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One Man – One Club

Der Fußball-Club Athletic Bilbao hat nicht nur eine eigene Philosophie was die Verpflichtung von Spielerinnen und Spielern anbelangt, denn in Bilbao spielen nur Eigengewächse oder solche, die in Bilbo das Kicken gelernt haben. Athletic setzt auch außerhalb des Stadions Maßstäbe. Zum einen mit dem Film-Festival Thinking Football. Gleichzeitig hat man sich eine Ehrung ausgedacht, die Kickern zuteil wird, die in einem einzigen Verein gespielt haben: One-Club-Man. Das passt zur Nachwuchs-Philosophie.

Athletic Bilbao ehrte den ehemaligen deutschen Auswahl-Torwart Sepp Maier für die Tatsache, dass er seine gesamte fußballerische Karriere in einem einzigen Verein absolviert hatte: bei Bayern München.

Spieler zu ehren, die nicht wie heutzutage üblich heute hier und morgen dort ihr Fähnchen hochhalten, immer dort, wo gerade am meisten bezahlt wird, ist typisch für einen Verein wie Athletic. Denn in Bilbaostellt der eigene Nachwuchs die Grundlage der sportlichen Existenz dar. Bei Athletic selbst gibt es einige dieser One-Club-Man Exemplare wie Julen Guerrero oder der heutige Vereins-Präsident Josu Urrutia.

Bisherige Preisträger One-Club-Man

seppmaier03Die One-Club-Man-Ehrung ist relativ neu, nur zwei ehemalige Spieler kamen bisher in den Genuss. Der erste war ein gewisser Matthew Le Tissier, den die wenigsten kennen werden, er verbrachte seine aktive Laufbahn beim englischen Club Southampton, wo er zwischen 1985 und 2002 immerhin 528 Profi-Spiele absolvierte. Der zweite Preisträger war schon deutlich bekannter: im vergangenen Jahr durfte kein Geringerer als der Dauerbrenner Paolo Maldini die Ehrung entgegen nehmen. Er spielte von 1978 bis 2009, bis ins Alter von 40 Jahren beim Berlusconi-Club AC Milan. Bei 973 Einsätzen gewann er eine lange Liste von Titeln, u.a. im berühmten Team mit van Basten, Baresi und Gullit.

Nun war in Bilbao also der Bayer Josef Dieter Maier an der Reihe, den alle Welt als Sepp Maier in Erinnerung hat. In der Halbzeit des Ligaspiels zwischen Athletic und UD Las Palmas von der Insel Gran Canaria wurde ihm die unscheinbare Trophäe überreicht. Und zwar von einem anderen Torwart, der nicht weniger Legende verkörpert: José Angel Iribar, liebevoll „el choppo“ genannt, „die Pappel“. Iribar stammt zwar nicht aus Bilbo sondern aus dem gipuzkoanischen Zarautz, dennoch hat er sein Leben in der bizkainischen Hauptstadt zugebracht, daneben war er 14 Jahre lang der Torsteher der spanischen Länderelf. „El Choppo“ stand im Tor der Spanier, als diese bei der WM 1966 gegen die Westdeutschen verloren und Lothar Emmerich ein Tor aus unmöglichem Winkel schoss. Iribar war also in jeder Hinsicht der richtige Mann für die Preisübergabe. Dazu kam ein Jugendspieler mit dem überaus deutsch-klingenden Namen Nico Meissner – egal wo geboren, wenn er in Bilbo das Kicken lernt hat er beste Aussichten, die Nachfolge von Joseba Etxeberria, Bittor Alkiza oder Ismael Urzaiz anzutreten.

Das Subjekt der Ehrung

seppmaier04Die zu ehrende Torwart-Legende Sepp Maier ist heute 73 Jahre alt und war ein spätes Kriegskind, 1944 im bayrischen Metten geboren. Dem jungen Sepp gefiel nicht nur Fußball, auch Turnen gehörte zu seinem Zeitvertreib, zweimal wurde er Bezirksmeister, im Bodenturnen und am Barren. Zwischen den Torpfosten erhielt er den Beinamen „Katze“, nicht zuletzt wegen der Elastizität aus seiner Turnerzeit. Mit 14 arbeitete er in einer Fabrik als Mechaniker, in den Pausen wurde im Hof gekickt bis die Firmenleitung dies verbot. Eines Sonntags spielten die Junioren seines Clubs gegen die von Bayern München. Weil der Stamm-Torhüter verletzt war, durfte der Josef ran. Zwar setzte es ein 1:9, doch fiel er den Bayern-Trainern auf und wurde zum Probespiel eingeladen. Dieser Kick gegen Salzburg war gleichzeitig Endstation seiner Karriere, denn er blieb bei Bayern und wurde zu einem der besten und erfolgreichsten Torhüter der Geschichte. (*)

Auch im Alter von 35 war er noch gut genug für die erste Mannschaft, von 1965 bis 1979 hütete er 696 Mal das Tor. Mit 442 Bundesliga-Spielen ohne Unterbrechung schaffte er einen Rekord, der schwer zu übertreffen sein wird. Erst ein schwerer Verkehrsunfall stoppte seine aktive Karriere, der ein Trainerdasein folgte, ebenfalls bei Bayern und für die Bundes-Auswahl. Dort durfte er einen seiner Nachfolger ausbilden, Oliver Kahn. Als Aktiver hatte er alles gewonnen, je eine Welt- und Europa-Meisterschaft, Meistertitel und Pokale, europäische und interkontinentale Titel. Schönheitsfehler dieser erfolgreichen Karriere war vielleicht das verlorene EM-Finale von 1976. Dort kassierte er im 11-Meter-Schießen gegen die damalige Tschechoslowakei einen Treffer, der als Panenka-Tor in die Geschichte einging und seither jedes Wochenende irgendwo in der Fußball-Welt nachgeahmt wird.

Die „Kathedrale“ des Fußballs

Das Liga-Spiel mit Halbzeit-Ehrung durch „Pappel“ Iribar und dem kleinen Nico wurde zu einem Volksfest, das zivilisierter war, als jedes Oktoberfest der vergangenen hundert Jahre. Athletic gewann 5:1, die Fans beider Teams feierten gemeinsam den lauen Frühlingstag mit gegenseitigem Applaus, an diesem Tag schien weniger wichtig, wer gewinnt und wer verliert, so gewannen alle und machten die „Welle“ – ein Ausnahme-Tag in San Mamés, der sog. „Kathedrale“ des Fußballs.

seppmaier05In seiner Karriere stand Sepp Maier zwei Mal auf dem Rasen des alten Stadions San Mamés, 1973 und 1974 bei Sommer-Turnieren in Bilbao, bei denen es um nichts als Ehre (und Startprämie) ging. 43 Jahre danach war es wieder so weit, am 15. April durfte er im mittlerweile neuen Stadion im Mittelkreis ein paar Minuten im Mittelpunkt stehen. Artig bedankte er sich mit Verbeugungen und Applaus. Eine Pressekonferenz – wie sich das gehört hätte, zusammen mit Iribar, viele Medien hatten darauf gewartet – gab es nicht. Nur einen Besuch im Team-Hotel am Vorabend, wo sich die Athletic-Spieler auf ihr Spiel vorbereiteten. Auch ohne Medienkontakte und Pressekonferenz hatte Athletic einen zweiten Teil der One-Man-Mission erfüllt: die Nachricht von der Preisverleihung ging um die Welt, der Club aus Bilbao hatte seine internationale Schlagzeile, wichtiger als in den lokalen Medien.

Viel Auswahl hat Athletic Bilbao sicher nicht für die kommenden Jahre. Uwe Seeler könnte auf seine alten Tage noch ein Kandidat werden, aber zwei Deutsche nacheinander käme sicher nicht gut. Eigene Spieler zu ehren ist ebenfalls keine gute Idee. Generell gibt es unter den jüngeren Spielern kaum mehr welche, die für One-Club-Man in Frage kommen, zu schnelllebig und heimatlos, zu geld- und erfolgsorientiert ist dieser Sport geworden, in dem Athletic Bilbao die exotische Blüte darstellt.

ANMERKUNGEN:

(*) Information zum Artikel aus: „El Athletic premia la fidelidad del gato“ (Athletic belohnt die Treue der Katze), El Correo 11.4.2017

ABBILDUNGEN:

(1) Athletic-Ehrung für Sepp Maier (marca.com)

(2) Athletic-Ehrung für Sepp Maier (as.com)

(3) Athletic-Ehrung für Sepp Maier (deia.es)

(4) Athletic-Ehrung für Sepp Maier (athletic)

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