In den Bergen Kantabriens
Nach zwei Jahren Auszeit wegen der Pandemie wurde in Bejes, Kantabrien, wieder an die Antifranquistische Guerrilla erinnert. Nach dem Spanienkrieg (auch Spanischer Bürgerkrieg genannt) schlugen sich republikanische Widerstandskämpfer verschiedenster Ideologie in die Berge, um von dort aus das faschistische Regime weiter zu bekämpfen. Unterstützt wurden diese Guerrilleros von Personen aus den umliegenden Dörfern, die für diese Hilfe einen hohen Preis an Repression durch die Guardia Civil bezahlten.
Die von Frankreich aus in den Pyrenäen operierenden republikanischen Kämpferinnen wurden als Maquis bezeichnet. In Kantabrien oder Asturien und anderen spanischen Regionen hießen sie schlicht Antifranquistische Guerrilla. Bis Mitte der 1950er Jahre waren sie gegen den spanischen Faschismus aktiv, bis sie nacheinander den Kugeln der Guardia Civil zum Opfer fielen.
Einer der Aktionsorte der Antifranquistischen Guerrilla war die Gegend von Bejes, ein kleines Bergdorf im Kantabrischen Gebirge, etwa 40 Kilometer vor dem bekannten und vielbesuchten Gebirgsmassiv Picos de Europa (Potes, Fuente Dé). Die Bewohner*innen des Ortes trotzten der allmächtigen Kontrolle der Zivilgardisten und versorgten die Guerrilleros mit Essen und allem anderen, was sie benötigten und was in jenen Jahren der Knappheit und des Hungers überhaupt aufzutreiben war.
Erst viele Jahre nach dem Tod des Diktators Franco begannen ehemalige Guerrilleros, die den Kampf überlebt hatten, und ihre Angehörigen mit der Ehrung jener antifranquistischen Kämpfer. Allen voran Jesus de Cos, der seinen Vater in einem Konzentrationslager der Nazis verloren, jahrelang auf der Flucht gewesen und zwei Jahre in den Bergen gekämpft hatte. Er war es, der 2011 die Aufstellung eines Denkmals für die Kämpfer*innen in den Bergen erreichte, im Vorort Revilla de Camargo der Hauptstadt Santander.
Kantabrien gilt als Region mit vielen Franquisten und Faschisten, kein Wunder, dass das aus drei Symbolen bestehende Denkmal mehrfach zerstört und beschmiert wurde. In der Umgebung sind ständig faschistische Parolen zu sehen: Vox, Falange-Symbole, antirepublikanische Beschimpfungen. Erst ein zwei Meter hoher Zaun schützte die Gedenksteine vor weiteren Attacken: das Denkmal für die Guerrilleros, jenes für die kantabrischen Opfer in Nazi-Konzentrationslagern und das Denkmal für die Frauen in Kantabrien, die bei der franquistischen Repression ihr Leben verloren.
Bejes-Denkmal 2022
Auch am Ortseingang des Bergortes Bejes steht ein Denkmal für die republikanischen Helden der Berge. In diesem Jahr war es nach der zweijährigen Pandemie-Unterbrechung wieder möglich, eine Ehrung für die Guerrilleros durchzuführen. Wie immer organisiert von der antifaschistischen Memoria-Organisation AGE (Archivo, Guerra, Exilio – Archiv, Krieg, Exil). Chronik der Ehrung der Anti-Franco-Guerilla in Bejes, Kantabrien am 18. Juni 2022 (1).
“Bei sengender Sonne, die uns zwang, unsere Regenschirme als Sonnenschirme aufzuspannen, fand gestern in Bejes die alljährliche Ehrung der Anti-Franco-Guerilla statt, an der verschiedene Kollektive teilnahmen wie Ahaztuak 1937-1977 aus dem Baskenland (die Vergessenen), die kommunistische PCPE (Partido Comunista de los Pueblos de España, Kommunistische Partei der spanischen Völker), die anarcho-syndikalistische CNT, das Kollektiv Erinnerung von Laredo, Cantabria No Se Vende (Kantabrien steht nicht zum Verkauf).
Mari Sol Gonzalez, Delegierte der AGE in Kantabrien, eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: "Auch wenn es keine Fortschritte gibt bei der rechtlichen Anerkennung der Guerrilla als letzte Soldaten der Republik, die für die Freiheit gekämpft haben, werden wir Jahr für Jahr ihrer heldenhaften Rolle im Widerstand gegen die Diktatur gedenken. Sie haben nicht aufgegeben, und wir werden mit der gleichen Entschlossenheit weitermachen, damit sie nie vergessen werden, denn das sind wir ihnen schuldig".
AGE erinnert
Sie erinnerte sich auch daran, wie vor Jahren bei einem Vortrag über die Guerilla in einem Gymnasium in Gijón, den Felipe Matarranz, Jesús de Cos und Quico Martinez von der Guerrillero-Gruppe Leon-Galicia hielten, ein Schüler sie trotzig fragte, ob sie sich denn als Spanier fühlten. Verblüfft über die Frage, die sich wohl an Jesús und Quico richtete, weil sie viele Jahre im französischen Exil verbracht hatten, antworteten sie: "Stell dir vor, wir fühlten uns als Spanier, obwohl wir die französische Staatsbürgerschaft hätten haben können, aber wir wollten sie nie, denn wir sind in Spanien geboren und haben für dieses Land gekämpft. Nicht für ein Spanien wie es von Franco aufgezwungen wurde, sondern für ein demokratisches und republikanisches Spanien, in dem das Staatsoberhaupt gewählt werden kann und in dem es Freiheit gibt".
Anschließend verlas die AGE-Repräsentantin eine Botschaft von Floren Dimas, AGE-Delegierter aus der Region Murcia. Er beklagte, dass "der große Kampf, in dem die Guerrillakämpfer mit der Zeit verschwanden, gegen die Institutionen geführt wurde, um die rechtliche Anerkennung des Status von Ex-Kämpfern für all diejenigen zu erreichen, die mit Waffen gegen den Franquismus kämpften. Die gleiche Anerkennung, die die spanische Guerrilla in Frankreich genießt. Die 23 Jahre sozialdemokratischer Regierung in Spanien (Gonzalez, Zapatero, Sanchez) haben nicht dazu geführt, diese tapferen Männer und Frauen auf die Art und Weise zu entschädigen, die sie verdient haben. Abgesehen von moralischen Anerkennungen, die keinerlei Wiedergutmachung oder rechtliche Konsequenzen haben."
Banditen oder Antifaschisten
In den Dokumenten der Armee, der Guardia Civil und in den Gerichtsakten gelten sie weiterhin als Banditen, da die Gerichte, Gesetze und repressiven Urteile nach dem Franquismus nicht annulliert wurden". Mari Sol Gonzalez wies darauf hin, dass die sozialdemokratische Partei PSOE für diese große historische Ungerechtigkeit direkt verantwortlich ist, da sie die Guerrillakämpfer nicht rechtlich anerkannt hat und dies auch bei der nächsten Reform des Gesetzes über historische und demokratische Erinnerung nicht beabsichtigt ist.
Gonzalez beendete ihre Rede mit der Verlesung der Erklärung von Dolores Cabra, Generalsekretärin der AGE, die "an die antifranquistischen Guerrillas aller historischen Gruppen aus Extremadura, Andalusien, La Mancha, Valencia, Katalonien, dem Baskenland, Kantabrien, Asturien, Galizien, León und im Zentrum erinnerte. Denn in diesem Jahr 2022 sind nur noch zwei Menschen am Leben: Esperanza Martínez "Sole", unsere AGE-Präsidentin und Mitglied von AGLA (Agrupación Guerrillera Levante Aragon, Guerrilla-Gruppierung Levante Aragon); sowie Francisco Martínez "Quico", Mitglied des AGE-Vorstands und Guerrillakämpfer aus Bierzo. Sie alle kämpften trotz der schrecklichen Repression und zeugten von einem unmöglichen Widerstand gegen eine Diktatur, die militärisch von der Heuchelei und dem Terror derselben Kriegsmächte unterstützt wurde, die die Spanische Republik zuerst für die Konfrontation und danach als Modell einer neuen Weltordnung auswählten, die über achtzig Jahre alt ist".
"Im Gedenken an die spanischen Republikaner, die zwar geschlagen wurden, aber nie besiegt. Ihre Geschichte wurde durch Desinformations-Kampagnen geleugnet, jedes Jahr müssen wir unsere Stärke und unseren Widerstand in diesen Veranstaltungen des demokratischen Gedenkens zum Ausdruck bringen. Historiker, wie das AGE-Mitglied Francisco Moreno Gómez, erinnern uns daran, dass Krieg, Unterdrückung, Tod und Guerrillakrieg nichts anderes sind als die Folgen des großen Brandes, der durch den Militärputsch von 1936 verursacht wurde. Ihre Geschichte und ihr Andenken sind eine Lehre für die Gefahren, denen Freiheit und Demokratie ausgesetzt sind. In dieser Situation befinden wir uns jetzt, in einem Moment, in dem sich die Welt derart gewaltsam verändert hat".
Ahaztuak 1936-1977 aus dem Baskenland
In der Folge sprach Marcelo als Vertreter der Vereinigung Ahaztuak 1936-1977, die bis heute keine Veranstaltung in Bejes verpasst hat und mit AGE eng zusammenarbeitet. Ihm folgte Alvaro, Vertreter der Jugend der PCPE und Marcos für "Cantabria No Se Vende". Beendet wurde der Gedenkakt mit dem Lied "Vivan Bedoya y Juanín", das bereits zu einer Art von Hymne geworden ist. Zum Abschluss des Tages gab es ein Essen unter freiem Himmel mit dem traditionellen Marmitako aus Bizkaia, das die baskischen Genoss*innen zubereitet hatten.
Bisherige Publikationen zum Thema:
Bei Baskultur.info erschienen in vergangenen Jahren drei ausführliche Artikel über Geschichte und Aktionen der “Antifranquistischen Guerrilla“, im französischen Sprachraum “Maquis“ genannt. “Maquis - Guerrilla (1) / Antifranquistischer Kampf nach dem Krieg“ (2017-03-18) (LINK). “Maquis – Guerrilla (2) / Erfolg und Niedergang der Guerrilla“ (2017-03-31) (LINK). “Maquis aus Frankreich (3) / Operation Spanische Wiedereroberung“ (2020-03-10) (LINK).
ANMERKUNGEN:
(1) Crónica del homenaje en Bejes Cantabria” (Chronik der Gedenk-Veranstaltung in Bejes Kantabrien) AGE, 2022-06-19 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(*) Bejes 2022 (AGE)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-06-19)