expolio1Blinder Fleck antifaschistischer Aufarbeitung

Das Erinnerungs-Institut der Region Navarra hat eine umfassende Studie über die wirtschaftliche Repression veröffentlicht, die in Navarra gegen die Überlebenden des faschistischen Terrors von 1936 praktiziert wurde. Das Franco-Regime führte mehr als tausend Gerichts-Verfahren durch, dabei hatten Repressalien Vorrang vor Bußgeld-Erhebung. Bei dieser Form von Repression ging es um Enteignung von Besitz und willkürliche Strafgelder gegen Republikaner und Antifaschisten, um sie wirtschaftlich zu ruinieren.

Im Spanienkrieg von 1936 bis 1939 wurde nicht nur auf dem Schlachtfeld gekämpft. Auch außerhalb wurden die Besiegten von den Siegern ermordet. Wer nicht gleich niedergemetzelt wurde, konnte Zwangsarbeit erleiden, lange Gefängnisstrafen oder den Verlust des Eigentums. Denn die Sieger und ihre oft opportunistischen Freunde hatten alle Macht auf ihrer Seite.

In Western sagen die Viehdiebe in der Regel: "Geld oder Leben". Das Franco-Regime kehrte die Bedingungen um und verhängte ein "Leben und Geld". Die Mechanismen dieser Plünderung in Navarra werden im Buch "Expolio y castigo" beschrieben (Enteignung und Strafe), der neuesten Publikation des navarrischen Erinnerungs-Instituts (Instituto Navarro de la Memoria). Autor ist César Layana, Geschichts-Professor an der öffentlichen Universität Navarra (UPNA) und Leiter der Dokumentations-Abteilung des Instituts für Erinnerung. Layana hat ein Jahrzehnt lang die wirtschaftliche Repression in Navarra nach dem Staatsstreich von 1936 recherchiert und dokumentiert.

"Die wirtschaftliche Repression war eine Repression der zweiten Runde. Sie richtete sich gegen diejenigen, die der ersten Welle der brutalen Unterdrückung entkommen waren, gegen diejenigen, die fürs erste ihr Leben gerettet hatten. Weil sie nicht so wichtig waren wie diejenigen, die direkt ermordet wurden. Oder weil sie dem Gemetzel physisch entkamen, indem sie sich über die Grenze absetzten", erklärt der Autor. (1)

"Enteignung und Bestrafung" ist ein enzyklopädisches, akademisches Buch mit über 700 Seiten für Historiker*innen. Dennoch ist es lesenswert. Es beinhaltet bemerkenswerte Beiträge zur Geschichtsschreibung über die Repression. Layana geht nicht auf den Raub ein, der neben den Plünderungen und Vergewaltigungen direkt im Schatten des Krieges stattfand. Gegenstand der Studie ist die auf die Massaker folgende und institutionell abgesicherte Enteignung der Überlebenden durch den “Gerichtshof für Politische Verantwortlichkeit“. Betroffen waren in erster Linie die Überlebenden.

expolio2Kein Krieg in Navarra

Wichtig für das Verständnis der Vorgänge nach dem Militärputsch vom 18. Juli 1936 durch faschistische Generäle ist die Tatsache, dass es in der Provinz Navarra überhaupt keinen Krieg gab. Militär, Polizei und Behörden ergaben sich sofort den Aufständischen, falls sie nicht gleich an der Organisierung des Militäraufstands beteiligt waren. Emilio Mola (2) war einer der Putsch-Generäle, ihm wurde eine enorme Brutalität nachgesagt, zu Beginn der Kriegshandlungen stellte er den Mitputschisten Francisco Franco in den Schatten. Mola war für die Nordfront zuständig.

Dass es in Navarra keine militärischen Auseinandersetzungen gab und keine menschlichen Verluste durch Krieg, bedeutet nicht, dass es keine Toten gab. Denn überall, wo die aufständischen Truppen Einzug hielten, wurden verdächtige Linke, Republikaner (oder wer auch immer) unmittelbar erschossen, Frauen und Mädchen vergewaltigt. Beispiele sind die schauerlichen Ereignisse in Larraga um die 14-jährige Maravillas Lamberto (3), oder die tragische Geschichte des Ortes Sartaguda im Süden Navarras, der als “Dorf der Witwen“ in die Kriegsannalen einging (4). Die ultra-katholischen monarchistischen Karlisten aus Navarra waren als Requeté-Truppen Teil der Aufständischen (5). Das Wüten der Faschisten abseits kriegerischer Handlungen in Navarra kostete mehr als 1% der damaligen Bevölkerung das Leben, in allen Formen der Brutalität: mehr als 3.500 Personen, ein Massaker von enormem Ausmaß.

Umfang von Raub und Plünderung

Der Umfang der damaligen Plünderungen ist schwer zu messen", sagt Layana, "aber die franquistischen Tribunale haben Unterlagen hinterlassen, die sich auswerten und beziffern lassen. Bei den Untersuchungen zur Studie kam eine merkwürdige Tatsache ans Licht. In den Orten, in denen die Gewalt 1936 am brutalsten war, war die wirtschaftliche Repression geringer. Der Autor bietet dazu zwei Erklärungen. Erstens eine gewisse Menschlichkeit der Faschisten gegenüber ihren Nachbarn: sie gingen nicht gegen Witwen, Alte und Waisen vor, weil die schon genug gelitten hatten. Die zweite Erklärung hat einen grausamen Hintergrund: dass dieselben faschistischen Bewohner sich das Land und den Besitz der Ermordeten bereits unter den Nagel gerissen hatten, so dass die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens und die Verhängung von Geldstrafen ihren Raub aufgedeckt hätte. "Beide Gründe sind durchaus vereinbar, ich denke, es war die Summe aus beiden", sagt der Historiker.

Das neue Buch beschreibt ein System der wirtschaftlichen Unterdrückung und Enteignung gegen Republikaner, das durch seinen riesigen Umfang beeindruckt. Das System brach zusammen, weil es nicht durchführbar war, nachdem die Gerichte mit Fällen gegen zahlungsunfähige Tagelöhner überschwemmt wurden. Es bestrafte aus den unterschiedlichsten Gründen, für fast alles, was sich der jeweilige Zivilgardist, der Priester oder der damalige Gutsherr ausdenken konnte. Es verhängte rückwirkend Geldstrafen gegen weniger wichtige Republikaner (die 3.000 wichtigsten Persönlichkeiten waren bereits abgeschlachtet worden (obwohl es auch Sanktionen gegen Tote gab). Mit anderen Worten, eine Person konnte für die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft UGT oder CNT bestraft werden, als sie zum gegebenen Zeitpunkt noch legal war. Es gab Geldstrafen und Sanktionen für Ereignisse, die auf die Diktatur von Primo de Ribera (1923-1930) zurückgingen oder mit den lange zurückliegenden Kämpfen zur Verteidigung der kommunalen Ländereien zu tun hatten.

expolio3Hetze rechter Blätter

"Nicht viele Fälle reichten so weit zurück, aber sie zeigen, dass es Leute gab, die diese Abrechnungen organisierten und allen Republikanern die Rechnung präsentieren wollten", sagt der Autor. Seiner Meinung nach ist diese Repression die Antwort auf einen Hass, der durch die Hetze rechter Zeitungen geschürt wurde, die seit der Russischen Revolution Kommunisten als personifizierte Teufel verkauften. "Die Toten an der Front können die Gemüter erhitzen, was einen Übergriff im Jahr 1936 erklären kann, einen gewalttätigen Ausbruch. Aber damit lässt sich nicht die Repression als Ganzes erklären. Den Republikanern wurde weiter das Leben unmöglich gemacht. Da gab es noch tiefere Gründe“.

Diese Gerichte verhängten Geldstrafen sowohl für politische als auch für moralische Handlungen, wie z. B. einen Zwischenfall bei einer Prozession. Layana hebt die "Übertreibung" der Anklagen als gemeinsames Element in den 1.086 Verfahren hervor, die er untersuchte. "Diejenigen, die die Repression miterlebten, hatten eine solche Dimension nicht erwartet. Die meisten dachten, dass die Radikalen, die wichtigen Leute bestraft werden würden. Niemand rechnete damit, dass die Franquisten hier 3.000 Menschen töten würden", sagt Layana.

Mehr Rache als Strafgelder

Die Plünderung der Republikaner war viel mehr eine Bestrafung als ein Mittel zur Eintreibung von Strafgeldern, da die meisten Bestraften überhaupt nicht zahlungsfähig waren. Und wenn die Angeklagten gewisse Mittel hatten, dann reichten sie nicht aus, um die volle Strafe einzutreiben. Die wirtschaftliche Ausbeutung war eine weitere Form der Unterdrückung, wie Inhaftierung und Zwangsarbeit. Offiziell endete das Ganze im Jahr 1945, als neue Verfahren eröffnet und die Zwangsarbeiter entlassen wurden.

Das tatsächliche Ende der Unterdrückung fiel jedoch nicht mit dem offiziellen Ende zusammen. Die Freilassung der Gefangenen im Jahr 1945 war an Bedingungen geknüpft. Sie mussten sich regelmäßig melden und durften das Land nicht verlassen. Ebenso waren die eröffneten Wirtschafts-Verfahren noch nicht abgeschlossen. Nafarroa war die hartnäckigste Verwaltung in Bezug auf die Eintreibung der Strafgelder. Bestes Beispiel war das des Politikers Manuel de Irujo (6), von dessen Familie noch bis zu acht Jahre vor dem Tod des Diktators Geld gefordert wurde.

Und die Namen? Wer verfolgte jahrzehntelang Witwen, “Rote“ und Nationalisten, um ihnen ihr Geld abzunehmen? Layana hat sich die Namen angesehen. Richter und Staatsbedienstete ohne große Bedeutung. Mittelmäßige Leute, die in der Bürokratie vor und nach dem Franquismus gediehen. Anonym und ungestraft. Faschisten von der Basis.

Interview mit Cesar Layana

Die Forschungsarbeit, die César Layana parallel zu seiner Lehrtätigkeit an der UPNA und als Leiter der Dokumentation des Instituts für Erinnerung in Navarra durchführt, befasst sich mit einem der Aspekte der Unterdrückung während der Diktatur in Navarra, speziell dem wirtschaftlichen Aspekt, der weniger bekannt ist, aber ebenso hart war und viele Familien ins Elend stürzte. (7)

F: Es wurde viel über die Morde und die physische Unterdrückung während des Franco-Regimes geschrieben, aber wirtschaftliche Unterdrückung war ebenfalls hart und weit weniger bekannt.

César Layana: Ja, es wurde aus zwei Gründen vertuscht: Erstens, weil es nicht als Repression begann, sondern als ein direkter Raub, eine Ausplünderung, eine vollständige Beschlagnahmung des Eigentums von Ermordeten oder derjenigen, die ermordet werden sollten, und ihrer Familien. In vielen Fällen mit maßloser Grausamkeit. Repression ist ein wichtiges Machtmittel, so hat der franquistische Staat, der sehr hierarchisch strukturiert war, sofort erkannt, dass er alle Hebel der Repression und der wirtschaftlichen Repression kontrollieren muss. Sie begannen, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um die Repression zu lenken.

expolio4Diese Raubüberfälle und Plünderungen fanden bereits in den Kriegsjahren statt.

CL: Natürlich. Am Tag nach dem 19. Juli 1936, als hier die Truppen und Freiwilligen für den Transport nach Madrid organisiert wurden, gab es einen Angriff auf das Gebäude der Republikanischen Linken (Izquierda Republicana) auf dem Plaza del Castillo, es sollte in den Händen der Falange bleiben. Noch am selben Nachmittag wurden die Redaktionsräume von “La Voz de Navarra“ in der Calle Zapatería gestürmt, sie gingen in den Besitz von “Arriba España“ über.

Um welche Art von Angriffe handelt es sich?

CL: Sie gingen in die Wohnung oder das Geschäft bestimmter Personen, verhafteten sie und nahmen alle Einnahmen mit. In der folgenden Woche dasselbe, und so weiter, bis die Familie schließlich das Dorf verlassen oder einen Weg finden musste, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Nach diesen ersten Raubüberfällen kam mit dem Dekret über die Beschlagnahme von Vermögenswerten die Legalisierung der wirtschaftlichen Repression.

CL: Die Beschlagnahmungen wurden formalisiert, was nicht bedeutet, dass die Opfer mehr Garantien hatten. Es entstand eine Bürokratie, die Dinge verkomplizierten sich für die franquistische Verwaltung. Während Verfahren wurden Vermögenswerte beschlagnahmt, mit schwerwiegenden Folgen, einige wurden freigesprochen, nachdem ihr Vermögen ein Jahr oder länger beschlagnahmt war.

Es handelte sich um den Versuch, Eigentum und Räumlichkeiten von Organisationen zu beschlagnahmen, die gegen das Regime waren?

CL: Viele Organisationen hatten die Räumlichkeiten gemietet. Eine der ersten Maßnahmen der Kommission zur Beschlagnahmung von Vermögenswerten war, eine Liste all derer anzufertigen, die Räume an Gewerkschaften oder politische Organisationen vermietet hatten. Es gab auch rechtsgerichtete Eigentümer, die Räume vermieteten und daraus Profit schlagen wollten.

Dann kam das Gesetz der politischen Verantwortung.

CL: Die Botschaft dieses Gesetzes ist klar: Hier gibt es keine Versöhnung, alle politischen Verantwortlichkeiten werden geklärt, wie gering sie auch sein mögen. Es ging um Handlungen von Personen, aber auch um Unterlassungen, also nicht nur gegen aktive Regimegegner.

Welche Art von Anschuldigungen wurden vorgebracht?

CL: Alles Mögliche, zum Teil Surreales: linke Presse gelesen, an der Ausrufung der Republik teilgenommen, nicht zur Messe gegangen, kurz: die traditionellen Werte und die des Franquismus in Frage gestellt. Es ging auch gegen Menschen ohne jegliche Relevanz. Viele waren weder politisch aktiv noch hatten sie Funktionen in irgendeiner Organisation.

Gab es Gebiete in Navarra, die stärker betroffen waren als andere?

CL: Die Karte der physischen Gewalt, der Morde, und die Karte der wirtschaftlichen Unterdrückung sind unterschiedlich. Die Morde konzentrieren sich vor allem auf die Gebiete mit vielen sozialen Konflikten. Die Berge waren isolierter, von Ausnahmen abgesehen. Bei der wirtschaftlichen Repression ist das Panorama ausgewogener, weil sie auf Menschen abzielt, die ins Exil gegangen sind, die vorübergehend geflohen sind.

expolio5Wie viele Fälle wurden in Navarra eröffnet?

CL: Gegen 1.086 Personen wurde Anklage erhoben, rund 800 Fälle wurden bearbeitet, darunter mehrere Sammelklagen. Sie fanden im Wesentlichen zwischen 1937 und 1941 statt, einige Verfahren wurden bis in die 1950er Jahre verlängert, als viele Fälle auf Eis gelegt wurden. Es war ein langwieriger Prozess, da das Eigentum der Menschen beschlagnahmt wurde, bis sie die zum Teil sehr hohen Geldstrafen bezahlt hatten. Das nenne ich die unendliche Strafe.

Was war das Hauptziel dieser Unterdrückung?

CL: Terror zu verbreiten war das Hauptziel, jede Art von Widerspruch zu lähmen, zu wissen, dass auf kleinste Vergehen große Strafen folgen. Ziel war die Lähmung jeglichen Widerstands, in Kombination mit anderen repressiven Maßnahmen. Das Ziel war nicht so sehr, Geld einzutreiben, denn es kam weniger zusammen als erwartet. Es war die Strafdrohung, die Aussonderung.

Viele Familien hatten nicht nur unter der Ermordung oder Inhaftierung von Familienmitgliedern zu leiden, sondern auch unter der Beschlagnahmung ihres Eigentums.

CL: Richtig. Unter den 1.086 Verurteilten waren nur 74 Frauen, was mit der damaligen Gesellschaft zusammenhängt. Doch waren gerade deshalb die Frauen die eigentlichen Opfer der wirtschaftlichen Repression, denn ihre Ehemänner waren ermordet worden oder befanden sich im Gefängnis oder im Exil. Die Frauen waren es, die die Familie unter schrecklichen Bedingungen und in vielen Fällen mit der Beschlagnahmung ihres Eigentums durchbringen mussten. Manche Frauen versuchten sich zu wehren, es gibt Zeugnisse, die mich sehr beeindrucken und die zeigen, welche Kraft diese Frauen hatten, ihren Besitz bis zum letzten Moment zu verteidigen.

Sie sprechen über den Beitrag der "einfachen Leute" zu dieser Unterdrückung.

CL: Anzeigen von Einzelpersonen gab es nicht so viele. Dafür tauchen in den Berichten der Guardia Civil oder der Priester immer wieder bestimmte Formulierungen auf: "nach Aussagen von vertrauensvollen Personen", "anständige Personen" oder "ohne jeden Zweifel". In einigen Fällen besteht der Verdacht, dass die Denunziation wegen wirtschaftlicher Konkurrenz oder Rache erfolgt ist, aber das sind nicht viele. Meistens wurden Menschen wegen ihres politischen und sozialen Engagements gebrandmarkt.

Wie wirkte sich diese Unterdrückung auf die navarrische Gesellschaft aus?

CL: Dieses Modell der Ausbeutung, das in den Händen der Franco-Treuen lag existierte über viele Jahrzehnte hinweg. Die unter wirtschaftlicher Repression litten, mussten auf tausend Arten ihren Lebensunterhalt bestreiten, Leute, die nicht mehr studieren konnten. Wir haben es hier mit der Tragödie von Hunderten von Familien zu tun, deren Lebensform nicht als akzeptabel angesehen wurde.

Sie gehen auch auf die Angriffe ein, denen die einzelnen Organisationen ausgesetzt waren: Welche Gruppe wurde am stärksten unterdrückt?

CL: Die meisten Verfahren wurden gegen Personen eingeleitet, die mit der sozialistischen Gewerkschaft UGT verbunden waren, die auch die Mehrheit der Linken in der Republik stellte. Es gab eine wichtige Gruppe von Personen aus linken republikanischen Parteien wie Izquierda Republicana. In geringerem Maße Nationalisten, Anarchisten, Kommunisten und sogar Leute von rechts, wie z. B. die Eigentümer von vermieteten Räumen. Dann die große Gruppe unter dem Oberbegriff "Linke" zusammengefasst. In vielen Fällen wurde Letzteres behauptet, weil diesen Personen keine politische Zugehörigkeit nachzuweisen war, sie waren nirgendwo aktiv.

Hat diese Unterdrückung, die auch in anderen Gemeinden stattfand, in Navarra eine besondere Bedeutung?

CL: Diese Art der Unterdrückung gab es auch woanders. In Galicien, Aragonien und Andalusien ist die Dokumentation schon recht umfangreich, aber es gibt noch viele Orte, die untersucht werden müssen. Navarra sticht in einem Punkt hervor: der Zahl der Fälle mit Verurteilungen. An anderen Orten, vor allem gegen Ende des Krieges, kam eine große Zahl von Verfahren hinzu, aber der administrative Zusammenbruch kam schnell und viele Fälle wurden schließlich abgewiesen. Nicht so in Navarra, wo die Verurteilungsquote am höchsten ist. Mehr als 80% der Verfahren führten zu Urteilen. In absoluten Zahlen gab es in Navarra mehr Verurteilungen als in Madrid. Zudem waren die Strafen in Navarra generell härter, es gab hohe Geldstrafen. (7)

expolio6Epilog

Ein Stadtangestellter der bizkainischen Stadt Urduña publizierte im Jahr 2013 eine Untersuchung über den Franquismus im Ort. Im Buch erwähnte er die Tatsache, dass sich Franquisten-Freunde an republiknahen Nachbarn bereicherten. Unter den Augen von Militärs oder der Guardia Civil gingen sie in die Häuser und nahmen sich, was ihnen reizvoll vorkam, unter den Augen der eigentlichen Besitzer. Ähnliche Geschichten werden in anderen Orten erzählt. Um die Situation auszunutzen, kam es vielfach auch zu falschen Anschuldigungen, um bestimmte Personen angreifen und straflos berauben zu können. Vielfach wurden diese “Räubereien mit vorgehaltener Waffe“ (… erneut die Viehdiebe) von Generation zu Generation weiter erzählt. Das heißt, die heutige Generation weiß, welche Nachbarn damals geraubte Gegenstände bis heute in ihrem Besitz haben, Räuber und Beraubte leben nach wie vor im gleichen Ort.

Üblich war auch, für militärische Zwecke Häuser, Maschinen, Fahrzeuge zu beschlagnahmen. In vielen Fällen gingen die Militärs oder Zivilgardisten so weit, die requirierten Objekte formal auf ihre Namen umschreiben zu lassen, wenn es sein musste mit dem erzwungenem “Einverständnis“ der eigentlichen Besitzer. Oder nach einer vorherigen Exekution. Der verdienstvolle Autor aus Urduña ist sich dieser Tatsachen bewusst und hat wider besseres Wissen auf die Nennung der Namen verzichtet. Dies zeichnet viele historische Untersuchungen und Publikationen aus, 80 oder 85 Jahre sind noch zu wenig, um offen über alle Details zu sprechen.

ANMERKUNGEN:

(1) “Atraco a los republicanos navarros“ (Überfall auf die navarrischen Republikaner), Tageszeitung Gara, 2021-11-08

(2) Emilio Mola Vidal (1887-1937) war ein spanischer General und einer der Hauptakteure des Putsches von 1936 bei Ausbruch des Spanienkriegs. Mola wurde auf Kuba geboren, wo sein Vater als spanischer Kolonialoffizier stationiert war, Kuba war zu jenem Zeitpunkt noch spanische Kolonie. 1907 ging er zur Infanterieakademie in Toledo. Er diente im spanisch-marokkanischen Rif-Krieg, erhielt Auszeichnungen und erwarb sich durch Veröffentlichungen Autorität in militärischen Fragen. 1927 war er Brigadegeneral. 1930 wurde Mola zum staatlichen Sicherheitsdirektor befördert. Seine radikalkonservativen Ansichten machten ihn bei der liberalen und sozialistischen Opposition unpopulär. Nach dem Wahlsieg der Volksfront (Frente Popular) im Februar 1936 wurde Mola von der neuen republikanischen Regierung zum Militärgouverneur von Pamplona ernannt, um ihn in der Provinz Navarra von wichtigen politischen Angelegenheiten fernzuhalten. Mola trat bald der Gruppe von Armeeoffizieren um Francisco Franco, Juan Yagüe, Gonzalo Queipo de Llano und José Sanjurjo bei, die einen Putsch gegen die Zweite Republik planten. Mola wurde zum Kopf der Verschwörer. (LINK)

(3) “Maravillas, Kriegsverbrechen“, Baskultur.info, 2020-01-15 (LINK)

(4) Sartaguda, Kleinstadt im Süden Navarras. Nach dem Einmarsch der Franquisten 1936 wurden 86 Männer des Ortes auf den Platz gerufen, 45 von ihnen wurden erschossen, darunter der Bürgermeister und verschiedene Stadträte. Die übrigen wurden an die Front geschickt, wo 15 weitere ihr Leben ließen, die meisten Republikaner. In Folge dieses Massakers an Männern des damals 1.200 Bewohner*innen zählenden Ortes erhielt Sartaguda den Beinamen “Ort der Witwen“.

(5) Die Requeté-Truppen aus Navarra unterstützten den faschistischen Militärputsch von 1936. Die Requeté (Rekrut) wurde 1907 als Jugendorganisation der Karlisten gegründet: ihre politische Ausrichtung, ultrakatholisch, monarchistisch, konservativ. Lange nach den Karlistenkriegen des 19. Jahrhunderts, bei denen es um die Thronfolge und die Selbstbestimmungsrechte der Basken ging. Ab 1913 wurden sie zunehmend zum paramilitärischen Arm der karlistischen Bewegung, der aber bis zur Gründung der zweiten spanischen Republik bedeutungslos blieb, da ein militärischer Erfolg des Karlismus unwahrscheinlich war. Unter den veränderten Verhältnissen nach 1931 wuchs die Organisation jedoch bedeutend, allein in Navarra, dem Stammland der Carlisten, zählten die Requeté-Verbände 1931 ungefähr 10.000 Milizionäre. Ab 1932 wurden sie vom späteren General des Spanischen Bürgerkrieges Varela taktisch geschult und ausgebildet. Waffen konnten problemlos und von der spanischen Regierung weitgehend unbehelligt über die französische Grenze geschmuggelt werden. Bei Ausbruch des Spanienkrieges zählten die Requeté-Truppen 30.000 Mann und spielten eine bedeutende Rolle beim Sieg der National-Katholiken an der Nordfront. 1937 wurde die karlistische Bewegung mit der falangistischen Bewegung in der “Falange Española Tradicionalista y de las JONS“ zwangsvereinigt. (LINK)

(6) Manuel de Irujo Ollo (1891-1981) war ein Politiker und Rechtsanwalt aus Navarra. Er war ein bekannter Führer der Baskisch-Nationalistischen Partei PNV-EAJ, für die er während der Zweiten Republik als Abgeordneter und Justiz-Minister tätig war. Nach dem Krieg ging er ins Exil nach England und kehrte 1977 zurück.

(7) "Las mujeres fueron las verdaderas paganas de la represión económica del franquismo; tuvieron que salir adelante en condiciones terribles" (Vor allem Frauen haben die franquistische Repression bezahlt, sie mussten unter schrecklichen Bedingungen überleben), Tageszeitung Noticias de Navarra, 2021-10-23 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Enteignungen (gara)

(2) Cesar Layano (diariodenavarra)

(3) Trauerzug (ctxt)

(4) Milizionäre (publico)

(5) Gedenken (eldiario)

(6) Presse (deia)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-11-18)

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