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Dilemma der Minderheiten-Sprachen

Auch wenn sie von Hunderttausenden – oder wie im Fall von Katalonien – von Millionen gesprochen werden, haben Sprachen wie Baskisch oder Katalanisch einen schweren Stand gegenüber den Weltsprachen Französisch und Spanisch, von denen sie dominiert werden. Migrations-Bewegungen werden deshalb zusätzlich unter sprachlichem Blickwinkel betrachtet. Wie im Baskenland (bzgl. des Euskara) sprechen in Katalonien mehr Personen Spanisch als Katalanisch, Grund zur Besorgnis und zur speziellen Sprachförderung.

Unter dem Titel „Das Sprachen-Problem in Katalonien: schwierig aber lösbar“ setzt sich ein Artikel mit der Frage auseinander, welche Sprachpolitik – katalanisch-spanisch – ein künftig unabhängiges Katalonien wählen könnte.

Bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts war die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Kataloniens noch eine katalanisch Sprechende (1). Der Bau der internationalen Expo von 1929 brachte die erste große Welle von spanischen Arbeitern und ihren Familien. Die zweite – und größte – kam nach dem Spanischen Bürgerkrieg von 1936. In Katalonien haben damals viele Spanier die Verdienst- und Überlebenschance gefunden, die sie in ihrer Heimat nicht hatten. Die damaligen Verbote und Unterdrückung der Sprache und Kultur Kataloniens führten aber zu dem Ergebnis, dass die neuen Bewohner des Landes wenig bis keine Gelegenheit hatten, sich der Tatsache bewusst zu werden, dass sie jetzt in einem Land lebten, das kulturell radikal anders als ihre Ursprungsregionen war. Sie hörten zwar die „Aborigines“ privat in einer ihnen fast unverständlichen Sprache reden, aber für ihr tägliches Leben war diese andere Sprache vollkommen unnötig. Das ganze öffentliche Leben, die Schule, Rundfunk und Presse (später auch das Fernsehen) etc. war ausschließlich auf Spanisch. So wurde Katalonien ein Land mit zwei sprachlichen Gruppen: eine einsprachig Spanisch und eine gezwungenermaßen Katalanisch-Spanisch zweisprachig.

Die Bildungspolitik der katalanischen Regierungen der letzten 30 Jahren, die in den Schulen das Katalanische als Lernsprache in allen Fächern einführte, hatte zwar zum Ergebnis, dass die neuen Schülergenerationen Katalanisch können, aber außerhalb der Schule von keinem aus spanisch sprechenden Familien im Alltag benutzt wurde, weil sie weiterhin das Katalanische für ihr normales Leben als unnötig betrachten konnten.

Die Frage, wie ein unabhängiges Katalonien diesen Zustand behandeln muss, wird in der katalanischen Gesellschaft intensiv und kontrovers geführt. Es gibt im allgemeinen einen mehrheitlichen Konsens darüber, dass es keine einfache für alle zufriedenstellende Patentlösung gibt, aber wohl, dass das Problem lösbar sein wird.
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Die vorherrschende Meinung ist es, dass in einem unabhängigen Katalonien das Katalanische die Hauptsprache sein muss (oder „offizielle“ oder „territoriale“ oder wie man es auch immer benennen will). Da man aber gleichzeitig keineswegs möchte, dass die spanisch sprechende Bevölkerung dieselben Schikanen erlebt, die die Katalanen solange erdulden mussten, soll diese Regelung von anderen begleitet und ergänzt werden, sie soll aus internationaler Sicht als gerecht betrachtet werden können.

Wie am Ende alle Aspekte dieses Problems gelöst werden, wird von dem spanisch sprechenden Teil der Bevölkerung die Erkenntnis verlangen, dass sie in einem neuen Staat leben, in dem das Spanische nicht mehr wie in den letzten 300 Jahren privilegiert ist. Und von der katalanisch sprechende Bevölkerung die Erkenntnis, dass sich nicht alles von einem Tag zum anderen zu ändern wird und dass das bisherige friedliche Miteinanderleben der beiden Gruppen weiter beibehalten werden muss. Und das, was auch immer die ewigen Kassandra Stimmen behaupten mögen, wird gelingen, weil die Katalanen respektieren, wer sie respektiert.

Von diesem Respekt anderen gegenüber gibt es ein Beispiel, das in Deutschland wenig oder gar nicht bekannt ist. Im äußersten Nordwesten Kataloniens liegt das Aran-Tal. Dieses hat in etwa ca. 1,1 % der Fläche und 0,15% der Bevölkerung Kataloniens. Die Sprache der Bevölkerung dieses Tales ist weder Spanisch noch Katalanisch sondern Aranesisch, eine Mundart des Okzitanischen. Das Tal wurde im Mittelalter durch dynastische Zufälligkeiten Katalonien zugeführt, obwohl es geographisch und kulturell zum Großraum Aquitaniens gehörte. Schon vor einigen Jahren hat das autonome Katalonien dem Aran-Tal eine weitgehende Selbstverwaltung zugestanden, die auch den normalen Gebrauch des aranesischen einschließt. In allen bisher erschienenen Entwürfen einer katalanischen Verfassung werden diese Rechte der Aranesen in einem besonderen Kapitel festgeschrieben. Und wenn die Rechte des sehr kleinen Aran-Tals respektiert werden, desto mehr kann eine gangbare Lösung für die spanisch sprechenden Katalanen gefunden werden.

Es ist in den letzten Jahrhunderten viel Unrecht geschehen und es wird viel Mühe und Geduld kosten, alles wieder ins Lot zu bringen ohne dass neues Unrecht geschieht. Aber es wird gelingen, weil es bei der überwältigenden Mehrheit der Katalanen keinen revanchistischen Geist gibt. Eher eine immense Traurigkeit, dass die Sturheit der spanischen Katalonien-Politik keine andere Lösung als die Trennung zugelassen hat.
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Letztes Kapitel

Was der Schreiber des Arena-Artikels nicht erwähnt hat, ist die neueste Entwicklung in nKatalonien bzw. Barcelona. Zum einen wird die attraktive Metropole vom internationalen Tourismus förmlich überschwemmt, insbesondere von englisch-sprachigen Reisenden, Englisch ist somit auf dem Vormarsch. Zum anderen kamen in den vergangenen 15 Jahren viele Italienerinnen nach Barcelona, motiviert von der Erkenntnis, dass mit Berlusconi zu viel Lebensqualität verloren ging, um es weiter auszuhalten. Dabei liegt Barcelona gleich am anderen Ende der Fährverbindung. Reise- oder Migrations-Bewegung aus dem Ausland waren für gefährdete Sprachen noch nie eine gute Nachricht.

ANMERKUNGEN:

(1) Artikel in der katalanischen Online-Publikation Arena-Info unter dem Titel „Das Sprachen-Problem in Katalonien: schwierig aber lösbar“ von Pere Grau (Link)

FOTOS:

(1) Katalanische Schrift (Collage Baskultur.info)

(2) Diada ist das symbolische katalanische Fest am 11.September (Foto: Internet)

(3) Katalanische Schrift (Collage Baskultur.info)

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