gerda1Die ignorierte Frauenarbeit

Bisher wurde davon ausgegangen, dass nur wenige Frauen als Journalistinnen von den Kriegsschauplätzen aus über den Spanienkrieg 1936-1939 berichteten. Dem widerspricht ein Universitäts-Professor. Er hat eine umfassende Forschungsarbeit vorgelegt, in der dokumentiert ist, dass damals 183 Reporterinnen durch das Land zogen, die Fronten besuchten und Soldaten interviewten. Ihre Berichte zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie die Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung aufzeigten.

Der Journalist und Professor der Universität von Malaga, Bernardo Díaz Nosty, hat eine ausführliche Studie vorgelegt, in der dokumentiert wird, dass in den Kriegszeiten 1936-1939 fast zweihundert Journalistinnen über den Krieg in Spanien schrieben. Die Studie erscheint in Kürze in Buchform.

Nur eine Handvoll, nicht mehr als acht oder zehn Namen von Reporterinnen waren bislang bekannt. Namen von ausländischen Journalistinnen, die nach Spanien gekommen waren, um der Welt zu berichten, was nach dem Militäraufstand im Juli 1936 auf der Halbinsel geschah. Bekannt ist, dass über den Spanienkrieg (meist fälschlicherweise Bürgerkrieg genannt) weltweit in auflagenstarken Zeitungen und Radiosendern berichtet wurde. Doch sind es fast ausschließlich männliche Namen, die Erwähnung fanden und bekannt wurden. Dennoch waren mindestens 183 Frauen als professionelle Berichterstatterinnen tätig. Diese Ziffer wurde von Bernardo Díaz Nosty, Professor für Journalismus an der Universität von Málaga, ermittelt. Seine Studie wird in den kommenden Monaten vom Verlag Renacimiento veröffentlicht.

"Die Zahl ist überraschend, vor allem, weil die Vorstellung vorherrscht, dass die Tätigkeit der Kriegsberichterstattung so gut wie ausschließlich von Männern ausgeübt wurde. Dies war jedoch nicht der Fall. In den 1930er Jahren gab es eine ganze Reihe von Journalistinnen. Bei 200 Reporterinnen kann durchaus von “vielen“ gesprochen werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sie in ein Land reisten, das sich im Krieg befand", erklärt der Wissenschaftler die Bedeutung seiner Entdeckung. Díaz Nosty erinnert daran, dass der Spanienkrieg als der bis dahin medial am ausführlichsten beschriebene Krieg in der Geschichte gilt. Nur die Forschung über die anwesenden ausländischen Journalistinnen "war bisher unvollständig " (1).

Herkunft

gerda2Die von Díaz Nosty ermittelten Autorinnen stammten aus rund zwanzig verschiedenen Ländern. Darunter waren 40 Britinnen, 35 US-Amerikanerinnen, aus Frankreich kamen 24 und aus Deutschland 13 Frauen. Auch Argentinierinnen, Australierinnen, Italienerinnen und Russinnen bildeten relevante Gruppen mit jeweils sieben Frauen. Viele von ihnen schrieben für große internationale Zeitungen mit hoher Auflage, andere für Publikationen, die von politischen Parteien oder Organisationen herausgegeben wurden.

Einige von jenen Schreiberinnen berichteten bereits von den ersten Momenten des Konflikts, da sie sich im Juli 1936, als der Militärputsch stattfand, in Barcelona befanden. Dort sollte eine Volksolympiade ausgetragen werden, die als Protest-Veranstaltung gegen die Olympischen Sommerspiele 1936 im nazideutschen Berlin geplant war. Die republikanische spanische Regierung hatte beschlossen, die Olympischen Sommerspiele in Berlin zu boykottieren und eine eigene Olympiade zu organisieren. Rund 6.000 Athleten aus 22 Ländern hatten sich für diese Volksolympiade angemeldet. Viele der Sportler*innen wurden von Gewerkschaften, Arbeitervereinen, sozialistischen und kommunistischen Parteien gesandt. Die Olympiade war für die Woche vom 19. bis 26. Juli geplant und hätte somit sechs Tage vor dem Beginn der offiziellen Olympischen Sommerspiele in Berlin geendet. Allerdings wurde die Eröffnungsfeier in Barcelona zugleich zur Schlussfeier der Olympiade, da am selben Tag rechtsgerichtete spanische Generäle putschten und den Krieg auslösten, der fast drei Jahre dauern sollte (2).

Für die Londoner Zeitschrift "Life and Letters To-Day" war die Journalistin Muriel Rukeyser bereits vor Ort, ihr britischer Kollege Jose Shercliff für die Tageszeitung Daily Herald. Muriel Rukeyser (1913-1980) war eine US-amerikanische Schriftstellerin, Übersetzerin und politische Aktivistin. Ihr Leben und Werk wurde bestimmt von den Themen Gleichberechtigung, Feminismus, soziale Gerechtigkeit und Judentum. Das umfangreiche Material aus ihrer Zeit in Spanien bildete die Grundlage für ihr Buch "Mediterranean" (Mittelmeer) (3).

Die mexikanische Anthropologin, Historikerin und Schriftstellerin Anita Brenner (1905-1974), die für die New Yorker Wochenzeitung The Nation arbeitete, war ebenfalls in Spanien. Mehrere andere landeten kurz darauf, darunter die (aus Stuttgart stammende) bekannte Fotojournalistin Gerda Taro, die zusammen mit ihrem ungarischen Partner Endre Ernö Friedmann (bekannter unter dem Namen Robert Capa) die Gräuel des Spanienkrieges dokumentierte. Gerda Taro gilt als erste Frau, die an einer Kriegsfront fotografierte. Ein Jahr nach Kriegsbeginn, am 25. Juli 1937 wurde Taro während eines Angriffs der nazideutschen Legion Condor bei Villanueva de la Cañada an der Brunete-Front von einem republikanischen Panzer überrollt, nachdem sie vom Trittbrett eines Lkw abgerutscht war, mit dem sie aus der Kampfregion flüchten wollte. Einen Tag später erlag sie ihren Verletzungen. (4)

Dass nur wenige Frauen bekannt wurden, überrascht den Wissenschaftler Díaz Nosty nicht. 2020 hatte er "Voces de mujeres: periodistas españolas del siglo XX nacidas antes del final de la Guerra Civil" (Frauenstimmen: Spanische Journalistinnen des 20. Jhs, die vor dem Ende des Bürgerkriegs geboren wurden) veröffentlicht: "Im Allgemeinen basiert ein Teil der Geschichtsschreibung auf Chroniken von Journalisten, von den großen Reportern der New York Times oder der London Times, während gleichzeitig auch viele Frauen in führenden Medien tätig waren. Aus welchem Grund auch immer, eine Chronik von Hemingway, die viel schlechter ist als eine von Marta Gellhorn, die auch seine Frau war, erhält historiographisch ein anderes Gewicht", veranschaulicht der Professor. (1)

Eine andere Lesart

gerda3Aber nicht nur die Zahl der Journalistinnen, die der Professor aufgedeckt hat, ist ein Ergebnis seiner dreijährigen Forschung. Interessant ist auch die Tatsache, dass es, wie er es nennt, "eine weibliche Lesart des Krieges" gab und dass sich die Chroniken und Berichte der Schreiberinnen inhaltlich von denen ihrer männlichen Kollegen unterschieden. "Die Erzählungen der Männer wurden mehr von politischen und kriegerischen Berichten dominiert und nicht so sehr von den Auswirkungen des Krieges, denen die Frauen mehr Aufmerksamkeit schenkten. Sie sahen nicht nur, was auf dem Schlachtfeld geschah, sondern auch, dass es sich um einen totalen Krieg handelte, der die Schwächsten traf", erklärt Díaz. (1)

Martha Gellhorn zum Beispiel besuchte das Palace Hotel in Madrid, dessen Luxus den Verwundeten gewichen war, als es zum ersten Militärkrankenhaus Madrids wurde. "Bücherregale im Empire-Stil, in denen früher langweilige Bücher für die Hotelgäste standen, werden heute für Verbandszeug, Injektionsnadeln und chirurgische Instrumente verwendet", schrieb sie für das US-amerikanische Magazin Collier’s. Im Jahr 1937 übertrug Frida Stewart im Radio der Union die Bombardierung der Hauptstadt, um Mitgefühl zu wecken. "Ich frage mich, wie sich die Londoner fühlen würden, wenn sie Piccadilly im Zustand des Sun Gate sehen würden [...] und die Kinos und Theater im zentralen Westen Londons von Granatsplittern eingeebnet würden". (1)

Viele befassten sich auch damit, was mit den Kindern geschah. Eine Schule in Madrid wurde von der Britin Ellen Wilkinson folgendermaßen beschrieben: "Es sind alles Arbeiterkinder, sehr intelligent, aber sehr dünn. Jeden Tag mussten sie unter Granaten oder verirrten Kugeln zur Schule gehen. Die Schule war nur 2,5 Meilen von den eigentlichen Schützengräben entfernt. Bomben fielen auf die Schule, zerstörten alles, sprengten die Lehrer und die Kinder in die Luft. So bringen Faschisten die Zivilisation in ein Land". (1) Ellen Wilkinson war Mitglied der Labour Party und von 1945 bis 1947 Bildungsministerin im Unterhaus.

Die Arbeit des Forschers, die den Titel "Ausländische Journalistinnen im Bürgerkrieg" tragen wird, enthält zahlreiche Beispiele dafür, wie sich die Reporterinnen auf die Auswirkungen der Bombardierungen durch Francos Luftwaffe auf die Zivilbevölkerung, die Fluchtwege der Vertriebenen, die Versorgungsprobleme und die medizinische Versorgung der Verwundeten konzentrierten. Ihre Geschichten zeigten "die Spannungen des zivilen Lebens in den Städten" und machten allgemein deutlich, dass sich die humanitäre Krise nicht nur an der Front abspielt und der Krieg nicht nur in den Kasernen oder den politischen Vierteln stattfand. "Schrecken und Tod waren auch auf den Straßen der Städte zu sehen". Auch das tägliche Leben auf den Märkten sowie Freizeitaktivitäten und Vergnügen beschrieben die Reporterinnen. (1)

In der republikanischen Zone

Die große Mehrheit der ausländischen Journalistinnen befand sich in der republikanischen Zone. 91% der 183 identifizierten Autorinnen reisten in das von der republikanischen Regierung kontrollierte Gebiet, "das für journalistische Aktivitäten durchlässiger war als das Gebiet der Aufständischen", so der Professor. "Diese Frauen waren meist antifaschistisch und fortschrittlich. Viele verurteilten die politische Haltung der Nichteinmischung seitens der Regierungen des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Vereinigten Staaten. Man darf nicht vergessen, dass "die meisten von ihnen für linke oder Mitte-Links-Zeitungen arbeiteten". Sie kritisierten auch Traditionen, die sie auf der republikanischen Seite gesehen hatten und die ihnen missfielen, wie etwa den Stierkampf.

In der Faschisten-Zone

gerda4Von den verbleibenden etwa zwanzig Frauen hielten sich etwa 13 nur in der franquistischen Zone auf und identifizierten sich mit deren Zielen. Eine weitere kleine Gruppe bewegte sich zwischen beiden Kriegsparteien. Die 1917 im Bundesstaat New York geborene Eleanor Packard von United Press interviewte in Bilbao General Mola (5), den Architekten des Militäraufstands von 1936.

Die Französin Clara Candiani "untersuchte kritische Aspekte der Republikaner", schrieb jedoch nach ihrem Eintritt in die franquistische Zone folgendes: "Der christliche Staat, den die Aufständischen angeblich darstellen, verfälscht die Realität des republikanischen Spaniens mit einem tragischen, kriminellen Zynismus, und diejenigen, die der Legalität treu geblieben sind, werden ausnahmslos als Monster mit sadistischen Instinkten dargestellt". (1)

Die Korrespondentin des "Irisch Independent", Gertrude Gaffney, gehörte ebenfalls zu denjenigen, die eindeutig mit Franco sympathisierten und die nachfolgende Diktatur sogar als "notwendig" bezeichneten. Die Schwedin Anna Elgström war eine der wenigen, die Francos Ehefrau Carmen Polo interviewte, und die US-Amerikanerin Virginia Cowles reiste 1937 nach Salamanca, wo sie Franco interviewte und später feststellte: "Die Beleidigung des Feindes, selbst durch die verantwortlichen Offiziere, war so extrem, dass sie wie eine Geisteskrankheit erschien". Bedeutend war auch die Rolle von Dora Lennard, einer Reuters-Korrespondentin, die später Englischlehrerin des Diktators Franco wurde. (1)

Ilse Barea-Kulcsar, geborene Pollak

Die im Originalartikel in einer Bildunterschrift erwähnte angebliche Deutsche Ilse Wolf, war in Wirklichkeit Österreicherin und hieß Ilse Barea-Kulcsar geborene Pollak. Der Nachname Wolf war ein Deckname, da sie als Kommunistin im faschistischen Österreich verfolgt wurde. Nach dem Militärputsch im Juli ging Ilse Kulcsar als Freiwillige nach Spanien. Eigentlich wollte sie dort als Journalistin arbeiten, wurde jedoch aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in der Madrider Telefónica als Mitarbeiterin der Zensurstelle für die Auslandspresse angestellt. Dort lernte sie den spanischen Schriftsteller Arturo Barea (1897–1957) kennen, der ihr zweiter Mann werden sollte. Aufgrund der Schikanen durch Arturos Vorgesetzte, und da "Ilsa, la de la Telefónica" (Ilse von der Telefónica), wie sie bald hieß, auch vom deutschen kommunistischen Geheimdienst verfolgt wurde, verließen die beiden Spanien und gingen kurz nach ihrer Heirat im Februar 1938 nach Frankreich und von dort später nach England. Ihr Roman "Telefónica", der in ihrer Zeit in der Zensurbehörde mit Arturo Barea spielt, wurde im Jahr 2019 auf Spanisch und 2021 auf Deutsch veröffentlicht. (6)

Cecilia de Guilarte

gerda5Erwähnt werden soll auch die baskische Kriegsberichterstatterin Cecilia G. de Guilarte. Sie fällt zwar nicht unter die aus dem Ausland angereisten Journalistinnen, doch war sie die erste und einzige Reporterin an der Nordfront (also Baskenland, Kantabrien und Asturien). Sie veröffentlichte während der Nord-Offensive insgesamt 23 Artikel und einen Kurzroman. Unter anderem führte sie ein Interview mit dem über Bilbao abgestürzten deutschen Legion-Condor-Piloten Karl-Gustav Schmidt. Dieses Interview fand Eingang bei der Beweisführung im Nürnberger Prozess gegen den Oberbefehlshaber der Legion Condor, General Hugo Sperrle. (7) Der spätere Feldmarschall Sperrle wurde von den Alliierten 1945 gefangen genommen und von einem US-Militärgericht in Nürnberg im Prozess gegen das Oberkommando wegen Kriegsverbrechen angeklagt, schließlich aber freigesprochen.

ANMERKUNGEN:

(1) Basis-Information “Más allá de Hemingway: una investigación revela que casi 200 mujeres periodistas vinieron a España a contar la Guerra Civil” (Über Hemingway hinaus: Eine neue Untersuchung zeigt, dass fast 200 Journalistinnen nach Spanien kamen, um über den Krieg von 1936 zu berichten), El Diario, 2022-08-21 (LINK)

(2) Volksolympiade Barcelona 1936, Wikipedia (LINK)

(3) Muriel Rukeyser, Wikipedia (LINK)

(4) Gerda Taro, Wikipedia (LINK)

(5) Der aus Navarra stammende Emilio Mola (1887-1937) war einer der Putschisten-Generäle vom 18. Juli 1936, er war für die Nordfront zuständig, also auch für das Baskenland. Er galt als besonders brutaler Militär, der den Nazis befehlen wollte, sie sollten Bilbao dem Erdboden gleich machen. Er galt als starker Mann des Putsches, bis er im Juni 1937 mit dem Flugzeug abstürzte. Weil Franco damit einen wichtigen Konkurrenten verlor, könnte er aus dem Weg geräumt worden sein.

(6) Ilse Barea-Kulcsar, Wikipedia (LINK)

(7) “Cecilia, Kriegsreporterin – Anarchistin, Journalistin, Schriftstellerin“, Baskultur.info, 2021-01-08 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Journalistinnen 1936 (elpais)

(2) Gerda Taro, 2.v.l. (robert capa)

(3) Journalistinnen 1936 (eldiario)

(4) Ilse Wolf (eldiario)

(5) Cecilia Guilarte (eusko deya)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-09-05)

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