„Ein voller Erfolg der Nazis“
2015 stellte der in Bilbao ansässige baskisch-deutsche Kulturverein Baskale einen Dokumentarfilm vor über die nazi-deutsche Beteiligung am Spanischen Krieg von 1936. „Legion Condor, Vergangenheit und Gegenwart eines deutschen Kriegsverbrechens“. Dem Film vorausgegangen war die Erstellung einer historischen Ausstellung über Geschichte und Einsatz der Legion Condor durch den Arbeitskreis Regionalgeschichte Neustadt, die von Baskale baskisch und spanisch übersetzt und im Baskenland mehrfach gezeigt wurde.
„Legion Condor, Vergangenheit und Gegenwart eines deutschen Kriegsverbrechens“ ist der Titel eines Dokumentar-Films, der vom Kulturverein Baskale in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Regionalgeschichte erstellt wurde. Den informativen Kern dieses 24-minütigen Films über den illegalen Einsatz der deutschen Luftwaffe bilden Interviews mit fünf Historikerinnen aus dem Baskenland, Deutschland und dem spanischen Staat. Verarbeitet wurde historisches Filmmaterial. Im Mittelpunkt steht die Bombardierung der baskischen Stadt Gernika am 26. April 1937 durch die Legion Condor, unter Mithilfe der italienischen Luftwaffe, die ebenfalls im Krieg eingesetzt war.
Bei den beteiligten Historikerinnen handelt es sich um Oiane Valero aus Bilbo, die Deutschen Ingo Niebel (1) und Hubert Brieden vom Arbeitskreis Regionalgeschichte (2), den in Brüssel lebenden Angel Viñas und den an der Universität Nevada arbeitenden baskischen Historiker Xabier Irujo (3). Der Dokumentarfilm liegt dreisprachig baskisch, deutsch, spanisch synchronisiert vor (4).
Die drei Versionen des Films können gratis heruntergeladen werden, Kopien sind erhältlich über Baskale (5). Im Folgenden Text wird das Drehbuch vorgestellt:
Legion Condor, Vergangenheit und Gegenwart eines deutschen Kriegsverbrechens
(Oiane Valero): Die Bombardierungen einer Zivilbevölkerung provozieren bewusst Panik und Horror und zeigen die Kaltblütigkeit und Herzlosigkeit der Autoren.
(Hubert Brieden): Deutschland hat dann während des Spanischen Krieges systematisch Waffen und Militärtaktiken ausprobiert als Vorbereitung auf den 2.Weltkrieg
(Ingo Niebel): Hitler und die militärische Führung beschließen, eine Eingreiftruppe zu gründen.
(Angel Viñas): Die Idee entstand zwischen Ende September und Anfang Oktober 1936.
(Oiane Valero): Autor der Bombardierungen ist in diesem Fall die Legion Condor.
(Hubert Brieden): Aus Spanien kamen sofort Wünsche, von den spanischen Putschisten, dass der Putsch militärisch unterstützt wird durch Militärgerät, durch Waffen und dann auch durch Personal. Dem Wunsch ist die deutsche Regierung relativ schnell nachgekommen, da es bereits eine längere Zusammenarbeit zwischen deutschen und spanischen Militärstellen gab.
(Ingo Niebel): Im September, Oktober 1936 ungefähr haben die Deutschen gesehen, dass mit dem Schicken von Kriegsgerät allein nichts zu erreichen war.
Kriegsentscheidende Hilfe
(Hubert Brieden): Die spanischen Kolonialtruppen, also die Elitetruppen von Franco saßen in Spanisch-Marokko fest. Hitler schickte über Italien Transportflugzeuge nach Spanisch-Marokko. Die haben dann Zehntausende von marokkanischen Söldnern im Laufe der nächsten Monate, im Herbst, September, Oktober, November, aufs spanische Festland transportiert. Das war die größte Luftbrücke, die bis dahin stattgefunden hat, militärgeschichtlich gesehen.
(Hubert Brieden): Das war kriegsentscheidend, weil ohne diese Soldaten, ohne die Elitetruppen der Putsch von Anfang an gescheitert wäre.
(Ingo Niebel): So entstand die Truppe, die später als Legion Condor bekannt wurde.
(Hubert Brieden): Die Legion Condor war eine Interventionstruppe der deutschen Nazi-Regierung, um den Militärputsch in Spanien zu unterstützen, gegen die spanische Republik.
(Ingo Niebel): Das ist auch eine Reaktion auf das Versagen Francos beim Versuch, die politische Macht im spanischen Staat zu erlangen.
(Angel Viñas): Die Truppe besteht aus verschiedenen Waffengattungen, hauptsächlich Luftwaffe, aber dazu gehören auch zusätzliche Kräfte wie Artillerie, Panzer, Funker …
(Ingo Niebel): Sie bestand mehr oder weniger aus verschiedenen kleinen Einheiten aus Deutschland, die heimlich nach Spanien gebracht wurden, wo sie unter ausschließlich deutschem Befehl zum Einsatz kamen.
(Angel Viñas): Sie war ein Rammbock aus Stahl, eine Faust aus Stahl, die die republikanische Verteidigung brechen sollte.
(Hubert Brieden): Die Legion Condor kam aus ganz vielen Militärstandorten in Deutschland, vom Norden bis zum Süden. Bei der Legion Condor haben ja unterschiedliche Waffengattungen gekämpft: verschiedene Flugzeugtypen der Luftwaffe, also schwere Bomber, mittelschwere Bomber, Jagdflugzeuge, Flakgeschütze, die dann in Spanien besonders im Erdkampf eingesetzt worden sind.
(Angel Viñas): Die Legion Condor war eine deutsche Idee, sie ist die bedeutendste strategische Neuheit im ganzen Bürgerkrieg, die allerwichtigste. Die Luftfahrt hatte zwischen 1918 und 1934 bedeutende technische Fortschritte gemacht. Das waren 15 bis 20 Jahre von enorm schneller technischer Entwicklung. Und nachdem das theoretisch entwickelt worden war, dachten sie, das probieren wir nun in Spanien aus.
(Hubert Brieden): Die ersten Soldaten, die in Spanien eingesetzt worden waren, waren Soldaten, Luftwaffen-Angehörige mit Transportflugzeugen.
(Angel Viñas): Die spanische Luftwaffe war äußerst beschränkt, das heißt, die rein franquistische Luftwaffe war sehr dürftig.
Gut, es gab eine kleine nationale Einheit, mit alten Flugzeugen, ziemlich klapprigen Maschinen.
(Hubert Brieden): Die Mannschaften der schweren Bomber kamen vor allen Dingen zu 70% vom Fliegerhorst Wunstorf in Niedersachsen nahe bei Hannover.
(Angel Viñas): Franco wurde nichts gesagt, Franco wurde erst Ende Oktober informiert, als Admiral Canaris kam, Chef des militärischen Informationsdienstes der Deutschen.
(Ingo Niebel): Canaris war ein Spion des deutschen Kaisers im spanischen Staat gewesen, während des Krieges, des Ersten Weltkriegs. Daher hatte er Kontakt zu Francisco Franco, der in den 20er Jahren intensiviert wurde über verschiedene militärische Angelegenheiten zwischen Berlin und Madrid.
(Angel Viñas): Der wird also zu Franco geschickt und sagt: hier, der Führer hat dies beschlossen. Was sagt Franco? Freut sich natürlich, alles in Ordnung! Die Legion Condor wird in verschiedenen Etappen verschickt, auf Schiffen, von norddeutschen Häfen aus, vor allem von Hamburg, nach Vigo oder Sevilla, Vigo, Sevilla, La Coruña.
(Ingo Niebel): Die Legion Condor war eine ausschließlich deutsche Militärtruppe.
(Angel Viñas): Die erste Verschiffung findet am 3.November im Hafen von Hamburg statt, die letzte um den 25.November. Das heißt, der Transport der ca. 4.800 Männer, die verschickt werden, dauert ungefähr einen ganzen Monat, dazu Flugzeugteile, der Tross.
Von Wunstorf in den Krieg
(Hubert Brieden): Auf dem Fliegerhorst Wunstorf wurde eine extra Sonderstaffel aufgebaut, die nur dem Oberkommando der Luftwaffe direkt unterstellt war.
Diese besondere Staffel war nur für die Ausbildung der schweren Bomber der Legion Condor zuständig, und der Aufklärungseinheiten.
(Angel Viñas): Die Piloten sind keine Freiwilligen, es heißt sie seien Freiwillige, aber generell suchte man die besten Piloten aus und sagte ihnen: “Willst du eine Saison in der Sonne verbringen?“ Also Kampf, Ruhm – welcher Pilot sagt da nein. Ist doch klar.
(Hubert Brieden): Da wurden die Mannschaften ausgebildet für die schweren Bomber und dann nach Spanien gebracht per Schiff, wo die Flugzeuge schon waren und wurden dann für die Bombardierungen eingesetzt.
(Angel Viñas): Der Einsatz der Legion Condor wird absolut geheim gehalten. Von Beginn an leugnet ihn Hitler, er wird nicht erwähnt, nicht publiziert.
(Hubert Brieden): Der Spanien-Einsatz ist total geheim gehalten worden. Es durfte niemand etwas darüber erzählen, die Presse durfte nicht darüber berichten.
(Angel Viñas): Niemand weiß es, niemand, nur die, die es wissen müssen, dass deutsche Soldaten in Spanien kämpfen, oder dass deutsche Piloten in Spanien kämpfen.
(Hubert Brieden): Wenn Legion Condor-Soldaten, es waren ja nicht so viele, aber es sind einige auch umgekommen, abgeschossen wurden, die durften nur beerdigt werden ohne irgendeine Bekanntgabe, dass die in Spanien umgekommen waren. Oder dass sie bei irgendwelchen Kämpfen der Luftwaffe umgekommen waren.
(Angel Viñas): Aus spanischer Sicht, was passiert? In Spanien gibt es seit 1808 keinerlei Erfahrung was die Kooperation mit einer ausländischen Armee angeht. Es geht also um die Absprache einer – wie wir heute sagen würden – “Handlungs-Vorschrift“. Das heißt, die Deutschen können hier nicht machen, wozu sie gerade lustig sind. Hier gibt es eine gemeinsame Kriegsführung. Hierarchisch. Oben steht General Franco, danach die Einsatzchefs, im Norden Mola, im Süden Queipo de Llano. Der Einsatz der Deutschen muss koordiniert werden mit den Einsatz-Truppen und mit dem Generalstab.
(Ingo Niebel): Der Oberbefehlshaber der Legion Condor war General Hugo Sperrle.
(Angel Viñas): Sperrle hatte eine autoritäre Art, er war nicht sympathisch. Aber er wurde auch nicht dafür bezahlt sympathisch zu sein.
Wolfram von Richthofen
(Ingo Niebel): Ihm unterstand der Stabschef, der Oberstleutnant von Richthofen.
(Xabier Irujo): Aber derOberbefehl lag eindeutig in den Händen von Sperrle. Und die strategische Führung in den Händen von Richthofen. Richthofen war Experte für den Bau von Flugzeugen, nicht für den Einsatz von Flugzeugen.
(Ingo Niebel): Von Richthofens Aufgabe war die Organisation der Einsätze, der Feldzüge der Legion Condor.
(Xabier Irujo): Er schrieb seine Doktorarbeit über den Bau von Kriegsflugzeugen, groß angelegt, als es für Deutschland verboten war, Kriegsflugzeuge zu bauen, das war ein Verstoß gegen den Friedensvertrag von Versailles nach dem I.Weltkrieg.
(Hubert Brieden): Das wäre der Name der mir als erstes einfallen würde, weil Richthofen dann auch im 2.Weltkrieg, zum Beispiel bei der Zerstörung und flächendeckenden Vernichtung von Warschau wieder eine entscheidende Rolle gespielt hat. Und die Erfahrung, die er als Kommandeur in der Legion Condor gesammelt hat, dann im 2.Weltkrieg anwenden konnte.
(Xabier Irujo): Richthofen war eine sehr gut geschulte Person, sehr gebildet, sehr kultiviert, aber gefühlskalt, eine eiskalte Person, und sehr berechnend. Eine Person ohne jegliches Einfühlungsvermögen.
(Ingo Niebel): Hugo Sperrle hatte bekanntermaßen eine mehr oder weniger gute Beziehung zu Francisco Franco. Die Beziehung zwischen Von Richthofen und General Mola, dem Befehlshaber der Nordarmee der Aufständischen, war hingegen von Spannungen geprägt.
Bilbao ausradieren - oder Gernika?
(Angel Viñas): Zwischen Mola und den Deutschen kam es zu einem berühmten Streit, bei dem Mola – die einen sagen zu Sperrle, die andern zu Richthofen – sagte, er wolle, dass die Legion Condor Bilbao zerstöre.
(Ingo Niebel): Von Richthofen war darüber so empört, dass er in seinem Tagebuch notierte, niemals habe er von einem General gehört, man solle etwas zerstören, was innerhalb von kurzer Zeit besetzt würde.
(Angel Viñas): Bilbao zerstören? Die Industrie? Ja klar! Zerstören Sie die Industrie in Vizcaya! Wissen Sie, Spaniens Unheil kommt von der Industrialisierung. Wir müssen die katalanische und die baskische Industrie zerstören. Nur so erreichen wir das Spanien, das wir wollen. Die beiden Deutschen waren gewiss sehr brutal, Generäle durch und durch, sehr militaristisch, aber das erschien ihnen absurd. Bilbao könnte in 15 oder 20 Tagen fallen, uns was finden wir? Sollen wir die Industrie zerstören, die in unsere Hände fallen wird?
(Ingo Niebel): Von Richthofen wollte Bilbao nicht bombardieren so wie Mola das von ihm verlangte. Um Mola zu beruhigen, könnte deshalb Gernika die Alternative gewesen sein, der Plan B.
(Xabier Irujo): Im Navarra jener Zeit, nach dem 18.Juli, kommen zwei schreckliche Kriegstreiber zusammen, General Mola und Kardenal Gomá. Laut Gomá müssen die baskische Regierung als Institution und die Basken als Volk leidvoll für ihre Sünden büßen.
(Oiane Valero): Gernika ist international bekannt geworden. Aber Tatsache ist, dass während der 11 Monate, die der Krieg hier dauerte, viele andere Orte ebenfalls bombardiert wurden, nicht nur Gernika.
(Ingo Niebel): Bilbao werden wir nicht bombardieren, aber Gernika hatte dieselbe Bedeutung, die Mola Bilbao beimaß, also bombardieren wir Gernika.
(Xabier Irujo): Die Bombardierung von Gernika sei bedauernswert, schrieb Gomá in einem Brief an einen Domherren, aber sie habe geschehen müssen, damit die Basken für die Sünde büßten, sich einer Regierung von Ungläubigen angeschlossen zu haben, und weil sie eine verwerfliche Unabhängigkeits-Ideologie verteidigt hätten.
(Xabier Irujo): Die Gründe für die Bombardierung Gernikas sind komplex. Da kommen politische, sozio-kulturelle und auch strategische Aspekte zusammen.
(Angel Viñas): Wir Historiker haben uns immer gefragt: Warum die Stadt Gernika zerstören, wenn es nur um die Zerstörung der Brücke ging?
(Xabier Irujo): Gernika war ein Symbol. Nicht nur ein Symbol der Basken. Wir müssen betrachten, warum Gernika ein Symbol war. Zum Beispiel war es ein Symbol für Demokratie, also etwas, was diese autoritären Regime hassen. Es war der Ort, an dem der Präsident Jose Antonio Aguirre auf die autonome Regierung des Baskenlandes geschworen hatte.
(Xabier Irujo): Es gab viele Gründe dieses Symbol anzugreifen. Oft wurde gesagt, das Argument, Gernika sei aus symbolischen Gründen bombardiert worden, sei falsch, weil der deutsche Stab nichts von Gernika wusste. Klar, Göring hatte wahrscheinlich keine Ahnung, was Gernika bedeutete. Aber Vigón wusste es, er war der Befehlshaber der Navarra-Brigaden, Solchaga wusste es auch, denn seine Truppen sangen selbst das Lied vom Gernika-Baum.
(Xabier Irujo): Und die baskischen Soldaten trugen …, vor allem die Ertzaintza hatte an den Revers als Symbol das Eichenblatt von Gernika, für ihren Rang. Sie hatten Gefangene gemacht, viele Gefangene, sie wussten also genau, dass Gernika für die Basken ein Symbol war.
Im Detail geplante Vernichtung Gernikas
(Ingo Niebel): Ohne Gernika zu kennen, muss Von Richthofen ein Blick auf die Karte genügt haben, um zu wissen: ein Ziel müsste die Brücke sein.
(Xabier Irujo): Die einzigen Bomber, die Richthofen am Bombardierungstag in Gernika nicht benutzte, obwohl sie an der Nordfront zu seiner Verfügung standen, waren drei Henschel 123 in Gasteiz.
(Xabier Irujo): Diese Flugzeuge waren speziell dafür konzipiert, Brücken zu zerstören.
(Angel Viñas): Das ist eine Brücke von 12 Metern Länge und 3, 4 oder 5 Metern Breite. Eine Brücke aus Stein.
(Xabier Irujo): Mit einer einzigen 200-Kilo-Bombe und einer einzigen Henschel 123 wäre mit praktisch 100%iger Sicherheit die Brücke zerstört worden. Sie wurde aber nicht getroffen, nicht einmal berührt.
(Xabier Irujo): Als die Theorie von der Brücke ins Spiel kommt, oder die Theorie der Zerstörung der Verbindungswege, ich denke, damit ist das Thema ad absurdum geführt.
(Ingo Niebel): Wir müssen auch bedenken, dass es das erste Mal war, dass eine Militärstaffel aus der Luft eine gesamte Stadt ausradierte. Bis dahin war das Science Fiction.
(Oiane Valero): Zentrales Ziel eines Bombenangriffs ist die Verbreitung massiver Angst, aber nicht nur unter den Leuten vor Ort, sondern auch unter den Milizen und Kämpfern, die die Republik und die Freiheit verteidigen. Ihre Moral soll gebrochen werden.
Gernika: ein militärisches Experiment
(Xabier Irujo): Bei der Bombardierung von Gernika nehmen mehr Jagdflugzeuge teil, mehr Jäger als Bomber, obwohl es ein Bombardement ist. Auch das ist neu. Jäger werden zum Bomben benutzt. Wir wissen, dass die erste Bombe auf Gernika, hier ganz in der Nähe, von einer Heinkel 51 abgeworfen wurde, einem deutschen Jagdflugzeug, kein Bomber.
(Xabier Irujo): So viel zur Theorie, aber Gernika war ein militärisches Experiment. Es waren keine Truppen auf dem Vormarsch. Es war eine einzige empirische Demonstration, was alles möglich war.
(Angel Viñas): Der Schlüssel findet sich in einem Bericht Von Richthofens an Berlin. Und was steht in diesem Bericht? Darin steht, dass im Nord-Feldzug Versuche gemacht werden mit verschiedenen Bombenabwürfen, um zu sehen, in welcher Form die besten Zerstörungs-Effekte zu erzielen sind. Und dass die Kombination mit den besten Ergebnissen die Mischung von 10-Kilo-Bomben, 250-Kilo-Bomben und Brandbomben ist. Was wurde in Gernika benutzt? Eine Kombination von 10-Kilo-, Brand- und 250-Kilo-Bomben. Das war keine übliche Mischung.
(Ingo Niebel): Die Bombardierung von Gernika dauerte ungefähr drei Stunden.
(Xabier Irujo): Sie wählen einen Montag, den Markttag, damit mehr Leute auf der Straße waren und damit die MG-Salven mehr Leute trafen.
(Oiane Valero): Gernika hatte damals landwirtschaftlichen Charakter. Deshalb kamen zum Markt nicht nur Leute aus der Umgebung, sondern auch aus Bilbo, um Gemüse einzukaufen, Handel zu treiben und Leute zu treffen.
(Ingo Niebel): Die Bombardierung Gernikas wurde in mehreren Angriffswellen vollzogen.
(Xabier Irujo): Erste Absicht war es, Gernika zu umzingeln und soviele Menschen wie möglich in der Stadt einzuschließen.
(Oiane Valero): Einige flüchteten in die Berge, andere starben in den Bunkern, weil diese nicht besonders stabil waren.
(Ingo Niebel): Richthofens Taktik war, dass die ersten Flugzeuge Sprengbomben abwarfen. Diese Bomben sollten zuerst die Wasserversorgung unterbinden.
(Xabier Irujo): Sie wussten, dass Gernika keine Luftabwehr hatte, auch keine Verteidigung zu Land, einfach nichts.
(Ingo Niebel): Zweitens sollten die Dächer vieler Häuser zerstört werden. Es handelt sich vorwiegend um Holzhäuser. Wenn wir also durch die Druckwellen die Dächer zerstören und danach Brandbomben werfen, erreichen wir, dass die ganze Stadt brennt.
(Oiane Valero): Es gab Bunker in Gernika. Aber Gernika war geostrategisch kein wichtiger Ort und hatte militärisch keine Bedeutung. Deshalb waren dort nicht solche Verteidigungs-Anlagen wie in Bilbao.
(Xabier Irujo): Wir haben ein von Richthofen persönlich unterzeichnetes Dokument, das den Abwurf von 31 Tonnen Bomben bestätigt. Und alle existierenden Quellen aus jener Zeit, sowohl schriftliche Dokumente als auch mündliche Aussagen, sprechen von mehr als 2000 Toten.
(Ingo Niebel): Die Bombardierung von Gernika war ein Erfolg der Luftwaffe, der Luftstreitkräfte. Das heißt, was Von Richthofen gewollt hatte, war eingetroffen: die völlige Zerstörung der Stadt, die dazu auch noch brannte. Nachdem die Nachricht bekannt wurde, was in Gernika geschehen war, in Gernika als Symbol der baskischen Freiheiten, der Demokratie, kam es zu einer Propaganda-Schlacht, die die Deutschen mit der Lüge beantworteten, dass es “die Roten“ gewesen seien, die Gernika bombardiert und angezündet hätten. In Berichten nach außen, gegenüber seinen Vorgesetzten, benutzte Von Richthofen diese Lüge und behauptete, die republikanische Seite bzw. die Basken selbst hätten ihre heilige Stadt angezündet.
(Hubert Brieden): Aber über die Schäden wurde berichtet. Zur Nazizeit. Nach dem Krieg wurde das Thema weitgehend verschwiegen.(Oiane Valero): Gegen diese historische Lüge setzen wir auf drei Prinzipien: Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. In Bezug auf die Wahrheit wurden viele Schritte gemacht, von der Bevölkerung, und von Erinnerungs-Gruppen. Aber bei Gerechtigkeit und Wiedergutmachung geht es nicht voran, das liegt nicht in unserer Hand.
(Oiane Valero): Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung wären hilfreich, viele offene Wunden von damals endlich zu schließen. Nur so wäre es möglich, gemeinsam in die Zukunft zu schauen.
ANMERKUNG:
(1) Ingo Niebel ist Journalist und Historiker, er hat mehrere Bücher zum Thema Baskenland publiziert (Link)
(2) Arbeitskreis Regionalgeschichte e.V. Neustadt (Link)
(3) Xabier Irujo (Link)
(4) Vorstellung auf der Webseite des Kulturvereins Baskale: Der Dokumentarfilm “Legion Condor. Vergangenheit und Gegenwart eines Kriegsverbrechens” basiert auf einer Ausstellung, die der Arbeitskreis Regionalgeschichte Neustadt erforscht, konzipiert und publiziert hat unter dem Titel “Ein voller Erfolg der Luftwaffe. Die Vernichtung von Gernika am 26.4.1937“. Im Film kommen interessante Details zur Sprache über die Entstehung dieser deutschen Militäreinheit und deren Protagonismus bei der Bombardierung Gernikas, die als Experimentierfeld für den bevorstehenden Zweiten Weltkrieg diente.
(5) Drei Sprachversionen stehen zum Download bereit: Baskisch - (Link), Deutsch - (Link), Spanisch - (Link). DVD-Bestellungen über den Baskale-Kontakt (Link).
FOTOS:
(1) Antifaschistische Wandmalerei in Bilbo (Foto Archiv Txeng)
(2) DVD-Cover des Dokumentarfilms (Kulturvereins Baskale)
(3) Titelbild von Broschüre und Ausstellung „…ein voller Erfolg der Luftwaffe“ – Arbeitskreis Regionalgeschichte Neustadt
(4) Reproduktion des Picasso-Bildes „Guernica“ als Wandbild in Gernika (FAT)
(5) Im Militärmuseum Wunstorf ist eine Maschine vom Typ Junkers 52 (JU-52) zu sehen, die bei den Bombardierungen eingesetzt waren – einen Hinweis auf die baskisch-spanische Geschichte des Bombers gibt es nicht (Foto: Presse)
(6) Gernika nach der Bombardierung (baskisches Archivbild)
(7) Deutsche Soldaten beim Verladen von Bomben der Legion Condor (baskisches Archivbild)