inter9a00Kriegstüchtig

Die politischen Verhältnisse gehen weltweit in großen Schritten Richtung Autoritarismus und Faschismus: Erdogan, Netanjahu, Milei, Trump ... Attentate und Bombenanschläge auf Nachbarländer, Waffenstillstand mit Vernichtungsansage, Verhandlungs-Angebote und Bombardierungen, Handelskrieg, Zerschlagung von Sozialstaats-Systemen, massives Aufrüsten, Atomkrieg-Drohungen, Militär-Haushalte. Militärische und gesellschaftliche Kriegstüchtigkeit wird beschlossen, eingefordert, vorexerziert und eingeübt.

Abrüstungsverhandlungen waren ein wesentlicher Teil der Bemühungen, Eskalationen zu verhindern und einen nuklearen Krieg abzuwenden. Zwischen 1993 und 2010 wurden Verträge wie Start-II, Teststopp-Verträge, das Moskauer Abkommen, New Start unterzeichnet. Alles Vergangenheit.

(2025-02-05)

TRUMP GREIFT NACH GAZA

inter9a05US-Präsident und Israels Premier träumen von einem Palästina ohne Palästinenser. In der Trümmerwüste soll nach Ansicht des Weißen Hauses eine “Riviera der Levante“ entstehen. Bei einem Treffen mit Benjamin Netanjahu in Washington hat Donald Trump seine “Vision“ bekräftigt, die palästinensische Bevölkerung zwangsweise aus dem Gazastreifen auszusiedeln (der bessere Ausdruck wäre “deportieren“, wie Trump dies mit Latino-Migranten praktiziert). Danach will Trump dort “eine Riviera des Nahen Ostens“ bauen lassen, ein zweites Monaco. Der israelische Premierminister und Verantwortliche für den Völkermord am palästinensischen Volk war der erste ausländische Regierungschef, der vom neuen US-Präsidenten nach dessen Amtsantritt ins Weiße Haus eingeladen wurde.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu schwärmte Trump von der Zukunft Gazas als “einem internationalem, unglaublichem Ort“, an dem “Repräsentanten von überall auf der Welt“ – gemeint sind offenbar die “Reichen und Schönen“ – zusammenkommen und leben würden. Der ganze Nahe Osten werde stolz darauf sein. Die Palästinenser will Trump auf andere Staaten verteilen, hauptsächlich auf die Nachbarländer Ägypten und Jordanien. Zwar haben deren Staatschefs, Präsident Abdel Fattah Al-Sisi und König Abdullah II., die Vertreibungsidee deutlich und entschieden abgelehnt. Aber er habe “das Gefühl“, dass die beiden am Ende doch zustimmen würden, sagte Trump an der Seite Netanjahus den Journalisten.

Zum ersten Mal sprach er davon, dass die USA für dieses Vorhaben den Gazastreifen “in Besitz nehmen“. Jeder, mit dem er gesprochen habe, sei von der Idee begeistert. Auf die Frage, ob er auch Truppen dorthin schicken wolle, antwortete Trump: “Wenn das nötig ist, machen wir es.“ Eine andere Frage, ob seine Regierung die Annexion der palästinensischen Westbank durch Israel unterstützen würde, ließ der US-Präsident vorläufig offen. Dazu werde es in vier Wochen eine Erklärung geben.

Der Dank Israels ist Trump schon jetzt gewiss. Netanjahu schmeichelte ihm als “größtem Freund, den Israel jemals im Weißen Haus hatte“. Trump besitze die Fähigkeit, “das konventionelle Denken zu durchbrechen“ und “frische Ideen“ jenseits der “Schubladen“ einzubringen. Damit werde er Israel helfen, alle seine Ziele zu erreichen: die Zerstörung der militärischen und verwaltungstechnischen Kapazitäten der Hamas, “die Befreiung all unserer Geiseln“ und “die Gewährleistung, dass Gaza nie wieder eine Gefahr für Israel darstellt“.

Vor dem Treffen mit Netanjahu hatte der US-Präsident ein Memorandum an mehrere Ministerien unterschrieben, mit dem sie angewiesen werden, gegenüber Iran zur Strategie des “maximalen Drucks“ zurückzukehren, die Trump schon in seiner ersten Amtszeit praktiziert hatte. Im Zentrum der Maßnahmen steht der Versuch, die zahlreichen Sanktionen, die auch unter Joe Biden beibehalten wurden, konsequent durchzusetzen, indem Irans Handelspartner mit Strafen bedroht werden. Hauptziel ist, den iranischen Ölexport “auf null zu bringen“. Das gelte auch für China, heißt es in dem Memorandum drohend. Das Finanzministerium soll sicherstellen, dass irakische Banken künftig keine Geldgeschäfte mit dem Nachbarland Iran abwickeln. Die arabischen Golfstaaten sollen genötigt werden, dem Iran nicht länger beim Umgehen von Sanktionen zu helfen. Mit den europäischen Verbündeten will die US-Regierung im UN-Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um den sogenannten Snapback-Mechanismus des Wiener Abkommens auszulösen. Dadurch würden alle Sanktionen der UNO wieder in Kraft treten, die 2015 in Zusammenhang mit dem Abkommen aufgehoben wurden. (JW)

(2025-02-03)

BRIEF AUS JERUSALEM

Symbol des Leidens in Gaza: Vor einem Jahr tötete das israelische Militär die sechsjährige Hind Rajab. Dies ist der 23. “Brief aus Jerusalem“ von Helga Baumgarten, emeritierte Professorin für Politik der Universität Birzeit (Foto: Solidemo in Dublin 5.10.2024). - Am 29. Januar 2024, vor etwa einem Jahr, töteten israelische Soldaten in Gaza die sechsjährige Hind Rajab. Die Armee hatte alle Bewohner in ihrem Wohnviertel aufgefordert, sofort ihre Häuser zu verlassen. Die Mutter nahm ihre älteren Kinder und flüchtete zu Fuß. Wegen des schlechten Wetters mit Regen und Kälte ließ sie Hind, die Jüngste, bei ihrem Bruder und dessen Familie, die mit dem Auto in Sicherheit fahren wollte. Doch sie geriet unter den Beschuss eines Panzers, obwohl offensichtlich war, dass hier Menschen dem Befehl der Armee folgten.

inter9a03Die einzigen Überlebenden waren Lajan, die zwölfjährige Cousine von Hind, und diese selbst. Sie hatten ein Handy bei sich, und Lajan rief in ihrer Verzweiflung beim Roten Halbmond an. Sie erreichte die Zentrale in Ramallah und flehte um Hilfe. Die Mitarbeiterin Rana redete mit den Mädchen und versuchte, sie zu beruhigen. Dann gab es eine neue Salve von Schüssen. Rana rief nach Lajan. Nur Hind konnte noch antworten: “Alle sind tot. Der Panzer ist ganz nahe und bewegt sich. Ich habe solche Angst. Holt ihr mich raus?“

Rana redete ununterbrochen mit Hind. Die Kollegen in Gaza unternahmen alles, um von der Armee eine Genehmigung zu bekommen, dass ein Krankenwagen das kleine Mädchen rettet. Nach stundenlangen Versuchen waren sie endlich erfolgreich: Die Armee gab die Erlaubnis. Der Krankenwagen mit Jusuf Al-Seino und Ahmed Al-Madhun fuhr los und war schon in Sichtweite des Autos, in dem Hind auf Rettung wartete. Da feuerten die Soldaten im Panzer ein weiteres Mal: Diesmal töteten sie zuerst Hind und dann die beiden Krankenpfleger. Die Tragödie war live im arabischen Satelliten-Fernsehen zu verfolgen.

Ich erinnere mich, wie wir alle in Tränen ausbrachen, als die Nachricht von der Ermordung Hinds und ihrer Retter kam. Für die israelische Armee, leider auch für die israelische Gesellschaft war das kein nennenswertes Thema. Denn die Einstellung dort ist klar: Jedes Kind in Gaza ist ein potentieller Terrorist. Je früher es “beseitigt“ wird, desto besser. Institutionen wie die UNO, der Internationale Gerichtshof und das Internationale Strafgericht scheinen hilflos und machtlos gegen die Verbrechen und den Völkermord Israels in Gaza.

Deshalb schlossen sich Aktivisten weltweit zusammen und gründeten die Hind Rajab Foundation. Ihr Ziel: Alle israelischen Militärs, vom einfachen Soldat bis hin zu den führenden Militärs, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die Grundlage dafür ist für jeden zugänglich: Israelische Soldaten prahlen mit ihren Verbrechen in den sozialen Netzwerken, auf Bildern und Videos. Die hohen Militärs sprechen Klartext in ihren öffentlichen Reden.

Inzwischen gibt es mehrere Fälle, in denen israelische Soldaten vor einer Festnahme in ihren Urlaubsländern – nach der Teilnahme am Völkermord muss man sich schließlich erholen – mit Hilfe ihrer Botschaften bzw. des Geheimdienstes fliehen mussten, zum Beispiel aus Brasilien. In Israel wissen inzwischen alle, dass es keine Sicherheit vor einer Verhaftung gibt, wenn man irgendwo in der Welt Urlaub machen möchte – es sei denn, man fliegt in die USA. Wenn sie ein Visum für Neuseeland beantragen, müssen israelische Männer bereits genaue Angaben über ihren Armeedienst und ihre Einsätze geben.

Auch israelische Regierungs-Mitglieder müssen sich vor der Hind Rajab Foundation in acht nehmen. Diaspora-Minister Amichai Chikli musste eine Reise nach Brüssel absagen. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Bedrohung eines belgischen Bürgers. Chikli hatte den Mitbegründer und derzeitigen Präsidenten der Hind Rajab Foundation, Diab Abu Jahja, auf X bedroht: “Ein Gruß an unseren Menschenrechts-Aktivisten: Watch your pager!“ Entsprechende Geräte hatte Israel nämlich im Fall der libanesischen Hisbollah manipuliert und ferngezündet. Abu Jahjas Rechtsanwalt argumentiert, dass solche Drohungen nach belgischem Recht verboten seien und einen terroristischen Akt darstellten. (JW)

ABBILDUNGEN:

(*) Tagespresse

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2025-02-03)

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