Die Schlacht von Matxitxako
Juan Azkarate (Bermeo, 1922) ist der letzte Soldat (gudari) der baskischen Hilfsmarine. Er beendet sein Jubiläumsjahr als einziges noch lebendes Mitglied einer einzigartigen und wenig bekannten Militäreinheit des Spanienkriegs. Die baskische Hilfsmarine war eine improvisierte Militärtruppe, für die Fischkutter mit Eisenplatten ausgestattet und mit leichten Kanonen bestückt wurden, um Schiffe zwischen Bilbao und dem republikanischen Frankreich zu eskortieren. Juan Azkarate ist der letzte Seemann.
Nach dem faschistischen Militärputsch von Juli 1936 war die baskische Regierung gezwungen zu ihrer Verteidigung mit Freiwilligen eine improvisierte Armee und aus Fischkuttern eine Hilfsmarine aufzustellen. Erinnerung an einen Kriegsmatrosen und die Schlacht von Matxitxako.
Juan Azkarate schließt das Jahr 2022 nach seinem 100. Geburtstag am 18. Juni mit Halsschmerzen ab, aber mit einem intaktem Widerstandsgeist. Wie auf dem Foto dieses Berichts zu sehen ist, trägt er einen Pullover und eine Txapela-Mütze aus der Zeit des Spanienkrieges. Diese Bekleidung trug er schon 1936 als er an Bord des umgerüsteten Kutters Araba ging – vor 86 Jahren. Auch ist sein Blick immer noch der jenes Jungen, der lange vor seiner Volljährigkeit als Soldat für den Lehendakari (Ministerpräsidenten) José Antonio Aguirre (1904-1960) und Euskadi gekämpft hat. Für ihn war die Sache klar. Er stand für die Freiheiten aller Menschen ein und für die seines Landes, Euskadi.
Juan Azkarate ist heute (Dezember 2022) das letzte noch lebende Mitglied dieser Militäreinheit. Das steht fest. Aus diesem Grund ist er auch als der letzte Meeres-Gudari oder Itsas-Gudari bekannt. “Guda“ bedeutet auf Baskisch Krieg, der “gudari“ ist der Krieger, Kämpfer. “Gudari“ war der Name der baskischen Soldaten oder Milizionäre, die sich nach dem Militärputsch im Juli 1936 freiwillig zur neu geschaffenen baskischen Armee (Eusko Gudarostea) meldeten, meist über die Parteien oder Gewerkschaften, in denen sie organisiert waren.
Euzko Itsas Gudarostea
Ein Experte zum Thema ist Juan Pardo. Er erklärt, dass die baskische Hilfs-Kriegsmarine in jenem Konflikt eine einzigartige militärische Einheit war, von der gleichzeitig die Wenigsten wussten. "Ihre große politische Bedeutung verlieh ihr die alleinige Abhängigkeit von der baskischen Regierung". Sie wurde im Oktober 1936 vom Verteidigungs-Rat der am 7. Oktober 1936 vereidigten baskischen Regierung gegründet, um die republikanische Marine beim Schutz des Seeverkehrs und der Fischerei in ihren eigenen Gewässern zu unterstützen und die Zufahrten zu den baskischen Häfen von Unterwasserminen freizuhalten.
"Die politischen und militärischen Umstände des Konflikts, vor allem die Tatsache, dass der Norden der Republik vom übrigen Staatsgebiet militärisch abgetrennt war; die schlechte Leistung der kantabrisch-republikanischen Seestreitkräfte, die zu einiger Spannung zwischen den Führungen beider Streitkräfte und zu gegenseitigem Misstrauen führte; und die ausgeprägte Persönlichkeit des Chefs der baskischen Hilfsmarine, Joaquín de Egia, führten dazu, dass die baskische Meereseinheit eine komplette organische und operative Autonomie von der Republikanischen Marine erhielt", so Pardo.
Die Marina de Guerra Auxiliar
Um diese improvisierte baskische Hilfs-Kriegsmarine zu organisieren, wurde vom Beauftragten Joaquín de Egia eine ganze Reihe von Fischerbooten, die in Bilbao Zuflucht gefunden hatten und nicht zum Fang fahren konnten, zu "Kriegsschiffen" umgerüstet. Die meisten von ihnen waren nach der Evakuierung von Pasaia (span: Pasajes in Gipuzkoa) gekommen (Gipuzkoa fiel im Oktober 1936 in die Hände der aufständischen). Einige wurden mit Artillerie ausgestattet (als bewaffnete Bous), andere mit U-Boot-Minenräumgeräten (als Minenräumboote). Alle Schiffe wurden bleigrau gestrichen und trugen an der Schiffswand in schwarzer Farbe den Anfangsbuchstaben ihres Namens oder die entsprechende Zahl. Am Bug wurde die Ikurriña gehisst (die baskische Flagge) und am Heck die dreifarbige Flagge der Republik. Die Besatzungen setzten sich aus freiwilligen Angestellten der Handels- und Fischereiflotte zusammen, die ihre fehlende militärische Ausbildung durch Engagement, Disziplin und hohe Motivation wettmachten. Mehr als 900 meldeten sich für die Besatzungen der Euzkadi-Marine. (2)
Trotz der Spannungen mit den republikanischen Marinebehörden arbeitete die Hilfsmarine so gut es ging mit den kantabrischen Seestreitkräften zusammen und deckte deren Unzulänglichkeiten, soweit ihre begrenzten Mittel es zuließen. Sie trug in der ersten Hälfte des Jahres 1937 die Hauptlast der Seekampagne auf republikanischer Seite. Nach dem Fall von Bilbao im Juni 1937 war die baskische Regierung gezwungen, die Schiffe nach Santander zu verlegen, wo die Minenräumboote ihre Arbeit fortsetzten. Einige wurden mit ihren Besatzungen in die kantabrischen Seestreitkräfte überführt und sollten später in Asturien eingesetzt werden, entsprechend dem Vormarsch der Faschisten von Osten nach Westen und der entsprechenden Verlagerung der Front. Die Evakuierung von Santander im August 1937 bedeutete das Ende der baskischen Kriegsmarine, obwohl sie auf dem Papier noch einige Monate weiter existierte. Einige der Kriegsmatrosen gerieten in Gefangenschaft, den meisten gelang es jedoch, über das Meer ins damals noch republikanische Frankreich zu fliehen.
Ein turbulentes Leben
Der aus Bermeo stammende Azkarate kannte nicht nur das Meer, sondern auch das Land und die Luft. Dreimal wurde er vom Lehendakari José Antonio Aguirre empfangen. Er durchlitt die Konzentrationslager von Argeles und Irun und war eine Zeitlang im Provinzgefängnis Larrinaga in Bilbao inhaftiert. Juan erlebte aus unmittelbarer Nähe, wie er und seine Leute von hohen Befehlshabern verraten wurden. Er kritisiert, dass Politikern und anderen "reichen" Persönlichkeiten der Weg ins Exil erleichtert wurde. Diesen Vorwurf hält er aufrecht.
Azkarate war ein Gudari der Bou Araba (Schiff mit dem Namen Araba) und des Zerstörers José Luis Díez. Er war zweiter Steward und Maschinengewehr-Schütze auf dem ersten umgebauten Kabeljau-Fänger des Krieges. Zudem fuhr er auf dem Schiff Euskal Herria und litt im republikanischen Spanien Hunger. In Frankreich verlor er all seine Kontakte und dachte angesichts dieser Entwurzelung daran, sich in der Ferne ein neues Leben aufzubauen. Nach Venezuela zu gehen, fand er eine gute Idee, doch dazu sollte es nicht kommen. Er lernte Olaizola kennen, den Onkel des berühmten Künstlers Nestor Basterretxea (1924-2014). Auch den Maler Benito Barrueta (1873-1953). Olaizola war ehemaliger Bürgermeister von Bermeo. Juan überlebte Bombenanschläge in Barcelona und Granollers.
Der baskische Antifaschist wurde gezwungen, einen Tag und eine Nacht zu Fuß zum Konzentrationslager Argeles zu marschieren, unter den Rufen "allez, allez“ und mit Gewehrkolbenschlägen, wenn sie stehen bleiben. Senegalesen teilten diese Schläge aus, sie hatten den Auftrag, die Kriegsgefangenen in dieses nahe Perpignan liegende Konzentrationslager zu treiben. Als Kuriosität des Lebens führte sein Weg nach Kriegsende mit seiner Thunfischfirma in den Senegal. In diesem Land südlich der Sahara erlitt Azkarate als Präsident des Unternehmens Azkarate Hermanos die Explosion eines Kompressors, die ihn einen Monat lang blind machte. Auch noch, als er nach Bermeo zurückkehrte. Doch er überlebte auch das.
Familiengeschichten
Andere Ereignisse machten ihm emotional mehr zu schaffen. "Der Krieg und was ich in meinem Leben erlitten habe, war kein Schmerz im Vergleich zum Tod meiner Frau am 8. März 2011. Sie litt an Alzheimer, das war schrecklich". Ein erstaunlicher Vergleich neben all den erlebten Kriegskatastrophen. Auf beiden Armen trägt Juan die tätowierten Initialen seiner Rosario Etxebarria Zulueta. Jener Frau, die er am Tag nach seiner Entlassung aus dem Larrinaga-Gefängnis kennenlernte und mit der er sieben Jahrzehnte lang zusammen war. "Wenn die Franquisten mich fragten, was die E.R.-Tätowierung bedeutet, sagte ich ihnen El Rey" (der König), sagt er süffisant.
Juan Azkarate (Bermeo, 18. Juni 1922) beginnt seine Erzählung mit den Worten: "Der Krieg wurde am 18. Juli 1936 geboren, ich war gerade 14 Jahre alt. Ich war ein schlaues Kind", lächelt er, der Sohn von Felipe und Anastasia. Das Paar hatte elf Kinder, aber als seine Mutter ertrank, waren nur noch fünf davon am Leben. "Sie brachten mich auf den Friedhof, um sie zum letzten Mal zu sehen. Schmerzen, ich spürte starke Schmerzen“. Die Mutter war beim Fischen ins Wasser gefallen. “Ich erinnere mich, wie nachts die Autos aus dem Dorf nach Mundaka kamen und mit ihren Scheinwerfern ins Meer leuchteten, um zu sehen, ob jemand gerettet werden konnte. Meine Mutter konnte schwimmen, aber die heimtückischen Strömungen ...".
Nach dem Krieg
Etwa die Hälfte der baskischen Marinemitglieder blieb bis zum Ende des Krieges auf französischem Boden, nur einzelne gingen ins franquistische Spanien zurück. Die andere Hälfte kehrte in das von der Republik kontrollierte Staatsgebiet zurück, um den Krieg in der republikanischen Marine oder im Carabinieri-Korps fortzusetzen. Ein besonderer Fall war das Carabinieri-Korps, mit dem die baskische Regierung (jetzt mit Sitz in Barcelona) einen massiven Zustrom von Matrosen aus der Hilfsmarine und aus der baskischen Handelsmarine förderte. Deren Aufgabe bestand darin, eine kleine Flotte von Motorbooten und Barkassen aufrecht zu erhalten, die vom Finanz-Ministerium bezahlt wurde, um die Verbindung zwischen den Häfen der republikanischen Levante bis zum Kriegsende aufrecht zu erhalten. Es folgten Repression oder Exil, für einige ein neuer Krieg auf Seiten Frankreichs gegen die Nazis. Und im besten Fall die Rückkehr in die alte berufliche Tätigkeit, immer unter schwierigen Bedingungen. (2)
Die Schlacht von Matxitxako
Die bekannteste Intervention der baskischen Hilfsmarine war die sogenannte Schlacht von Kap Matxitxako (span: Cabo Machichaco). Es handelt sich um eine Konfrontation am 5. März 1937 vor der Küste von Bizkaia, an der vier Kutter der Hilfsmarine von Euzkadi (Euzko Itsas Gudarostea) beteiligt waren. Gegenüber stand der moderne Kreuzer Canarias, den sich die Franquisten angeeignet hatten.
An jenem Tag erreichte das Kriegsschiff den Golf von Bizkaia und kaperte das Handelsschiff Galdames, das mit 173 Passagieren (darunter Flüchtlinge und republikanische Politiker) auf dem Weg nach Bilbao war begleitet von den vier mit Kanonen bewaffneten Kabeljau-Kuttern der baskischen Hilfsmarine. Schwerer Seegang und die Tatsache, dass der Galdames-Konvoi ohne Lichter fuhr, um nicht vom Feind gesehen zu werden, auch der Funk war ausgeschaltet, führten dazu, dass die Schiffe Gipuzkoa und Bizkaia den Kontakt verloren. In der Morgendämmerung, als sie nach dem Rest des Konvois suchten, stießen sie auf die Canarias.
Die Bizkaia und die Gipuzkoa wurden von zwei erfahrenen Kapitänen der Handelsmarine geführt. Der Kapitän der Nabarra war Enrique Moreno Plaza aus Murcia. Die Strategie der beiden ersten Schiffe bestand darin, sich zu trennen und zu versuchen, den Kreuzer in die Reichweite der Küstenbatterien an der Küste zu locken, deren Kanonen ein viel größeres Kaliber hatten als die ihrer Schiffe im Heck. Der Kreuzer Canarias verfügte über acht Kanonen mit größerer Reichweite, mehrere Maschinengewehre und eine erfahrene Besatzung.
Die Canarias sichtete die Gipuzkoa, schoss, zerstörte das Heckgeschütz und setzte das Schiff in Brand. Dennoch wurde das Feuer erwidert und traf die Canarias. Auf der Gipuzkoa starben 5 Personen, auf der Canarias eine.
Der schwer beschädigte baskische Kutter steuerte Portugalete an, verfolgt von der Canarias. In Reichweite der Küstenbatterien von Punta Galea und Punta Lucero wurden die Franquisten beschossen und zum Rückzug gezwungen, die Gipuzkoa konnte sich in den Hafen retten. In der Zwischenzeit traf die Bizkaia auf ein unter estnischer Flagge fahrendes Handelsschiff, das von der Canarias vergeblich beschlagnahmt worden war und sich als Yorkbrook entpuppte. Es hatte etwa 460 Tonnen Kriegsmaterial für die Republik geladen und wurde nach Bermeo eskortiert.
Der Rest des Galdames-Konvois traf auf die Canarias, die das Feuer eröffnete und vier Passagiere tötete, woraufhin das Handelsschiff die weiße Flagge hisste, den Motor stoppte und sich ergab. Der franquistische Kreuzer beschoss daraufhin die baskischen Bous, zunächst die Donostia, die sich entfernte, dann die Nabarra, deren Besatzung sich trotz ihrer offensichtlichen Unterlegenheit wehrte und sich nicht ergab. Die Schlacht dauerte mehr als anderthalb Stunden und endete, als ein Schuss der Canarias die Kessel der Nabarra traf und zur Aufgabe zwang. Zwanzig der 49 Besatzungsmitglieder gingen an Bord der Rettungsboote. Der Kommandant und der Erste Offizier (Enrique Moreno und Ambrosio Sarasola) beschlossen, an Bord zu bleiben und mit dem Schiff unterzugehen, anstatt in franquistische Gefangenschaft zu geraten. Die übrigen wurden im Kampf getötet.
Die Donostia kämpfte ebenfalls gegen die Canarias und konnte mehrere Treffer auf den Kreuzer landen. Anschließend flüchtete sie in einen französischen Hafen, wo sie repariert wurde und nach Bilbao zurückkehrte. Die 20 Überlebenden der Nabarra wurden von der Canarias aufgegriffen und festgenommen, später vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Der Kommandant und der Geschützchef der Canarias waren beeindruckt von der Tapferkeit auf der Nabarra, ihre direkte Fürsprache veranlasste General Franco, sie zu begnadigen und nach Kriegsende in Anerkennung ihrer Tapferkeit freizulassen.
ANMERKUNGEN:
(1) “El último gudari de la Marina de Guerra Auxiliar” (Der letzte Kämpfer der Hilfs-Kriegsmarine) Tageszeitung Deia, Autor: Iban Gorriti, 2022-12-27 (LINK)
(2) “La Marina de Guerra Auxiliar de Euzkadi” (Die Hilfs-Kriegsmarine Euzkadis) (LINK)
(3) Die Schlacht von Cabo Matxitxako, Wikipedia (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Marina Auxiliar (reto historico)
(2) Juan Azkarate (deia)
(3) Marine-Ausweis (deia)
(4) Marina Auxiliar (marinavasca)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-12-27)