Vom Krieg 1936 bis zum Ende von ETA
„Euskal Herria: Nationaler Befreiungskampf um Sozialismus“ – so der Titel eines Artikels in „Unsere Zeitung“ (1), die in einer Zusammenfassung die neuere baskische Geschichte erklärt. „Euskal Herria (dt. Baskenland) liegt an der Atlantikküste in der Grenzregion zwischen Spanien und Frankreich. In Spanien umfasst es die drei Provinzen der Autonomen Gemeinschaft Baskenland sowie die Provinz Navarra und in Frankreich das nördliche Baskenland im Westen des Départements Pyrénées-Atlantiques“.
„Im Baskenland entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts eine Bewegung, welche die Idee einer baskischen Nation vertrat. Federführend war Sabino Arana Goiri, der mehrere Texte zur nationalen Frage in Euskal Herria verfasste. Am 30. Juli 1895 gründete Goiri die Euzko Alderdi Jeltzalea (Nationalistische Baskische Partei / Partido Nacionalista Vasco – PNV). Die Partei besaß damals eine sozialdemokratische Ausrichtung und trat für eine friedliche Lösung der nationalen Frage ein. Heute vertritt die Partei eine konservativ-christliche Linie und zeigte ihren Verrat an der baskischen National-Bewegung beispielsweise durch häufige Koalitionen mit der spanischen sozialistischen Partei PSOE.
In den 20er Jahren formierten sich erste militante Splittergruppen, die eine Lösung des Konflikts ohne einen bewaffneten Kampf für unmöglich erachteten. Mit der Ausrufung der spanischen Republik verminderte sich zwar die Repression gegen baskische Nationalisten, wirkliche Fortschritte konnten jedoch nicht erzielt werden. Erst mit dem Wahlsieg der spanischen Volksfront-Bewegung und in weiterer Folge nach dem Putsch durch die Faschisten unter Franco konnten die Basken erste Erfolge erzielen.
Die Volksfrontregierung schuf eine eigene baskische Regierung, die auf Seiten der Republik gegen Franco kämpfte und auch die militanten baskischen Nationalisten schlossen sich dem Kampf gegen die Faschisten an. Traurige Bekanntheit erreichte auch die Bombardierung der baskischen Stadt Gernika durch die Legion Condor, die Gräuel des Angriffs auf die Stadt wurden unter anderem im weltbekannten Bild Guernica von Picasso festgehalten. Nach der Niederlage der Republik wurde auch die baskische National-Bewegung Opfer der brutalen Unterdrückung jeglicher Opposition durch die Faschisten. Tausende Gewerkschafter, Sozialisten, Kommunisten aber auch bürgerliche Nationalisten wurden inhaftiert, gefoltert und ermordet.
Im Exil formierte sich der republikanische Widerstand neu, welchem sich auch die militanten Basken anschlossen. Aus diesem antifaschistischen Widerstand ging 1957 die EKIN als einflussreichste Gruppe, die von Studenten und Arbeitern getragen wurde, hervor. Diese knüpfte an die Theorie der militanten Gruppe Jagi-Jagi, die in den 30er Jahren aus der PNV hervorging, an.
Am 31. Juli 1959 gründeten Mitglieder der EKIN, Studenten der Jesuiten-Universität von Bilbao und Mitglieder des Jugendverbandes der PNV, die Euskadi ta Askatasuna (ETA, dt. Baskenland und Freiheit). Die ETA führte bis 2011 den militanten, bewaffneten Kampf gegen den spanischen Staat und für ein unabhängiges sozialistisches Baskenland.
Euskadi ta Askatasuna
Ziel der Euskadi ta Askatasuna (ETA) seit ihrer Gründung 1959 ist einerseits die Unabhängigkeit und andererseits ein Bruch mit den kapitalistischen Produktions-Verhältnissen. Dies hat zur Folge, dass die ETA die baskischen Arbeiterinnen als ihre primäre Zielgruppe erachtet und in logischer Folge nicht nur die spanische Regierung als Gegner betrachtet, sondern auch die baskischen Vertreter des Kapitals, die häufig mit der spanischen Regierung und dem spanische Kapital kollaborieren.
In der Zeit der faschistischen Diktatur konnte sich „Baskenland und Freiheit“ (ETA) mit ihrem kompromisslosen Kampf gegen die Regierung große Sympathien in der baskischen und der spanischen Bevölkerung sichern. Sie lehnten jeden Kompromiss mit dem Regime, wie ihn etwa die mittlerweile wieder legale PNV geschlossen hatte, ab. Sie verstand einen Kompromiss mit den Herrschenden zu Recht als Verrat an den Toten, die für die spanische Republik und das freie Euskal Herria gekämpft hatten. Gleichzeitig kritisierte sie den rassistisch-nationalistischen politischen Kurs der Gründer der PNV und brach mit deren theoretischen Konzeptionen. Sie schloss jede Berufung auf die Herkunft als Kriterium der baskischen Nation aus und ersetzte sie durch eine kulturelle Konzeption innerhalb der die eigene baskische Sprache eine große Rolle spielt. In ihrer politischen Ausrichtung spielten von Beginn an Vietcong und Irish Republican Army als national-revolutionäre Bewegungen mit sozialistischer Orientierung eine große Rolle.
Politisch knüpfte die ETA schnell Kontakte zur katalanischen Untergrund-Organisation Terra Lliure, der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), der Provisional IRA, sowie der Irish Republican Army (IRA). Zur IRA gibt es bis heute gute Kontakte, die auch 2011 bei der Verkündung der endgültigen Aufgabe des bewaffneten Kampfs eine Rolle spielten. Des weiteren existierten Kontakte zur marxistischen FARC-EP (Kolumbien) und den italienischen Brigate Rosse (dt. Rote Brigaden).
Am 20. Dezember 1973 konnten sie ein Attentat auf den spanischen Ministerpräsidenten und designierten Franco-Nachfolger Luis Carrero Blanco und dessen bewaffnete Eskorte als Erfolg verbuchen. Der Faschist und seine Truppe kamen dabei ums Leben. Der Erfolg des Attentats hatte zur Folge, dass ihre Sympathiewerte bei Antifaschistinnen und baskischen Nationalistinnen weiter stiegen, auch wenn die wenigsten dies in der Öffentlichkeit zeigten. Gleichzeitig wurde die Repression gegen die baskischen Unabhängigkeits-Bestrebungen weiter verschärft.
Mit dem Übergang zur parlamentarischen Monarchie hielten viele in Spanien und im Baskenland eine friedliche Lösung des Konflikts um ein befreites, sozialistisches Baskenland für möglich. Diese Hoffnung erwies sich sehr bald als eine trügerische. In der Folge wurde auch Euskadi ta Askatasuna (ETA) gespalten, der militante Flügel führte den bewaffneten Kampf weiter fort und gewann in Folge bald wider an Einfluss in Euskal Herria. Gleichzeitig schlug ihm immer eine gewisse Sympathie von marxistischen Kräften in Spanien entgegen.
Nachdem großen Teilen des Baskenlandes 1979 politische Autonomie zugesprochen wurde, formte die ETA einen politischen Flügel, die Herri Batasuna war geboren. Der neu gegründeten Partei gelang es bei den ersten Wahlen zum baskischen Regional-Parlament mit 18% einzuziehen. Die Reaktion der spanischen Zentralregierung waren mehrere Verbotsversuche, die immer an einer nicht nachweisbaren Verbindung zur ETA scheiterten. Erst 2003 gelang das Verbot der Partei, nachdem 2002 ein Gesetz erlassen wurde, dass Parteien die Terrorismus nicht verurteilen für illegal erklärte. Zum damaligen Zeitpunkt war Herri Batasuna mit ca 10% im Regionalparlament vertreten und stellte 62 Stadträte im Autonomiegebiet und der Provinz Navarra.
Insgesamt wurde die Repression gegen die baskische Unabhängigkeits-Bewegung weiter verstärkt und auch die Nachfolge-Partei von Herri Batasuna wurde nach kurzer Zeit verboten. Demonstrationen gegen solche Parteiverbote wurden genauso verboten, wie Organisationen, die sich für gefangene ETA-Aktivistinnen einsetzten und auch baskisch-sprachige Zeitungen.
2011 erklärte die Euskadi ta Askatasuna (ETA) nach einer Friedenskonferenz und einem intensiven Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit der IRA ein endgültiges Ende des bewaffneten Kampfs mit dem Ziel einer friedlichen Lösung des Konflikts durch Verhandlungen mit der französischen und der spanischen Regierung. Letztere sabotiert eine friedliche Lösung des Konflikts weiterhin und überzieht Aktivistinnen der Unabhängigkeits-Bewegung mit Repression. So sitzen ETA-Aktivistinnen trotz eines gegenteiligen Urteils des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg auch nach Verbüßen ihrer Haftstrafen weiterhin in Haft, die Gefangenen-Hilfsorganisation HERRIRA wurde im September 2013 verboten, Gefangene werden gefoltert und die Untersuchung von Foltervorwürfen verweigert, sowie Massenverhaftungen von AktivistInnen durchgeführt. Die aktuellen Entwicklungen können regelmäßig in der linken Tageszeitung Junge Welt nachgelesen werden.
„Es lebe das freie Euskal Herria, es lebe der baskische Sozialismus, wir werden nicht ruhen, bis Unabhängigkeit und Sozialismus erreicht sind“ (2). So die Formulierung der Verzichtserklärung von ETA im Oktober 2011.
ANMERKUNGEN:
(1) Dokumentation des Artikels „Euskal Herria: Nationaler Befreiungskampf um Sozialismus“ aus der schweizer Publikation „Unsere Zeitung“ vom 16. Februar 2015. Text: Lukas Haslwandter. (Link)
(2) Dokumentiert: Vollständiger Text der Erklärung der bewaffneten baskischen Organisation ETA zum Ende ihrer bewaffneten Aktion (in deutscher Übersetzung) (Link)
FOTOS:
(1) Auf den Straßen des Baskenlandes wird bis heute an die Todesstrafen unter Franco erinnert. (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) Sabino Arana war der Gründer der katholisch-nationalistischen Partei PNV, die sich im Krieg loyal zur spanischen Republik verhielt. Denkmal in Bilbao. (FAT)
(3) Jose Antonio Aguirre war 1936 der erste baskische Ministerpräsident der neuen autonomen Region Baskenland. Denkmal in Bilbao. (FAT)
(4) Bis heute sind ca. 380 Baskinnen und Basken inhaftiert, denen Mitgliedschaft in ETA nachgesagt wird. (FAT)