ppvox1Besorgnis im Baskenland

Die spanische Rechte in ihren verschiedenen Ausprägungen hat bei den Kommunalwahlen zwischen 2019 und 2023 in der Autonomen Region Baskenland an Stimmen dazugewonnen. Trotz größerer Wahlenthaltung und nach dem Verschwinden der rechten Partei Ciudadanos. Mit ihren Limitierungen als Minderheits-Partei hat die neofranquistische Vox ihre Stimmen mehr als verdoppelt. Dennoch gelang den neuen Faschisten kein Einzug in baskische Stadträte, der einzig sichtbare Erfolg ist ein Sitz im Provinz-Parlament Araba.

Die Neo-Franquisten Partei Vox ist im Baskenland weit entfernt von ihren Erfolgen in spanischen Regionen. Dennoch wird ihr Zuwachs mit Sorge betrachtet. Innerhalb der üblichen Konjunkturen verläuft hingegen der leichte Anstieg der postfranquistischen PP.

Bei den Kommunalwahlen am 28. Mai 2023 haben die spanische Rechtsextreme und die spanische extreme Rechte ihre Stimmen in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland (Euskadi) im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren erhöht. Dazu muss erklärt werden, dass die Kommunalwahlen im gesamten Staat stattfanden, und dass in allen spanischen Regionen zugleich Autonomie-Wahlen stattfanden, außer in Euskadi und Galicien, weil hier die Wahlen erst drei Jahre zurückliegen. Angesichts der absehbaren Wahlen zum spanischen Parlament galten diese Wahlen von 28M hinsichtlich ihrer politischen Tendenz als richtungsweisend.

In allen spanischen Regionen und Kommunal-Parlamenten (außer in Euskadi, Navarra und Katalonien) zeigten diese Wahlen drei Tendenzen: 1. einen deutlichen Zuwachs der Rechtsextremen und der extremen Rechten, 2. das Verschwinden der rechten Abspaltung Ciudadanos, die noch vor fünf Jahren kurz einer Regierungs-Beteiligung auf Staatsebene stand, 3. Stimmen- und Regierungsverluste der Sozialdemokraten von Sanchez, und 4. den Abstieg der ehemaligen Protestpartei Podemos, die dabei ist, sich in Sumar und Podemos aufzuteilen und in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Zum besseren Verständnis erwähnt werden muss, dass der spanische PSOE-Ministerpräsident Pedro Sanchez als direkte Reaktion nach der Wahlniederlage vom 28M vorgezogene Neuwahlen für den 23. Juli angesetzt hat und sofort eine Kampagne gegen die spanische Rechte eröffnet hat. Auf ihn gehen somit die Begriffe “Rechtsextreme“ und “extreme Rechte“ zurück (derecha extrema – extrema derecha). Dahinter verbirgt sich nicht nur ein Wortspiel, sondern auch eine Differenzierung dessen, was sich am rechten Rand des spanischen Parteienspektrums abspielt.

ppvox2Mit “Rechtsextreme“ ist die neo-franquistische Partei Vox gemeint, die nichts anderes als eine Abspaltung von der postfranquistischen Rechten darstellt, also von der Partido Popular, der PP von Aznar, Rajoy, Casado und neuerdings Feijoo. Vox bezieht sich geradewegs auf den Franquismus als politische Orientierung, vertritt Positionen, die von der Verfassung nicht abgedeckt sind, will die Autonomen Regionen auflösen und alle regionalistischen Parteien im Baskenland und in Katalonien für illegal erklären lassen.

Unter “extreme Rechte“ versteht Sanchez (und nicht nur er, sondern auch viele aus der radikalen Linken) die Partido Popular von Feijoo, die nach Francos Tod 1975 von ehemaligen franquistischen Politikern gegründet wurde, zu einem Sammelbecken als Franquisten wurde und dies auch blieb. Folgerichtig werden PP-Politiker*innen häufig auch Postfranquisten genannt. Die PP ist somit nicht nur irgendeine christdemokratische Partei (etwa vom Zuschnitt einer CDU), sie hat ihre Wurzeln direkt in der Diktatur. Diese PP steht zwar weitegehend auf dem Boden der Verfassung, weigert sich jedoch strikt, den Franquismus und die Diktatur aufzuarbeiten (ihre eigene Geschichte) und hat deshalb angekündigt, nach einer Regierungs-Übernahme die Gesetze der “Demokratischen Erinnerung“ rückgängig zu machen. Ihren Wahlkampf führt die Partei mit der längst aufgelösten ETA und Angriffen auf die Unabhängigkeits-Bewegungen in Katalonien und im Baskenland.

Wahlbeteiligung

So viel zu allgemeinen Orientierung, blicken wir nun ins Baskenland, wo die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Kommunalwahlen von 2019 gesunken ist – ein Faktor, der von den rechten Parteien (auch von der baskischen Rechten, PNV) als Nachteil gewertet wird. Auffällig ist, dass Vox in Euskadi (Araba, Bizkaia, Gipuzkoa) im Rahmen seiner geringen Vertretung ihre Stimmen mehr als verdoppelt hat. Dies nützt der Partei von Parteiführer Santiago Abascal (übrigens ein Baske aus Amurrio) praktisch nichts, hat aber dennoch einen starken Einfluss auf die Ergebnisse der PP.

Die PP ist in Bizkaia und Gipuzkoa praktisch irrelevant, in vielen Gemeinderäten ist sie mit ihrer anti-baskischen und anti-Euskara-Politik überhaupt nicht vertreten, sie stellt keinen einzigen Bürgermeister. Etwas anders stellt sich die Lage in der Südprovinz Araba dar (Provinz- und baskische Hauptstadt Vitoria-Gasteiz). Dort stellte sie in der Vergangenheit drei Mal den Bürgermeister und hat immerhin in zwei Gemeinderäten die Mehrheit erreicht. Dennoch: ein für eine Staatspartei vernichtendes Ergebnis.

Bei den Kommunalwahlen 2019 erhielt die PP 78.676 Stimmen, vier Jahre später sind es nunmehr 84.996. Das sind 6.320 Stimmzettel mehr. Ein Ergebnis, das sehr wahrscheinlich mehr durch den Wahlkampf im spanischen Rahmen beeinflusst wurde, die in diesem Fall prägend waren, als durch ihre Programmatik auf Kommunalebene.

Vox seinerseits ist von 7.975 Stimmen bei den Wahlen vor vier Jahren auf jetzt 16.585 Stimmen angewachsen. Das ist mehr als das Doppelte. Genauer gesagt 8.610 Stimmen mehr. Damit konnte die Faschisten-Partei zwar in keinen einzigen Stadtrat einziehen, aber die Ergebnisse für die parallel stattfindenden Provinzwahlen in Araba (Alava, Vitoria-Gasteiz) haben ihr einen Sitz in der Generalversammlung von Araba beschert.

Das Wachstum von PP und Vox verlief parallel zum Verschwinden der 2006 gegründeten rechten Partei Ciudadanos (Bürger), die zehn Jahre lang große Erfolge feierte, der PP den Platz streitig zu machen drohte und kurz vor einer Regierungs-Beteiligung stand. Der Rückgang von Ciudadanos erklärt jedoch nicht den gesamten Zuwachs bei den beiden anderen Rechtsparteien. Die orangefarbene Partei (Ciudadanos) verlor 10.520 Stimmen, während die Blauen (PP) und die Grünen (Vox) 14.930 Stimmen hinzugewannen. Das ergibt einen Unterschied von 4.410 Stimmen. Ein Blick auf die Grafik zeigt, dass Ciudadanos bei den Kongresswahlen 2015 in Euskadi 50.268 Stimmen erhielt. In knapp acht Jahren hat sich das in Nichts aufgelöst.

Hartnäckige Vox-Wähler

ppvox3Die Ergebnisse der PP bei den Kommunalwahlen sind neben ihrer staatlichen Dynamik auch deshalb verständlich, weil es sich um eine Partei handelt, die (wenn auch marginal) in vielen Gemeinderäten und auch in den Provinzräten (Juntas Generales) vertreten ist. In der Tat wird sie für die rechtsbaskische PNV und die Sozialdemokraten von der PSE bei deren Manövern in Gasteiz, Durango, Oion und Gipuzkoa zum notwendigen Verbündeten, wenn es darum geht, die baskische Linke (die dort die Wahlen gewonnen hat) außen vor zu halten.

Diejenigen, die für Vox gestimmt haben, taten dies mit einer klaren ideologischen Ausrichtung, da sie wussten, dass ihre Kandidaten in keinen Stadtrat einziehen würden, weil sie von den erforderlichen 5% weit entfernt sind. Sie wussten außerdem, wenn sie die PP gewählt hätten (was sie vor der Existenz von Vox sicherlich getan hatten), wäre die Partei in ihrer ehemaligen Hochburg Vitoria-Gasteiz zum Beispiel zur führenden Kraft geworden.

Diese Scheidung zwischen einem Teil der PP-Wählerschaft und dem von Vox ist nicht neu. Sie war bereits bei den beiden Wahlen zum spanischen Abgeordnetenhaus im Jahr 2019 sichtbar. In der ersten Runde gewann die linksbaskische Koalition EH Bildu mit nur 362 Stimmen den Sitz des ehemaligen Gasteiz-Bürgermeisters Javier Maroto in Araba. Dabei erhielt Vox 5.608 Stimmen. Trotz der Symbolik des Geschehens und der Tatsache, dass die PP bei der Wiederholungswahl Marimar Blanco, die Präsidentin der sogenannten “Stiftung für die Opfer des Terrorismus“ als Kandidatin ins Rennen schickte, gewann erneut der Unabhängigkeits-Befürworter Iñaki Ruiz de Pinedo den Sitz, sogar mit einem noch größeren Abstand zur PP. Und Vox stieg auf 6.421 Stimmen.

Ablieferungen an PNV und PSE

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie die Entscheidungen der PP im Provinzrat von Gipuzkoa und im Stadtrat von Vitoria-Gasteiz ausfallen werden und wie sie sich gegebenenfalls auf die nächsten Kongresswahlen am 23. Juli auswirken. Angesichts einer nicht existierenden lokalen Programmatik hat sich die PP als oberstes Ziel gesetzt, die baskische Linke (EH Bildu) wo es nur geht aus den Bürgermeister-Ämtern fernzuhalten. Sowohl in der Provinz Gipuzkoa wie auch in der baskischen Hauptstadt hat die Unabhängigkeits-Partei die meisten Stimmen erhalten. Daraufhin hat die PP verkündet, sie würde eine mögliche Koalition von PNV und PSE unterstützen und ihre Stimmen “bedingungslos“ abtreten.

Wohlgemerkt: PP-Stimmen für die PNV müssen jedem überzeugten Vox-Wähler wie ein Sakrileg erscheinen, daher die Frage nach den kurz- oder mittelfristigen Folgen. Auch wenn die Rechtfertigung darin besteht, EH Bildu daran zu hindern, die Institutionen zu regieren, genügt dies dem harten Kern von Vox sicher nicht, denn sie betrachten die PP als "feige Rechte" oder gar als “linke Partei“. Insofern wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wozu die “extreme Rechte“ bereit ist und was sie dafür in Kauf nehmen will.

ANMERKUNGEN:

(1) “La derecha española está en un momento de crecimiento en la CAV” (Die spanische Rechte ist in Euskadi auf dem Vormarsch) Tageszeitung Gara 2023-06-06 (LINK)

https://www.naiz.eus/es/info/noticia/20230606/la-derecha-espanola-esta-en-un-momento-de-crecimiento-en-la-cav

ABBILDUNGEN:

(1) Abascal (naiz)

(2) Vox, PP (el diario)

(3) PP, Vox (ok diario)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-06-07)

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