Das Geburtstags-Jahr 2025
Das neue Jahr 2025 ist durch Personalwechsel gekennzeichnet, Miren Arzalluz im Guggenheim, der Abgang des Alhóndiga-Direktors Fernando Pérez. Dazu kommen in Donostia Jahrestage bei Tabakalera und Kutxa, oder Überraschungen wie jene von Abel Azkona, der ein provokatives Anti-Gewalt-Projekt vorbereitet. Bei allem sticht die führende Rolle von Künstlerinnen hervor. Frauenpower“, um über das nie in Betrieb genommene AKW Lemoiz, über Migration oder individuelle und kollektive Erinnerung nachzudenken.
Neben den bekannten Museen Navarra (Pamplona), Oteiza (Alzuza), Artium (Gasteiz), San Telmo, Tabakalera, Kursaal (Donostia), Itsas Museoa, Schöne Künste und Guggenheim (Bilbao) hat das Baskenland eine Reihe weiterer interessanter Ausstellungsräume zu bieten, allen voran mehrere Ethnologische Museen zu baskischer Geschichte und Kultur.
Leire Aurrekoetxea, der Leiterin der Abteilung Kommunikation und Marketing des Itsas Museoa in Bilbao (Meeres-Museum), sagte kürzlich versehentlich: “Es ist bezeichnend, dass viele baskischen Museen entschieden haben, in dieser Saison Frauen eine Hauptrolle zukommen zu lassen, jede Einrichtung für sich“. Das hat natürlich seine Bedeutung. Es ist verräterisch genug, dass diese große Präsenz von Künstlerinnen ein Thema ist, das in einer Schlagzeile hervorgehoben werden muss, obwohl es selbstverständlich sein sollte. Aber wir wissen, wie nach welchen patriarchalischen Kriterien die Welt funktioniert. Zumindest bis heute.
Das Jahr 2025 bringt Jubiläen und neue Gesichter: mit Miren Arzalluz steht zum ersten Mal eine Frau an der Spitze des bekanntesten baskischen Ausstellungs-Zentrums, dem Guggenheim-Museum Bilbao, mit seinen umstrittenen Erweiterungsprojekten. Und während wir darauf warten, dass die Programme vollends fertig gestellt werden, sind wir gespannt auf die Überraschung, die Abel Azkona zu bieten gedenkt. Der Künstler aus Navarra, der die Gesellschaft mit seiner Anprangerung der Gewalt gegen Kinder schockieren will, läutet die neue Ausstellungssaison mit Vorschlägen ein, die eng mit dem verbunden sind, was die brasilianische Aktivistin und Fotografin Angélica Dass als “Artivismus“ (Kunst und Aktivismus) verteidigt. Das heißt, die Verteidigung der Rolle der Kunst als Instrument zur Förderung des sozialen Wandels.
Kollektive Migrations-Alben
Schüler aus sechs Schulen in Bilbao haben am Projekt der Brasilianerin Anjelica Dass zum Thema Migration und Erinnerung teilgenommen, das noch bis März im Itsasmuseum zu sehen ist. Die renommierte brasilianische Fotografin, die in Madrid lebt und arbeitet, präsentiert diese Woche im Itsasmuseum “Sustrairik gabeko zuhaitzak ez du aurrera egiten“ – “Ein Baum ohne Wurzeln gedeiht nicht“ (bis zum 7. März), ein Projekt über Migration, das sie im vergangenen Jahr mit Schülern von sechs Sekundarschulen in Bilbao durchgeführt hat. Durch Gedächtnis-Forschung werden Familienalben von internationaler und heimischer Migrationen erstellt, mit dem Ziel, “ein kollektives und multidisziplinäres Werk zu schaffen, das es uns ermöglicht, gemeinsame Elemente zu identifizieren und darauf hinzuweisen, dass Migration und kulturelle Vielfalt zur menschlichen Natur und dem Gemeinschafts-Leben gehören“, erklärt die Künstlerin.
Die aus Rio de Janeiro stammende Künstlerin Anjelica Dass ist Autorin von “Humanae“, einem international anerkannten Werk: eine Sammlung von Porträts, die die vielfältige Schönheit menschlicher Farben offenbart und in mehr als dreißig Ländern auf sechs Kontinenten zu sehen war, vom Weltwirtschafts-Forum in Davos bis zu den Ausgaben von National Geographic“.
Das Aus für Lemoiz
1984 verhängte die Madrider Regierung ein Atom-Moratorium, was den offiziellen Stopp der Arbeiten am Kernkraftwerk Lemoiz bedeutete. Jener Betonklotz bei Armintza in Bizkaia war Protagonist und Schauplatz von Anschlägen, Todesfällen und Massenprotesten der Bevölkerung Bis heute steht er – vorläufig – immer noch, fast wie ein Ort der Erinnerung, leer, halb abgebaut, ohne Inhalt. Der Journalist Iñaki Petxarroman analysierte in seinem Buch “Lemoiz. Herri garaipen bat nuklearizazioaren aurka“ (Lemoiz. Der Sieg des Volkes gegen die Atompolitik, Txalaparta, 2024) den Kampf der Volksbewegungen gegen das Atomkraftwerk.
Aus der Kunst kommt nun die Reflexion von Ixone Sádaba mit “Escala 1:1“, einer Ausstellung, die am 6. Februar die Saison im Kulturzentrum Alhondiga in Bilbao eröffnet. Ein Programm, bei dem Frauen die Protagonistinnen sind: neben Sádaba und Marisa González auch die Japanerin Chiharu Shiotay. Dazu ein Vorschlag, den der bisherige Direktor Fernando Pérez ausgearbeitet hatte, für den nach seinem Rücktritt aus Protest noch kein Nachfolger gefunden wurde. In einer Verbindung zwischen Raum und Zeit eröffnen die Ruinen des Kernkraftwerks Lemoiz die Saison im Alhondiga-Zentrum mit der Ausstellung von Ixone Sábada – geschlossen wird das Jahr mit den Arbeiten von Marisa González aus den Jahren 2004 und 2008.
Ixone Sádaba, eine renommierte Künstlerin aus Bilbao, hat sich drei Jahre lang mit der Architektur der Ruinen dieses Kernkraftwerks beschäftigt. Sie dokumentiert, fotografiert und versucht, uns die Erinnerung an einen Ort und einen Konflikt näher zu bringen, der die letzten 40 Jahre unserer jüngsten Geschichte geprägt hat. “Es ist eine Übung zur Beobachtung der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, die wir uns wünschen“, erklärte sie vor einigen Monaten im Radiosender Ser. Das von Carles Guerra betreute Projekt stellt einen neuen Zugang dar, mit der das Objekt des Kraftwerks Teil einer öffentlichen Debatte werden könnte.
Eine Überraschung ist, dass die Ausstellungs-Saison im Alhondiga in einer Art Raum-Zeit-Schleife von einer anderen Frau und einem anderen Lemoiz abgeschlossen wird: einem Foto-, Video- und Objekt-Projekt, das Marisa González zu Beginn des Jahrtausends durchgeführt hat. González dokumentierte die Schließung des Atomkraftwerks. Die renommierte Künstlerin aus Bilbao, Preisträgerin des Velázquez-Preises 2023 und Pionierin in der Anwendung neuer Technologien im künstlerischen Schaffen seit den 1970er Jahren, wird im letzten Quartal des Jahres im Mittelpunkt einer Retrospektive ihrer Werke stehen. Im Mai 2025 wird sie im Museum Reina Sofía in Madrid zu sehen sein, am 1. Oktober kommt sie ins Alhóndiga-Zentrum im Bilbo-Stadtteil Indautxu.
Gggnhm
Frauen sind auch die Protagonisten des Guggenheim-Museums. In diesem Jahr sind alle vier Ausstellungen Künstlerinnen gewidmet. Sie beginnen am 21. Februar mit einer historischen Figur: der brasilianischen modernistischen Malerin Tarsila do Amaral (1886-1973). Die abstrakte Expressionistin Helen Frankenthaler (1928-2011) und die Konzept-Künstlerin Barbara Kruger (*1947) (beide aus den USA) und die in Paris lebende Portugiesin Maria Helena Vieira da Silva (1908-1992), eine Vertreterin der abstrakten Malerei, werden ebenfalls in der Galerie zu sehen sein.
2025 ist ein Jahr der Jubiläen in Gipuzkoa: Tausend Jahre sind vergangen seit der ersten schriftlichen Erwähnung der Provinz Gipuzkoa, das Teil des Königreichs Navarra war: die Ausstellung mit dem Titel “Von Ipuscua nach Gipuzkoa. 1025-2025“ wird am 18. Mai im Museum San Telmo eröffnet. Zehn Jahre sind vorbei seit der Umwandlung des Zentrums für zeitgenössische Kultur Tabakalera in ein kulturelles Epizentrum und 25 Jahre seit der Eröffnung des Kubo-Saals im Kursaal durch die Kutxa Fundazioa-Stiftung.
Tabakalera und Kubo-Kutxa haben sich deshalb zusammengetan, um ein breit gefächertes künstlerisches Angebot zu programmieren, das aus zehn Ausstellungen besteht, die das ganze Jahr füllen werden: Am 7. Februar wird die Ausstellung über Mari Paz Jiménez (1906-1975) im kleinen Kubus eröffnet; die Doppel-Retrospektive, die beide Einrichtungen ab 24. Oktober Maider López (*1975) unter dem Titel “Ukitu“ (Berühren) widmen werden, sticht in großen Lettern hervor. Die Künstlerin aus Donostia (San Sebastián), die 2025 fünfzig Jahre alt wird, stellt eine große Anzahl von Projekten vor, die sie auf internationaler Ebene durch Eingriffe in die natürliche und urbane Umgebung realisiert hat.
Last not least
Und noch eine letzte Information: Am 28. Februar eröffnet das Artium-Museum in Vitoria-Gasteiz die Saison mit einer Ausstellung der Malerin Inés Medina (Cáceres, 1950), die von ihren ersten monochromen Experimenten Ende der 1970er Jahre bis hin zu ihren ersten computergenerierten Werken Mitte der 1990er Jahre reicht.
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus: “Woman power, para reflexionar sobre Lemoiz, migración o memoria“ (Frauen-Power, um über Lemoiz, Migration oder Erinnerung nachzudenken), Tageszeitung Gara, 2025-01-14 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Marisa Gonzalez (collage)
(2) Ixone Sadaba: Lemoiz
(3) Barbara Kruger
(4) Marisa Gonzalez
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2025-01-15)