Latxa, das baskische Schaf
Latxa-Schafe sind Teil der baskischen Berge, ebenso wie Dolmen und Menhire. Wie diese sind sie Protagonistinnen der baskischen Mythologie. Bei den Latxas handelt es sich um eine einheimische Schaf-Art, die dank ihrer groben und zotteligen Wolle in den regenreichsten Regionen des Baskenlands leben kann. Aus ihrer Milch werden die begehrtesten baskischen Käsesorten hergestellt, meist unter geschützten Herkunfts-Bezeichnungen. Mit Festen und Wettbewerben wird die Hirtentradition gepflegt.
(08.01.2015) Das Hirtendasein ist eine der ältesten Tätigkeiten in den baskischen Bergen und Hochebenen. Die Ursprünge des Schafehütens, insbesondere einheimischer Arten wie der Latxa (1), gehen zurück auf längst vergangene Zeiten und sind zudem Teil der vielfältigen baskischen Mythologie. Zu den bevorzugten Tieren der baskischen Legende Mari, der Dame, die in einer Höhle im Berg Anboto lebt, gehört der Hammel Aari, ihr steter Begleiter in den verschiedenen Höhlen. Mal ruht ihr Kopf auf seinem Fell, mal nutzt sie ihn als Sitz während sie spinnt, oder sie reitet auf ihm – laut Überlieferungen, die der Anthropologe Joxemiel Barandiarán (2) über Jahrzehnte hinweg zusammengetragen hat. (3)
Als erster Hüter der Schafe in der baskischen Mythologie gilt der einäugige Tartalo, auch Alarabi (4) genannt, der das Felsmassiv Gorbeia (5) bewohnt haben soll und dessen menschliche Nachfolger als Hirten Schreckmomente erlebten, die von einem Wesen namens Ardi verursacht wurden. Dieser Ardi nutzte sein Erscheinungsbild als Schaf, um die Hirten in eine der vielen tiefen Höhlen zu locken, wobei er vorgab, die Herde zu schützen. Dies ging solange gut, bis der Sage nach die Jungfrau von Arantzazu (6) den Hirten zu Hilfe kam und sie beschützte.
Diese Geschichten aus der baskischen Mythologie zeigen, welch lange Tradition das Hüten von Schafen hat und wie lange es die Latxa-Schafe bereits gibt. Ihr Name beruht zunächst auf ihrem groben zotteligen Fell, dessen Ursprung in der evolutionären Anpassung an die widrigen klimatischen Umstände liegt, der die Tiere ausgesetzt waren. Das grobe Fell schützt die Lämmer vor der Kälte und dem feuchten Klima der baskischen Berge. Ihr Fell ist lang, es reicht fast bis zur Erde und teilt sich auf ihrem Rückgrat als handle es sich um einen Dachfirst, der die beiden Dachschrägen markiert.Zwischen Alm und Anger
Zur Spezies der Latxa-Schafe gehören zwei Unterarten (7): eine mit schwarzem Kopf (ardi latx muturbeltza) und eine mit blassrötlichem Kopf (ardi latx muturgorria). Die schwarzköpfige Unterart ist vorwiegend in den Provinzen Gipuzkoa und Navarra zu Hause, die andere mehr in den Bergen der Provinz Araba (Alava). Daneben gibt es eine weitere, weniger verbreitete Unterart, die Latxa-Art Karrantza (8), die im westlichen Bizkaia und Teilen Arabas beheimatet ist. Im Allgemeinen fallen die Latxas durch ihre kantigen Formen auf. Ihr durchschnittliches Gewicht variiert je nach Ernährung, das Standardgewicht bei weiblichen Tieren liegt zwischen 35 und 45 Kilo und bei männlichen zwischen 55 und 70kg. Die Böcke haben auf Ohrhöhe gekrümmte Hörner, bei der schwarzköpfigen Unterart können jedoch auch weibliche Tiere ein Gehörn tragen.
Die Latxa-Schafe leben fast das ganze Jahr über im Freien. Den Sommer über weiden sie in den Bergen und erfüllen dort eine wichtige ökologische Funktion. Allein durch ihre Nahrungsaufnahme tragen sie zur Reinhaltung und Düngung der Bergweiden bei. Bei Winterbeginn werden sie ins tiefer liegende Grasland abgetrieben. Wie für viele andere Tiere im Baskenland gilt für die Latxas der Jahreszeiten-Rhythmus der Transhumanz: im Frühjahr der Auftrieb, im Herbst der Abtrieb.
Winterzeit ist Geburtenzeit
Die Lämmer werden als Folge der langen Trächtigkeit in der Regel mit relativ großem Gewicht geboren, die Weibchen tragen bis zu 154 Tage. Das hat zur Folge, dass 30 bis 40% der Geburten von Komplikationen begleitet sind. Den neugeborenen Lämmern wird das Säugen zügig abgewöhnt, nach ungefähr 25 Tagen, weil die Käseproduktion in Gang gehalten werden muss. Viele Lämmer werden an Züchter verkauft und bis zu ihrer Schlachtung gut ernährt, um das breite Interesse an ihrem zarten und nahrhaften Fleisch zu decken.
Der Verkauf von Lämmern ist eine wichtige Einnahmequelle, die durch die Aufzucht der Latxa-Schafe garantiert wird. Dazu kommt der Verkauf von Wolle, allerdings in weit geringerem Ausmaß. Der bedeutendste ökonomische Nutzen dieser Schafzucht liegt jedoch in ihrer Milchproduktion. Die Schafe verfügen über sehr entwickelte und schwammartige Säuge-Zitzen, die das Melken von Hand oder mit Maschine stark erleichtern. Tatsächlich ist die Latxa eine der besten Milchgeberinnen der Welt, ähnlich der Unterart Awassi (9) aus dem Mittleren Osten und des deutschen Milchschafs. Ein Latxa-Schaf produziert täglich schätzungsweise einen Liter Milch: über einen Zeitraum von 140 Tagen bei der hellen und 155 Tagen bei der schwarzköpfigen Art. Genetisch behandelte Exemplare geben bis zu 400 Liter. Der Milchpreis schwankt und wird über das Jahr teurer. Für die erste Milch wird weniger bezahlt , weil sie weniger Proteine aufweist und weil sie Bakterien und Keime beinhalten kann. Der Preis steigt im Laufe der Zeit aufgrund der Verbesserung des Fettanteils und der Proteine. 2014 beispielsweise wurde pro Liter zwischen 0,80 und 1,20 Euro bezahlt, je nach Qualität der Milch.
Aus diesem Rohstoff werden vorwiegend zwei Produkte hergestellt: Käse und Cuajada, eine Art von Dickmilch, die steif wird und einen wenig säuerlichen, fast neutralen Geschmack hat. Dabei können aus einem Liter ca. fünf bis sechs Cuajadas (in kleinen Bechern oder Tonkrügchen) gewonnen werden, die oft auch zu Hause produziert werden, da Schafsmilch zu ihrer Weiterverarbeitung abgefüllt angeboten wird.
Tausend Tonnen Käse
Der weitaus größte Teil dieser Milchproduktion ist jedoch der Käseherstellung gewidmet, besonders der Marke Idiazabal (10), die seit 1987 über ihre eigene geschützte Herkunftsbezeichnung verfügt (Denominación de Origen) (11). Ihr angeschlossen sind ca. fünfhundert Schafzucht-Betriebe und mehr als hundert Käsereien, von denen die Mehrheit den Käse aus der Milch eigener Schafe herstellt. Alle zusammen produzieren im südlichen Baskenland pro Jahr ungefähr sieben Millionen Liter Milch und daraus wiederum mehr als tausend Tonnen Käse. Von den 125 Käsereien, die 2013 unter der geschützten Herkunftsbezeichnung Idiazabal eingetragen waren, stammen 55 aus Gipuzkoa, 27 sind in Navarra ansässig, 26 in Araba und 17 in Bizkaia. Letztere arbeiteten insbesondere mit dem Karrantza-Schaf und sind auch fast ausschließlich in Karrantza angesiedelt.
Daneben gibt es in Hego Euskal Herria (dem südlichen Baskenland) eine zweite geschützte Herkunftsbezeichnung, unter der Käse aus der Milch des Latxa-Schafs hergestellt wird: Roncal. Unter dieser Herkunftsbezeichnung sind seit 1981 die Produzenten des Roncal-Tales im nördlichen Navarra zusammengefasst. Obwohl ihre Produkte aus der Milch des Latxa-Schafs hergestellt werden, beantragten sie im Jahr 2008 bei der EU-Kommission die Erlaubnis, andere Milchsorten in ihre Käseproduktion aufnehmen zu dürfen. Im September 2013 hat der Regulierungs-Ausschuss jedoch die Aufhebung dieser Genehmigung gefordert, also die Nichtbeimischung von Milch des Assaf-Schafs (12) und damit die Rückkehr zur früheren exklusiven Verwendung der Latxa-Milch.
Die Herstellung dieses hochgeschätzten Hartkäses findet in der Regel zwischen Dezember und Juli statt. Für die Zubereitung werden sieben Liter Rohmilch gebraucht, unpasteurisierte Milch also, am Besten direkt vom Melken. Sie wird bei einer Temperatur zwischen 30 und 37 Grad zum Gerinnen gebracht, unter Beifügung von tierischem Lab, das zuvor gesäubert, getrocknet, püriert und mit Salz vermischt wurde. Ist die Gerinnung erreicht, wird der Käse mittels einiger Schnitte in die vom Lab verdickte Käsemasse von der Molke getrennt, in runde Gussformen gefüllt und dort gepresst. Danach wird er für ca. 30 Stunden in Salzlake getaucht, um anschließend während der folgenden 40 Tage bei einer Temperatur von 12 Grad getrocknet zu werden. Zuletzt kommt die Reifephase, die mindestens 4 Monate dauert. Nach Fertigstellung kommt der Käse zur Aufbewahrung und bis zu seinem Verkauf in den Lagerraum. Das Ergebnis ist ein öliger Käse mit einem Gewicht zwischen einem und drei Kilo, gekennzeichnet durch einen intensiven Geschmack und Geruch, eindringlich und sauber zugleich. Sein Gewebe ist kompakt, nicht besonders elastisch und sehr fest. Die erste Kostprobe steht am Ende eines Verfahrens, das mehrere Monate zuvor in den Bergen des Baskenlandes seinen Anfang nahm – in den Bergen zwischen Karrantza und Roncal, in denen dieses Schaf mit den langen Haaren seit Jahrhunderten ein gewohntes Element der Landschaft darstellt.
Die ersten Schäfer
Die Zähmung wilder Tiere brachte in der Geschichte der Menschheit eine der bedeutendsten Veränderungen mit sich. Dieser Prozess begann vor ca. 9.000 Jahren im sogenannten Neolithikum, der Jungsteinzeit (13) im Nahen Osten und fand ungefähr zeitgleich mit einschneidenden klimatischen Veränderungen und einem Entwicklungsschub der menschlichen Art statt. In Euskal Herria setzte sich diese Neuerung vor ca. 6.000 Jahren durch. Allerdings war die Anzahl der domestizierten Tiere bis zum Ende der Jungsteinzeit oder gar bis zur Bronzezeit (14) nicht sehr hoch. Ein paar Jahrhunderte später, im Übergang zwischen Bronze- und Eisenzeit, ca. 2.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung, überwog bereits die Viehhaltung zusammen mit der Landwirtschaft, und die Jagd wilder Tiere wie Rotwild oder Wildschwein war weitgehend verdrängt.
Die Viehhaltung betraf vorwiegend Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine. Diese Tierarten deckten den hauptsächlichen Fleischbedarf. Darüber hinaus gab es auch andere domestizierte Tiere wie Pferde, Esel, Hunde und Hühner, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß. Über das nahrhafte Fleisch hinaus lieferten die gezähmten Tiere auch andere Produkte wie Milch und Wolle, Leder und Horn. Mehr noch: einige dieser Tiere wurden später auch als Transportmittel für Menschen und Waren genutzt.
Transhumanz
Nach der Verbreitung der Tierhaltung entwickelte sich langsam die Praxis der Transhumanz (15) oder Wanderweide-Wirtschaft, die heutzutage zwar vielerorts nicht mehr praktiziert wird, jedoch als Hirtentradition nicht verloren gegangen ist. Im Frühjahr wurden und werden die Herden von ihrem regelmäßigen Aufenthaltsort weggebracht, meist in die Berge, um die Wiesen in Höhenlage zu nutzen und die Tiere vor der Hitze des Tieflandes zu schützen. Dabei mussten die Hirten eine lange Zeit bei den Herden verbringen, weit weg von zu Hause. Erst zu Beginn der kalten Monate zogen sie im sogenannten Abtrieb wieder ins Tal. In Euskal Herria war diese Praxis weit verbreitet und hat auf allen hohen Bergen bis heute sichtbare Spuren hinterlassen. An vielen Orten sind nach wie vor die Bordas zu sehen, kleine Steinhütten, die Hirten und Herden teilweise gleichzeitig beherbergen konnten. Aus der Zeit vom Neolithikum bis zum Beginn der Neuzeit finden sich mit Dolmen und Cromlechs Beweise von Beerdigungs-Monumenten und Aufenthaltsorten über die gesamte baskische Berglandschaft verteilt. Im Baskenland ist die Tradition der Transhumanz noch nicht verloren gegangen, auch wenn sie nur noch selten im Sinne eines Nomadenlebens praktiziert wird. Dass die Transhumanz mittlerweile auch touristischen Charakter hat, beschreibt der folgende Bericht (16):
Am Samstag, den 22. Juni 2013 machte sich der Schäfer Jesús Etxezarreta zusammen mit seiner Herde von 500 Schafen, einigen Familienangehörigen, Freunden und den drei Hunden Lista, Brin und Txiki auf den Weg von den in 240m Höhe gelegenen Winterwiesen in Segura / Gipuzkoa zu den auf 1.100m gelegenen Sommerweiden. Sie sind auch und unter dem Namen Campas de Urbía bekannt und liegen im Naturpark Aitzkorri-Aratz, der verwaltungstechnisch teilweise zu Gipuzkoa und teilweise zu Araba gehört. Dieser weder klar definierte noch forstwirtschaftlich gewartete Weg könnte gut und gerne 4.000 Jahre alt sein wie die entdeckten Dolmengräber (17) aus der Bronzezeit erkennen lassen. Quer durch die Orte Zerain und Barbari führt uns der Weg über den Bergpass Oakorosoa (797m) durch einen aufgeforsteten Pinienwald nahe der Wasserscheide Oria-Urola. Auch am folgenden Pass (Oazurtza, 732m) stehen Pinien und Lärchen, allerdings ist die Umgebung geeigneter für die Schafe, genauso wie die weiter oben gelegene Weidelandschaft aus Farn und Gestrüpp. Es folgt ein steiler Anstieg durch einen Buchenwald, in dem an manchen Stellen noch Spuren der früheren Kohleerzeugung über Buchenholz zu sehen sind. An der Wasserquelle Andraitz beginnt ein Zickzackweg, der repariert werden sollte, an der Quelle gibt es eine kleine Tränke. Zwischen der Quelle und dem nächsten Pass verengt sich der Pfad zu einem schmalen felsigen Durchgang, der den Schafen Schwierigkeiten bereitet. Über unseren Köpfen kreist ein Paar von Aasgeiern und mehrere Gänsegeier. Nach dem Pass Igoate auf 1.357 Meter Höhe fällt der Weg zu den Urbía-Wiesen leicht ab und die einfachen Berghütten der Schäfer kommen in Sicht. Hier verbringen Schäfer, Schafe und Hirtenhunde den Sommer bis sie sich im kommenden Oktober wieder auf den Rückweg machen. Bleibt zu hoffen, dass diese althergebrachte Tierhaltung noch lange andauert. (18)
Die Latxas im Binnentourismus
Wie viele Bereiche und Themen der baskischen Kultur haben die Latxas Eingang in den Tourismus gefunden, eine Reisetätigkeit, die mit dem Adjektiv "ökologisch" versehen ist. Vorerst ist dies ein einheimischer und kulturell motivierter Tourismus, der im Baskenland ziemlich ausgeprägt ist. Abgesehen von Ballungszentren wie den baskischen Hauptstädten sind Schafe fast überall zu finden. Wer sich nicht ausschließlich auf der Autobahn bewegt, trifft früher oder später einen Hirten mit seiner Herde und muss warten bis die Tierschar vorbeigezogen ist. Neben den zufälligen Begegnungen gibt es die kulturellen Highlights, die in der Regel von Tausenden besucht werden: Vieh- und Landwirtschaftsmärkte, als Herri Kirolak bekannte baskische Land-Sportarten und Hirtenhund-Wettbewerbe verteilen sich auf das gesamte Kalenderjahr und sind in der Regel auch bei allen Fiestas vertreten. Die Kleinstadt Amurrio in Araba zum Beispiel verbindet einen Viehmarkt mit Wettbewerben baskischen Landsports und einem Geschicklichkeits-Wettbewerb für Schäfer und ihre Hunde. Dieselben Vorführungen gibt es bei den Solidaritäts-Festen für die Baskisch-Schulen (Ikastolas), die auf diese Art ihre Arbeit finanzieren. Im navarrischen Uharte-Arakil findet am Artzai Eguna (Tag des Schäfers) neben den bereits erwähnten Wettbewerben auch eine Schafschur-Vorführung sowie eine Käse-Prämierung statt (siehe Artikelende). Eine Jury aus Käse-Gourmets beurteilt die eingereichten Produkte – alle erster Klasse versteht sich – und verleiht die Preise. Danach wird der Sieger-Käse versteigert. Dass dabei Preise von mehr als 5.000 Euro für eine Hälfte geboten werden, ist nur vor dem Hintergrund der Verankerung des Hirtenberufs und der Wichtigkeit des Käse-Produkts in der baskischen Gesellschaft zu verstehen. In der Regel sind es Edel-Restaurants, die den Siegerkäse erwerben, um ihn stolz auf die Speisekarte schreiben. Umgekehrt ist es für die Produzenten, in der Regel Schafzucht-Gehöfte oder Kooperativen eine Selbstverständlichkeit, auf ihre Namensschilder oder Webseiten das Jahr und den Ort von Wettbewerbs-Erfolgen zu notieren. Das steigert den Preis des Produkts auch in Jahren des Nichterfolgs. Im Sommer finden dann die Schäfer-Wettbewerbe statt, bei denen die kleinen baskischen Hirtenhunde beim Eintreiben kleiner Schafherden in Pferche oder durch Tore ihre Geschicklichkeit beweisen müssen. Die Schäfer zeigen wie gut das Zusammenspiel mit ihren Hunden funktioniert. Erst auf provinzieller Ebene, dann regional, baskenlandweit und am Ende international finden die Wettbewerbe statt, quer über das Baskenland verteilt.
Tag des Schäfers – Artzai Eguna
Um einen Eindruck zu bekommen von den traditionellen Aktivitäten rund um die Schaf- und Hirtenkultur werfen wir einen Blick auf die 47.Ausgabe des Artzai Eguna (Tag des Schäfers) in Uharte. Im Jahr 2014 gab es dort folgendes Programm:
• 10h Zusammenstellung der Jurys. Aurresku- baskischer Ehrentanz.
• 10.30 bis 14.30h: 33.Wettbewerb von Latxa-Käse aus Navarra. Versteigerung der Gewinner-Käse, öffentliche Käseprobe, Käsemarkt.
• Parallel dazu findet die 31.Ausstellung zur Geschichte der Latxa-Produktion statt und die 11. Prämierung der besten Schafe.
• Um 11.30 wird eine Herde durch das Dorf getrieben und von einer Hochebene zur anderen gebracht, von Aralar nach Andia. Dazu wird demonstiert, wie die Käseproduktion abläuft.
• Von 11 bis 13 findet der 27. Schaf-Schur-Wettbewerb mit mechanischen Scheren statt, der als Qualifikation für die spanische Meisterschaft gilt.
• Parallel werden einheimische baskische und pyrenäische Schäferhunde gezeigt und prämiert.
• Um 12.45 gibt es eine Weinprobe mit navarrischen Sorten, gleichzeitig kann Schafbraten probiert werden.
• Um 13.30 werden alle Siegerpreise verteilt, um 14.30 ist Volksessen im Frontón, zu dem sich anmelden kann wer möchte.
• Abgerundet wird der Artzai Eguna mit dem Wettbewerb der Hirtenhunde um 17h.
Bei gutem Wetter versammeln sich mehrere Tausend Personen in dem kleinen Ort am Arakil-Fluss. Ganze Familien verbingen dort ihren Sonntag, manche verbinden den Ausflug mit einer Nacht in der Landpension. Der baskische Nachwuchs lernt an solchen Tagen die Wirklichkeit des Land-, Berg- und Hirtenlebens kennen. So wissen auch Stadt-Kids nicht nur die Namen der aktuellen Fußballer von Athletic Bilbao oder Osasuna, sie kennen auch die Namen der Hirtenhunde, die zusammen mit ihren Schäfern in den vergangenen drei Jahren die Wettbewerbe gewonnen haben.
Anmerkungen:
(1) Latxa ist ein baskisches Wort und bedeutet roh, rauh, grob oder zäh.
(2) Joxemiel Barandiarán, siehe Artikel bei Baskultur.info über "Baskische Anthropologie"
(3) Dieser Text basiert weitgehend auf Informationen aus den beiden folgenden Quellen: "Latxa, la áspera oveja vasca" (Latxa, das rauhe baskische Schaf) von Jon Urroz in der baskischen Wochenzeitung Zazpika Nr: 830, vom 21.12.2014. Sowie "Euskal Herriko lehen artzainak" (Die ersten Hirten des Baskenlands) von Xabier Peñalver Iribarren in der baskische Reise-Zeitschrift NORA Nr. 48, vom Juli 2012.
(4) Tartalo oder Alarabi: In der baskischen Mythologie ist Tartalo oder Alarabi ein einäugiger Riese mit brutalen Verhaltensweisen. Quellenangaben zufolge lebte er in den Bergen Navarras nahe Zizur Mayor und Astráin, bekannt als Monte del Perdón (Berg der Vergebung) wegen seiner Bergkapelle gleichen Namens oder auf dem Berg Saadar in Gipuzkoa wo ein Dolmen seinen Namen trägt: Tartaloetxea bedeutet Haus des Tartalo. Seine Größe und Kraft sind übermenschlich und seine Lieblingsbeschäftigung ist, Felsstücke von einem Berg zum anderen zu werfen. Er gilt als wild und aggressiv und ernährt sich von Schafen und Kindern, selbst von Erwachsenen ab und zu. Mit Hilfe eines Zauberrings hält er seine Beute unter Kontrolle. Eine Sage erzählt, er sei ertrunken, als er eine seiner menschlichen Beuten verfolgt habe und in einen Brunnen gesprungen sei.
(5) Der Berg Gorbeia (spanisch: Gorbea) ist der höchste Berg eines von der Form her flachen Massivs desselben Namens zwischen den Provinzen Araba (Alava) und Bizkaia. Er ist 1.482 m hoch und seit 1899 mit einem hohen und weithin sichtbaren Metallkreuz gekrönt. Seine Besteigung ist sehr beliebt unter den baskischen Berg- und Wanderfreundinnen, insbsondere am Neujahrstag.
(6) Virgen de Arantzazu (Jungfrau von Arantzazu). Ihr ist ein Franziskanerkloster in Gipuzkoa geweiht, weil es dort der Legende nach eine Erscheinung gab. Siehe dazu den Artikel "Bergkloster mit Kunstpolemik" auf Baskultur.info
(7) Rasse – Unterart: Im spanischen Sprachgebrauch ist der Begriff "Rasse" vorherrschend. Baskultur.info sieht von diesem Begriff ab und benutzt stattdessen die Begriffe "Art" und "Unterart", entsprechend der folgenden Definition: Rasse ist ein abstrakter Ordnungsbegriff, vergleichbar mit der Klasse in der Logik oder der Sorte, der Art im umgangssprachlichen Sinne. Er bezeichnet beliebige Zusammenfassungen von nach subjektivem Ermessen gruppierten Lebewesen einer Art. Seine fachlich korrekte Verwendung beschränkt sich auf die Klassifikation von Zuchtformen; frühere Anwendungen, etwa in den biologischen oder anthropologischen Wissenschaften, sind weitgehend obsolet. In der Biologie hat sich seit dem 19. Jahrhundert anstelle der "Rasse" allmählich die Unterart durchgesetzt, die weniger Raum für willkürliche Unterteilungen bietet, da sie deutlich strenger definiert ist (Wikipedia: Rasse).
(8) Karrantza oder offiziell Karrantza Harana, Valle de Carranza, bezeichnet eine baskische Gemeinde im Westen der Region Bizkaia. Karrantza grenzt im Norden an Kantabrien und im Süden an Burgos und ist ein vorwiegend langwirtschaftlich geprägtes Gebiet. Die Gemeinde besteht aus ca. 50 kleinen Ortsteilen, bekannt ist Karrantza durch die Pozalagua-Höhle mit einmaligen Schnörkel-Stalaktiten und durch den Tierpark El Karpin.
(9) Awassi Schafart: ihr Ursprung liegt in Syrien und Mesopotamien, sie ist außerdem unter dem lokalen Namen Baladi bekannt. In Europa wurde sie zuerst im spanischen Staat eingeführt, hatte jedoch keinen großen Erfolg und wurde bald durch die produktivere Assaf-Unterart ersetzt.
(10) Der Idiazábal-Käse kommt aus dem Baskenland und Navarra. Als Namensgeber für den Käse wurde der Ort Idiazábal in der baskischen Provinz Gipuzkoa gewählt, weil dieser den geographischen Mittelpunkt des Produktionsgebietes darstellt. Idiazabal-Käse wird aus Schafmilch der Arten Latxa und Carranzana hergestellt, wobei es sich sowohl um Rohmilch als auch um pasteurisierte Milch handeln kann. Das Ergebnis ist ein leicht- bis mittelpikanter Hartkäse, welcher in einer ungeräucherten und einer geräucherten Variante hergestellt wird. Die geräucherte Variante lässt sich an der gelblichen Färbung erkennen, die ungeräucherte Käserinde dagegen ist eher weiß. Ein Käselaib wiegt zwischen einem und drei Kilo, bei einer zulässigen Höhe von 8 bis 12 cm und einem Durchmesser von 10 bis 30 cm. Der Mindestgehalt des Fetts in der Trockenmasse beträgt 45 %. Jährlich findet im Ort Ordizia in Gipuzkoa eine Käseprobe statt, bei der eine Jury den besten Idiazábal-Käse wählt. Bei der Probe wird ein halber Käse verspeist, die verbleibende Käsehälfte wird am selben Ort unter Restaurants und anderen Mitbietenden versteigert und erreicht üblicherweise Preise von mehr als 5.000 €.
(11) Denominación de Orígen (D.O.) oder Denominación de Orígen Calificada (D.O.C.) ist eine geschützte Herkunftsbezeichnung von Produkten im spanischen Staat, sie beziehen sich auf Käse, Wurst, Schinken oder Gemüse und insbesondere auf verschiedene Weinsorten. In Bereich Wein entspricht sie etwa den französischen AOC (Appellation d'Origine Contrôlée) oder dem deutschen QbA (Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete) und erfasst die bekanntesten klassischen Weine Spaniens. Heute gibt es über 60 D.O.s. Jede D.O. wird zusammen mit der örtlichen Verwaltung und der staatlichen Lebensmittel-Verwaltung in Fragen der Qualitätskontrolle wie Erträge und Rebsorten entschieden. Eine Klassifizierung mit strengeren Auflagen als die D.O. ist die Denominación de Origen Calificada (D.O.C. oder D.O.Ca.), welche erstmals 1991 in der Weingegend Rioja eingeführt wurde. Die Produktionsvorschriften dieser "klassifizierten" Herkunftsbezeichnung legen genau umgrenzte Anbaugebiete, das Rebsortiment, maximale Ertragsmengen etc. fest. (Wikipedia)
(12) Das Assaf-Schaf ist Ergebnis der Kreuzung des Awassi mit dem Ostfriesischen Milchschaf. Im Jahr 1955 begannen Forscher der israelischen Agricultural Research Organization (ARO) dieses Projekt mit dem Ziel, die Fruchtbarkeit des Awassi Schafes zu verbessern. Die Nachfrage nach Assaf Schafen steigt seitdem jährlich. Es wurde vorwiegend nach Spanien, Portugal, Chile und Peru exportiert.
(13) Die Jungsteinzeit (fachsprachlich das Neolithikum) ist eine Epoche der Menschheitsgeschichte, deren Beginn durch den Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern mit domestizierten Tieren und Pflanzen definiert ist. Zentrale Kriterien sind: Domestizierung von Tieren und Pflanzen. Sesshaftigkeit der Bauern (Nomadismus auf Viehhaltung basierender Kulturen, etwa Transhumanz, bleibt bestehen). Verbreitung geschliffener Steingeräte (Steinbeile, Dexel). Ausweitung des Gebrauchs von Gefäßen aus Keramik (Wikipedia)
(14) Die Bronzezeit ist die Periode in der Geschichte der Menschheit, in der Metallgegenstände vorherrschend aus Bronze hergestellt wurden. Diese Epoche umfasst in Mitteleuropa etwa den Zeitraum von 2200 bis 800 v. Chr. Die Bronzezeit ist die mittlere Stufe des von Christian Jürgensen Thomsen entwickelten Dreiperiodensystems, das insbesondere die europäische und mediterrane Vor- und Frühgeschichte in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit unterteilt. Die Dreiteilung nach dem verwendeten Werkstoff ist (lokal ggf. durch kurze Kupferzeiten unterbrochen) weitgehend auf Europa, Westasien und Nordafrika zu beschränken. Da der Begriff sich ausschließlich auf den umfangreich verwendeten Werkstoff bezieht, sagt die Zuweisung einer Kultur zu dieser Periode nichts über ihre kulturelle Höhe aus. So fällt der Anfang der Hochkulturen Vorderasiens und Ägyptens in die ausgehende Stein- und beginnende Bronzezeit. (Wikipedia)
(15) Transhumanz: Transhumanz oder Wanderweidewirtschaft ist (nach der deutschen und romanischen Literatur) eine vorwiegend marktorientierte Form extensiver Fernweidewirtschaft unter der Obhut von halb-sesshaften Hirten mit einem klimabedingten saisonalen Wechsel der in verschiedenen Höhenstufen liegenden Weidegebiete, weil diese jeweils nur während einer Jahreszeit ausreichend Futter bieten. In der kalten oder trockenen Jahreszeit weidet das Vieh (zumeist) nah am dauerhaften Wohnort der sesshaften Eigentümer, während es die übrige Zeit auf entfernten Weiden in einer anderen Höhenstufe verbringt (im Regelfall im Gebirge). Die Eigentümer selbst betreiben Ackerbau oder gehen anderen Berufen nach. Wanderweidewirtschaft findet in jeder Periode grundsätzlich auf natürlich entstandenem, zumeist nicht eingehegtem Weideland statt und ist insofern auch eine Form der Landnutzung, die Pastoralismus genannt wird (Naturweidewirtschaft). Eine Stallhaltung im Winter (wie bei der Almwirtschaft) kommt bei den klassischen Formen nur selten vor und geschieht nicht aus klimabedingter Notwendigkeit. Da die Wanderweidewirtschaft auf historische Kulturen von Hirtenvölkern zurückgeht und zum Teil auch zur Selbstversorgung (Subsistenzwirtschaft) praktiziert wird, gehört sie zu den traditionellen Wirtschaftsformen. Wenn die eigene Bedarfsproduktion im Vordergrund steht, spricht man auch von „transhumantem Agropastoralismus". Ethnologisch (völkerkundlich) betrachtet, vereinen sich unter dem Begriff die Übergangsformen zwischen Vollnomadismus und völliger Sesshaftigkeit. Wanderweidewirtschaft ist nicht mit Nomadismus zu verwechseln, auch wenn sie heute eine häufige Form der mobilen Tierhaltung ehemaliger Nomadenvölker ist. (Wikipedia)
(16) Originaltitel "Una transhumancia por el País Vasco" (Eine Transhumanz im Baskenland), ein Reisebericht, von José Ramón Hidalgo, veröffentlicht auf der Webseite der Vereinigung Transhumanz und Natur (Asociación transhumancia y naturaleza).
(17) Ein Dolmen (bretonisch für "Steintisch") ist ein in der Regel aus großen, behauenen oder natürlichen Steinblöcken errichtetes Bauwerk, das zumeist als Grabstätte diente. Dolmen sind die zahlenmäßig häufigsten Bauwerke der Megalithkultur. Sie waren ursprünglich regelmäßig von Hügeln aus Steinen oder Erde oder beidem bedeckt. Neolithische Monumente sind Ausdruck der Kultur und religiöser Traditionen. Ihre Entstehung und Funktion gelten als Kennzeichen der sozialen Entwicklung. (Wikipedia)
(18) Zum gleichen Thema der Artikel bei Baskultur.info: "Traditionen im Baskenland – Handwerkstraditionen"
Abbildungen:
(1) Latxa-Schafe, Foto Archiv Txeng (FAT)
(2) Die Figur des Ttarttalo bei einer Fiesta in Bilbo, (FAT)
(3) Latxa-Schafe, (FAT)
(4) Frisch geschorene Schafe auf der Straße mit einem Hirten, (FAT)
(5) Latxa-Schafe, (FAT)
(6) Käse beim Santo Tomas Markt drei Tage vor Weihnachten, (FAT)
(7) Latxa-Schafe, (FAT)
(8) Traditioneller Schäferhund-Wettbewerb, (FAT)
(9) Traditioneller Schäferhund-Wettbewerb, (FAT)
(10) Traditioneller Schäferhund-Wettbewerb, (FAT)
(11) Latxa-Schafe, (FAT)