albaola1Nachbau in Pasaia

Albaola ist der Name einer Schiffsfabrik in der Hafenstadt Pasaia, im Stadtteil San Pedro. Der Standort ist ideal, um die historische Verbindung der baskischen Gesellschaft zum Meer kennenzulernen. Heutzutage ist Pasaia nach Bilbao der größte baskische Industriehafen, zudem wird in Albaola ein Walfang-Schiff aus dem 16. Jahrhundert nachgebaut, gemäß den damals bekannten Techniken. Jenes Schiff mit dem Namen San Juan fischte und jagte in Red Bay, Neufundland, an der Küste des heutigen Kanada.

Pasaia, Stadt der Fischer und Seeleute, Ort der Schiffswerften, der ewigen Ruderduelle zwischen den Barrios San Pedro und San Juan, ein passender Standort für Albaola, die baskische Meeresfabrik, im einstigen Gebäude der Askorreta-Werft. Albaola ist nicht nur Ort für Zimmerei, sondern auch Museum.

albaola2Die Industrie- und Hafenstadt Pasaia (span: Pasajes) liegt zwischen Donostia (San Sebastian) im Westen und Hondarribia (Fuenterrabia) im Osten, am Aufstieg zum Jaizkibel-Höhenzug. Die 16.000-Ew-Stadt liegt nicht direkt am Atlantik, der Zugang zum Meer besteht aus einer norwegisch anmutenden Schlucht, durch die beachtlich große Containerschiffe fahren. San Pedro links und San Juan rechts sind die Stadtteile, die diesen Zugang säumen und seit Jahrhunderten Zeugen der Meeres-Tätigkeiten waren, welche die wirtschaftliche Basis des Ortes darstellte: Schiffbau und Fischfang. (1)

Albaola ist ein Zentrum, das die historische Verbindung der baskischen Gesellschaft mit dem Meer auf praktische und didaktische Weise vermittelt. Ziel der Einrichtung ist es, das maritime Erbe lebendig werden zu lassen, seine Geschichte zu verbreiten und für die Anerkennung der historischen Bedeutung des baskischen Schiffbaus zu sorgen. Für junge und alte Besucher*innen ist es eine Rückkehr in die Vergangenheit, in den Lebensstil der baskischen Vorfahren, in die Art und Weise, wie sie diese enge und existenzielle Beziehung zum Meer erlebten. Die Besucher*innen können unter anderem eine Modellier-Werkstatt, ein Meerestheater, Aktivitäten für Kinder und eine Vorführung traditioneller Berufe besuchen. Das Highlight von Albaola ist jedoch zweifellos die Rekonstruktion der Nao San Juan, eines Walfang-Schiffs aus dem 16. Jahrhundert. Das derzeit entstehende Schiff wird in der gleichen handwerklichen Weise hergestellt wie sein historisches Vorbild, ein Beispiel für die ersten trans-ozeanischen Frachtschiffe, die vom Baskenland nach Neufundland segelten: die Nao San Juan tat dies im Jahr 1563.

Ursprung

Der Idee für die Gründung von Albaola stammt aus den Vereinigten Staaten, genauer gesagt aus dem Bundesstaat Maine, wo Xabier Agote, einer der Gründer von Albaola Factoría Marítima, an der Marineschule des Museums von Maine studierte. Dort arbeitete er auf Anregung der Gesellschaft für baskische Studien in Amerika (Society of Basque Studies in America, einer von der baskischen Diaspora gegründeten Organisation) am Nachbau eines Walfang-Ruderboots aus dem Jahr 1750, das im Museum zu sehen ist und den Namen Amerikatik Trainerua erhielt (Ruderboot aus Amerika). (2)

Xabier Agote kehrte nach Gipuzkoa zurück, um das Interesse an der Wiederbelebung des maritimen Erbes der Provinz zu fördern. Im Jahr 2000 wurde in Pasaia San Pedro das Zentrum Ontziola eingeweiht, eine Einrichtung für die Erforschung und den Bau traditioneller Boote (ontzi bedeutet Schiff, ola bedeutet Werkstatt in baskischer Sprache). Dort sollten Nachbauten hergestellt und mit ihnen Aktivitäten gefördert werden. Zum Beispiel eine Atlantiküberquerung im Ruderboot, eine Teneriffa-Barbados-Expedition ohne äußere Hilfe sowie andere Projekte. Im Jahr 2010 wurde das Zentrum für maritime Kultur in Ondartxo eingeweiht, mit dem das vorherige Zentrum in einer Einrichtung der Provinz-Regierung von Gipuzkoa ersetzt wurde, im Gebäude der früheren Askorreta-Werft (Astilleros Ascorreta) in Pasaia. Im Jahr 2014 wurde das Projekt umbenannt und trägt seither den Namen "Factoría Marítima Vasca Albaola" (Baskische Schiffs-Fabrik Albaola). In jenem Jahr begann die Factoría mit ihrem wichtigsten Projekt: dem Nachbau des baskischen Walfängers "Nao San Juan", der im 16. Jahrhundert in Pasaia gebaut worden war.

Untergang der Nao San Juan

albaloa3Die Nao San Juan war ein Walfänger-Frachtschiff, das 1563 gebaut wurde für Überfahrten nach Kanada. Als die Nao San Juan 1565 mit einer vollen Ladung von Fässern mit Walfett aus Red Bay vor der Küste von Labrador-Neufundland zurückkehren wollte, wurde sie von einem gewaltigen Sturm überrascht und sank in der Bucht. Dank der Nachforschungen der kanadischen Schifffahrts-Historikerin Selma Huxley, einer weltbekannten Expertin und Pionierin in der Erforschung der maritimen Geschichte des Baskenlandes und Kanadas, konnte die gesamte Geschichte des Untergangs der Nao San Juan südlich der Labrador-Halbinsel dokumentiert werden.

Selma Huxley fand heraus, dass der Schiffseigner im Jahr nach dem Untergang der Nao (1566) mit einem anderen Schiff nach Red Bay zurückkehrte und etwa die Hälfte der verlorenen Ladung retten konnte. Einige Mitglieder der Besatzung verklagten den Reeder daraufhin auf ihren Anteil am Verkaufs-Erlös. Die Aufzeichnungen über diesen Rechtsstreit wurden im Archiv der Universität von Oñati in Gipuzkoa aufbewahrt, wodurch Huxley die Geschichte des Schiffes rekonstruieren konnte.

Robert Grenier, ein Unterwasser-Archäologe von Parks Canada, ging diesen Informationen nach und fand im Jahr 1978 das Wrack der Nao San Juan. Es begann eine beispiellose Unterwasser-Ausgrabung auf dem Gebiet der maritimen Archäologie, der Anfang einer der größten archäologischen Unterwasser-Bergungen der Welt, gleichzeitig die erste in arktischen Gewässern bei 0 Grad Celsius. Robert Grenier wurde mit dieser Arbeit zu einer internationalen Referenz auf diesem Gebiet. Dank der niedrigen Temperaturen und des Schlamms in der Bucht war das Wrack der Nao San Juan unter außergewöhnlichen Bedingungen weitgehend erhalten geblieben. Ein Bild von Grenier während der Ausgrabungen wurde zum Titelbild der Zeitschrift National Geographic.

Rekonstruktion

Das Wrack wurde Stück für Stück entfernt, fotografiert und an seinen ursprünglichen Standort unter Wasser zurückgebracht, wo es überwacht wird. Dies ermöglichte die Erstellung detaillierter Pläne des Schiffes, die 2006 an die Albaola Factoría übergeben wurden und den Bau einer Nachbildung des San-Juan-Wracks ermöglichten.

albaola4Beim Bau der Nachbildung des 28 Meter langen und 7,5 Meter breiten Walfängers San Juan wurden traditionelle Methoden und Materialien verwendet und der historische Bauprozess aus dem 16. Jahrhundert so weit wie möglich respektiert. Für das Holz des Rumpfes wurden 200 Eichen aus dem Sakana-Tal in Navarra verwendet. Die verwendeten Holzbauteile wurden durch die gezielte Führung des Astwuchses am Baum hergestellt. Eine solche Technik ersparte das Zusammensetzen von Holzteilen und verlieh den baskischen Schiffen eine Widerstandsfähigkeit, die diese Schiffsfabriken beliebt und hoch geschätzt machte. Für die Masten wurden Tannen mit einer Länge von mehr als 35 Metern verwendet, die wie ursprünglich aus dem Wald von Irati in Nord-Navarra stammen.

Dieser Geist des Nachbaus der San Juan mit Materialien, die weitestgehend denen aus dem 16. Jahrhundert entsprachen, hat dazu geführt, dass bereits verschwundene Berufe und Traditionen wiederentdeckt wurden, zum Beispiel die Destillation von Baum-Teer für die Abdichtung des Schiffes, die in Quintanar de la Sierra in der Provinz Burgos ausfindig gemacht wurde. Der Teer für den Bau der Nachbildung der Nao San Juan wurde wie 400 Jahre zuvor mit Ochsenkarren zu Albaola transportiert. Der gesamte Bauprozess wird, meist mit Freiwilligen aus der Umgebung, auf dem Museumsgelände live vor den Augen des Publikums durchgeführt. Im Juni 2013 wurde das Projekt des Nachbaus in Angriff genommen. Seitdem sind die Bauarbeiten in den Docks von Ondartxo in Pasaia auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Vierzehn auf den Wiederaufbau alter Schiffe spezialisierte Zimmerleute arbeiten seither mit Unterstützung von Freiwilligen an der Gestaltung der Nao, so der baskische Name für alte Frachtschiffe. (1)

Vorgesehen war, den San-Juan-Nachbau im Jahr 2016 fertigzustellen, für jenen Sommer hatte Donostia (San Sebatian), die Hauptstadt von Gipuzkoa, den Zuschlag als Europäische Kulturhauptstadt erhalten. Als einer der Höhepunkte dieses internationalen Großevents war vorgehsehen, dass der Walfänger vom Stapel gelassen und Kurs auf seine alten Ziele nehmen sollte. Doch Verzögerungen beim Bau verhinderten, dass die Replik 2016 in den Gewässern des Golfs von Bizkaia zu Wasser gelassen wurde. Das ist immerhin neun Jahre her. Doch auch wenn die Nao nicht rechtzeitig fertig wurde, trösten sich die Verantwortlichen bei Albaola mit dem Gedanken, dass die gesamte Arbeit dazu dient, Schritt für Schritt zu zeigen, wie ein Schiff dieser Größe vor vier Jahrhunderten gebaut wurde – ein beeindruckendes Werk.

Zugabe

albaola5Wer die Museums-Werft erlebt hat, kann seinen Besuch auf beiden Seiten der Pasaia-Bucht mit Wanderungen ergänzen. Entweder mit dem Boot von San Pedro nach San Juan übersetzen, um dieses typische Fischerdorf mit seinen engen, gepflasterten Gassen und seinen hervorragenden Ausblicken zu besuchen und womöglich den Anstieg Richtung Jaizkibel (543m) in Angriff zu nehmen. Oder ins Zentrum von San Pedro zurückzukehren, um von dort aus zum Leuchtturm La Plata hinaufzusteigen, dem Wachturm am Eingang des Hafens von Pasaia, der einen spektakulären Anblick bietet am östlichen Ende des Ulía-Berges, der San Pedro mit Donostia verbindet und dessen Wege über dem Meer einen Spaziergang wert sind. Von der Ebene am Fuße des Leuchtturms aus beginnen mehrere Spazierwege entlang der Küste: einer führt an den Gipfeln entlang, ein anderer auf halber Höhe des Hangs. Von hier aus kann die Gegend von Mendiola erreicht werden, oder der Ulía-Berg über Donostia. In der Nähe können die Ruinen der Festung Amirante besichtigt werden, die während des zweiten Karlistenkriegs (1872-1876) errichtet wurde.

ANMERKUNGEN:

(1) Informationen aus: “Así se construye un ballenero del siglo XVI” (Wie ein Walfänger aus dem 16. Jahrhundert gebaut wird), Tageszeitung El Correo, 2015-06-19 (LINK)

(2) Albaola Factoría Marítima (Albaola Meeres-Fabrik), Wikipedia (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Walfangschiff (gipuzkoadigi)

(2) Albaola (albaola)

(3) Albaola (elcorreo)

(4) Albaola (wikipedia)

(5) San Juan (turismovasco)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2025-01-25)

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