Vom Verschwinden bedroht
In einer globalisierten Welt haben es kleine, von relativ wenig Menschen gesprochene Sprachen nicht leicht. Generell tendiert die Welt dazu, sich in der Weltsprache Englisch auszudrücken, was die Anzahl der Sprecherinnen anbelangt, dominiert das chinesische Mandarin. Viele Sprachen sind im Laufe der Zeit in Folge von Kolonialismus und Nichtanerkennung verschwunden. Trotz Minorisierung, Diffamierung und politischen Verboten hat sich das baskische Euskara bisher erfolgreich gegen diese Gefahr gewehrt.
Euskera gilt als eine der ältesten Sprachen Europas, in jedem Fall ist sie die einzige überlebende vorindoeuropäische Sprache. Euskera gehört zu keiner der anderen heutzutage in Europa gesprochenen Sprachfamilien.
Die Eigenbezeichnung für die baskische Sprache ist Euskera, sie ist zentrales Merkmal der baskischen Identität. Das Land, in dem Baskisch gesprochen wird, heißt Euskal Herria (Herria bedeutet sowohl Volk als auch Land), eine baskisch sprechende Person ist euskaldun (also im Besitz des Euskera). Laut Schätzungen wird Euskera weltweit von ca. 800.000 Personen gesprochen, also lange nicht von allen 3 Mio Einwohnerinnen, die im gesamten Baskenland nördlich und südlich der spanisch-französischen Staatsgrenze leben. Eine große Zahl von Baskisch-Sprechenden lebt in der sogenannten Diaspora, die größten Gemeinden sind in Argentinien, Uruguay, Venezuela und den USA zu finden, dort vor allem im Bundesstaat Idaho.
Sprachen-Geschichte
Die Hauptgruppen, der in Europa gesprochenen Sprachen sind indoeuropäische Sprachen und lassen sich in drei Gruppen gliedern: germanisch, slawisch und romanisch. Zu den germanischen Sprachen gehören u.a. Deutsch, Englisch, Norwegisch und Niederländisch, zu den slawischen Russisch, Polnisch, Tschechisch, Bulgarisch, um die meistgesprochenen zu nennen. Auch die romanischen Sprachen, die sich aus dem Lateinischen entwickelt haben (wie Französisch, Spanisch, Rumänisch, Katalan, etc.), die keltischen Sprachen (Bretonisch, Walisisch), die baltischen Sprachen (Litauisch, Lettisch), sowie Neugriechisch, Albanisch, Armenisch und die indische Sprache Romani zählen zu den indoeuropäischen Sprachen.
Isoliert
Als nicht-indoeuropäische Sprachen Europas gelten kleinere Sprachfamilien wie die Finnisch-Ugrische (Finnisch, Ungarisch, Estnisch), semitische Sprachen (Maltesisch, Hebräisch, Arabisch), kaukasische Sprachen (Tschetschenisch, Georgisch), sowie eben das Baskische. Baskisch ist die einzige europäische Sprache, die keine Verwandtschaft mit anderen Sprachfamilien aufweist und daher als „isolierte Sprache“ bezeichnet wird. Alter und Herkunft des Euskera sind in der Sprachwissenschaft weitgehend unbekannt. Nachweislich handelt es sich um eine alteuropäische Sprache, die vor dem Indoeuropäischen in Westeuropa verbreitet war. Über Jahrtausende konnte sich das Euskera gegenüber den aufkommenden indoeuropäischen Sprachen in den westlichen Pyrenäen behaupten, vor allem dem Latein, im Grenzgebiet zwischen den heutigen Staaten Spanien und Frankreich, allen Hindernissen zum Trotz. Allerdings reduzierte sich das Gebiet, in dem Baskisch gesprochen wurde, im Laufe der Zeit beträchtlich. Als erstes schriftliches Dokument des Euskera gilt nach heutigem Kenntnisstand die Bibelübersetzung des protestantischen Priesters Joannes Leizarraga aus Lapurdi (Provinz im französischen Baskenland) im Jahr 1563 im Auftrag der Königin von Navarra Juana de Albret.
Dialekte statt Einheitsform
Lange gab es keine einheitliche baskische Sprache, vielmehr eine Vielzahl von Dialekten, die die Verständigung zwischen den Bewohner/innen der einzelnen Provinzen erschwerte. Die Aufteilung des baskisch-sprachigen Gebiets in zwei verschiedene Staaten und mehrere administrative Einheiten tat ihr Übriges, das fiel auch dem Kulturforscher Wilhelm von Humboldt bei seiner Baskenland-Reise im Jahr 1801 auf. Er beobachtete, dass Basken auch untereinander oft Spanisch sprachen, weil sie sich auf Grund unterschiedlicher Dialekte nicht verstanden. Eisenerz und Industrialisierung in Bizkaia führten im 19. Jh. zu einer massiven Einwanderung aus spanischen Provinzen und drängten das Euskera zurück. Dazu kamen 40 Jahre Franco-Diktatur, in denen die baskische Sprache bei Strafe verboten war. Weil auch der französische Staat mit seiner zentralistischen Ausrichtung nie an kultureller und sprachlicher Vielfalt interessiert war, wurde Euskera von der UNESCO in den Atlas der bedrohten Sprachen aufgenommen.
Vereinheitlichung
In den 70er Jahren wurde mit der Entwicklung einer einheitlichen baskischen Sprache, Batua genannt, der Grundstock dafür gelegt, dass das Euskara wieder mehr Verbreitung fand und sich Literatur entwickeln konnte. Heute ist Baskisch in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland CAV (Araba, Gipuzkoa und Bizkaia) neben Spanisch offizielle Sprache. Batua setzt sich in den baskischen Medien, in Schule und Universität immer mehr durch, seine Benutzung und weitere Verbreitung wird von der Regionalregierung gefördert. In der Provinz Navarra war die Entwicklung problematisch, erst seit 2016 ist Baskisch in allen Zonen offiziell. Der französische Staat zeigt nach wie vor kein Interesse an der Akzeptanz und Förderung von Minderheiten-Sprachen (Bretagne, Korsika, Okzitanien, Katalonien, u.a.). In allen baskischen Provinzen, südlich und nördlich der Staatsgrenzen, gibt es die von Eltern-Initiativen ins Leben gerufenen Ikastolas, private Schulen, in denen alle Fächer in Euskera unterrichtet werden. Ebenfalls im gesamten baskisch-sprachigen Territorium gibt es Schulen für Erwachsene zum Erlernen der baskischen Sprache – Euskaltegi genannt.
Schulsystem
In der CAV stehen drei Schulmodelle zur Auswahl: Modell A bedeutet Unterricht auf Spanisch mit Baskisch als Fremdsprache; im Modell B findet der Unterricht in beiden Sprachen statt; im Modell D wird in baskischer Sprache unterrichtet, Spanisch ist ein Fach (C existiert nicht im baskischen Alphabet). Das einzige Modell, das garantiert, dass Heranwachsende ein gutes Baskisch-Niveau erreichen, ist das D-Modell. Denn Spanisch ist nach wie vor Dominanz-Sprache, die von Kindern auf der Straße gelernt wird, sie herrscht vor in Fernsehen, Sport, Elektronik und der Unterhaltungs-Industrie.
Ein Großteil der Bevölkerung hat erkannt, dass Zweisprachigkeit von Vorteil ist, insofern hat das Modell D den größten Zulauf. Der Anteil der zweisprachigen Bevölkerung ist in den letzten 30 Jahren deutlich gestiegen, besonders in der jüngeren Generation. In der CAV lag der Baskisch-Anteil bei Personen unter 25 im Jahr 1991 bei 33%, im Jahr 2011 waren es 79%. Allerdings sind dies theoretische Angaben, denn Kenntnis bedeutet nicht automatisch Anwendung. So stieg der Gebrauch des Euskera im selben Zeitraum nur von 12% auf 27%. Verstärkte Einwanderung aus Lateinamerika, steigende Tourismus-Zahlen und wachsende Globalisierungs-Tendenz stellen für das Überleben des Euskera neue Herausforderungen dar.
Bertsolari - Reimgesang
Eine kulturelle Besonderheit im Zusammenhang mit dem Euskara ist Bertsolaritza, das improvisierte Reimen von Versen nach einer bestimmten Metrik und zu vorgegebenen Melodien. Wie in anderen Sprachkulturen der Welt erfreut sich diese Kunst immer größerer Beliebtheit, keine politische oder Kulturveranstaltung kommt ohne Bertso aus. Regelmäßig finden Meisterschaften statt, alle vier Jahre die Euskal Herriko Bertso Txapelketa (Bertso-Meisterschaft) mit Bertsolaris aus allen sieben Provinzen.
Grammatik
Hinter der kolportierten Feststellung, das Erlernen von Euskera sei besonders schwierig, steckt bei näherer Betrachtung häufig eine negative Haltung der Sprache gegenüber. Gerne wird von spanisch-nationalistischen Kräften das Euskara als Sprache der Separatisten abgestempelt, ignoriert wird die Tatsache, dass Euskara Jahrtausende älter ist als die Weltsprachen Französisch und Spanisch. Deutsch zu lernen ist sicher schwieriger. Ungewohnt beim Baskischen sind allein Struktur, Wortschatz und der Verb-Komplex, der vielfältige Informationen über Subjekt, Dativ, Akkusativobjekt, Singular oder Plural beeinhaltet.
Zu den sprachlichen Besonderheiten des Euskera gehört, dass es sich um eine „agglutinierende Sprache“ handelt, bei der an ein Wort verschiedene Endungen angehängt werden, die es näher bestimmen. „Etxe“ zum Beispiel heißt Haus. Durch Anhängen je einer Endung für Mehrzahl oder Präposition, wird daraus „etxeetatik“ (aus den Häusern) oder „etxeetan“ (in den Häusern). Nicht nur Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ prägen die Deklination des Euskara, über meist präpositionale Ergänzungen kommen weitere 30 Fälle dazu: von, nach, mit, zu ... eigenständige Präpositionen gibt es deshalb fast keine. Besonderheit auch, dass Euskara die Weiblichkeit nicht diskriminiert, wie es die meisten anderen Sprachen tun, es existiert nur ein Artikel. Die Euskara-Grammatik zeichnet sich durch eine Regelmäßigkeit aus, für die Schüler/innen dankbar sein dürfen. Zum besseren Verständnis einige Beispiele:
Verbkonjugation:
Ich habe dir das Buch gegeben ------ Liburua eman dizut
Ich habe dir die Bücher gegeben ---- Liburuak eman dizkizut
Du hast mir das Buch gegeben ------ Liburua eman didazu
Du hast mir die Bücher gegeben ---- Liburuak eman dizkidazu
Ich habe dich gesehen ------ Nik ikusi zaitut
Du hast mich gesehen ------ Zuk ikusi nauzu
Wir haben dich gesehen ---- Guk ikusi zaitugu
Du hast uns gesehen -------- Zuk ikusi gaituzu
Deklination bei Personen:
Mutter ----------------------------------------------------- Ama
Die Mutter (Absolutiv) ist zuhause ------------------- Ama etxean dago
Die Mutter spricht (Ergativ) ---------------------------- Amak hitz egiten du
Ich habe Mutter (Dativ) das Buch gegeben -------- Amari eman diot liburua
Das Buch ist für Mutter (Benefaktiv) ----------------- Amarentzat da liburua
Das Buch ist in Mutters Haus (Genitiv) -------------- Liburua amaren etxean dago
Ich habe mit Mutter gesprochen (Assoziativ) ------- Amarekin hitz egin dut
Ich gehe zu Mutter (personenbezogener Allativ) -- Amarengana noa
Nicht personenbezogene Deklination:
Haus ---------------------------------------------------------- etxe
das Haus ----------------------------------------------------- etxea
die Tür des Hauses (ortsbezogener Genitiv) ---------- etxeko atea
im Haus (Inessiv) --------------------------------------------etxean
nach Hause (sachbezogener Allativ) -------------------- etxera
von zuhause(sachbezogener Ablativ) ------------------- etxetik
auf dem Weg nach Hause (Richtungs-Adlativ) -------- etxerako bidean
bis zum Haus habe ich sie begleitet (Approximativ) -- etxeraino lagundu dut
Wortbildung:
Der Gesamtwortschatz des Euskera ist verhältnismäßig klein, da viele Wörter wie im Deutschen durch Zusammensetzung entstehen:
Hand ----------- esku Jahr ---------- urte
Handschuh --- eskularru Jahreszeit --- urtaro
Handtuch ----- eskuoihal Neujahr ------ urteberri
Aussprache und Betonung:
Die Aussprache des Baskischen ist einfach, es wird gesprochen wie geschrieben. Die Betonung liegt im Allgemeinen auf der zweiten Silbe des Wortes.
Anders als im Deutschen:
Das baskische Alphabet hat 22 Buchstaben: C, Q, V, W, Y gehören nicht dazu, sie kommen nur in Fremdwörtern vor; die Laute ai, au, ei, eu, ui werden einzeln nacheinander gesprochen. h (-): wird nicht gesprochen, in Iparralde wird es leicht gehaucht / s (sh): eine Art gelispeltes sch / tx (tsch): wie in Tschechien / tz (z): wie in Pizza / x (sch): wie in Schule / z (ss): wie in Gasse.
Begrüßung und erste Worte
egun on --------- Guten Tag
gabon ------------ Guten Abend
kaixo -------------- Hallo
agur -------------- Tschüss
gero arte --------- Bis später!
bihar arte -------- Bis morgen!
eskerrik asko ---- Vielen Dank (genau: des Dankes viel)
mila esker ------- Danke, genau genommen: Tausend Dank
mesedez --------- Bitte
ez horregatik ---- Gern geschehen
zer moduz? ------ Wie geht´s?
oso ondo --------- Sehr gut
bai / ez ----------- Ja / Nein
barkatu ----------- Entschuldigung!
ongi etorri -------- Willkommen!
Ez dut euskaraz hitz egiten ------- Ich spreche kein Baskisch
Ez dut ulertzen ---------------------- Ich verstehe nicht
Euskera ikasi nahi dut ------------- Ich möchte Baskisch lernen
Nola esaten da euskeraz? -------- Wie sagt man das auf Baskisch?
Nola deitzen zara? ------------------ Wie heißt du? Wie heißen Sie?
Karin naiz------------------------------ Ich bin Karin
Nondik zatoz? ------------------------ Woher kommst du? Woher kommen Sie?
Suizatik nator ------------------------- Ich komme aus der Schweiz
Baso bat ardo nahi dut ------------- Ich möchte gern ein Glas Wein
Zenbat da? --------------------------- Wieviel kostet es?
Non dago komuna? ----------------- Wo ist die Toilette?
Unterwegs in der Stadt:
kalea --------------- die Straße
etxea --------------- das Haus
udaletxea ---------- das Rathaus
Alde Zaharra ------ die Altstadt
turismo bulegoa -- das Tourismusbüro
jatetxea ------------ das Restaurant
geltokia ------------ der Bahnhof
aparkalekua ------ der Parkplatz
ezker --------------- links
eskuin -------------- rechts
dena zuzen ------- geradeaus
hurbil --------------- in der Nähe
urrun --------------- weit entfernt
Tage und Monate:
astelehena ----- Montag
asteartea ------- Dienstag
asteazkena ---- Mittwoch
osteguna ------- Donnerstag
ostirala ---------- Freitag
larunbata --------Samstag
igandea --------- Sonntag
urtarrila ------- Januar
otsaila --------- Februar
martxoa ------- März
apirila ---------- April
maiatza -------- Mai
ekaina --------- Juni
uztaila ---------- Juli
abuztua -------- August
iraila ------------- September
urria ------------- Oktober
azaroa ---------- November
abendua -------- Dezember
Fragewörter:
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Zahlwörter:
0 - zero 10 - hamar
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80 - laurogei 90 - laurogeita hamar
100 - ehun 200 - berrehun
1000 - mila 2000 - bi mila
FOTOS:
(1) Plakat des Promotionslaufs KORRIKA (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) Berstolaris bei einer Darbietung (Foto Archiv Txeng – FAT)
(3) Iturrihotzea bedeutet „Kalte Quelle“ (Foto Archiv Txeng – FAT)
(4) Baskische Zuschauerin (Foto Archiv Txeng – FAT)
(5) Die Bertsolari-Sängerinnen Alaia Martin und Uxue Alberdi (Foto Archiv Txeng – FAT)
(6) Einfahrtstor Ikusalai: „Frohe Sicht“ (Foto Archiv Txeng – FAT)