alos1Ohne Perspektive nach der Pandemie

Langzeit-Arbeitslosigkeit “nach“ der Pandemie ist in vielen Fällen chronisch geworden und betrifft im spanischen Staat mehr als 1,5 Millionen Menschen. Hier sind mehr Menschen länger als zwei Jahre arbeitslos als in 17 anderen EU-Ländern zusammen. Die Zahl macht 30% der Gesamt-Arbeitslosigkeit in Europa aus. Ein Drittel. Das Panorama in der Region Baskenland ist ebenfalls nicht hoffnungsvoller. Obwohl die Quote insgesamt relativ niedrig liegt, schlägt Euskadi bei den Langzeit-Fällen alle Rekorde.

Die Arbeitslosigkeit nach der Pandemie ist nicht so hoch wie zu befürchten war. Viele finden wieder eine Beschäftigung, wenn auch in vielen Fällen schlecht bezahlt. Die Situation von Langzeit-Arbeitslosen hingegen wird immer hoffnungsloser.

Der Arbeitsmarkt im spanischen Staat hat im letzten Quartal drei historische Meilensteine erreicht. Der erste wurde Ende April erreicht, als die Sozialversicherung die Zahl von 20 Millionen Beitragszahler*innen überschritt. Im Mai sank die Zahl der Arbeitslosen nach dreizehn Jahren zum ersten Mal wieder unter die 3-Millionen-Grenze. Und Juni war der Monat mit der höchsten Zahl an unbefristeten Arbeits-Verträgen aller Zeiten: fast 800.000. Was statistisch aussagt, dass praktisch 80% der Arbeitnehmer*innen einen festen Arbeitsplatz haben. Prekarität der Arbeitsbedingungen und Bezahlung stehen auf einem anderen Blatt. (1)

Das alles vor dem Hintergrund einer Krise, die durch eine latente Wirtschaftskrise und die wahnsinnige Erhöhung der Strompreise durch spanische Energiekartelle verursacht und durch den Krieg in der Ukraine und die hohe Inflation verschärft wurde. Aus diesem Grund wird (mit einer gewissen Überraschung) von der Belastbarkeit der Beschäftigung gesprochen, eine ungewöhnliche Tatsache, wenn man bedenkt, dass bisher jedes Auf und Ab in der Wirtschaft schnelle Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hatte.

Im Kontrast dazu eine Erscheinung, die in den letzten zwei Jahren keine Verbesserung erfahren hat, im Gegenteil. Denn parallel zum Rückgang der Arbeitslosigkeit nimmt die Langzeit-Arbeitslosigkeit zu. Gemeint ist damit jene Arbeitslosigkeit, die länger als ein Jahr andauert. In verschärfter Form eine Arbeitslosigkeit, bei der die Arbeitssuche länger als vier Jahre ununterbrochen erfolglos bleibt. Das Phänomen zeigt Ausmaße, dass festgestellt werden kann, dass es im Zuge der Pandemie chronischen Charakter angenommen hat.

alos23,1 Millionen arbeitslos

Derzeit gibt es im Staat mehr als 3,1 Millionen Menschen, die gerne arbeiten würden, aber keine Beschäftigung finden. 1,5 Millionen von ihnen sind laut einer “Erhebung über die beschäftigte Bevölkerung“ seit mehr als einem Jahr arbeitslos (diese Zahl liegt höher als die vom Ministerium angegebene, da nicht alle Arbeitslosen registriert sind). Das sind fast 130.000 Arbeitslose mehr als vor Ausbruch der Pandemie und bedeutet, dass praktisch die Hälfte der Arbeitslosen auch Langzeit-Arbeitslose sind (47,4%).

Nicht nur das: im spanischen Staat gibt es seit 13 Jahren mehr als eine Million Langzeit-Arbeitslose, sozusagen die Achillesferse des Arbeitsmarktes. Es handelt sich um eine sogenannte strukturelle Arbeitslosigkeit, die sich verfestigt hat, obwohl in diesem Zeitraum im Wesentlichen zwei große Wellen der Schaffung von Arbeitsplätzen zu verzeichnen waren. Im Zeitraum 2014 bis 2019 nach der Finanzkrise und im Zeitraum 2021 und 2022 zum Ende der Pandemie. Der großen Gruppe der Langzeit-Arbeitslosen ist es auch in diesen Einstellungs-Wellen nicht gelungen, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

"Die Reform der Arbeitsreform (der aktuellen sozialliberalen Regierung) hat sich auf die Begrenzung (Bekämpfung) der zeitlich befristeten Arbeit konzentriert, auf Kurzarbeit-Programme und den Insider-Arbeitsmarkt. Gemeint sind damit jene Personen, die kurzfristig arbeitslos sind, jedoch wieder vermittelt werden können. Ignoriert werden jedoch die sogenannten Outsider-Arbeitslosen, die über längere Zeit nicht Vermittelbaren, also die Langzeit-Arbeitslosen“, bedauert Alejandro Constanzo, Leiter des technischen Büros von Asempleo, dem Arbeitgeber-Verband für Zeitarbeit.

Die Zeit läuft davon

Je länger eine Person arbeitslos bleibt, desto schwieriger wird es für sie, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Pandemie bedeutete ein zusätzliches Jahr der Lähmung, von dem sich viele nur schwer erholen können. So war die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitslose eine Arbeit finden, die weniger als ein Jahr lang arbeitslos war, fast dreimal so hoch wie bei Arbeitslosen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, so Asempleo.

Aber die lange Dauer der Arbeitslosigkeit wirkt sich zudem negativ auf die soziale Absicherung aus: das Arbeitslosengeld läuft nach spätestens zwei Jahren aus, alternative Absicherungen sind prekär, problematisch, unzureichend, falls überhaupt vorhanden. Arbeitslosengeld ist das beste Szenario für den Fall der Fälle. Nach den Daten der Gewerkschaft CCOO von Ende 2021 erhalten 35% der Arbeitslosen, also mehr als eine Million, keine finanzielle Unterstützung mehr, weil ihr Leistungsanspruch ausgeschöpft wurde oder sie nicht genügend Beiträge einbezahlt haben.

alos3Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, dass fast eine Million Menschen bereits seit zwei Jahren auf der unmöglichen Suche nach einem Job sind, 57.000 mehr als im Jahr 2020. Und für 628.000, also für jede fünfte arbeitslose Personen, beträgt die Suchzeit sogar mehr als vier Jahre. Diese Gruppe, die zum ersten Mal seit 2014 drei aufeinanderfolgende Quartale mit Anstiegen erlebt hat, besteht laut Adecco hauptsächlich aus älteren Arbeitnehmer*innen und Personen mit geringer Qualifikation, unabhängig von ihrem Alter.

Negativrekord in Europa

Damit bleibt Spanien nicht nur das Land mit der höchsten Arbeitslosen-Quote in Europa – doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt – sondern auch eines der führenden Länder in Bezug auf die Langzeit-Arbeitslosigkeit. 30% aller Arbeitslosen in Europa, die seit mehr als zwei Jahren auf Arbeitssuche sind, leben hier. Allein in Spanien gibt es so viele Langzeitarbeitslose wie in Schweden, Dänemark, Finnland, Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, den Niederlanden, Österreich, Rumänien, Portugal, Belgien, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Zypern, Lettland und Litauen zusammen. So viele wie in 17 Ländern zusammen.

Das Profil der seit mehr als vier Jahren Arbeitslosen ist weiblich, älter und mit geringer Bildung. Zwei von drei Langzeit-Arbeitslosen sind Frauen, mehr als 400.000 von ihnen sind über 50 Jahre alt. Es überrascht nicht: mit dem Alter reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, wieder einen Job zu finden, somit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, länger als 12 Monate beschäftigungslos zu bleiben. Gleiches gilt für die Bildung. Liegt die Arbeitslosen-Quote derzeit bei 13,6%, so verdoppelt sie sich bei Personen mit wenig Bildung auf mehr als 26%. Die Quote bei Personen mit Universitäts-Ausbildung hingegen reduziert sich auf die Hälfte, nur 7,7% finden keine Arbeit.

Am schlimmsten im Baskenland

Euskadi ist die Region mit dem höchsten Prozentsatz an Arbeitslosen, die seit mehr als vier Jahren arbeitslos sind: 22,2% nach Daten aus dem dritten Quartal des vergangenen Jahres, so Asempleo. Es folgt die Region Murcia. Bei der Langzeit-Arbeitslosigkeit (mehr als ein Jahr) liegt die Region mit 57,9% der Arbeitslosen ebenfalls an erster Stelle, verglichen mit einem nationalen Durchschnitt von 47,4%. Und das, obwohl die Arbeitslosigkeit insgesamt in Euskadi deutlich unter der Quote anderer Regionen liegt. Die Situation ist nicht neu, und Experten prangern schon seit Jahren die Chronifizierung dieser Situation in bestimmten Bevölkerungs-Gruppen an.

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus: “El paro de larga duración se cronifica tras el covid y afecta a más de 1,5 millones” (Die Langzeitarbeitslosigkeit wird nach dem Covid chronisch und betrifft mehr als 1,5 Millionen), El Correo, 2022-07-10 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Arbeitsamt (Collage)

(2) Arbeitslos (credy)

(3) Statistik (elcorreo)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-07-11)

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