Die Mütze der Basken
Die Baskenmütze, spanisch Boina und baskisch Txapela genannt, gilt als typisch baskisches Kleidungsstück. Verbreitet ist sie weit über das Baskenland hinaus, Farben und Größen der Baskenmütze sind so vielseitig wie die Arten, sie auf dem Kopf zu platzieren. Die heutige Nutzung der Baskenmütze wird verhandelt zwischen identitarischer Symbolik, Auslaufmodell und modernem Modedesign. Ein Museum in Balmaseda/Bizkaia zeigt eindrucksvoll die nahezu originale Produktions-Maschinerie vom Ende des 19.Jahrhunderts.
Txapela, Barett, Boneta, Beret oder Baskenmütze sind die Bezeichnungen für die Kopfbekleidung, die in der Gegend von Bearn und Soule bereits seit dem achtzehnten Jahrhundert getragen wird. Im südlichen Baskenland verbreitete sie sich als ziviles Kleidungsstück erst nach dem ersten Karlistenkrieg. Hauptverantwortlich dafür war der Karlistengeneral Tomas de Zumalakarregi (1788-1835), weil er Teilen seiner Truppen diese Kopfbedeckung verordnete und sie damit zum Symbol der monarchistischen Kämpfer in baskischer Tradition machte. Aufgrund ihrer Beschaffenheit, Farbe und Vielseitigkeit wurde der Kopfschmuck schnell zum Liebling der jungen Generation und mit etwas Verzögerung auch der älteren. Der Gebrauch der bis dahin dominierenden traditionellen Hüte wurde zunehmend auf Zeremonien reduziert. Mitte des 19.Jahrhunderts begann eine halb-industrielle Produktion in verschiedenen Teilen des Baskenlandes, in Azkoitia, Tolosa (Gipuzkoa) und Balmaseda (Bizkaia), all das im Gefolge der nördlichen Nachbarn aus Oloron Sainte Marie und Nay im Bearn-Gebiet.
Die Anpassung an Geschmack und Bequemlichkeit erlaubt unendlich viele Möglichkeiten des Tragens, manche schließen daraus sogar auf den Charakter des Trägers. Sicher ist jedenfalls, dass die Baskenmütze trotz ihrer späten Einführung zum Symbol der Erscheinung der Baskinnen und Basken schlechthin wurde. (1)
Txapela nahi dut buruan / Mingañean berriz euskera
Bihotzan barru-barruan / Biak daukadaz batera
Eine Mütze auf dem Kopf / Auf der Zunge Euskara
Tief im Herzen / Beides zusammen
Mit der Zeit wurde die Boina zur traditionelle Kopfbedeckung und so zum charakteristischen Bild der Basken. Von Kindheit an bis ans Totenbett gehört sie dazu, respektvoll wird sie noch in tote Hände gelegt. Nur zum Schlafen ist sie neben das Bett verbannt, in der Kirche abgesetzt. In den Kirchen Lapurdis, als Männer und Frauen noch nicht gemeinsam auf den Kirchenbänken saßen, gab es einst lange Reihen hängender Barette an der Wand, die zeigten welche Galerien den Männern vorbehaltenen waren. Gleiches geschah in Gemeindesälen und anderen Orten männlicher Umtriebe wie öffentlichen Plätzen, den Pelotahallen, den Marktplätzen, immer entstanden dort Meere von Txapelas, die zu einem beliebten Motiv der ersten Generation von Fotografen wurde.
Abarkak oinetan / Tsapel bat buruan / Gerrestua gorputzean
au da nire apaindura guzia.
Abarkas an den Füßen / Eine Txapela auf dem Kopf
Die Jacke überm Körper / Das ist meine ganze Pracht.
Verbreitung weltweit
Zu Beginn waren es Bauern, Schäfer, Hirten und Fischer, die sich der Baskenmütze als Kopfbedeckung bedienten, doch Ende des 19.Jhs griff die Mode auf die Stadt über. Selbst Könige und Aristokraten trugen sie, wenn sie an den Stränden von Biarritz oder San Sebastian promenierten. Die Söhne der Bourgeoisie wechselten zwischen Hut und Boina, die Händler und Industriellen trugen sie im Alltag ständig. Sogar die Arbeiterklasse machte die tellerförmige Mütze zusammen mit steifen Hosen und Espadrilles zu einem Teil der Arbeitskleidung. Die Nutzung breitete sich aus und erreichte schließlich alle Winkel der Halbinsel. Die Boina kreuzte mit der Emigration und Diaspora die Ozeane und gelangte an Orte, die nie zuvor ein Kleidungsstück gesehen hatten, das auffallend und doch schlicht war. Sie wurde zum Erkennungszeichen, mit der die Basken von der Höhe des kleinen Zipfels aus die Welt grüßen. Den Rest besorgten die Modebranche und einige der berühmtesten Träger der Txapela. Sie wurde universell, geschlechtsneutral und: revolutionär durch Che Guevara, schick durch Coco Chanel, literarisch durch Hemingway, sportlich durch René Lacoste, künstlerisch durch Auguste Rodin, patriotisch durch das besetzte Frankreich, glamurös durch Ava Gardner und militärisch durch die Green Barrets.
Diese lange Reise ist der Grund dafür, dass die Baskenmütze seit dem ersten Karlistenkrieg als nationale Mütze der baskischen Provinzen identifiziert wird, ihr Name auch in andere Sprachen übernommen wurde: béret basque, beretto dei basque, basque cap, Baskenmütze. Doch obwohl sie sich den Ruf erobert hat, sinnbildlich für das baskische Volk zu stehen, ist sie doch eine einfache, bequeme Kopfbedeckung geblieben, die leicht herzustellen ist, gewoben aus Wolle und mit viel Verwandschaft unter den männlichen Kopfbedeckungen Europas. (1)
Geschichte der Baskenmütze
Im Universal-Lexikon Wikipedia ist die Geschichte der Baskenmütze folgendermaßen zusammengefasst: "Eine Baskenmütze (in skandinavischen Ländern und den Niederlanden auch Alpenmütze oder Alpino genannt) ist eine aus Wolle oder Filz (neuerdings auch aus Baumwolle) hergestellte Kopfbekleidung, welche mit dem Barett verwandt ist und nicht aus dem Baskenland, sondern aus der Nachbarregion, dem Béarn, stammt. Im Gegensatz zum Barett ist die Baskenmütze eine zivile Kopfbekleidung, auch wenn die autonomen Polizeibeamten des Baskenlandes (Ertzaintza) und von Navarra (Policía Foral) rote Baskenmützen tragen. In der Mitte trägt sie oft einen kurzen Stummel, ein Rest früherer langer Bommel. Die Baskenmütze wird auf Baskisch als Txapela [Tschapela] und auf Spanisch als Boina bezeichnet.
Obwohl genaue Daten nicht bekannt sind, ist sicher, dass die Baskenmütze seit sehr langer Zeit in den Gebirgstälern der Pyrenäen im französischen Baskenland und im benachbarten Béarn getragen wird. Der Name geht auf Kaiser Napoleon III. zurück, der sich mit seiner Gattin Eugénie gerne im Baskenland aufhielt. Dort sah er viele dieser Mützen und nannte sie fälschlicherweise béret basque, Baskenmütze. Da niemand ihm zu widersprechen wagte, setzte sich der Begriff durch. In Wirklichkeit handelt es sich beim Béret um eine Kopfbedeckung, die im gesamten Südwesten Frankreichs, im Béarn, in der Gascogne und im Baskenland beliebt ist. Ursprünglich war es die gestrickte Wollmütze der Schäfer in den Pyrenäen. Später wurde sie aus Filz gefertigt. Während der französischen Revolution gelangte die Kopfbedeckung nach Paris. Eine besondere Bedeutung erlangte die Mütze im 19.Jahrhundert während der Karlistenkriege, als der General Zumalakarregi rote Baskenmützen als Erkennungszeichen der navarresischen Bataillone einführte. Durch diese Verwendung wurde die Baskenmütze als Zeichen der nationalen Identität in ihrer zivilen Version in schwarz oder dunkelblau auch im spanischen Baskenland zur allgemein verbreiteten Kopfbedeckung.
Seit der allgemeinen Verbreitung wird die Baskenmütze seit dem 19.Jahrhundert auf französischer Seite in Fabriken rund um den Ort Oloron und auf spanischer Seite seit 1859 in Tolosa von der Firma Elósegui und ab 1892 von der Fábrica de Boinas La Encartada hergestellt. Auch in Südamerika (insbesondere Argentinien und Uruguay) hat sich – zurückgehend auf Einwanderer aus Tolosa – eine lange Tradition der Herstellung von Baskenmützen etabliert. Dort wird neben Wolle und Wollfilz neuerdings auch Baumwolle zur Herstellung von besonders leichten Sommer-Boinas verwendet. Diese Mützen erfreuen sich insbesondere bei den dortigen Rinderhirten, den Gauchos, immer größerer Beliebtheit. Auch viele Armeen in der ganzen Welt übernahmen die Baskenmütze, die gefaltet in die Taschen oder zusammengerollt unter die Schulterklappen gesteckt werden konnte.
In Frankreich trug man sie in den 1940er Jahren im ganzen Land und wurde so beliebt, dass das Tragen der 'Franzosenmütze´ während der deutschen Besatzung in Elsass-Lothringen als Zeichen des Widerstandes galt, weshalb sie verboten wurde. Dennoch war sie auch die Kopfbedeckung der Milice française, einer Hilfstruppe des Vichy-Regimes, die die Résistance bekämpfte." (2)
In der Beschreibung des Schriftstellers Miguel de Unamuno (1864-1936) bedeutete die Baskenmütze für seine Generation ein Faktor gesellschaftlicher Gleichstellung. Dennoch vermitteln die unterschiedlichen Formen des Tragens Charakter, Koketterie, Unverschämtheit, Frechheit oder Missachtung. Die Farbpalette der Mützen vermittelt neben ästhetischen auch ideologische Qualitäten, die Größe erzählt von der sozialen Herkunft und anderen Referenzen. So betrachtet bleibt der Baskenmütze neben ihrer nivellierenden Funktion dennoch ein breites Spektrum individueller Ausdrucksformen. In den 50er Jahren kursierte in San Sebastian folgende Klassifizierung: "Der Navarro trägt in Pamplona die gleiche Boina wie in Madrid, ein Mann aus San Sebastian trägt sie nur in seiner Stadt und setzt sich einen Hut auf, wenn er nach Madrid geht; der Bilbaino hingegen trägt zuhause einen Hut und in Madrid die Baskenmütze."
In allen Facetten
Heutzutage gibt es die Baskenmütze in vielen Farben, traditionell war sie weiß, rot, blau oder schwarz. Dabei war schwarz die Farbe, mit der sie durch die industrielle Produktion allgemeine Verbreitung fand. Dennoch sprechen historische Quellen davon, dass blau im 19.Jh auf beiden Seiten der Grenze die meistgetragene Farbe war. Diese Farbe ist zudem tief in der baskischen Ästhetik verwurzelt. Daneben ist Farbe auch Ausdruck von politischer Ausrichtung. So markierten die rote oder weiße Txapela ihre Träger als Karlisten oder Liberale für die Zeit des ersten Karlistenkriegs (1833-1840), im zweiten Karlistenkrieg (1872-1876) waren die Farben vertauscht. Im Spanischen Krieg von 1936 (auch Bürgerkrieg genannt) übernahmen die faschistischen Requetés aus Navarra die roten Boinas, während der Franco-Diktatur trug die totalitäre JONS-Gruppe diese Farbe. Den faschistischen Beigeschmack hat das Rot heutzutage weitgehend abgelegt, bei Fiestas wird sie in Pamplona (Navarra) und Baiona (Bayonne, frz.Baskenland) benutzt, oft auch von Tanz- und Folkloregruppen. Doch schwarz ist nach wie vor der Hit als Farbe der traditionellen Kopfbedeckung in Straßen, auf Plätzen, im Stadion und bei der Arbeit.
Gaur Euskadi modernoa heldu dela eta / Ertzainak txapelaren truke gorra du buruan
zure jantziarengatik ezagutuko zaitut / Orain nola egin?
Obwohl wir in einem modernen Euskadi leben / Trägt der Polizist eine Txapela auf dem Kopf
An deiner Kleidung werde ich dich erkennen / Und was jetzt?
Die Farbe identifiziert, aber auch auf die Größe kommt es an. Je ausladender der Rand, desto imposanter die Erscheinung, zumindest in Bilbao sei das von Bedeutung, sagt Emilio Pirla vom Hutladen Gorostiaga in der Altstadt der bizkainischen Hauptstadt. Je weiter östlich, desto größer die Txapelas, je weiter nach Süden, desto kleiner, mit Größen zwischen 10 und 14 Zoll, was 23 bis 32 Zentimetern Durchmesser entspricht. Mit stattlichen 36 Zentimetern (oder 16 Zoll) Größe schmücken die Baskenmützen nur noch die Häupter von Pelota-Meistern (Txapeldun heißt auf baskisch Meister) oder der auffälligsten Fans bei den Spielen des legendären Fußballclubs Athletic Bilbao im nicht weniger legendären Stadion San Mames.
Niedergang und Modehit
Wie andere Kopfbedeckungen, die bis in die 60er Jahre als obligatorischer Teil guter Kleidung galten, wird die Baskenmütze immer weniger benutzt. Heute wird sie oft als konservativ angesehen oder gar als Auslaufmodell. Die Txapela wird zunehmend den Älteren überlassen und in Teilen der jungen Generation von ausländischen Hüten und Mützen ersetzt, die paradoxerweise an die alten Hüte der Seeleute und Bauern erinnern. Hauptsächlich wird sie als Identitätssymbol getragen und gleichzeitig genau deshalb abgelehnt. Gleichzeitig geben ihr junge lokale Designer einen modernen Look, zum Beispiel die Boinas aus wiederverwertetem Stoff von Truca Rec, oder der Beitrag der neuen Modeschöpfer Loreak Mendian für das alteingesessene Elosegui-Unternehmen in Tolosa für die Herbst-Winter-Kollektion 2013.
Der Rückgang in der Benutzung wurde begleitet von einer Bewegung, die die Baskenmütze zu schützen und fördern versuchte, sowohl im spanischen wie im französischen Staat. Es wurden Kampagnen und Wettbewerbe organisiert rund um das Konzept und die Bedeutung der Txapela. Die ersten Aktivitäten begannen in den 60er Jahren mit der Organisation von Wettbewerben in den Städten Tolosa und Otxandio. Prämiert wurden die Form des Tragens, Ästhetik, Größe und Originalität der Baskenmütze. Diese Wettbewerbe werden mittlerweile auch in anderen Teilen des Landes durchgeführt, um auch für die Zukunft die Einzigartigkeit dieser Kopfbedeckung unter den Baskinnen und Basken hervorzuheben.
Viel ist über die Baskenmütze geschrieben worden, alle haben etwas Nützliches beigetragen, zuletzt der Ethnograf Antxon Aguirre Sorondo, der sich in seiner Monografie die Losung "txapela buruan eta ibili munduan" (mit der Txapela auf dem Kopf durch die Welt gehen) zu eigen machte und auf den Pfaden des bekanntesten Ethnologen des Baskenlandes wandelt: Joxe Miel de Barandiaran (1889-1991). (1)
Das Museum
Bei so viel Identitätsstiftung darf im Baskenland natürlich ein Boina-Museum nicht fehlen. Entsprechend ist aus der ehemaligen Mützenfabrik in Balmaseda (Bizkaia) ein Museum geworden. Etwas außerhalb der Stadt liegt es, im Stadtteil El Pañueco. Gegründet worden war die Fabrik von einem ehemaligen Auswanderer, Marcos Arena Bermejillo, der aus Mexiko zurückkam, nachdem er dort reich geworden war. Im Jahr 1892 ließ er, zusammen mit anderen Industriellen, in seiner Heimatstadt die Boina-Fabrik La Encartada aufbauen, auf dem Gelände einer ehemaligen Getreidemühle. In der Fabrik, die im Wesentlichen bis heute erhalten ist, wurden vor allem Mützen aus Schafswolle produziert. Bis zum Ende ihrer Aktivität fand dort die gesamte Produktionslinie statt: vom Erwerb der Rohstoffe bis zu den Endprodukten. Das waren neben Txapelas auch Decken, Schals, Strümpfe und Schlupfmützen. Nach dem Krieg von 1936 wurden nur noch Mützen produziert. Im heutigen Museum sind viele originale Maschinen aus der Zeit Ende des 19.Jhs erhalten, aus diesem Grund ist es von großem industriegeschichtlichem Wert. Geschlossen wurde das Werk 1992, im Jahr ihres 100-jährigen Bestehens.
Quellen:
(1) Der Artikel basiert zu großen Teilen auf einem am 17.Mai 2014 in der baskischen Tageszeitung DEIA erschienen Artikel mit dem Titel "La boina de los vascos"
(2) Wikipedia: Baskenmütze
Links: