Zum Tod von Igor López de Munain
Vor wenigen Tagen starb Igor Lopez, ehemaliger Parlamentarier der 2012 neu formierten Links-Koalition “Euskal Herria Bildu“, die nach dem Ende der der Aktivitäten der Untergrund-Organisation ETA ins Leben gerufen worden war. Anders als die große Mehrheit seiner Kolleg*innen trug Igor sensible Themen in das baskische Regional-Parlament, sprach von den faschistischen ukrainischen Angriffen im Donbass, reagierte gegen Rassismus und holte den Fall von Mumia Abu-Jamal in einen Parlaments-Ausschuss.
Am 19. Juli 2022 starb der politische Aktivist und ehemalige EH-Bildu-Parlamentarier Igor Lopez de Muniain im Alter von 38 Jahren. Nachrufe.
Als der Tod von Igor López de Munain, ehemaliger Abgeordneter von EH Bildu für Araba kürzlich bekannt wurde, füllten sich sofort die sozialen Netzwerke mit Notizen und emotionalen Botschaften, die die Zuneigung zu einem jungen und vielversprechenden Politiker und Aktivisten zum Ausdruck brachten, der sowohl in seiner parlamentarischen Arbeit als auch im Leben unvergessliche Spuren hinterließ.
Die Kommentaristin Amparo Lasheras schreibt in der Tageszeitung Gara: “Igor hat in der Erinnerung an die Legislaturperiode 2012-2016, der ersten, der EH Bildu angehörte, unvergessliche Momente hinterlassen, in denen er stets den Eindruck seines jugendlichen Aufbegehrens und seines Engagements für die Arbeiterklasse und die Befreiung der unterdrückten Völker zum Ausdruck gebracht hat“ (1). Igor Lopez kam in die neue EHB-Koalition über die Aralar-Partei, die sich 2001 wegen ihrer Ablehnung der politischen Gewalt von ETA von der offiziellen baskischen Linken getrennt hatte.
Igor Lopez war der einzige Politiker, der sich in Medien und Parlament für die Sache des Donbass einsetzte. “Ich erinnere mich, dass er 2014, als ganz Europa schwieg und die Putschregierung in Kiew machen konnte, was sie wollte, der einzige Politiker war, der die Angriffe im Donbass in den Medien und im baskischen Parlament zur Sprache brachte. Er war auch der einzige, der die brutale Repression der ukrainischen Armee gegen die Bevölkerung der Republiken Lugansk und Donezk anprangerte, nachdem diese sich für unabhängig erklärt hatten. In seinen Beiträgen warnte er vor der Gefahr, die von der faschistischen Haltung der Ukraine ausgeht, die in Europa einen wichtigen Punkt für die geostrategischen Interessen der USA gegenüber Russland und China darstellt. Sein Bild am Rednerpult des Parlaments mit erhobener Faust (und antifaschistischem T-Shirt) wird in linken Herzen immer in Erinnerung bleiben. Agur eta ohore, Igor“. (1)
Mumia Abu-Jamal
2012, als es für den afroamerikanischen Journalisten und politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal um eine juristische Bestätigung seiner Todesstrafe oder deren Aufhebung ging, und es in Bilbao eine Kampagne für Mumia gab, reagierte Igor Lopez schnell und lud eine Delegation der Solidaritätsgruppe “Euskal Herriko Mumiaren Lagunak“ zur Anhörung in den Menschenrechts-Ausschuss des baskischen Parlaments ein. Dabei zeigten sich sogar rechte Abgeordnete überrascht über die Behandlung der schwarzen Bevölkerung in den USA.
Gegen Rassismus
Nachdem Igor Lopez bei einer Plenarsitzung den PP-Abgeordneten und Bürgermeister von Vitoria-Gesteiz, Javier Maroto, mehrfach einen "Schurken" genannt hatte, wurde er von der Parlaments-Präsidentin Bakartxo Tejeria ausgeschlossen. Der als Rechtsaußen bekannte Maroto hatte in seiner Rede gegen die in Euskadi existierende RGI-Sozialhilfe offen rassistisch argumentiert. Maroto hatte "zehn Beispiele" dafür benannt, dass es Menschen gibt, die "866 Euro" erhalten und entweder "nie zur Arbeit gehen" oder nachts "Straftaten begehen, nachdem sie die Leistung am Morgen erhalten haben“, während anderen Bürgern, darunter auch älteren Menschen, der Zuschuss verweigert wird. Dass Maroto damit vor allem Migrant*innen meinte, war kein Geheimnis. Von seinem Parlaments-Sitz aus nannte Igor den PP-Politiker einen “Schurken“. Als er sich weigerte, der Aufforderung der Parlaments-Präsidentin nachzukommen und sich bei Maroto zu entschuldigen, wurde er des Saales verwiesen.
Paris 365
Nach seiner Zeit im Parlament rief Igor Lopez in Iruñea (Pamplona) die “Solidaritäts-Tafel Paris 365“ ins Leben, ein Essensangebot für Arme und Ausgegrenzte. “Seit Jahren bietet die Küche Paris 365 an 365 Tagen im Jahr drei Mahlzeiten pro Tag zum symbolischen Preis von einem Euro an, wobei die Kriterien gesunder Ernährung (lokale, saisonale, ungiftige Produkte, 2.500 Kalorien pro Tag) beachtet werden. Seit ihrer Eröffnung haben wir mehr als 250.000 Mittag- und Abendessen und 125.000 Frühstücke mit mehr als 1.500 Personen geteilt“ (facebook). Paris 365 ist ein solidarisches und säkulares Projekt zugunsten sozialer Gerechtigkeit und arbeitet mit Freiwilligen gegen soziale Ausgrenzung. Igor Lopez koordinierte dieses Projekt.
Für sein persönliches Umfeld und seine Freund*innen kam sein Tod nicht überraschend, was auf eine unheilbare Krankheit schließen lässt. Aktuell gibt es, weit über das Baskenland hinaus, wenige Parlamentarier*innen, die sich mit der politischen und moralischen Integrität von Igor Lopez messen können. Selbst in den Wahllisten von EH Bildu würde Igor Lopez heute – nur zehn Jahre danach – keine Berücksichtigung mehr finden. Agur eta ohore.
ANMERKUNGEN:
(1) “Un parlamentario joven y rebelde“ (Ein junger rebellischer Parlamentarier), Tageszeitung Gara, 2022-07-23 (LINK)
(2) “La presidenta expulsa a un parlamentario de EH Bildu por llamar 'sinvergüenza' a Maroto” (Die Präsidentin schließt einen Abgeordneten der EH Bildu aus, weil er Maroto einen ‘Schurken‘ nannte), El Mundo, 2014-10-30) (LINK)
ABBILDUNGEN:
(*) Igor Lopez (naiz)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-07-23)