tragischen Höhepunkte der frühen Nach-Franco-Zeit. Bei diesem Polizeiüberfall wurden fünf Arbeiter erschossen, es gab zahllose Verletzte – eine bis heute offene Wunde.
„Der 3. März war ein Gemetzel“, erinnert sie sich. „Es war schrecklich. Die Straßen waren menschenleer. Später versammelten sich alle in der Kirche, Männer, Frauen, einfach alle. Und natürlich auch die Polizei ... es fällt mir schwer davon zu sprechen, weil ich alles so klar vor Augen habe, es tut noch heute weh. Dann kam der Moment, in dem den Polizisten gesagt wurde: geht rein in die Kirche und tut was ihr tun müsst, wenn ihr töten müsst, dann tötet. Und sie führten den Befehl aus, sie kamen schießend in die Kirche, es war grauenvoll“, erzählt María Teresa.
Sie erinnert sich auch daran wie danach die Politiker kamen, Martin Villa zum Beispiel, um die Verletzten zu besuchen. Diese sagten zu ihnen, sie sollten gefälligst abhauen oder ob sie gekommen wären, um ihnen den Rest zu geben, also sie zu töten. „So viele Jahre sind seitdem vergangen, trotzdem fühle ich mich schlecht, wenn ich daran denke“.
Rodolfo Martin Villa war damals Minister für gewerkschaftliche Beziehungen und politisch verantwortlich für den Polizeieinsatz jener Tage. Das stellte im Jahr 2015 auch die argentinische Richterin María Servini fest, die die Verbrechen des spanischen Krieges von 1936 und der anschließenden Franco-Diktatur untersucht. Sie stellte einen Auslieferungsantrag an die spanische Regierung. Weit entfernt diesem Auslieferungs-Antrag nach zu kommen, ehrte die spanische Regierung Martin Villa im Sommer 2017 offiziell für seine Arbeit als Kongressabgeordneter im Übergangs-Parlament von 1977.
Mirentxu und Mikele Agirre Aristizabal (Iruña-Pamplona, 1936)
Mirentxu und Mikele wurden 34 Tage nach dem gewaltsamen Tod ihres Vaters geboren. Ihr Vater, Fortunato Agirre, damals gewählter Bürgermeister von Lizarra für die baskische christdemokratische Partei PNV, wurde von den Faschisten im Auftrag des Generals Emilio Mola erschossen. Ihre Mutter Elvira verließ Pamplona und brachte in Lizarra die Zwillinge zur Welt. Sie zog insgesamt fünf Kinder groß und ihre Stärke übertrug sich auf die beiden Mädchen, die heute für die Aufarbeitung der Geschichte auf die Straße gehen. Sie sind aktiv in der Erinnerungs-Bewegung und kämpfen gegen das Vergessen des Unrechts, das sowohl ihrer Familie wie auch vielen anderen Opfern des Franquismus angetan wurde.
„Wir haben den Vater immer ein bisschen idealisiert, wir kannten ihn ja nicht. Für uns war er groß, schön, einfach super. Klar, er hat uns nie gescholten oder bestraft wie andere Väter mit ihren Kindern tun“, bekennen Mirentxu und Mikele. „Wir hatten unseren Großvater Gonzalo Aristizabal, der praktisch unsere Vaterfigur war, aber wir vermissten unseren wirklichen Vater. Als Jugendliche stellten wir uns vor, er sei in Frankreich, in der Hoffnung, er würde eines Tages zurückkehren“. Ein Großvater, der nach Kräften versuchte, diese nicht überbrückbare Lücke zu füllen und der bis zum Ausbruch des Krieges an das Gute im Menschen geglaubt hatte“. Aber da täuschte er sich gewaltig.
Die Familie konnte die Leiche des Vaters 1959 bergen. Die beiden Schwestern sind seit Langem in der Erinnerungsbewegung aktiv und Mirentxu war Vorsitzende des Vereins der Familien der Erschossenen in Navarra. Eine Aufgabe, „die für mich therapeutische Bedeutung hatte, weil die Leute ihre jeweilige Geschichte erzählten. Es gibt viele Leute hier von den Dörfern, deren Eltern ihnen nie die Wahrheit erzählten, weil die Angst zu groß war“, erklärt sie und ergänzt: „Bei uns zu Hause gab es dieses Problem nicht. Nach und nach erzählten sie uns, was wir je nach Alter zu verstehen in der Lage waren. Wir wussten immer, dass unser Vater ermordet worden war. Sie begruben ihn in Tajonar, auf einem Feld, außerhalb des Friedhofs. Als Kinder gingen wir zusammen mit unserer Mutter und den Brüdern regelmäßig dorthin und brachten Blumen“.
Arantza Arruti Odriozola (Zarautz, 1946)
Arantza verließ ihren Heimatort bevor sie 18 Jahre alt war, um als Au-Pair nach Frankreich und England zu gehen. Schon in jungen Jahren war sie politisch engagiert in der abertzalen Bewegung. Zwischen 1966 und 1969 wurde sie mehrfach festgenommen, gefoltert und verbrachte insgesamt acht Jahre in verschiedenen Gefängnissen. 1970 war sie zusammen mit anderen ETA-Mitgliedern eine der Angeklagten im Prozess von Burgos, der weit über die spanischen Grenzen hinaus bekannt wurde. Sie waren von der Todesstrafe bedroht. Im Gerichtsverfahren im Dezember 1970 wurde sie freigesprochen, blieb jedoch aufgrund vorheriger Verurteilungen bis 1976 im Gefängnis.
Nach ihrer Freilassung wurde sie Mitglied von Herri Batasuna und eine der Wegbereiterinnen der Frauengruppe Aizan. Arantza bklagt, dass ihre Organisation zum damaligen Zeitpunkt den antipatriarchalen Kampf völlig ignorierte. „Die Lebensrealität der Frauen stand da an zehnter Stelle“. Später wurde sie Mitglied der linken Partei Sortu und arbeitete bei der feministischen Gruppe Bilgune Feminista mit. Sie verstand es immer, ihren Ängsten und den schlimmsten Momenten mit Humor entgegenzutreten.
Margari Fernández Menchaca (Santurtzi, 1959)
Vier Tage nach ihrem 17. Geburtstag erlebte Margari Fernández Menchaca mit ihrer Familie einen grausamen Tag. Es war der 9. Juli 1976, Tag der Sardinen-Verkäuferinnen. Ein Tag, an dem traditionellerweise Tausende teilnehmen. Eine Demonstration für die Amnestie der politischen Gefangenen wurde von der Guardia Civil brutal unterdrückt. In diesem Kontext zogen als Fischer verkleidete bekannte Ultrarechte ihre Pistolen und schossen in die Menge. Dabei töteten sie Normi, Margaris Mutter. Als die Familie das Krankenhaus aufsuchte, wurde ihr mitgeteilt, dass die Guardia Civil den leblosen Körper bereits mitgenommen habe. „Als wir den Friedhof erreichten, war sie bereits begraben“, beschreibt Margari im Interview mit Intxorta 1937.
Obwohl sie im Jahr 2002 als „Opfer des Terrorismus“ anerkannt wurden, wurden die Hintergründe nie untersucht. Auf die Frage, ob die Täter bekannt seien, sagte sie: „Klar waren sie bekannt. Wie sollten sie nicht bekannt sein. Nur hat sich niemand darum gekümmert. Einer, der die Pistole zog war Txape, das weiß in Santurtzi alle Welt. So war das, er ging nach Madrid und sie alle gingen straffrei aus. Wir alle wussten, dass sie aus Santurtzi waren und wir kannten sie“. Margari will, dass die Täter eines Tages vor Gericht gestellt werden. „Ja, die Anerkennung würde mir entgegenkommen, letzten Endes würde damit offiziell anerkannt, was sowieso alle wussten. Sollte dieser Typ noch leben, sollte er vor Gericht gestellt werden. Und nicht, damit am Ende ein Richter sagt, ich würde eine Entschädigung bekommen, nein, darum geht es mir nicht. Er hat etwas gemacht, wofür er zur Rechenschaft gezogen werden muss. Bisher haben alle ihre Hände in Unschuld gewaschen: die Regierungen ... alle“.
ANMERKUNGEN:
(1) Der Artikel basiert auf folgenden zwei Quellen. *1. Die Forschungsarbeit ist gleichzeitig Ausstellungskatalog, er heißt im Original „Emeek emana“, ist zweisprachig baskisch-spanisch und wurde herausgegeben vom Kulturverein Intxorta 1937 im Eigenverlag, Elgeta. SS-227-2017. / „Eme“ bedeutet auf Baskisch: Frau, Weib, Weibchen. / Das Verb „eman“ bedeutet: geben – auf Deutsch könnte der Titel übersetzt werden mit „Von Frauen gegeben“. Aufgrund des besonderen Titels in Euskera entschied die Übersetzerin, den baskischen Titel beizubehalten. *2. Artikel „Tributo a las mujeres que el fascismo no pudo doblegar“ (Respekt für die Frauen, die der Faschismus nicht in die Knie zwingen konnte), aus der Sonntagsbeilage Zazpika der baskischen Tageszeitung Gara vom 30. Juli 2017
(2) 1934 kam es in den Kohlerevieren von Asturien zu einer Revolution, die von der Sozialistischen Gewerkschaft UGT und der anarchosyndikalistischen CNT angeführt wurden und als „Asturischer Bergarbeiterstreik“ in die Geschichte einging. Der revolutionäre Streik wurde von Polizei und Militär blutig niedergeschlagen. (Link)
FOTOS:
(1) Antifaschistische Ehrung Elgeta (FAT)
(2) Antifaschistische Ehrung Elgeta (FAT)
(3) Antifaschistische Ehrung Elgeta (FAT)
(4) Antifaschistische Ehrung Elgeta (FAT)
(5) Sonntagsbeilage Tageszeitung Gara
(6) Antifaschistische Ehrung Elgeta (FAT)
(7) Antifaschistische Ehrung Elgeta (FAT)