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Der Übervater des modernen Bilbao

Der in Kanada geborene Frank Gehry ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Architekten und Designer. Für seine dekonstruktivistische Architektur wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pritzker-Award. Mit dem Baskenland steht Gehry in besonderer Verbindung. Mit dem Guggenheim-Museum gab der Stararchitekt der Stadtverwaltung Bilbao ein Instrument in die Hand, das die Geschichte der Stadt auf Jahrzehnte hinweg beeinflussen wird. Auch eine Brücke wurde nach Frank Gehry benannt.

Mit dem spektakulären Guggenheim-Museum schuf der Architekt Frank Gehry ein Meisterwerk, das die urbane Landschaft Bilbaos vollends auf den Kopf gestellt hat. Kein anderes seiner bekannten Bauwerke hat eine Stadt so grundlegend beeinflusst. Positiv wie negativ.

Frank Gehrys Großeltern waren als jüdische Emigranten aus Polen gekommen. Gehrys Mutter war Musikliebhaberin, sein Vater betrieb einen Eisen- und Haushaltswaren-Laden und lieferte bis zum staatlichen Verbot Glücksspiel-Maschinen an die Bars in einer Goldgräberstadt in Ontario. Als Junge bastelte der 1929 geborene Frank aus Abfällen des elterlichen Ladens seine ersten Häuser zusammen. Mit 18 Jahren zog er nach Kalifornien, begann in Los Angeles ein Architektur-Studium, das er 1954 abschloss. Sein Studium finanzierte er als LKW-Fahrer. In späteren Jahren erlangte er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. (1)

FOG022Biografie Frank O. Gehry

Frank Owen Gehry, Geburtsname Frank Owen Goldberg, war zwei Mal verheiratet. Seine erste Ehefrau brachte ihn nach seinem Studium dazu, den Familiennamen Goldberg in den weniger offensichtlich jüdischen Namen Gehry zu ändern. Die im Architektur-Büro Victor Gruen in Los Angeles begonnene Arbeit musste er unterbrechen, um seinen US-Militärdienst abzuleisten. Danach erhielt er die Zulassung zu einem Urbanismus-Studium, nach dessen Abschluss er wieder im Gruen-Büro aufgenommen wurde. (1)

Im Jahr 1961, als bereits zweifacher Vater, zog Gehry mit seiner Familie nach Paris, wo er im Büro von André Rémonder arbeitete. Seine Erziehung im französisch-orientierten Teil Kanadas war ihm eine große Hilfe, sich in Paris weiterzuentwickeln. In den 12 Monaten Frankreich studierte er die Werke von Le Corbusier und die Arbeit von anderen französischen und europäischen Architekten, auf romanische Kirchen hatte er ein besonderes Augenmerk. Nach der Rückkehr nach Los Angeles eröffnete er unter dem Namen Gehry Partners ein eigenes Architektur-Büro.

Gehrys erste Ehe wurde 1968 geschieden, 1975 heiratete er erneut. Das Paar zog in Santa Monica in ein größeres Haus aus den 1920er Jahren, seine Frau ermutigte ihn, dieses Gebäude (in dem sie noch heute wohnen) mit gewagten Ideen umzugestalten und zu erweitern. Tatsächlich wurde dieses Haus 1980 vom American Institute of Architects (AIA) ausgezeichnet.

Architektur und/oder Kunst

Zu Beginn seiner Karriere baute Gehry noch nach konventioneller Manier. In den Folgejahren – Ende der 1970er – entwickelte er einen persönlichen Stil, mit dem er zuerst nationale und später internationale Beachtung und Anerkennung fand. Er veränderte seine architektonische Formensprache, indem er begann, vermeintlich ärmliche Materialien wie Sperrholz, Wellblech und beim Bau von Möbeln sogar Wellpappe einzusetzen.

Charakteristisch für Gehrys Baustil sind abgewinkelte Ebenen und kippende Räume geworden, umgekehrte Formen und eine gebrochene Geometrie. Seine Bauten haben, als typisch dekonstruktivistische Gebäude, einen collagenhaft aufgebauten Charakter, indem auseinanderstrebende Bauelemente verknüpft werden, die ein Ineinanderfließen der Räume realisieren sollen. Er scheute sich nicht, in einem Gebäude mehrere einfache geometrische Formen zu integrieren, die optisch in Verbindung gebracht wurden. Für fachunkundige Augen sind seine Designs schwierig zu bewerten, denn hierbei geht es um das Zusammenspiel von Volumen und dem auf Fassaden eingesetzten Material, das im besten Fall zu einer Harmonie führt. Gehry widmete sich nicht allein der Architektur, er konzipierte auch zahlreiche Inneneinrichtungen und Möbelentwürfe. Zwischen 1969–1972 entwarf Gehry die Karton-Möbelserie „Easy Edges“. Seit 1990 werden bei der US-amerikanischen Firma Knoll International seine Sitzmöbel aus gebogenem, sechs- bis neunlagig geklebtem Weißahornholz gefertigt.

FOG033Dekonstruktivismus

Kritiker*innen der Architektur schreiben Gehrys Werk dem sogenannten Dekonstruktivismus zu – er selbst lehnt dieses Etikett ab. Dekonstruktivismus ist eine neue Tendenz, die in den 1980er Jahren ihren Ausgang nahm und eine Kritik und Antwort darstellt auf den im 20. Jahrhundert herrschenden Rationalismus in der Architektur. Sie zeichnet sich aus durch den Einsatz von geschwungenen Linien und runden Oberflächen, durch die starke Verzerrungen in Struktur und Erscheinungsbild von Gebäuden geschaffen werden und die eine Art geordnetes Chaos entstehen lassen. Wer sich das Museum in Bilbao (oder andere seiner Projekte) anschaut, kommt zum Schluss, dass diese Eigenschaften zutreffen.

Gehry ist einer jener Vertreter seines Fachs, der Architektur nicht allein als Handwerk versteht, sondern als Kunst. Wenn ein Gebäude vollendet ist, sollte es als Kunstwerk oder Skulptur betrachtet werden. Diesem Ziel näher zu kommen wurde zum Geist von Gehrys Arbeit, ohne dabei fundamentale Aspekte der Architektur zu vernachlässigen, wie die Funktionalität eines Gebäudes oder die Integration in das urbane Umfeld.

Guggenheim Museum Bilbao

Ganz offensichtlich übertrieben sind die Worte des berühmten US-Architekten und ersten Pritzker-Preisträgers, Philip Johnson, der das Guggenheim Museum als das „großartigste Gebäude unserer Zeit“ bezeichnete. (2) Ähnlich unsinnig ist die Feststellung: „Das Guggenheim Museum Bilbao brachte Gehry, der bereits eine solide und lange Karriere hinter sich hatte, an die Spitze der zeitgenössischen Architektur“. So zu lesen in „Guggenheim Bilbao – Das originellste Bauwerk des Architekten Frank Gehry“, das im Museum selbst mehrsprachig als Standardwerk verkauft wird. (3) Solche Bemerkungen gehören in den Bereich der Legendenbildung, die allerdings gut funktioniert und sicher zum sogenannten „Guggenheim-Effekt“ beigetragen hat, der der baskischen Industrie-Metropole Bilbao vor Jahren angedichtet wurde. Tatsache ist, dass Gehry bereits zwei Jahre vor seinem Bilbao-Intermezzo den Pritzker „Architektur-Nobelpreis“ erhalten hatte.

Die Vorgeschichte von Museum und Effekt ist eher banal. Es ist die Geschichte eines kapitalistischen Kunstprojekts, das Gefahr lief, am Reichtum zu ersticken. Die von dem US-amerikanischen Milliardär Salomon Guggenheim ins Leben gerufene Foundation hatte über die Jahrzehnte derart viele Kunstwerke gekauft, dass der Platz im New Yorker Guggenheim Museum nicht entfernt ausreichte, um all die Schätze auszustellen. Deshalb machte man sich auf die Suche nach einem europäischen Museums-Ableger. Einige Interessenten winkten wegen der unsäglichen Vertrags-Bedingungen, die auf sie zugekommen wären, schnell ab.

FOG044Die politisch Verantwortlichen der schmutzigen und krisengeschüttelten Industriestadt Bilbao machten sich nach eigener Aussage kaum Hoffnungen auf einen Zuschlag. Sie standen mit dem Rücken zur Wand, und waren bereit, alles zu unterschreiben, was ihnen vorgelegt wurde. Konkret: baskische Institutionen sollten das Museum allein bezahlen, ohne Zutun der schwerreichen Foundation. Im Gegenzug behielt sich diese das exklusive Recht vor, zu bestimmen, was in Bilbao ausgestellt wird. In der Geschäftswelt werden solche Vereinbarungen „Knebelvertrag“ genannt. Dieser Vertrag wurde erst nach 20 Jahren Laufzeit zugunsten der Basken erneuert.

Nachdem sich 1991 die Guggenheim Stiftung aus New York und verschiedene baskische Institutionen auf den Bau eines Ableger-Museums in Bilbao geeinigt hatten, musste nur noch ein großer Name für das Design gefunden werden. Neben Gehry bewarb sich der Japaner Arata Isozaki für den Kunstpalast, ein weiterer weltbekannter Architektur-Dinosaurier – Bilbao hatte ein Luxusproblem. Gehry erhielt den Zuschlag, Isozaki wurde wenige Jahre später mit den „Bilbao Twin Towers“ bei Uribitarte beauftragt, die seither seinen Namen tragen (4).

Im Gespräch waren zunächst zwei Standorte für das Guggenheim-Museum. Neben dem von Gehry letztendlich ausgewählten Standort am Fluss auf dem ehemaligen Euskalduna-Werftgelände war auch noch das städtische Weinlager Alhondiga (5) im Gespräch, ein historisches Gebäude, das jahrelang leer gestanden hatte und dem die Stadt gerne eine neue Funktion zugewiesen hätte. Gehry entschied sich für das ehemalige Werftgelände am Fluss, weil er sich mehr kreativen Aktionsraum versprach, insbesondere das Spiel mit verschiedenen Varianten von Schiffen, Fischen und Wasser.

Gehrys Auftrag

Gehry erhielt von der baskischen Regierung und der Guggenheim Foundation einen doppelten Auftrag. Zum einen ging es um das Erscheinungsbild des Projekts, es sollte ein emblematisches Gebäude werden, um Bilbao nach der industriellen Krise der 1980er Jahre einen neuen Impuls zu geben. Zum anderen sollte er ein großflächiges und funktionelles Museum für moderne Kunst schaffen, von einer Qualität, die den darin ausgestellten Werken angemessen war. Das neue Projekt sollte Wahrzeichencharakter haben, es sollte zur Geburtsurkunde der Marke Bilbao werden.

Das Museum, das wir heute vor uns haben, vereinigt strukturale und funktionale Kriterien: es ist Ausstellungsgebäude und gleichzeitig Kunstwerk an und für sich. Sowohl von der Straße wie auch von innen kann es betrachtet, gewürdigt und problemlos umrundet werden. Vom Atrium, seinem Zentrum aus, ist es in mehrere unregelmäßig geformte Flügel aufgeteilt. „Je nach Standort des Betrachters ergeben sich unterschiedliche Erscheinungsbilder. Gehry berücksichtigte bei jeder Fassade deren jeweiligen urbanen Kontext und passte sie den bestehenden Formen an“ (3). Auf der Südseite (Eingang und Verwaltungsgebäude) zügelte er seine Tendenz zu geschwungenen Linien – bei der dem Fluss zugewandten Nordfassade ließ er seiner Phantasie freien Lauf, weil es keine direkt angrenzenden Gebäude gab. Hier konnte er seine Formen mit denen von Booten, Segeln oder Fischen in Verbindung bringen. Gehry nutzte seine weitgehende Gestaltungsfreiheit, um die hohen Erwartungen zu erfüllen. Dies geschah mit minutiöser Arbeit bei der Vorbereitung des Projekts und unter Verwendung von erstaunlich innovativen Arbeitsmethoden.

FOG055Anleihen aus dem Flugzeugbau

Nach Monaten von Studien und Experimenten kam Gehry zu einer Kombination von ästhetischen und praktischen Überlegungen. Dabei traf er zwei Entscheidungen, die seine Arbeitsmethode auch in der Zukunft verändern sollten. Erstens die Verwendung von Titanplatten zur Verkleidung des Gebäudes, zweitens der Einsatz einer Software. Beides war bis dahin fremd in der Architektur. Gehry schuf einen lichtdurchlässigen hellen Innenbereich, sowie große Ausstellungsräume ohne Säulen. Dies erforderte, eine Struktur mit Wänden und Decken zu entwerfen, die ihr eigenes Gewicht tragen mussten. Zum Einsatz kam dabei das ursprünglich für den Flugzeugbau entworfene Programm CATIA. Es ermöglichte, Stabilität der Struktur und geschwungene Formen miteinander zu verbinden.

Die extreme Komplexität der Projekt-Struktur war es, die Gehry veranlasste, eine für den Flugzeugbau entwickelte Software zu verwenden. Der Einsatz von „Computer Aided Three Dimensional Interactive Application“ (CATIA) ermöglichte, jedes einzelne Teil des Gebäude-Tragwerks exakt zu bemessen. Dadurch konnte Gehry komplizierte Entwürfe zeit- und kostensparend am Computer konstruieren. Die vom Hersteller des französischen Kampfflugzeugs Mirage entwickelte Software diente zur Berechnung von komplexen, auf gebogenen Linien basierenden Flächen. Sie war ursprünglich für die Luftfahrt gedacht und wurde auch von Airbus und Boeing eingesetzt. Später wurden Versionen für Raumfahrt, Auto- und Schiffbau entwickelt. Gehry entwickelte die Software weiter für Architektur und Kunst. (3)

Fische und Schiffe

In seiner Facette als Bildhauer und Designer hatte Gehry immer schon eine Vorliebe für die organischen Formen der Fische. Das machte sich auch beim Entwurf für das Museum in Bilbao bemerkbar. „Seit seinem ersten Bilbao-Besuch nahm Gehry das damals noch herrschende Flair von See und Industrie in sich auf. Obwohl das Museumsprojekt dazu beitragen sollte, dass Bilbao seinen bisherigen Status als Industriestadt ablegte, wollte der Architekt an die traditionelle Atmosphäre der Stadt erinnern“. (3)

Der Schiffsverkehr zum Hafen und der Einsatz von Titanplatten in Anspielung an vergangene Zeiten der Stahlindustrie waren wichtige Elemente bei seinen Entwürfen. Das zur Verkleidung verwandte Titan und seine schuppenförmige Anbringung symbolisierte einmal mehr Fischkörper. Bereits für die Olympischen Spiele von 1992 in Barcelona hatte Gehry einen 56 Meter langen Fisch geschaffen und dabei zum ersten Mal ein computergesteuertes Design-Programm benutzt.

FOG088Titanplatten

Ursprünglich erwog Gehry, das Gebäude mit Edelstahl und verbleitem Kupfer zu verkleiden, doch letzteres war zu giftig. Auch kam er zu dem Schluss, dass Stahl an den vielen typisch grauen Tagen in Bilbao matt wirken und rosten könnte. Als Alternative kam er auf Titan-Platten, die silbern schimmerten und auch bei trübem Wetter glänzten. Dazu waren sie leicht, gut formbar und rostbeständig. Die geringe Dicke der verwendeten Platten stellte auch das Budget nicht in Frage. So wurde das Museum mit 33.000 Tafeln in schuppenförmiger Überlappung von unten nach oben verkleidet.

Vorher hatte Gehrys Team monatelang mit Titantafeln verschiedener Stärken, Farbtönen und Texturen experimentiert. Gehry schätzte an dem Material insbesondere den Eindruck der Schwerelosigkeit, den es vermittelt. Die Verwendung von Titantafeln, die zu einem der wichtigsten Merkmale des künftigen Guggenheim-Museums werden sollten, trug entscheidend zu dem von den Bauträgern erwünschten internationalen Ansehen des Museums bei. (3)

Wehmutstropfen

Achtzig Jahre vor dem Bau des Guggenheim hätte der Architekt für das Projekt Ricardo Bastida geheißen. Er stammte aus Bilbao und war als Architekt zu seiner Zeit verantwortlich für eine ganze Reihe bedeutender modernistischer Bauten der Stadt. Unter anderem des Alhondiga-Weinlagers. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Architekten aus Bilbao waren und sind nicht mehr gefragt, wie im Film müssen es Weltstars sein, die das Curriculum der Stadt aufmotzen.

Frank Gehry ist dafür nicht verantwortlich. Auch nicht dafür, dass eines seiner Meisterwerke bis heute nicht den Weg in die Herzen der einheimischen Bevölkerung gefunden hat. Immer ist das Museum ein Fremdkörper geblieben in seiner bislang 20-jährigen Geschichte. Bilbao war und ist eine Arbeiterstadt, in der funkelnde Komplexe als nicht angemessen betrachtet werden. Schwer wiegt auch der Preis für das Museum in der Erinnerung vieler. Für die Jahrhundert-Investition wurden alle verfügbaren Kulturhaushalte auf Jahre hinweg auf Null gefahren, alles floss in den Rachen der Foundation und ihrer Elite-Kunst. Sogar der Bau von notwendigen Kläranlagen im Umland wurde 15 Jahre lang verschoben. Dies zu vergessen dauert lange.

FOG066Mehr Gehry im Baskenland

Das Guggenheim Museum Bilbao ist übrigens nicht die einzige architektonische Hinterlassenschaft Frank Gehrys im Baskenland. Wer durch das Rioja-Weingebiet reist und in der baskischen Provinz Araba durch den kleinen Ort Eltziego kommt (span: Elciego), darf  beim Anblick der Weinkellerei Marqués de Riscal nicht denken, er oder sie stehe vor einem Miniatur-Exemplar des Guggenheim-Museums. Ohne große Fachkenntnisse erkennt die Betrachterin schnell, dass es sich um denselben Stil handelt, mit dem der moderne Hotelneubau der Bodega gestaltet wurde. Große gewellte Titantafeln, in diesem Fall nicht nur silberfarben, sondern auch rosa getönt, spiegeln das Gebäude selbst in tausend Varianten und bescheren der Wein-Faktoria seitdem Tausende von Besucher*innen. 2006 wurde das Gebäude-Kunstwerk eingeweiht, an sonnigen Tagen sind die Lichtreflexe über die Weinberge hinweg weithin sichtbar.

Brückenbauer Gehry

Der einzige Weg vom Bilbao-Stadtteil Deustu ins Nachbarviertel Zorrotzaurre führt heutzutage über die neue „Frank-Gehry-Brücke“. Denn der Rat von Bilbao hat beschlossen, den Anschluss der ehemals künstlichen Halbinsel vollends zu kappen und das neue Spekulationsobjekt Zorrotzaurre zu einer Insel zu machen. So konnte der Geburtshelfer des „Guggenheim-Effekts“ erneut symbolisch geehrt werden.

Und nicht nur das. Bilbao arbeitet seit Langem an einer Liste von prominenten Architekt*innen, um sich in den Elitekreis weltweit bekannter „Architekturstädte“ vorzudrängeln. Für die Brücke in den „Manhattan von Bilbao“ genannten ehemaligen Industrie-Stadtteil hätte sich neben Gehry auch eine Architektin angeboten, die an diesem Ort beinahe den großen Wurf gelandet hätte. Die berühmte Irakerin Zaha Hadid machte einst (vor 14 Jahren) den ersten Plan zur Revolutionierung der Industriezone. Damals schlugen alle halbwegs Vernünftigen die Hände über dem Kopf zusammen, denn Hadids Skizze war eine Minikopie der Giganten-Architektur, wie sie heute in den arabischen Erdöl-Staaten praktiziert wird. Wolkenkratzer, Sportstadien, Luxuswohnungen – Manhattan eben. Wenig ist von diesem Entwurf übriggeblieben. Praktisch nur der Name. Hadid war eine von zwei Frauen, die den Pritzker-Award erhielten, sie steht also ebenfalls auf der Liste im A-Curriculum von Bilbao, auch wenn sie nur ein paar Millionen verdiente und für keine reale Umsetzung zuständig wurde. Nicht einmal den Inselstatus hatte sie vorgesehen. Interessierte Quellen halten dennoch die Legende warm, Hadid habe für den heutigen Plan verantwortlich gezeichnet. Sie starb 2015 und machte den Brückennamen frei für Gehry.

(Publikation Baskultur.info 2019-04-21)

ANMERKUNGEN:

(1) Frank Gehry (Wikipedia)

(2) Der Pritzker-Architektur-Preis (englisch: Pritzker Architecture Prize) ist eine renommierte Auszeichnung. Er wurde 1979 von dem US-Amerikaner Jay A. Pritzker (unter anderem Besitzer der Hyatt-Hotelkette) gestiftet. Die jährlich vergebene Auszeichnung ist mit 100.000 US-Dollar dotiert und genießt in Fachkreisen eine hohe Wertschätzung. Manche sprechen vom Oscar oder Nobelpreis für Architektur.

(3) Bildband “Museum Guggenheim Bilbao – Das originellste Bauwerk des Architekten Frank O. Gehry“, DOSDE-Publishing, deutsche Ausgabe, 2017.

(4) Arata Isozaki, Pritzker-Preisträger 2019. „Nobelpreis, Oscar, Pritzker“, Artikel bei Baskultur.info (LINK)

(5) Alhondiga war früher das städtische Weinlager von Bilbao. Das Gebäude wurde zwischen 1905 und 1909 gebaut unter der architektonischen Leitung von Ricardo Bastida, eines der ersten, bei denen Stahlbeton benutzt wurde. 1919 brannte die Alhondiga aus und wurde restauriert. Nach langer Nichtnutzung sollte es in den 1980er Jahren zum Kunstzentrum umgewandelt werden, der Plan scheiterte, nicht zuletzt, weil der Guggenheim-Plan dazwischenkam. Schließlich wurde es 2010 als Kultur- und Bürgerzentrum mit Kino, Ausstellungsräumen, Bibliothek, Schwimmbad und Gastronomie eingeweiht. Das Design geht auf den bekannten Franzosen Philippe Starck zurück.

ABBILDUNGEN:

(1) Gehry-Elziego (FAT)

(2) Guggenheim Bilbao (FAT)

(3) Elziego-Gehry (FAT)

(4) Gehry Studio (digital trends)

(5) Guggenheim Graffiti (FAT)

(6) Elziego -Gehry (FAT)

(7) Gehry-Brücke Bilbao (FAT)

(8) Gehry Prag (pinterest)

ANHANG:

* Gehry in New York
* Gehrys Gebäude
* Gehrys Auszeichnungen

FOG077NEW YORK: 2011 wurde in Lower Manhattan der Wolkenkratzer „Beekman Tower” eingeweiht, auch bekannt unter dem Namen „8 Spruce Street”, benannt nach Gehrys persönlicher Adresse. Mit 265 Metern Höhe und 76 Stockwerken ist es das höchste Wohnhaus der USA – und für Gehry ein lange gehegtes Prestigeprojekt. Wie das Guggenheim-Museum in Bilbao wurden zur Verkleidung Titan- und Stahlplatten verarbeitet, das Gebäude vermittelt der Eindruck einer ständigen Bewegung.

GEBÄUDE UND ENTWÜRFE: 1972: Wohnhaus und Studio für Ronald Davis in Malibu (Kalifornien) / 1974: Hauptverwaltung der Rouse Company in Columbia (Maryland) / 1977–1991: Wohnhaus Gehry in Santa Monica / 1977: Wohnanlage Harper House in Baltimore / 1980: Einkaufszentrum Santa Monica Place in Santa Monica / 1982–1984: Aerospace Museum im California Science Center in Los Angeles / 1984: Niederlassung der Werbeagentur Chiat Day in Venice (Los Angeles) / 1984: Wohnhaus Norton in Venice (Los Angeles) / 1989: Vitra Design Museum in Weil am Rhein / 1991–1994: American Center in Paris (heute Cinémathèque française) / 1991–1997: Guggenheim-Museum in Bilbao / 1992–1995: Energie – Forum – Innovation in Bad Oeynhausen / 1992: Vergnügungsviertel im Disneyland Paris Disney Village/Festival Disney / 1993: Weisman Art Museum der University of Minnesota in Minneapolis / 1994: Vitra Center in Birsfelden bei Basel / 1994: Bushaltestelle bei BUSSTOPS in Hannover / 1994–1996: Wohnsiedlung Goldstein in Frankfurt am Main / 1996: Tanzendes Haus in Prag mit Vlado Milunić / 1997–1999: Neuer Zollhof im Düsseldorfer Medienhafen / 1999–2000: Experience Music Project in Seattle / 1999–2003: Walt Disney Concert Hall in Los Angeles / 2000–2001: Gehry-Tower in Hannover / 2001–2005: Museum Marta Herford in Herford / 2001: Ronald McDonald Haus Bad Oeynhausen / 2001: Gebäude der DZ Bank in Berlin / 2003–2006: Hotel Marqués de Riscal, in Elciego (Spanien) / 2003: Richard B. Fisher Center for the Performing Arts, Bard College / 2004–2008: Erweiterung der Art Gallery of Ontario (AGO) in Toronto / 2004: Ray and Maria Stata Center des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (Massachusetts) / 2006–2011: 8 Spruce Street, Wolkenkratzer in New York / 2007: IAC (InterActiveCorp) Building in New York, 555 West 18th Street / 2010: Lou Ruvo Center for Brain Health in Las Vegas, Nevada/USA / 2008–voraussichtlich 2019: Bahnhof Sagrera in Barcelona / 2008–2011: das New World Center (Konzerthalle) in Miami Beach / 2009: Hauptgebäude des Novartis Campus in Basel / 2011: Opus Hong Kong in Hongkong, 53 Stubbs Road / 2012–2015: Facebook-Campus / 2014: Museo de la Biodiversidad oder BioMuseo, Panama-Stadt / 2014: Fondation Louis Vuitton, Paris / 2014–2017: Pierre-Boulez-Saal der Barenboim-Said-Akademie in Berlin. In Planung sind: Entwurf für neue Guggenheim-Museen in New York City und in Abu Dhabi, sowie der Entwurf für das Hines-Hochhaus auf dem Alexanderplatz in Berlin.

AUSZEICHNUNGEN: Die höchste Auszeichnung seiner Karriere in Form eines Awards erhielt Frank Gehry 1989 mit dem Pritzker Architecture Prize, der eine Art Oscar für den Bereich Architektur darstellt. Im Jahr 2014 wurde Gehry auch im spanischen Staat ausgezeichnet mit dem Prinz-von-Asturien-Preis in der Kategorie Kunst. Weitere Auszeichnungen: 1987: Mitglied der American Academy of Arts and Letters / 1989: Ehrenmitgliedschaft des Bundes Deutscher Architekten BDA / 1991: Wahl zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences / 1992: Wolf-Prize in Art (Architektur), Wolf Foundation / 1992: Praemium Imperiale für Architektur, Japan Art Association / 1994: Dorothy and Lillian Gish Prize / 1994: Wahl zum Mitglied der National Academy of Design (NA) / 1998: National Medal of Arts / 1998: Terminal Exapeny Price of New Art / 1998: Friedrich-Kiesler-Preis / 1999: Gold Medal, American Institute of Architects (AIA) / 2000: Gold Medal, Royal Institute of British Architects (RIBA) / 2002: Gold Medal for Architecture, American Academy of Arts and Letters / 2002: Companion des Order of Canada / 2011: Steiger Award / 2016: Presidential Medal of Freedom.

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