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Wegbereiter der abstrakten Kunst

Das Guggenheim-Museum in Bilbao zeigt eine Ausstellung mit Werken des russischen Malers Wassily Kandinsky, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Revolution der Formen anführte und als Wegbereiter der abstrakten Kunst gilt. Die Ausstellung umfasst neunzig Werke aus der New Yorker Sammlung der Guggenheim Foundation. Diese umfassende Retrospektive, bestehend aus Gemälden und Arbeiten auf Papier, zeichnet Kandinskys ästhetische Entwicklung im Laufe seiner Karriere nach. Trotz Pandemie geöffnet.

Die Kandinsky-Ausstellung sollte bereits im Sommer 2020 gezeigt werden, musste jedoch wegen der Pandemie verschoben werden. Sie ist Teil der halbjährlichen Ausstellungen von Werken aus dem Fundus der New Yorker Foundation, so sieht es ein beiderseitiges Abkommen vor. Zu sehen ist die Ausstellung vom 20. November 2020 bis 23. Mai 2021.

Nach einer durch die Coronavirus-Pandemie äußerst irregulär verlaufenen Ausstellungs-Saison, stellt das bekannte Guggenheim-Museum in Bilbao im November 2020 mit Wassily Kandinsky eine hochkarätige Ausstellung vor, die dem ausländischen Publikum möglicherweise weitgehend vorenthalten bleiben wird. Nach Ausbruch der Pandemie und einem allgemeinen Lockdown im Staate war das Museum wie alle anderen wochenlang geschlossen, Ausstellungen mussten abgesagt werden oder terminlich verändert. Zuletzt wurde die Olafur Eliasson-Ausstellung verlängert (14.02.2020 – 04.04.2021), um ihr wenigstens einen Teil des Publikums zukommen zu lassen, die sie aufgrund ihrer hohen Qualität verdiente. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Pandemie entwickelt, wieviel Tourismus nach Bilbao kommen kann, sowohl aus dem Staat wie von außerhalb der Grenzen.

ky02Guggenheims Leidenschaft für Kandinsky

Kandinsky ist mehr als jeder andere Künstler mit der Geschichte der Guggenheim Foundation verbunden. Der Industrielle und Millionär Solomon R. Guggenheim (1861-1949) begann 1929, Kandinskys Werke zu sammeln. Seine Beraterin, die deutsche Künstlerin Hilla von Rebay, hatte ihn auf Kandinsky und die mit ihm verbundene noch junge abstrakte Kunstrichtung aufmerksam gemacht. Wassily Kandinsky wurde zum Lieblingsmaler des Kunstsammlers. Guggenheims Interesse am Erwerb von Kandinskys Werken war unersättlich, am Ende besaß er mehr als 150 Arbeiten. Seine Leidenschaft für moderne Kunst und seine Begeisterung für die abstrakte Bewegung veranlasste ihn dazu, ein Jahrzehnt später, im Jahr 1939, das Museum für gegenstandslose Malerei zu eröffnen. Es war der Vorläufer des heutigen Museums an der Fifth Avenue, dessen Bau der Kunstsammler und Philanthrop Solomon R. Guggenheim zwar noch in Auftrag gab, dessen Baubeginn er allerdings nicht mehr erlebte. (1)

Die Retrospektive in Bilbao

Bei der Ausstellung in Bilbao handelt es sich um eine außergewöhnliche Retrospektive des Gesamtwerks von Wassily Kandinsky (1866 - 1944). Sie umfasst mehr als neunzig Gemälde, Arbeiten auf Papier und Skulpturen, die die wichtigsten Perioden seines Lebens durch die jeweiligen grundlegenden Werke abdecken: von seinen frühen Jahren in Deutschland über seine Zeit in Russland, der Rückkehr nach Deutschland bis hin zu seinem späteren Aufenthalt in Frankreich. Die Ausstellung ist in vier Räume unterteilt, welche die Orte darstellen, an denen Kandinsky auf seiner Suche nach Kreativität und bedingt durch die politischen Umwälzungen Europas lebte: München, Moskau, Dessau, Paris.

ky03Wegbereiter der abstrakten Kunst

Für Wassily Kandinsky mussten Bilder nicht Landschaften, Porträts, Schlachten oder Stillleben zeigen. Seiner Meinung nach war das Hauptziel der künstlerischen Verwirklichung, die Suche nach dem inneren Bedürfnis des Künstlers, eine Art Treibstoff für die Seele, die sich in geometrischen und biomorphen Figuren ausdrücken kann, oder in solchen, die keine erkennbare Bedeutung haben. Mit diesen Postulaten leitete er seine Revolution der Abstraktion ein. (2)

Zur Herkunft des Künstlers

Wassily Kandinsky, 1866 in Moskau geboren, stammte aus einer wohlhabenden Familie, die ihm sowohl eine wissenschaftliche als auch künstlerische Ausbildung ermöglichte. Als Kind erhielt er Zeichen- und Mal-Unterricht. Er studierte Rechtswissenschaften, Nationalökonomie und Ethnologie an der Lomonossow-Universität in Moskau. Nach dem Staatsexamen erhielt er 1896 eine Berufung an die Universität Tartu (damals Dorpat) in Estland, die er jedoch ablehnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits für die Malerei entschieden und zog nach München. 34 Jahre alt, begann er im Jahr 1900 ein Studium an der dortigen Kunstakademie.

ky04Kompositionen aus Farbe und Klang

Inspiriert von den impressionistischen Malern aus Frankreich begann Kandinsky seine künstlerische Laufbahn. Seine ersten Streifzüge durch bayrische Lande sind in Landschaftsbildern festgehalten, die an Stiche oder Gravuren erinnern. Er entwickelte einen eigenen Stil, der von starken Farbkontrasten geprägt ist. Um 1909 ging er zu einem eher expressionistischen Stil über, der der Befriedigung seiner spirituellen Bedürfnisse näherkam, wie er erklärte.

Wenig später jedoch machte er bereits erste Schritte in die Welt der Abstraktion und gründete zusammen mit Franz Marc die Gruppe “Der Blaue Reiter“, eine lose Sammlung von Künstlern, die das Interesse am Ausdruckspotential der Farbe und an der symbolischen, oft spirituellen Resonanz der Form teilten. Zunehmenden Einfluss auf die weitere Entwicklung seines persönlichen Malstils hatte die Musik. Kandinsky entwickelte eine eigene Farbsymbolik, die er mit verschiedenen Klängen verknüpfte, als ließen sich die Bilder hören. Er strebte danach, Gemälde zu komponieren, die die gleiche Kraft und Harmonie ausstrahlen sollten wie eine musikalische Komposition. Tatsächlich zeigte sich diese Verknüpfung in der Namensgebung einiger seiner Werke, beispielsweise "Improvisation", "Impression" oder "Komposition".

Erster Weltkrieg und russische Revolution

Nach der deutschen Kriegserklärung gegen Russland am 1. August 1914 konnte er nicht in Deutschland bleiben und floh in die Schweiz. Von dort aus reiste er im November desselben Jahres weiter nach Russland und ließ sich in Moskau nieder. Nach der Oktober-Revolution wurde Kandinsky im Januar 1918 zum Mitglied der Abteilung der visuellen Künste im staatlichen Volkskommissariat für Bildung. Seine wichtigste Funktion aber übernahm er 1920 als erster Leiter des Instituts für Künstlerische Kultur (INChUK) in Moskau, wo er auf die führenden Künstler der russischen Avantgarde traf. Die Einschränkungen der Kunstfreiheit in der neu gegründeten Sowjetunion wurden für ihn jedoch zunehmend unerträglich. Zusammen mit seiner Ehefrau Nina reiste er im Dezember 1921 über Riga nach Berlin aus. Die Ausreise war legal, jedoch konnte er nur zwölf seiner Bilder mitnehmen, die restlichen verblieben im Depot des Moskauer Museums.

ky05Bauhaus und Geometrie

Im Juni 1922 nahm Kandinsky auf Anfrage von Walter Gropius eine Lehrtätigkeit an der Werkstatt für Wandmalerei am Bauhaus in Weimar auf. In den folgenden Jahren bis zur Schließung des Bauhauses im Jahr 1933 setzten sich endgültig die geometrischen Strukturen in seinen Bildern durch. Kompositionen aus Punkten, Linien, Kreisen und Dreiecken dominierten seine Gemälde. Auch bekräftigte er seine Überzeugungen, dass die Architektur (und alle Künste) dazu da seien, die Personen im Einzelnen und die gesamte Gesellschaft zu verändern. Seine theoretischen Überlegungen jener Zeit brachte er in der Abhandlung “Punkt und Linie zu Fläche“ zum Ausdruck, die 1926 in der Reihe der Bauhaus-Schriften erschien. (3)

Die letzten Jahre

Nach der Schließung des Bauhauses und der Verfolgung durch die Nazis, ging das Ehepaar Kandinsky nach Frankreich ins Exil und ließ sich in Neuilly-sur-Seine nieder, einem westlichen Vorort von Paris.

ky06Die begrenzten Möglichkeiten vor und während des Krieges brachten Kandinsky dazu, mit neuen Materialien wie Sand und Pigmenten zu experimentieren. Die Faszination der Naturwissenschaften floss ebenfalls in seine Arbeiten ein. Seine bisher geometrischen Formen verwandelten sich in komplexe biomorphe Figuren, die an mikroskopisch beobachtete Mikroorganismen erinnerten. Auch mit dem Surrealismus von Jean Arp und Joan Miró begann er zu sympathisieren, auch wenn er sich der Bewegung nicht anschloss. Nach der nazideutschen Besetzung von Paris 1940 musste er sich auf kleinformatige Gemälde umstellen, arbeitete jedoch kontinuierlich weiter bis kurz vor seinem Tod im Dezember 1944.

Die im Guggenheim-Museum in Bilbao ausgestellte Retrospektive zeichnet die künstlerische Entwicklung von Wassily Kandinsky in allen seinen Schaffensphasen nach und vermittelt einen Überblick über das Gesamtwerk des Künstlers, da Solomon R. Guggenheim Werke Kandinskys aus einer Zeitspanne von vierzig Jahren erwarb, von 1900 bis 1944.

ANMERKUNGEN:

(1) Solomon R. Guggenheim Museum (LINK)

(2) Artikel (LINK)

(3) Wassily Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche. Beitrag zur Analyse der malerischen Elemente. Bauhausbücher Nr. 9, München 1926 (online). 8. Auflage, Benteli, Bern 2002, ISBN 3-7165-0182-4

ABBILDUNGEN:

(1) Kandinsky

(2) Kandinsky (sooluciona.com)

(3) Kandinsky

(4) Kandinsky

(5) Kandinsky

(6) Kandinsky

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-10-27)

 

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