Zu wenig für ein würdiges Leben
Die Koalitions-Regierung von PSOE und Podemos im spanischen Staat hat die Einführung eines existenz-sichernden Mindest-Einkommens beschlossen. Mit dieser Maßnahme soll die Armut im Staat bekämpft werden, die auch in reichen Regionen wie dem Baskenland an die 30% der Gesamt-Bevölkerung reicht. Weil es im Baskenland ein beispiellos ausgeprägtes Sozialhilfe-Netz gibt, geht die Verwaltungs-Kompetenz für die neue Hilfszahlung an die baskische Regierung. Pro Person stehen maximal 462 Euro zur Verfügung.
Ende Juni haben die ersten Auszahlungen des von der spanischen Zentralregierung beschlossenen Mindest-Einkommens IMV zur Bekämpfung der im Staat weit verbreiteten Armut begonnen. Der Betrag liegt zwischen 462 Euro für eine Einzelperson und einem Maximum von 1.015 Euro pro Familieneinheit.
Das Grundeinkommen zur Existenzsicherung, genaue Bezeichnung: “Ingreso Mínimo Vital“ (IMV, Lebensnotwendiges Mindest-Einkommen), ist eine von der spanischen Regierung finanzierte Zahlung, die an Haushalte gehen soll, die in extremer Armut leben. Diese Basis-Zahlung hat einerseits die unmittelbare Existenz-Sicherung zum Ziel, daneben soll durch sie zur Steigerung der Kaufkraft der ärmsten Bevölkerungsschichten beitragen und somit die Binnenkonjunktur stärken, um auf diesem Weg die IMV-Kosten indirekt zu refinanzieren. Ende Mai 2020 und mitten im Coronavirus -Lockdown wurde diese Maßnahme auf Betreiben des Koalitionspartners Podemos vom Ministerrat bewilligt. Die Verwaltung dieses Mindest-Einkommens wird (mit baskischer Ausnahme) von der staatlichen Sozialversicherung “Seguridad Social“ übernommen, eine Institution, die alle Leistungen der öffentlichen Kranken-, Pflege- und Renten-Versicherung vereint.
Beispiele Brasilien, Finnland
Ähnliche Maßnahmen der Grundsicherung wurden in verschiedenen Ländern bereits erprobt und teilweise wieder gestoppt. In Brasilien wurden unter Präsident Lula erste Schritte für ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeleitet, das zunächst den Ärmsten zugute kam und später auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden sollte. Dieser zweite Schritt wurde jedoch nicht umgesetzt.
Das bekannteste Beispiel Europas ist Finnland. Im Juni 2015 wurde im Koalitionsvertrag der finnischen Regierungs-Parteien festgelegt, als erstes europäisches Land ein (teilweise bedingtes) Grundeinkommen zu testen. Zwei Drittel der Finnen befürworteten das in einer Umfrage der finnischen Sozialversicherung Kela vom selben Jahr.
Unter Leitung von Kela wurde eine Feldstudie entworfen. Es sollten zunächst verschiedene Modelle untersucht werden: ein tatsächlich bedingungsloses Grundeinkommen, eine bedingungslose Grundsicherung von mindestens 550 Euro unter Beibehaltung zusätzlicher Leistungen wie Wohngeld und eine negative Einkommensteuer. Die Aufwendungen wurden mit 20 Millionen Euro für zwei Jahre veranschlagt. Die im Frühjahr 2020 erfolgte Bilanz war jedoch nicht eindeutig, so werden im Moment statt eines Grundeinkommens Pauschalbeträge für einzelne Empfänger-Gruppen erwogen (1).
Hintergrund: Strukturelle Armut
Im spanischen Staat sind laut Erhebung des Nationalen Statistik-Instituts INE (Instituto Nacional de Estadística) 26,1% der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dabei ist die Situation der Kinder besonders dramatisch: etwa 2,2 Millionen aller Kinder (28,3%) sind von extremer Armut bedroht. Laut Erhebung zur Lage des Arbeitsmarktes im letzten Quartal 2019 gibt es im spanischen Staat 1,1 Millionen Haushalte, in denen alle Mitglieder arbeitslos sind und fast 600.000, die überhaupt kein Einkommen haben. (2)
Die offizielle Arbeitslosenquote lag vor Covid-19 bei 14%. Diese Situation hat sich durch die Covid-Pandemie erheblich verschärft. Obwohl das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) des spanischen Staates seit 2015 kontinuierlich wächst, kommt der erwirtschaftete Reichtum nur einem geringen Teil der Bevölkerung zugute. Die Krise, die die spanische Gesellschaft durchlebt, ist eine dauerhafte oder strukturelle Krise und Folge eines neuen Wirtschaftsmodells, das in der neoliberalen und arbeitnehmerfeindlichen Arbeitsreform der Regierung Rajoy ihren hauptsächlichen Ausdruck fand.
Die prekären Arbeitsverhältnisse, die Risiken der Ausgrenzung, die zunehmenden Ungleichheiten und die geringen Möglichkeiten sozialer Mobilität sind einige der Merkmale dieses neuen Systems. Zur erwerbstätigen Bevölkerung im Staat zählen 23 Millionen Personen, doch zahlten im 4. Trimester 2019 lediglich 19,5 Millionen in die Sozialversicherung ein (2). Der Rest überlebt mehr schlecht als recht in informellen Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft.
Koalitionsvertrag und Coronakrise
Die Debatte über die Einführung eines Grundeinkommens im spanischen Staat geht nicht auf die Pandemie-Krise zurück, sie wurde dadurch allenfalls beschleunigt. Bei den Wahlen zum spanischen Parlament im November 2019 war die Umsetzung eines existenz-sichernden Grundeinkommens eines der zentralen Wahlversprechen der Linkspartei Podemos mit Pablo Iglesias an der Spitze. Nach der Wahl des Sozialdemokraten Pedro Sánchez zum neuen Regierungschef wurde zwischen PSOE und Podemos ein Koalitionsvertrag ausgehandelt, der die Einführung einer Grundsicherung vorsieht.
Die Umsetzung dieses Projekts erhielt durch die wirtschaftliche Krise, ausgelöst durch die aktuelle Pandemie, eine weit höhere Dringlichkeit. Wirtschafts-Expert*innen befürchten einen Einbruch der Wirtschaft um bis zu 14%. Die Arbeitslosenquote könnte auf 21% klettern. Mit einem BIP-Anteil von 15% ist die Tourismus-Industrie des Landes zusammengebrochen. Viele Arbeitsplätze sind Kurzzeit-Arbeitsplätze, befristet auf Stunden oder Tage. Wer zu Zeiten des Krisenausbruchs keinen Arbeitsplatz hatte oder nur eine Arbeit ohne Sozialversicherung hatte, hatte im Alarm-Zustand keinen Anspruch auf die schnell eingeführten staatlichen Hilfen für abhängig Arbeitende, Selbständige oder Kleinunternehmen.
Zugangsvoraussetzungen
Der Minister für Eingliederung, soziale Sicherheit und Migration, José Luis Escrivá, hat mehrfach deutlich gemacht, dass es sich nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt, sondern dass das Konzept dieser Hilfe darauf abzielt, nur die wirklich armuts-gefährdeten Haushalte zu erreichen. Kriterien für den Bezug der IMV-Hilfe sind unter anderem das Jahreseinkommen 2019, das derzeitige monatliche Einkommen sowie vorhandenes Immobilien-Vermögen oder Geldanlagen.
Antragsteller*innen dürfen zwischen 23 und 65 Jahre alt sein, müssen seit mindestens einem Jahr einen festen Wohnsitz im spanischen Staat nachweisen und dürfen im Besitz einer Eigentumswohnung sein, in der sie selbst leben. Wer im Besitz einer Zweitwohnung ist, ist von der Hilfe ausgeschlossen. Außerdem wurde beschlossen, dass der Erhalt dieser Hilfe nicht an aktive Arbeitssuche geknüpft wird. Genauere Regelungen hängen von der Arbeitsmarkt-Politik der jeweiligen autonomen Region ab.
Regionale Unterschiede
Der spanische Staat besteht aus 17 autonomen Gemeinschaften (wie die Autonome Region Baskenland oder die Forale Region Navarra), die sehr unterschiedliche Konzepte von Sozialhilfe haben. Was die Antrags-Voraussetzungen und die Höhe der Stütze betrifft, gibt es zwischen den Regionen ein riesiges Ungleichgewicht, in einigen Regionen existiert die Sozialhilfe überhaupt nicht. Die knapp bemessenen Unterstützungsgelder etlicher Regional-Regierungen konnten die extreme Armut vieler Familien nicht lindern, sodass diese auf familiäre Unterstützung oder auf Hilfe karitativer Organisationen angewiesen waren und sind. Die Einführung eines staatlich geregelten Mindest-Einkommens soll nun schätzungsweise 850.000 Haushalten, den am meisten gefährdeten, eine finanzielle Absicherung verschaffen. Die Rede ist von einem Gesamtvolumen von 3 Milliarden Euro pro Jahr, die aus dem allgemeinen Staatshaushalt kommen sollen.
Die Situation in Euskadi
In der Autonomen Region Baskenland (CAV, Euskadi) gibt es eine gesetzlich geregelte Sozialhilfe mit der Bezeichnung RGI (Renta de Garantía de Ingresos, deutsch: Einkommens-Garantie). Das Maximum dieser Hilfe liegt bei 690 Euro für eine Einzelperson und ist entsprechend höher für Haushalte mit zwei oder mehr Personen. Zusätzlich zu dieser Summe kann ein Mietzuschuss in Höhe von maximal 250 Euro beantragt werden. Da sich das gerade beschlossene staatliche Mindest-Einkommen IMV an alle Personen richtet, die die Voraussetzungen auf spanischem Territorium erfüllen, wird die RGI-Sozialhilfe der baskischen Regierung künftig als Ergänzung betrachtet.
Dass die baskische RGI höher angesetzt ist als die staatliche IMV-Hilfe hat zur Folge, dass die baskische Regierung zukünftig lediglich die Differenz zwischen den staatlichen Beträgen der IMV und den im Baskenland festgelegten Beträgen der RGI finanzieren muss. Das bedeutet spürbare Einsparungen für die baskischen Kassen. Von den 690 Euro an RGI, die die baskische Verwaltung bisher an Bedürftige bezahlte, übernimmt nun die spanische Regierung 462 Euro. Zusammen mit dem zusätzlichen Mietzuschuss hat die Regionalregierung im Jahr 2019 insgesamt 434 Millionen Euro für rund 53.000 Empfänger*innen für diesen Haushalts-Posten bereitgestellt. (3) Diese Ausgabe wird mit der spanischen IMV deutlich sinken.
Als Folge der Covid-19-Krise muss allerdings damit gerechnet werden, dass beide Zahlen in die Höhe schießen werden. Über den vertraglich festgelegten Finanzausgleich zwischen Madrid und der baskischen Regierung muss letztere ebenfalls einen Anteil (von 6,24%) der IMV-Kosten übernehmen. Allerdings erst ab 2022, weil die Berechnungs-Grundlage für den “Cupo“ genannten Vertrag seit 2017 für fünf Jahre gilt.
Verwaltung in baskischer Hand
Am 27.Mai besiegelte die baskische Regierungspartei PNV eine Vereinbarung mit der Madrider Zentralregierung, die Verwaltung der IMV-Hilfe der Autonomen Region Baskenland (Euskadi) und der Regierung in Navarra zu übertragen. Für Euskadi bedeutet das, dass das baskische Arbeitsamt Lanbide die Leistung zusammen mit der RGI abwickeln kann. Dabei hat die baskische RGI-Sozialhilfe, die der Zentralregierung bei der Konzeption der neuen IMV-Hilfe als Referenz diente, ergänzenden Charakter. Mit der Verlagerung der Ausgabe-Kompetenz in die regionale Peripherie steht den potentiellen Empfänger*innen eine “zentrale Anlaufstelle“ zur Verfügung, was die bürokratischen Abläufe weitestgehend vereinfacht.
Die im Baskenland regierende PNV machte deutlich, dass die Leistungen sich in keinem Fall verdoppeln werden. Diejenigen, die die Voraussetzungen für den Bezug der IMV-Hilfe erfüllen, erhalten diese. Ergänzt wird sie bis zum Maximum der baskischen RGI-Sozialhilfe. Die PNV versicherte, dass der derzeitige RGI-Betrag in keinem Fall reduziert werde. (4)
Auf die Frage, ob dieser Transfer die Tür für eine zukünftige Übertragung der Verwaltung der Sozialversicherung von Madrid in die baskische Hauptstadt öffnet, wie es die christdemokratische PNV seit Jahren fordert, wies der Parteivorsitzende darauf hin, dass die Verwaltung der IMV ein bedeutender Schritt in dieser Richtung sei. Das Abkommen deute in diese Richtung und könne sich in Zukunft auch auf die Verwaltung der Renten ausdehnen. Er erinnerte daran, dass ein ähnlicher Schritt vor Jahren dazu geführt hat, dass die Zuschläge zu den beitrags-unabhängigen Rentenzahlungen auf die baskische Verwaltung übertragen wurde. (4)
Funktion der Autonomie-Statute
Das Baskenland und Katalonien, als historische Nationen mit eigener Geschichte, Kultur und Sprache, haben innerhalb der spanischen Verfassung einen Sonderstatus, der in den sogenannten Autonomie-Statuten seinen Ausdruck findet. Diese Statute wurden in der Phase des “demokratischen Übergangs“ (Transition) nach dem Franquismus zwischen der Zentralregierung und den Regionen ausgehandelt. Mit dem Ergebnis, dass das baskische Statut im Vergleich zum katalanischen Statut große Unterschiede aufweist.
Zum Beispiel hat Katalonien die Kompetenz über die Gefängnisse, das Baskenland nicht. Dafür hat das Baskenland in seinem Statut einen Finanzausgleich mit dem Staat ausgehandelt, der einerseits den Transfer von Steuern regelt und andererseits sicherstellt, dass ein Teil dieser staatlichen Steuereinnahmen als Investitionen in die Region zurückfließt. Finanziell stellt dies für das wirtschaftsstarke Baskenland einen gewissen Vorteil dar, den Katalonien heute ebenfalls gerne hätte, vor 40 Jahren aber nicht ausgehandelt hat. So subventioniert das ebenfalls wirtschaftsstarke Katalonien die spanischen Schwachstellen, ohne finanziellen Rücklauf. (5)
Kritik und Unzulänglichkeiten
Die Argumente der Rechten, Kapitalisten und Neoliberalen gegen das Konzept des Grundeinkommens sind hinreichend bekannt: “Garantiertes Grundeinkommen fördert soziale Ungerechtigkeit, der Anreiz zur Arbeit geht verloren, es bedeutet die Abschaffung des bisherigen Sozialsystems und ist ein antikapitalistisches Prinzip“. Doch sind auch Stimmen von der linken Seite zu hören, die das Modell wegen seiner Zugangsbedingungen kritisieren. Tatsache ist, dass es sich ganz ausdrücklich nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt (6). Hier einige der zentralen Kritikpunkte:
1. Ausschluss von Personen ohne Papiere.
Die Bedingung, mindestens ein Jahr lang mit offiziellem Wohnsitz im spanischen Staat angemeldet zu sein, schließt viele Personen, die in prekären Situationen leben, vom Zugang zur IMV-Hilfe aus. Dazu gehören unter anderem Frauen, die als Pflegekräfte in Haushalten gearbeitet haben und seit der Pandemie mittellos auf der Straße stehen. Viele dieser vorwiegend aus Lateinamerika stammenden Frauen haben pflegebedürftige Personen betreut, ohne sozialversichert zu sein und zum großen Teil ohne eigenen Wohnsitz, da sie in den Wohnungen der Arbeitgeber*innen untergebracht waren: eine Art Kost- und Logis-Konzept. Ein weiteres Beispiel sind die vielen Straßenverkäufer – fast ausschließlich Männer – aus verschiedenen afrikanischen Ländern, die von den Tageseinnahmen leben und keinen Spielraum für Ersparnisse haben. Diesen Personengruppen bleibt das Grundeinkommen verwehrt. Die Aussage, dass niemand auf der Strecke bleiben soll, schließt auf rassistische Weise einen Großteil der Migrant*innen aus.
2. Die Altersgruppe
Personen im Alter von 23 bis 65 Jahren können die IMV-Hilfe beantragen, es sei denn, sie haben unterhaltsberechtigte Kinder. Das Problem ist, dass Jugendliche unter 25 Jahren von einer Arbeitslosigkeit in Höhe von 33,1% betroffen sind, in manchen Regionen geht diese Zahl bis 50%. Darüber hinaus gilt als weitere Voraussetzung, drei Jahre lang unabhängig gelebt zu haben, also außerhalb des Elternhauses. Wenn man davon ausgeht, dass junge Menschen im spanischen Staat im Durchschnitt erst im Alter von 29 Jahren von zuhause ausziehen, bedeutet das, dass sie sich erst mit 32 Jahren um die IMV bewerben können. Und dazu müssen sie auch die folgende Bedingung erfüllen …
3. Zwölf Monate sozialversichert
Eine Person gilt als selbständig lebend, wenn sie innerhalb der letzten drei Jahre mindestens zwölf Monate lang sozialversichert gearbeitet hat. Dabei ist irrelevant, ob ununterbrochen oder nicht. Nachgewiesen werden muss, dass die Postanschrift während der letzten drei Jahre vor Antragstellung unabhängig war von der Anschrift der Eltern, Pflegeeltern oder eines Vormunds.
Zum Verständnis: im spanischen Staat ist die weitaus größte Anzahl abgeschlossener Arbeitsverträge befristet (mehr als 90%), viele sind auf die Sommermonate reduziert oder werden als Praktikum deklariert, sie laufen also außerhalb der Sozialversicherung. Somit ist es gar nicht einfach, in drei Jahren auf 12 Monate Sozialversicherung zu kommen.
4. Der Zahlungs-Betrag an sich
Von einem Existenzminimum zu sprechen, bedeutet, dass das monatliche Einkommen zum Leben reicht. Von 460 Euro kann jedoch keine Person leben, die Miete, Nebenkosten und die üblichen Grundkosten der Lebenshaltung bezahlen muss.
5. Wohngemeinschaft oder Familie
Eine Eigentumswohnung zu haben – ob abbezahlt oder in Ratenzahlung – gilt im spanischen Staat als Lebensgrundlage. Ungefähr 90% der Bevölkerung lebt in einer Eigentumswohnung. Zur Miete zu wohnen, gilt für viele nach wie vor als vorübergehende Notlösung auf dem Weg zur Selbständigkeit. Zur Miete wohnen vorwiegend Student*innen und Migrantinnen und da die Mieten sehr hoch sind, werden Wohnungen geteilt. Dies wiederum erschwert die Antragstellung, weil alle in einer Wohnung zusammen Lebenden als familiäre Einheit betrachtet werden und somit die Einkünfte aller in der Wohnung gemeldeten Personen vorgelegt werden müssen.
6. Eigentum und Besitzverhältnisse
In Verbindung zu Punkt 5: Über eine Wohnung im Eigenbesitz zu verfügen, wird bei der Vergabe der IMV nicht abgefragt bzw. nicht angerechnet. Wer keine Wohnung besitzt und monatlich 600 bis 800 Euro Miete bezahlt (vorwiegend junge Leute und Migrant*innen) und für unerwartete Härtefälle oder die eigene Rente mehr als das 3-fache der Jahres-IMV auf dem Konto angespart hat (16.560 Euro), hat keinen Anspruch auf das Grundeinkommen. (460 mal zwölf macht 5.520 €, mal drei macht 16.560 Euro).
ANMERKUNGEN:
(1) Wikipedia: Bedingungsloses Grundeinkommen (LINK)
(2) INE: Instituto Nacional de Estadística – Nationale Statistik-Behörde (LINK)
(3) Die Zahlen stammen aus dem Artikel vom 13. Mai 2020: “La RGI será complementaria a la renta mínima que aprobará el Gobierno central” (Die RGI bleibt zur von der Zentralregierung beschlossenen IMV komplementär) (LINK)
(4) Zitate aus dem Artikel “Euskadi gestionará la renta mínima a través de Lanbide“ vom 28. Mai 2020 (Euskadi verwaltet die Minimalrente, die von der Zentralregierung beschlossen wird) (LINK)
(5) Im Jahr 1979 wurden diese Autonomie-Statute im spanischen Parlament ratifiziert und in den Regionen per Referendum abgestimmt. Diese damals geschlossenen Verträge beinhalten – auch mehr als vierzig Jahre danach – ein großes Manko: Im Fall des Baskenlandes wurden 33 damals festgeschriebene Kompetenzen bis heute nicht an die baskische Seite übertragen. Ohne Angabe von Gründen – aus baskischer und objektiver Sicht ist dies eindeutig ein Vertragsbruch, der ein Licht wirft auf das demokratische Verständnis der aufeinanderfolgenden spanischen Regierung seit Franco.
(6) Zusammenfassung aus dem Artikel “Ingreso mínimo vital. No sé cómo poner un título formal” (Notwendiges Minimal-Einkommen. Wie sollen wir das nennen?” (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Logo Mindesteinkommen
(2) Armenküche (rtve)
(3) Die Regierung (elperiodico)
(4) Arme Leute (elconfidencial)
(5) Reichtumsverteilung (blog salmon)
(6) Beratung für Migrantinnen (paraimigrantes)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-06-30)