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Ausstellung im Archäologie-Museum Bilbao

Der urzeitliche Fundort der in der spanischen Provinz Burgos gelegenen Sierra de Atapuerca gehört zu den spektakulärsten auf der Iberischen Halbinsel. Entdeckt wurden dort Ende des 20. Jahrhunderts Schädel von Humanoiden, die den Neandertalern vorausgingen. Ein Teil dieser Geschichte wird nun in einer vom baskischen Anthropologen Juan Luis Arsuaga ausgearbeiteten Ausstellung in Bilbao gezeigt. Daneben sind Funde aus dem Baskenland zu sehen, unter anderem das älteste Fossil, ein Oberarmknochen.

Das Archäologie-Museum in Bilbao erzählt in einer Ausstellung bis Oktober 2017 die menschliche Entwicklung am Beispiel von menschlichen Schädeln aus Atapuerca. Die Ausstellung „Atapuerca: Schädel 4“ wurde von Juan Luis Arsuaga, einem Experten für prähistorische Anthropologie zusammengestellt.

„Als ich hier in Bilbao vor langer Zeit in die Schule ging und mich für Vorgeschichte interessierte, hätte ich nie gedacht, dass ich eines Tages die Gelegenheit haben würde, Menschengruppen vor den Neandertalern zu entdecken“. So die Worte von Juan Luis Arsuaga bei der Eröffnung der Ausstellung „Atapuerca: Schädel 4“ im Archäologie-Museum von Bilbao. Er selbst hat die Ausstellung zusammengestellt im Auftrag des Museums der menschlichen Entwicklung in Burgos (Museo de la Evolución Humana). (1)

atapuerca02Arsuaga ist Kodirektor der Ausgrabungen von Atapuerca, einer prähistorischen Fundstätte in Burgos (Spanien), die wegen der außergewöhnlichen archäologischen und paläontologischen Funde zum Naturschutzgebiet, zum schützenswerten Kulturgut und zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde. Zu den Funden zählen Fossilien, die von ihren Entdeckern wenigstens drei Arten der Hominini zugeordnet wurden: Homo Antecessor, Homo Heidelbergensis und Homo Sapiens (2). Für seine Forschungsarbeit erhielt der 1954 geborene Arsuaga den Asturien-Preis für wissenschaftliche und technische Forschung.

Beim Eröffnungsgang durch die Ausstellung betonte Arsuaga die Bedeutung des Fundstücks, das der Ausstellung in Bilbao seinen Namen gibt. Dieser Schädel wurde 1992 in der sogenannten „Knochengrotte“ (Sima de los huesos) des Grabungsgebietes gefunden. Beim Ausstellungsstück handelt es sich um die Kopie des Schädels eines 430.000 Jahre alten männlichen Individuums, das von seinen Entdeckern Agamemnon genannt wurde und der menschlichen Spezies Homo Heidelbergensis zugeordnet wird (600.000 bis 200.000 Jahre). Gefunden wurde der Schädel nahe des Fundortes des Schädels Nummer 5, der Miguelón genannt wird (als Hommage an den Radfahrer Miguel Indurain) und der ungefähr dasselbe Alter aufweist.

„Die meiste Zeit innerhalb der letzten Million Jahren lebte die Hälfte der Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel“, erklärte Arsuaga in Hinsicht auf den Fundort in Burgos. Der Agamemnon-Schädel verbindet die Atapuerca-Bevölkerung mit den Neandertalern, sie waren mehr oder weniger deren Vorfahren. Gleichzeitig zeigt die Ausstellung auch Reproduktionen von verschiedenen versteinerten Schädeln aus ähnlicher oder späterer Zeit, die jedoch eine andere Morphologie (Gestalt) aufweisen als jene von Atapuerca. Auch haben sie keine derart klare Verbindung mit den Neandertalern. Das zeugt, so Arsuaga, von der Verschiedenheit innerhalb der damaligen Bevölkerungsgruppen.

atapuerca03Der Schädel Nummer 4 ist eine Kopie eines Neurocraniums, das heißt, eines Schädels ohne Gesichtsknochen. Er gehörte zu einem männlichen Wesen mit einer für die Epoche erstaunlich großen Hirnmasse, die ungefähr 1.360 Kubikzentimeter umfasste. Agamemnon war zudem von einer Gestalt, die sich von seinen Nachfolgern, den Neandertalern, unterschied. Die Wissenschaftler*innen haben bei ihrer Analyse geschlossen, dass der Besitzer des Schädels eine Reihe von Gesundheitsproblemen hatte, es sei sogar möglich, dass er taub war und starke Kopfschmerzen hatte. Neben diesem Exemplar wird bei der Ausstellung auch der Schädel Nummer 5 gezeigt. Bei diesem Stück sind Narben verschiedener kleiner Prellungen zu beobachten. Daraus wird geschlossen, dass diese Bevölkerungsgruppe mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert war, die das Überleben in Frage stellten.

Arsuaga kommentierte auch die große Anzahl von Entdeckungen in den vergangenen Jahren. Das überraschende sei jedoch nicht die Quantität der gemachten Funde, vielmehr sei es erstaunlich, dass die Objekte nicht schon vorher gefunden worden seien, sagte der renommierte Urzeitforscher. Denn die iberische Halbinsel sei voller archäologischen Kulturguts.

Das Archäologie-Museum zeigt während der Austellung außerdem den Dokumentarfilm von Javier Trueba mit originalen Sequenzen der Ausgrabung von Agamemnon. Mit Hilfe dieser Bilder können sich die Besucher*innen ein genaueres Bild machen von der Arbeit der Archäolog*innen von Atapuerca. „Mit diesem Kulturerbe sind wir außerordentlich gut bedient, deshalb haben wir wichtige Aufgaben zu erledigen. Wir leben in einem Territorium, in dem sich ein Großteil der Geschichte menschlicher Evolution abspielte“, betonte Arsuaga.

Das älteste baskische Fundstück

atapuerca04Bei der gegenwärtigen Ausstellung kommt das Archäologie-Museum auch auf urgeschichtliches Material zu sprechen, das im Baskenland gefunden wurde. Gezeigt wird eine Nachbildung (aus Gründen der Konservierung) des Oberarmknochens aus der Lezetxiki-Höhle im Ortsteil Garagarza von Arrasate (span: Mondragon, Gipuzkoa). Bei diesem Fossil handelt es sich um das älteste im Baskenland gefundene mit einem geschätzten Alter von 164.000 Jahren. Es wurde 1964 von den Anthropologen José Miguel de Barandiaran (3) und Jesús Altuna entdeckt und untersucht. Dabei handelt es sich um den Knochen einer Vor-Neandertalerin von ungefähr 35 Jahren. Bis heute wird in der zu Ausläufern des Udalaitz-Berges zählenden Lezetxiki (baskisch: kleine Höhle) gegraben.

Eine kleine Vitrine hat das Museum für den Schädel einer Bärin – Demingeri genannt – eingerichtet, er wurde in der Höhle Santa Isabel bei Ranero in Karrantza (Bizkaia, Landkreis Enkarterri, süd-westliches Baskenland) gefunden und zeigt einen Ausschnitt der Tierwelt, die mit dem Homo Heidelbergensis zusammen lebte und die als Spezies Höhlenbären ausgestorben ist. Homo Heidelbergensis, auch „Heidelbergmensch“ genannt, ist eine ausgestorbene Hominini-Art. Dieser Art werden insbesondere Fossilien aus dem europäischen Mittelpleistozän zugeordnet, die 600.000 bis 200.000 Jahre alt sind.

Die Ausstellung bleibt geöffnet vom 18. Mai bis 15. Oktober 2017, das Archäologie-Museum Bilbao befindet sich in der Altstadt, über dem Metroeingang Casco Viejo am ehemaligen königlichen Handelsweg Calzadas de Mallona, untergebracht in einem ehemaligen Bahnhof. Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 10 bis 14 und 16 bis 19.30 Uhr, Sonn- und Feiertags 10.30 bis 14 Uhr. Eintritt 3,50 Euro (reduziert 1,75 Euro), Kinder bis 12 Jahre gratis, freitags freier Eintritt.

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus dem Artikel „Arkeologi Museoa narra la evolución humana con un cráneo de Atapuerca“ (Das Archäologie-Museum erzählt mit einem Schädel von der menschlichen Evolution), erschienen in der baskischen Tageszeitung Deia vom 18.Mai 2017 (Link)

(2) Atapuerca (Wikipedia): Die Sierra de Atapuerca ist ein kleiner Gebirgszug in der Provinz Burgos (Castilla-León, Spanien). Sie wurde wegen der außergewöhnlichen archäologischen und paläontologischen Funde in ihrem Inneren zum Naturschutzgebiet, zum schützenswerten Kulturgut und zum UNESCO-Welterbe erklärt. Zu den Funden zählen Fossilien, die von ihren Entdeckern zu wenigstens drei Arten der Hominini gestellt wurden: Homo antecessor, Homo heidelbergensis und Homo sapiens. Im Jahre 1964 initiierte Francisco Jordá Cerdá, Professor für Archäologie an der Universität Salamanca die ersten Ausgrabungen, die allerdings kurz danach zum Stillstand kamen. Acht Jahre später fand eine Gruppe von Speläologen die Galería del Sílex (Feuersteingalerie), die Überbleibsel von Begräbnisriten und Malereien aus der Bronzezeit enthält. 1973 begann J. M. Appellániz am Eingang der Cueva Mayor mit der ersten von insgesamt elf Ausgrabungen. 1980 begannen die Ausgrabungen in der Galería de Silex, die über zehn Jahre dauerten. 1984 begannen die systematischen Ausgrabungen in der Sima de los Huesos.
Im Jahre 1990 wurde die Leitung einem Team bestehend aus Juan Luis Arsuaga, José María Bermúdez de Castro und Eudald Carbonell Roura übertragen. Seither hat man Steingeräte am Boden der Gran Dolina (Große Doline) gefunden. Im Jahre 1992, kamen in der Sima de los Huesos verschiedene menschliche Schädel zum Vorschein, darunter der berühmte Schädel Nummer 5, der die Fundstätte zu einem Ort internationaler wissenschaftlicher Bedeutung für die Erforschung der menschlichen Evolution machte. Das Jahr 1998 brachte die Gewissheit, dass die in der Sima de los Huesos gefundenen Überreste, die dem Homo Heidelbergensis zugeschrieben wurden, zu menschlichen Wesen mit der Fähigkeit zu Abstraktion und symbolischem Handeln gehören, denen sich außerdem Fragen mystischer Natur stellten. Dies lässt sich aus dem Fund eines Excalibur getauften, unbenutzten Faustkeils schließen, der aus einem wertvollen Material hergestellt und der Bestattung eines Gruppenmitglieds beigegeben worden war. Im Jahre 1999 begannen die Ausgrabungen in der Cueva El Mirador. Im folgenden Jahr erlangte die Sierra den Status des UNESCO-Welterbes. Gleichzeitig wurden in der Sima del Elefante Überreste von Steingeräten gefunden, die auf ein Alter von einer Million Jahren datiert wurden. (Wikipedia Atapuerca)

(3) José Miguel de Barandiaran (siehe Artikel Baskultur.info) (Link)

ABBILDUNGEN:

(1) Ausstellung „Atapuerca: Schädel Nr.5“ (Deia)

(2) Homo Heidelbergensis Schädel (Wikimedia Commons)

(3) Ausgrabung Atapuerca (Wikimedia Commons)

(4) Archäologie-Museum Bilbao (FAT)

 

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