kolu39x00Ein Winter ohne Covid

Der Begriff Coronavirus ist fast vergessen, es wird wieder gefeiert wie gewohnt. Auch wird gestreikt, denn die Bevölkerung und die Lohnabhängigen haben alle Gründe dafür. Mit Inflation und Preissteigerungen haben alle weniger im Geldbeutel. Nur die Multis verzeichnen Milliarden-Gewinne. Überall wird gespart, nur nicht bei der Weihnachtslotterie: die letzte Hoffnung die Krise zu überleben. Gestreikt wird in den Bereichen Schule, Metall, Feuerwehr, Altenheime, Gesundheit. Ein heißer Winter steht bevor.

Im Baskenland versteht niemand so richtig, weshalb die Chinesen die Covid-Zoonose noch immer nicht bewältigt haben. Dort Ausgehverbot, hier wird gefeiert und gestreikt, als müssten Feste und Gewerkschaften neu erfunden werden.

(2023-01-31)

TOURISTEN STATT OBDACHLOSE

Die Nachricht, dass die Obdachlosen-Herberge “La Sirena“ in Donostia wegen einer Reservierung einer Touristen-Gruppe für drei kalte Nächte geschlossen wurde, so dass hundert Sin-Techo ohne Unterkunft blieben, hat Unverständnis und Empörung ausgelöst. Der das völlig "normal" findet, ist der Bürgermeister Eneko Goia. "Die derzeitige Situation ist normal, das kommt in der Herberge La Sirena das ganze Jahr über vor". Mit diesen Worten beantwortete der Bürgermeister auf seiner wöchentlichen Pressekonferenz eine Frage zum Thema, das in den letzten Tagen in der Stadt für Aufregung gesorgt hat.

kolu39y31Der erste Alarm wurde am Donnerstag ausgelöst, als die Initiative Harrera Sarea (Empfangs-Netz) bekannt gab, dass die Einrichtung am Hang des Stadtteils Igeldo als Winterquartier für Obdachlose geschlossen worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt waren dort etwa hundert Personen untergebracht. Das Ganze ausgerechnet im kältesten Moment des Winters, bei sehr niedrigen Temperaturen in den frühen Morgenstunden. "Wo ist die Logik, wenn man so leichtfertig mit der Gesundheit der Menschen spielt?", fragten die Aktivist*innen von Harrera Sarea.

Wenig später bestätigte die Stadtverwaltung die Schließung, bestätigt wurde, dass das Gebäude als "Ort bei extremer Kälte" genutzt wird, fügte jedoch hinzu, dass Donostia in anderen Einrichtungen in der Stadt mehr als 300 Personen unterbringt und Hilfe bei der Anmietung von Zimmern anbietet. Was er nicht sagte, dass den Obdachlosen das Haus vorenthalten wurde, weil in La Sirena von Donnerstag bis Samstag eine Touristen-Gruppe gebucht hatte, eine Wandergruppe aus dem französischen Staat. SOS Racismo berichtete und bezeichnete den Vorfall als "Skandal".

SOS Racismo wies darauf hin, dass die Temperaturen in den Nächten des Ausschlusses bis auf 2 Grad Celsius sank und fragte, nach welchen Kriterien das Rathaus "extreme Kälte" definiert. Tatsächlich wurde die Herberge nach dem Ende der Touristen-Reserve am Sonntagabend für Obdachlose wieder geöffnet. Ein freies Radio interviewte unter anderem Omar (29), einen der Ausgeschlossenen, der darauf bestand, dass "das Haus jede Nacht geöffnet ist. Viele Migranten kommen mit Kindern und ihren Familien hierher. In der Unterkunft gibt es Duschen, Essen und Sicherheit".

In der Tat regelmäßig

Skandalös ist nicht allein die Schließung an einem kalten Winterwochenende, sondern die vom Bürgermeister als “normal“ bezeichnete Praxis, touristische Nutzung vor Menschenrechte zu stellen. Denn die Situation, die jetzt in den Vordergrund der Medien gerückt ist, wird von Harrera Sarea und SOS Racismo schon seit einiger Zeit angeprangert.

Vor einem Jahr zum Beispiel musste das Netz am 23. Januar aktiv werden, um angesichts der vorhergesagten niedrigen Temperaturen die Öffnung von La Sirena zu fordern. "Wer kann sagen, ohne rot zu werden, dass es heute Abend nicht kalt genug ist, um denen, die kein Dach haben, ein Dach zu bieten? Es ist absolut zynisch: eine solche Aussage kommt von denen, die ein Dach und ein warmes Wohnzimmer haben".

(2023-01-30)

YOLANDA IM HERZEN VON DEUSTU RIBERA

Dutzende von Menschen nahmen am gestrigen Sonntag im Bilbo-Stadtteil Ribera de Deustu an einer Gedenkveranstaltung für Yolanda González Martín teil, 43 Jahre nachdem sie von Rechtsextremen in Madrid entführt, gefoltert und erschossen wurde. Ihr Bruder Asier bedankte sich bei der Nachbarschaft für die Unterstützung. Denn im Viertel Ribera de Deustu hatte Yolanda González gelebt, bevor sie nach Madrid ging, um zu studieren und politisch aktiv zu sein. Am 1. Februar 1980 wurde sie von einem rechtsextremen Kommando unter der Führung von Emilio Hellín Moro entführt, gefoltert und getötet.

kolu39y30An ihrem Todestag gedachten Dutzende von Anwohner*innen auf dem Platz, der seit ein paar Jahren ihren Namen trägt, der Aktivistin der Sozialistischen Arbeiterpartei (PST), begleitet vom antifaschistischen Netzwerk Sare Antifaxista sowie Vertreter*innen von politischen Parteien wie PNV, EH Bildu und Elkarrekin Podemos-IU, die in Zeiten von Vorwahlkampf keine Gelegenheit auslassen, sich öffentlich in Szene zu setzen.

Ein einfacher Akt, hausgemacht, der die Spuren zeigt, die die junge Frau trotz ihrer nur 19 Lebensjahre hinterlassen hat. Sie war bekannt für ihr Engagement. Skandalös war die Straflosigkeit, die den Fall aufgrund der Verbindung zwischen den Tätern und dem Staatsapparat umgab, ihre Familie hatte lange um Gerechtigkeit zu kämpfen. Bis heute ist es kaum zu fassen, dass es Institutionen, Polizeikräfte und politische Vertreter gibt, die den verurteilten Mörder Hellín Moro als Rechtsexperten engagieren. Bruder Asier erklärt, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um diese Straflosigkeit zu bekämpfen, und dass es einen Trost darstellt, dass sowohl in Ribera de Deustu als auch im Madrider Viertel Aluche an Yolanda erinnert wird. Dort findet am Sonntag, dem 5. Februar, eine weitere Gedenkfeier statt.

Alboka-Klänge und Musik eröffneten die schlichte Zeremonie, in der an Angst, Schmerz, Wut und Ohnmacht erinnert wurde, die die Familie empfand, als sie die Nachricht hörten. “Ich war 16 Jahre alt", sagt Izaskun Bezold, "und ich konnte es nicht glauben. Sie war meine Schulkameradin, meine Nachbarin, eine Frau, jung und baskisch wie ich". Sie hat auch nicht vergessen, wie die Familie González Martín mit der spanischen Polizei über die Beerdigung verhandeln musste, "damit es nicht zu einem Massaker kommt".

Immer präsent

"Es wird Leute geben, die sagen, dass du nicht mehr hier bist ... Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Solange wir dich in unseren Herzen tragen, werden wir dein Andenken lebendig halten und dafür kämpfen, die Welt zu einer gerechteren und gleichberechtigteren zu machen“. Diesen Worten folgte der Aurresku-Ehrentanz vor dem Wandgemälde zu ihrem Gedenken, gefolgt von einem Gedicht, ihrem Andenken gewidmet, und dem vor einigen Jahren von einem Nachbarn komponierten Lied. Das kleine Barrio Ribera de Deustu erinnert mit großem Herzen an Yolanda González Martín. (BASKULTUR)

(2023-01-29)

LUCIO URTUBIA, DER BASKISCHE ROBIN HOOD

Der Maurer, der die größte Bank der Welt fast ruiniert hätte. Ein Netflix-Film lässt die Geschichte dieses Anarchisten aus Navarra im französischen Exil wieder aufleben, der Banken ausraubte, während er noch auf dem Gerüst arbeitete. "Ich schlug zu, habe erschreckt, aber nie geschossen. Als wir die Lösung für die Fälschungen gefunden hatten, war das keine Arbeit mehr, sondern ein Vergnügen". Vor sieben Jahren erzählte Lucio Urtubia in der Sendung "Salvados" von Jordi Évole, wie er zu seiner großen Erleichterung und der seiner Kumpane einen alternativen Weg fand, um Banken auszurauben – oder, wie er lieber sagte: zu enteignen.

kolu39y29Der 1931 in Cascante (Süd-Navarra) geborene Anarchist war mehr als 20 Jahre lang der Schrecken der Finanzinstitute in Frankreich: Urtubia zwang die First National City Bank, eine der damals wichtigsten Banken der Welt (heute Citibank) mit dem Rücken zur Wand. Seine Methode bestand in der massenhaften Einlösung gefälschter Reiseschecks, die in einer Bankfiliale gekauft und dann überall in der Welt, wo das Finanzinstitut tätig war, eingelöst werden konnten. Urtubia erwarb einige dieser Schecks unter Verwendung falscher Unterlagen und kopierte sie von Hand. Die Fälschungen wurden in der ganzen Welt in Umlauf gebracht und fast gleichzeitig eingelöst. Auf diese Weise verlor er die First National City Bank rund 20 Millionen Dollar. Im Jahr 1980 wurde Lusio Urtubia verhaftet und in das Pariser Gefängnis La Santé eingeliefert. Die gefälschten Schecks waren jedoch immer noch im Umlauf und wurden in der ganzen Welt eingelöst. Um das Ausbluten zu stoppen, blieb dem Finanzinstitut nichts anderes übrig, als sich mit Urtubia außergerichtlich zu einigen und die Anklage fallen zu lassen.

Bevor er das Huhn, das goldene Eier legt, in der Geldfälschung fand, raubten Urtubia und seine anarchistischen Freunde Banken mit vorgehaltener Waffe und Maschinengewehr aus, eine Situation, die ihn ziemlich beunruhigte. "Ich vergesse nicht, dass ich mir damals, als ich 'enteignen' wollte, in die Hose gepinkelt habe", gestand er im Fernsehen. Doch Urtubia hatte nicht die Absicht, sich persönlich zu bereichern. Er teilte die Beute unter den verschiedenen Organisationen auf, mit denen er sympathisierte: Tupamaros, Montoneros und andere revolutionäre und Guerrilla-Bewegungen. Er war ein Idealist, ein Mensch mit festen Idealen und Überzeugungen", sagt Javier Ruiz Caldera, der Regisseur, der gerade "Un hombre de acción" (Ein Mann der Tat) auf die Leinwand gebracht hat – der Film ist seit dem 30. November auf Netflix zu sehen.

Der Film erzählt das bewegte Leben des Anarchisten aus Navarra, der 1954 nach Frankreich ins Exil ging, um vor einem Regime zu fliehen, das ihn wegen seiner Tätigkeit als Kleinganove und Schmuggler verfolgte. Im Nachbarland fand er Arbeit als Maurer und rühmte sich selbst, dass er keinen Tag auf dem Gerüst fehlte. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, Kontakte zu den verschiedenen Gruppen spanischer Exilanten und Anarchisten in Frankreich zu knüpfen. Als er dort ankam, registrierte er sich zuallererst bei den Juventudes Libertarias (Libertäre Jugend).

Verrückter Vorschlag an Che Guevara

Lucio hatte auch bizarre Ideen. Che Guevara schlug er vor, gefälschte Dollars massiv in die Vereinigten Staaten einzuführen, um die Wirtschaft des Landes aus dem Gleichgewicht zu bringen. Urtubia hat immer behauptet, er habe nicht gestohlen, sondern "enteignet". Und er machte sich das alte Sprichwort zunutze: "Wer einen Dieb bestiehlt, dem werden hundert Jahre verziehen". - "Es ist eine Ehre, eine Bank zu enteignen", sagte er mit einem gewissen Stolz. Wenn die meisten Menschen es nicht tun, so dachte er, dann "weil sie es nicht können und nicht wissen, wie". Sein Leben als Film war, so Ruiz Caldera, "der Kampf eines Flohs gegen Elefanten". Niedergeschrieben wurde es in zwei Erinnerungsbüchern: "La revolución por el tejado" (Revolution über das Dach) und "Mi utopía vidida" (Meine gelebte Utopie). Urtubia starb am 18. Juli 2020 im Alter von 89 Jahren in Paris.

(2023-01-28)

GELDSTRAFE FÜR AITA MARI

Die Aita Mari ist ein Schiff, auf das die baskische Gesellschaft stolz sein kann. Es handelt sich um einen ehemaligen Thunfisch-Kutter, der von der NGO “Salvamento Marítimo Humanitario“ (Humanitäre See-Notrettung) zum Rettungsschiff für das Mittelmeer umgebaut wurde. Seither schippert das Schiff von Küste zu Küste und nimmt schiffbrüchige Afrika-Migrant*innen auf, die sonst möglicherweise umkommen würden. Dass die Flüchtlinge anschließend in sichere Mittelmeer-Häfen gebracht werden, hat der Aita Mari (Vater Mari) nicht nur Beifall eingebracht. Denn die naheliegendsten Häfen liegen meist an der italienischen Küste. Wenn schon der Begriff “Festung Europa“ ausreichend über die europäische Aufnahme-Freundlichkeit aussagt, so ist die Figur des italienischen Faschisten Salvini zur Personifizierung von Xenophobie geworden. Einige Rettungsschiffe mussten schon wochenlang warten, bis sie die Erlaubnis zum Einlaufen erhielten. Nun sollen die Verantwortlichen der Aita Mari eine Geldstrafe von einer Million Euro bezahlen. Wegen angeblicher technischer Unregelmäßigkeiten.

kolu39y28Vor drei Jahren brachte die Aita Mari, nach einiger Wartezeit, gerettete afrikanische Flüchtlinge in den Hafen von Palermo – so etwas bleibt nicht ungestraft. Denn die italienischen Behörden nutzten die Anwesenheit des baskischen Schiffes zu einer Inspektion an Bord. Die Akte mit den angeblich festgestellten Unregelmäßigkeiten wurde den spanischen Behörden übermittelt, die zuständige Küstenbehörde von Valencia hat sich nun offenbar für eine exemplarische drakonische Bestrafung entschieden. Von der NGO wurde mitgeteilt, dass die meisten Mängel mit der Dokumentation zusammenhingen und nicht die Sicherheit beeinträchtigten. Das meiste wurden behoben, bevor das Schiff wieder in See stechen konnte, nachdem mehr als 55.000 Euro für die Inspektion und spezielle Hafengebühren bezahlt wurden.

Die technische Untersuchung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die italienische Regierung versuchte, alle von humanitären Organisationen gecharterten Rettungsschiffe auszuweisen, die in der Nähe ihrer Küsten unterwegs waren. Zu diesem Zweck scheute sie keine Mühen und legte der See-Notrettung alle erdenklichen Hindernisse in den Weg. Die italienischen Verantwortlichen wollten keine Zeugen an ihren Grenzen, die die Militarisierung und ihre ständigen Menschenrechts-Verletzungen anprangern. In diesem Zusammenhang muss die Entscheidung der spanischen Regierung, das Bußgeld-Verfahren fortzusetzen und in eine astronomische Geldstrafe umzuwandeln, nur als ausdrückliche Unterstützung der italienischen Behörden verstanden werden, beim Versuch der Beseitigung lästiger Zeugen an den italienischen Grenzen. Es ist offensichtlich, dass beide Regierungen (trotz unterschiedlicher politischer Ausprägung) in dieser Frage ein gemeinsames Ziel verfolgen.

Wenn die spanische und die italienische Regierung keine Rettungs-Boote an ihren Küsten haben wollen, bestünde die einfachste humanitäre Lösung darin, sichere Routen für die Migration zu garantieren. Denn die Schließung und Militarisierung der Grenzen provoziert nur Leid und Gewalt, eine Realität, die weiter für Solidarität sorgen wird. Und für Projekte wie die Aita Mari, trotz der versuchten Plünderung mit Millionen-Strafen.

(2023-01-26)

NOCH EINE GELDSTRAFE FÜR GLOVO

Wer kennt sie nicht, die gelben Radfahrer mit riesigen Kisten auf dem Buckel! Die modernen Lieferdienste (Liefermafia) sorgen weiter für konfliktiven Gesprächsstoff. Erneut 57 Millionen Euro Strafe soll der Lieferdienst Glovo wegen Unregelmäßigkeiten bei 813 Arbeitnehmer*innen berappen. Glovo hat bereits 205,3 Millionen Euro an Bußgeldern wegen 37.348 “schein-selbständigen Angestellten“ und wegen der irregulären Beschäftigung von Ausländern im spanischen Staat bezahlt. Es könnte noch mehr werden, denn weitere Fälle sind offen.

kolu39y26Die spanische Arbeitsaufsichts-Behörde hat gegen das Liefer-Unternehmen Glovo neue Sanktionen verhängt, weil es nach wie vor “Scheinselbstständige“ beschäftigt. Scheinselbständige sind Leute, die eigentlich als Kleinunternehmer angemeldet sind. Weil sie aber nur für ein einziges unternehmen arbeiten, haben sie das Recht (das Unternehmen die Pflicht) fest eingestellt zu werden. Im spanischen Staat ist dies schon lange ein Trick, um Festpersonal zu vermeiden. Das Ganze funktioniert, wenn zwischen Arbeitsphasen auch Nicht-Arbeitsphasen liegen. Bei den Riders ist das nicht der Fall, ihre Form der Beschäftigung ist eine Farce, ein Dauerbetrug gegen die (armseligen) Arbeitsschutz-Gesetze und gegen die Betroffenen.

Wie gestern von Quellen des spanischen Arbeitsministeriums bestätigt wurde, handelt es sich dabei um Maßnahmen der Inspektion für Arbeit und soziale Sicherheit (ITSS) bei Glovo Madrid, in Bilbao sind die realen Verhältnisse nicht anders. Die Sanktionen beziehen sich auf zwei Unregelmäßigkeiten: Einerseits 7.022 Nichtanmeldungen von Arbeitnehmern bei der Sozialversicherung in Höhe von 32,9 Millionen, andererseits Nachzahlungen zur Versicherung in Höhe von 19 Millionen. Dazu kommt ein Bußgeld von 5,2 Millionen für irreguläre Beschäftigung von Ausländern ohne entsprechende Arbeitserlaubnis, wovon 813 Personen betroffen sind. Insgesamt kumuliert Glovo Spanien 205,3 Millionen an Geldbußen (einschließlich Vertragsverletzungs- und Vergleichsverfahren), von denen 37.348 Arbeitnehmer betroffen sind.

Diese Sanktionen betreffen im Allgemeinen die wichtigsten Städte, in denen das Unternehmen tätig ist, weitere Verfahren sind noch offen. Hintergrund der Kontrollen ist das sogenannte Rider-Gesetz, das seit 2021 in Kraft ist und das dem Status “Scheinselbstständige" ein Ende bereiten soll, dazu gehören auch Lieferfahrer. Das Gesetz sieht vor, dass diese Leute fest eingestellt werden sollen und müssen. Weil das Unternehmen dem freiwillig nicht nachkommt, haben einige Rider geklagt und Recht bekommen.

(2023-01-25)

SKLAVENARBEIT FÜR MIGRANTEN

Wer in Donostia (San Sebastian) Urlaub macht und in der Altstadt (Alde Zaharra) ein gutes Glas Wein trinken will, muss darauf gefasst sein, an der sklavengleichen Ausbeutung von Migranten ohne Papiere beteiligt zu sein. Ohne es zu wissen, versteht sich. Das hat die Polizei in der Gipuzkoa-Hauptstadt entdeckt. Tourismus und Gastronomie funktionieren nicht nur unter schlechten Bedingungen, sondern auch unter Mafia-Konditionen. Die Anzeige eines kürzlich eingestellten Angestellten deckte Fälle von Ausbeutung in mehreren Bars von San Sebastián auf, 21 Personen in einer irregulären Situation (ohne Papiere, also besonders anfällig für Ausbeutung). Sie wurden gezwungen, 12 Stunden an 7 Tagen die Woche zu arbeiten. Ohne Vertrag.

kolu39y25Die Nachricht von der Verhaftung von drei dafür verantwortlichen Personen verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt und löste im Hotel- und Gaststätten-Gewerbe Bestürzung aus. Den Verhafteten wird zudem vorgeworfen, die Sozialversicherung um 80.000 Euro betrogen zu haben. Bei einem der Verhafteten handelt es sich um einen altgedienten Hotelier aus Donostia, der für die Bar “Esquina de Senra“ in der Calle San Jerónimo und die Bar “Senra“ in der Calle 31 de Agosto, beide in der Altstadt von Donostia, verantwortlich zeichnete. Dort fanden die “Unregelmäßigkeiten“ (so die Presse) statt.

Der bei einer Operation der Nationalpolizei in Donostia verhaftete Geschäftsmann ist im Hotel- und Gaststätten-Gewerbe dafür bekannt, dass er im Laufe seiner Laufbahn verschiedene Beschwerden eingefahren hat. Im Jahr 2006 entfernte die Stadtverwaltung Tische von seiner Terrasse, weil er wiederholt gegen Vorschriften verstoßen und sich den Regeln der Behörden widersetzt hatte.

Im selben Jahr wurde er von einem seiner Mitarbeiter verklagt, Auftakt zu einem Gerichts-Verfahren, bei dem Schulden bei der Sozialversicherung eingefordert wurden, die der Hotelier seit 2004 nicht mehr beglichen hatte. Aufgrund eines Formfehlers blieb die Beschwerde folgenlos. 2011 wurde er zu Geldstrafe verurteilt, weil er einen Beamten der Stadtverwaltung mit "Ich werde dich fertig machen" bedroht hatte.

Die Ermittlungen der Arbeitsaufsichts-Behörde und der National-Polizei ergaben, dass die Verhafteten die Opfer dazu brachten, monatliche Ausbildungsverträge zu unterzeichnen, mit dem Versprechen, ihre Situation zu legalisieren. Versprochen wurde, sie bei der Sozialversicherung zu registrieren, obwohl sie dann in Erwartung einer Arbeitsinspektion anderen Bereichen zugeteilt wurden. Ohne Legalisierung.

Nur ein legaler Mitarbeiter

Die Ermittlungen begannen im November 2022, als die Arbeits- und Sozialversicherungs-Inspektion der Provinz der “Ausländer-Polizei“ von San Sebastián die Beschwerde eines Bürgers zur Kenntnis brachte, der darauf hinwies, dass in den beiden genannten Restaurants, beide vom selben Unternehmer betrieben, ausländische Staatsangehörige in irregulärer Situation und unter rechtswidrigen Arbeitsbedingungen arbeiten. Entsprechende Kontrolle in den Betrieben ergaben zwölf irreguläre Arbeitnehmer ohne Arbeitsvertrag in einer Gaststätte und neun weitere Arbeitnehmer in der zweiten. Nur eine Person hatte eine Arbeitserlaubnis und in ein reguläres Arbeitsverhältnis. Die Nationalpolizei schätzt den Betrag der hinterzogenen Sozialversicherungs-Beiträge auf 80.000 Euro.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass ein einziger Unternehmer für die beiden Restaurants verantwortlich ist und dass der Kontenführer genau wusste, was vor sich ging. Beim dritten Verhafteten, hispanoamerikanischer Herkunft, handelt es sich um den “Manager“, der gegenüber den Ausgebeuteten den Lockvogel spielte, indem er sie mit saftigen Jobangeboten lockte. Als sie in Donostia ankamen, versprach ihnen der Eigentümer, dass er für ihre Legalisierung sorgen und sie bei der Sozialversicherung anmelden werde. Um Beschwerden zuvor zu kommen, wies der Unternehmer die Opfer auf ihren Status als illegale Arbeiter und auf den "Gefallen" hin, den er ihnen mit ihrer Beschäftigung tat. Sie wurden gezwungen, jeden Tag zwölf Stunden zu arbeiten für 1.068 Euro pro Monat. – Schönen Aufenthalt in der für seine Gastronomie bekannten Stadt!

(2023-01-24)

ANTIMILITARISTEN VOR GERICHT

Im Dezember 2021 organisierte die antimilitaristische Organisation KEM-MOC vor dem Sitz der Militärregierung (Gobierno Militar) in Bilbo eine Aktion, bei dem sie den "Sturz" derselben inszenierten: mit Vorschlaghämmern wurde die Außenwand der Stacheldraht-Mauer bearbeitet – symbolisch versteht sich. Nicht in einer nächtlichen Aktion mit anschließendem Bekennerschreiben, sondern am hellen Tag, unter den Augen der versammelten Presse, die solche spektakulären Aktionen gerne fotografiert. In der Regel werden die Teilnehmer des “Abrisstrupps“ festgehalten, ihre Personalien aufgenommen.

kolu39y24Was dann folgt ist eine Anzeige mit anschließendem Prozess. Das gehört für KEM-MOC mit zur Inszenierung und zur anti-militaristischen Arbeit. Denn begleitet war die Aktion von einem Transparent, auf dem die Ausgaben von 43 Milliarden Euro für Militärzwecke beklagt wurde. Zwei der Aktivisten, die an der Aktion teilgenommen haben, wurden heute (24.2.2023) vor Gericht gestellt. Die Anklage lautet “Beschädigung von Privateigentum“, die Staatsanwaltschaft fordert 18 Monate Gefängnis und eine Geldstrafe von jeweils 4.500 Euro. Das spanische Verteidigungs-Ministerium, zu dem die Anlage abhängt, hat jedoch gar keinen Antrag gestellt und keine Klage erhoben, so KEM-MOC gegenüber der Presse.

Bei der antimilitaristischen Aktion 18. Dezember 2021 im Rahmen der Kampagne #BotaKuartela (Kaserne Abreißen) forderte KEM-MOC den Abriss der Kaserne und die Entmilitarisierung des Geländes, damit es für die Bedürfnisse der Nachbarschaft genutzt werden kann. Während des Auftritts malten sie den Slogan an die Wand und machten sich mit Vorschlaghämmern an den "Abriss". Zwei der Aktivisten kletterten nach oben und ketteten sich mit einem Transparent an die Wand, auf dem die Militärausgaben beklagt wurden. Feuerwehrleute holten die Antimilitaristen von der Mauer, die Ertzaintza-Polizei identifizierte alle Beteiligten.

KEM-MOC betont, dass "wir nicht wegen der Aktion selbst, sondern wegen unserer anti-militaristischen Aktivitäten angeklagt werden". Außerdem sei es auffällig, dass sie als anti-militaristische Gruppe beschuldigt werden, Schaden zu verursachen. "Wenn sie nicht aufhören, mit ihren Kriegen und militärischen Aktivitäten Schaden anzurichten, werden wir auch nicht aufhören, ihnen Schaden zuzufügen", erklärte KEM-MOC, die vor der Verhandlung eine Kundgebung abhielt.

Die Militärregierung teilte dem Gericht kurz vor Beginn des Prozesses mit, dass sie nicht als Zivilklägerin auftreten werde, da die Schäden bereits behoben worden seien und weit unter den von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Beträgen lägen. Der entstandene Schaden wurde mit 784,05 Euro beziffert, elfmal weniger als die geforderten 9.000 Euro.

Die Staatsanwaltschaft betrachtet den Sachverhalt als erwiesen und die Aktion als eine Art des Protestes, die "nicht angemessen" sei, da "es andere Wege" gäbe. Obwohl die Militärregierung entschädigt wurde und die Kosten für die durch den Protest verursachten Schäden übernommen wurden, besteht die Staatsanwaltschaft auf ihren Antrag von 36 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von insgesamt 9.000 Euro. Der Verteidiger beantragte Freispruch und bezeichnete die Abriss-Simulation als eine "strafbare, aber moralisch nicht verwerfliche" Handlung. Das Urteil steht aus.

(2023-01-23)

BILBO GEWINNT GEGEN DONOSTI

kolu39y23Aber nicht im Fußball, Handball oder Basketball, sondern beim Wachstum der illegalen Tourismus-Wohnungen im Jahr 2022. Illegal bedeutet, dass die Tourismus-Wohnungen nicht als solche deklariert sind, und somit an der steuer und den Regeln vorbei funktionieren. Zwar ist die Hauptstadt von Gipuzkoa nach wie vor Spitzenreiterin bei der Anzahl der Anzeigen auf Plattformen wie Airbnb oder Ähnlichem – ein Führungsplatz, der so schnell nicht verloren gehen wird. Doch hat eine Studie der baskischen Regierung festgestellt, dass die Wachstumsrate der Anzeigen für illegal T-Wohnungen in Bilbao im Vergleich deutlich anzieht, während in San Sebastián (Donostia) ein Rückgang zu verzeichnen ist. Die Zahl der Anzeigen für illegalen Tourismus-Wohnungen in Bilbao ist um 59% gestiegen, während die Concha-Stadt mit einem Rückgang von 39% eine gegenteilige Entwicklung verzeichnet.

In der Hauptstadt von Gipuzkoa hat sich während und nach der Pandemie auch das Angebot an T-Wohnungen allgemein verringert. Verschiedenen Quellen zufolge sind diese Gegensätze beim Anzeigen-Wachstum für nicht registrierte T-Wohnungen zwischen den Hauptstädten vor allem auf die von der baskischen Regierung und den Stadtverwaltungen ausgeübte Kontrolle zurückzuführen. Maßnahmen, die im letzten Jahr in San Sebastián nach dem starken Anstieg der Zahl der illegalen Wohnungen vor einigen Jahren "härter" durchgeführt wurden. Nicht so in Bilbao, das um jeden Preis der Welt einen Tourismus-Spitzenplatz auf internationaler Ebene erklettern will.

(2023-01-22)

FRAUENGEFÄNGNIS DURANGO

Gedenkveranstaltung für die tausend Frauen, die von den Franquisten im Gefängnis von Durango unterdrückt wurden. Die von EH Bildu regierte Stadtverwaltung von Durango hat gemeinsam mit Memoria-Gruppen und feministischen Vereinigungen jener Frauen gedacht, die zwischen 1939 und 1940 im ehemaligen Frauengefängnis eingesperrt waren, im Gebäude der heutigen Schule von Nevers.

kolu39y22In jener Zeit wurden fast tausend Frauen Opfer der franquistischen Repression. Fünf Gefangene und sechs Kinder kamen dabei zu Tode. Die Gedenkveranstaltung, die am Samstag, den 21. Januar auf dem Gelände des ehemaligen Gefängnisses stattfand, hatte zum Ziel, diese Frauen und ihr Schicksal aus der Vergessenheit zu holen und ihnen ihre Würde zurückzugeben. Die Haftanstalt in Durango war neben Saturraran (Ondarroa), Orue (Bilbo) und Zornotza (Amorebieta) eines der vier faschistischen Frauengefängnisse in Bizkaia.

Bürgermeisterin Ima Garrastatxu erklärte, es sei notwendig, an alle Frauen zu erinnern, die in diesem und anderen Frauengefängnissen unter der faschistischen Repression zu leiden hatten. “Heute gehen wir dort ganz selbstverständlich spazieren, oft ohne uns darüber bewusst zu sein, dass es ein Zentrum der Unterdrückung von Frauen war. Die Initiative der Stadtverwaltung wurde unterstützt vom Institut Gogora (Erinnern), dem Institut für Erinnerung, Koexistenz und Menschenrechte der baskischen Regierung.

Die Veranstaltung fand bei der Eiche statt, die 2010 vor dem ehemaligen Gefängnis gepflanzt worden war. An der Zeremonie nahmen unter anderem die Journalistin María Gorosarri, die Schriftstellerin Leire Vargas (die einige Gedichte von Joseba Sarrionandia rezitierte) und die Tänzerin Ixone Aroma teil. Außerdem wurde eine Gedenktafel mit Vor – und Nachnamen der Frauen und Kinder angebracht, die im Gefängnis starben.

(2023-01-21)

ELF LEGIONÄRE MÜSST IHR SEIN!

Zwischen Bilbao, Villareal und Madrid liegen Welten. Die urspanische Fußballwelt ist empört und verstört. Denn in der Startelf des Vorzeigeclubs Real Madrid waren zum ersten Mal in seiner Geschichte keine Spanier zu finden. Selbst der Verantwortliche dafür ist ein Italiener. Viele stellen sich nun die Frage, ob der Grund für das Fehlen der Spanier darin liegt, dass der Verein nicht auf einheimische Spieler setzt, oder ob die Spanier nicht gut genug sind, um in der Elf von Real Madrid zu stehen. Der spanische Nationalstolz ist jedenfalls in seinen Grundfesten erschüttert: Wie soll da jemals wieder eine Weltmeisterschaft gewonnen werden!

kolu39y21Für alles gibt es ein erstes Mal. Real Madrid stellte gegen Villarreal zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Elf ohne spanische Spieler auf. Trainer Ancelottis Entscheidung ist historisch, es mussten 121 Jahre Club-Geschichte vergehen, bis ein solches Ereignis stattfinden sollte. Im Villareal-Stadion entschied sich der Italiener für: Courtois, Militao, Alaba, Rüdiger, Mendy, Tchouaméni, Modric, Kroos, Valverde, Vinicius und Benzema. Klingt alles wenig Spanisch: drei Franzosen, zwei Brasilianer, zwei Deutsche, ein Kroate, ein Belgier, ein Österreicher und ein Uruguayer. Auf der Bank hingegen warteten die “Einheimischen“ López, Vallejo, Nacho, Asensio, Lucas und Ceballos. Dass so ein Spiel verloren gehen musste, war klar.

Im baskischen Bilbo kann so was nicht passieren, egal woher der Trainer kommt. Denn hier gibt es nur baskische Fußballer, oder solche, die im Baskenland das Kicken gelernt haben. Hinter solchen Unterschieden stehen Geld und Philosophie. Denn mit elf Basken ist nirgendwo ein Pokal zu gewinnen, lediglich eine weltweite Hochachtung. Wenn jedoch Real Madrid mit zehn für teures Geld gekauften Legionären den Weltcup holt, dann fragt kein spanisches Schwein nach der Startelf. Der Erfolg macht blind, der Weg zum Dauererfolg wird zur Sucht. Auch in Bilbao verliert niemand gerne ein Spiel. Doch Publikum wie Team bleiben mit den Füßen auf dem Boden, selbst wenn es mal nicht gut läuft: Mehr ist eben momentan nicht drin. Ehrlicher, näher und sympathischer.

(2023-01-20)

ZWANGSRÄUMUNG IN IRUN

Kein Einzelfall im Baskenland: Stop Desahucios (Stopp Zwangsräumungen) hat für den 24.1.2023 zu einer Kundgebung in Donostia vor der Sabadell-Bank aufgerufen, um die Zwangsräumung eines schutzbedürftigen 80-jährigen Rentners, der von einem Geierfonds zwangsgeräumt werden soll, anzuprangern und zu verhindern. In einer Mitteilung heißt es, dass der genannte Fonds die Zwangsräumung auf gerichtlichem Wege einleiten wird, wenn Ángel Miguel Medrano seine Sozialmietwohnung bis 24. nicht räumt, die nach dem Immobilienkauf durch die Banco Sabadell im Besitz des Investitionsfonds Promontoria Coliseum Real Estate ist.

kolu39y20Stop Desahucios gibt an, dass der Rentner mit der Bürgschaft seiner bereits bezahlten Wohnung für das Darlehen der Banco Sabadell für ein Unternehmen bürgte, das sein Sohn aufgrund der Finanzkrise nicht bezahlen konnte. Aus diesem Grund "erhielt er in Anbetracht seiner prekären Lage eine Dotierung mit einem dreijährigen Sozialmietvertrag, der am 24. Januar 2021 endete. Dank der Kundgebung, die im Dezember 2020 vor dieser Bank stattfand, wurde eine einjährige Verlängerung bis zum 24. Januar 2022 erreicht.

Nach dreimonatigen Verhandlungen mit Solvia, der Gesellschaft, die die Immobilien des Geierfonds verwaltet, um "die gerechte Forderung nach einer Vertragsverlängerung um sieben Jahre zu erreichen, und dem Angebot, die Sozialmiete von 315 auf 600 Euro zu erhöhen, lehnte der Vermieter dies ab". Durch die Nichtübergabe der Schlüssel und die Nichträumung "ihres lebenslangen Zuhauses droht die Gefahr einer Räumung, die wir mit sozialer Mobilisierung um jeden Preis verhindern wollen", so Stop Desahucios. An der Kundgebung werden die Betroffenen sowie Mitglieder des Stadtrats von Irun, soziale Organisationen und Mitglieder der Plattform teilnehmen.

Illegale Zwangsräumung in Gasteiz

Gleichzeitig fand in Gasteiz eine illegale Zwangsräumung statt, wie das Red Vivienda Auzoan Bizi (Wohnungs-Netzwerk Auzoan Bizi) mitteilte. In einem Kommuniqué wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der betroffenen Person um ein Mitglied der Plattform handelt. Auzoan Bizi berichtet, dass die Frau "seit Tagen von dem mutmaßlichen Eigentümer des Hauses mit Räumung bedroht wurde", ihr wurde vor einer Woche Wasser und Strom abgestellt und Geld angeboten, damit sie das Haus verlässt. Dennoch sei die Frau standhaft geblieben ist und habe ihren Willen gezeigt, im Haus zu bleiben. Als die Eigentümer sahen, dass die Frau nicht im Haus war, ließen sie es zumauern, wobei ihr Hab und Gut im Haus blieb.

Angesichts der Ereignisse verurteilt die Plattform "das völlig illegale spekulative Vorgehen des angeblichen Eigentümers, der mit Drohungen und Angst versucht hat, unsere Kollegin zu vertreiben".

Auzoan Bizi beklagt: "Da die Eigentümer und Spekulanten den vollen Schutz der Institutionen und Gesetze genießen, ist es besonders schwerwiegend, dass diese nicht nur nicht eingehalten werden, sondern dass jegliche Trickserei völlig ungestraft bleibt. Noch schlimmer ist es, eine Migrantin bei den derzeitigen Schnee- und Kälteverhältnissen auf die Straße zu werfen, während ihr Haus leer steht und mit Brettern vernagelt ist.

(2023-01-19)

TOURISMUS-MILLIONEN

In der Welt der spanischen Tourismus-Messe FITUR grenzen Euskadi, Bizkaia und Bilbao an die Kanarischen Inseln, jene große Tourismusmacht. Auch an das "unendliche" Kantabrien, an Galicien und La Rioja. Euskadi ist jedoch einzigartig, wie ein jubelnder Vertreter in Erinnerung rief, er lobte die "institutionelle Zusammenarbeit", um die Rekordzahlen des letzten Jahres zu erklären, in dem mehr als vier Millionen Besucher kamen. Der Senator für Tourismus, Handel und Verbraucher-Angelegenheiten hob die hervorragende Leistung des Baskenlandes bei der Erholung des Tourismus seit der Pandemie hervor, beglückwünschte sich selbst zum Übertreffen aller Rekorde seit 2019 und rechnete vor, dass 103.000 baskische Familien heute vom Tourismus leben.

kolu39y19“Vom Tourismus leben“ ist allerdings eine maßlose Übertreibung. Denn die Verdienste in diesem Gewerbe (Hotels, Gastronomie, Tourismus) sind bekanntlich mehr als schlecht. Zu schlechter Bezahlung kommen schlechte Arbeitsbedingungen, prekäre Arbeitsverträge und unklare Perspektiven. Richtig gut leben vom Tourismus nur die Unternehmer, Festival-Organisatoren, Museums-Direktoren und Verantwortlichen in der Verwaltung. Wer es nicht glaubt, sollte die Reinigungskräfte im Guggenheim-Museum fragen, die 240 Tage streiken mussten, um würdige Bedingungen zu erkämpfen. Dies ist ein realistisches Bild des Tourismus. Von den dramatischen Folgen für den Alltag der Bevölkerung (Tourismus-Wohnungen, Preissteigerungen, Ausverkauf der Altstädte ganz zu schweigen.

Die Auswirkungen der großen Fitur-Messe, die jetzt in Madrid eröffnet wurde und noch bis zum kommenden Sonntag offen ist, wurden begleitet von dem außergewöhnlichen Moment, den Bilbao erlebt. Im vergangenen Sommer wurde bestätigt, dass es sich bei den Besuchsrekorden nicht um eine saisonale, sondern um eine allgemeine Erscheinung handelt. Bürgermeister Juan Mari Aburto verkündete, dass die Bizkaia-Hauptstadt ein historisches Jahr abgeschlossen hat, in dem zum ersten Mal die Grenze von einer Million Besuchern überschritten wurde. "Erstaunliche" Zahlen, die bestätigen, was der Tourismus für die Stadt darstellt: ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, da er (schlechte) Arbeitsplätze schafft und 8% des BIP ausmacht, zwei Prozentpunkte mehr als in der Region Euskadi.

Ein "wichtiger" Besuch

"Vor dreißig Jahren wäre unsere Anwesenheit bei Fitur rein symbolisch gewesen, wie ein Schatten. Jetzt ist die Messe von grundlegender Bedeutung", so der Verwaltungschef. Ergebnisse voller Licht, aber auch mit gelegentlichen Schatten. Nach zwei schwierigen Jahren, die durch den Ausbruch der Pandemie belastet waren, laden die aktuellen Zahlen die Unternehmer und Politik zu neuen Überlegungen ein.

Die Stadtverwaltung wird ihre Anstrengungen verdoppeln, um (auf dem Weg zum Massentourismus) den internationalen Markt stärker zu erschließen und die durchschnittliche Zahl der Aufenthalte – derzeit auf zwei Nächte begrenzt – zu erhöhen, eine kaufkräftigere Kundschaft anzuziehen und zu versuchen, das traditionelle Gewicht von Märkten wie Großbritannien und Deutschland wiederzugewinnen, die von den Restriktionen der Pandemie abgeschreckt wurden.

"Wir versteifen uns nicht auf Zahlen, nur um des Wachstums willen", betonte der Bürgermeister. Eine glatte Lüge aus dem Mund von einem, der von „kaufkräftigerem Publikum“ spricht. Der Start der Tour de France am 1. Juli (für Millionen eingekauft, um noch mehr Millionen zu verdienen; Veranstaltungen wie das Rockfestival im Sommer; die Förderung der Stadt als Standort für Filmaufnahmen garantieren "einen Spielraum für Wachstum". Doch immer mehr Leute in den von Massentourismus betroffenen Viertel fragen sich: Wo soll das alles enden?

(2023-01-18)

VOM FORTWÄHRENDEN ENDE DES FRANQUISMUS

Böse Zungen behaupten, der spanische Staat habe den Franquismus, die iberische Form des Faschismus. Dafür spricht, dass viele der Diktatur-Agenten in der „demokratischen“ Volks-Partei PP Aufnahme gefunden haben. Dafür spricht auch, dass es in Polizei, Militär und Judikatur nie eine “Reinigung“ gegeben hat. Dennoch werden die “bösen Zungen“ (im Baskenland besonders häufig) nicht ernst genommen. Spanische Städte sind nach wie vor voller franquistischer Symbole und Namen. Sollte das neue “Gesetz der Demokratischen Erinnerung“ da nun etwas ändern können?

kolu39y18Seit drei Jahren hat das Land südlich der Pyrenäen die „fortschrittlichste Regierung“ seit Francos Tod (1975). Doch auch “Fortschritt“ braucht seine Zeit. Dass Franco nicht gerade der Inbegriff demokratischer Werte ist, hat sich offenbar nun auch im “fortschrittlichsten“ Verteidigungs-Ministerium herumgesprochen (was im Blog Baskinfo ironisch kommentiert wird mit “Franco hält sich nicht an das Demokratische Gedächtnis“). Dieser militärische Teil der Regierung den Namen eines Bataillons der Legion des Generalkommandos von Melilla geändert. Dieses Bataillon ist Teil der Armee, Melilla liegt zwar auf marokkanischem Boden, ist aber dennoch koloniales Territorium des spanischen Staates. Der vorherige Name der Einheit war "Bandera Comandante Franco" (Fahne Kommandant Franco), der neue Name soll "Bandera de España" lauten.

48 Jahre lang ist dieser Bezug auf den Kriegsprovokateur und Massenmörder unbeachtet geblieben, die bösen Zungen sind unerhört geblieben. Jetzt plötzlich erkennt die “fortschrittlichste Regierung“ diesen fast 50 Jahre alten Irrtum. Dies geht aus einer Entschließung hervor, die im Offiziellen Amtsblatt für Verteidigung (BOD) veröffentlicht wurde. Spanische Mühlen mahlen also langsam, Zeitlupe wäre schon übertrieben. Doch woher sollen Änderungen kommen, wenn sie nicht gewollt sind. Bei den Postfranquisten Aznar und Rajoy nach Schuldigen zu suchen, ist wenig ergiebig. Felipe Gonzalez und Zapatero hingegen nennen sich Sozialisten und hätten an solcher Nomenklatur Anstoß nehmen können. Haben sie aber nicht. Weil es schlicht egal war.

Das Verteidigungs-Ministerium nimmt die Namens-Änderung (nach 48 Jahren) in Anwendung des “Gesetzes über das Demokratische Gedächtnis“ vor, insbesondere des Artikels 35, der sich bezieht auf "Symbole und Elemente, die dem demokratischen Gedächtnis widersprechen", und der Verpflichtung der öffentlichen Verwaltungen, Hinweise auf "den Militäraufstand und die Diktatur, ihre Führer, die Teilnehmer am Repressionssystem oder die Organisationen, die die Diktatur unterstützt haben, sowie die zivilen oder militärischen Einheiten, die während des Zweiten Weltkriegs mit dem Franco-Regime und den Achsenmächten zusammengearbeitet haben", zu entfernen. 48 Jahre danach. Optimisten sagen: “Besser heute als nie“, böse Zungen sagen “Der Franquismus lebt dennoch fröhlich weiter“. Die postfranquistische und die neofranquistische Opposition (PP und VOX) haben ohnehin schon angekündigt, im Falle einer Regierungs-Übernahme im Herbst 2023 das Gesetz zu kippen – was der Wiederherstellung alter Namensverhältnisse alle Türen öffnen würde.

Auch andere Ministerien haben das neue Gesetz studiert und sind zu Handlungserkenntnissen gekommen. So wurde die Rücknahme von Medaillen und Orden aus der Zeit der Diktatur angeordnet. Im Oktober 2022 ordnete die Arbeitsministerin Yolanda Díaz (Podemos) an, die Verdienstmedaille für Arbeit an Franco und andere Repressoren der Diktatur, die im “Goldenen Buch der Arbeit“ eingetragen sind, zu streichen (drei Jahre nach Regierungsantritt, 47 Jahre nach Francos Tod). Gleiches tat das Innenministerium, als kürzlich die während der Diktatur verliehenen Polizeimedaillen eingezogen wurden.

Die 600 Straßen im Staat, die nach wie vor die Namen faschistischer Generäle tragen (120 davon für Franco), bleiben dennoch weiter im Griff der historischen Nichtbereitschaft zur Aufarbeitung. Womöglich muss für jeden Fall einzeln eine Klage angestrengt werden. Die bösen Zungen haben jedenfalls leichtes Spiel. Jeden Tag werden ihnen neue Argumente zugespielt, ohne dass sie sich auf die Suche machen müssten. Gehört werden sie dennoch nicht. Nürnberg ist eine Stadt in Deutschland und Prozesse gegen Faschisten hat es nie gegeben. Am 20. November wird der Arm zum Führergruß erhoben und auf das neue Erinnerungs-Gesetz geschissen. Spanische Verhältnisse. Franquistische Verhältnisse.

(2023-01-17)

5 JAHRE RENTNER*INNEN-BEWEGUNG

kolu39y17230 Montags-Demonstrationen zur Verteidigung angemessener, gerechter und ausreichender öffentlicher Renten. Der nicht enden wollende Regen hat die Rentner*innen-Bewegung nicht aufgehalten, am 15. Januar 2023 in vielen Orten des Baskenlandes ihr fünfjähriges Bestehen zu feiern: 230 Montags-Demonstrationen zur Verteidigung grundsätzlicher Rechte. Die baskische Rentner*innen-Bewegung hat den "Renten-Platz" vor dem Rathaus Bilbo "bei Wind und Wetter" erneut gefüllt, wie am ersten Tag vor fünf Jahren, um ihre Renten zu verteidigen. Die Rentner*innen der Bizkaia-Hauptstadt zogen anschließend in einer Kalejira-Demonstration durch die Straßen der Altstadt, um daran zu erinnern, dass ihr Kampf noch andauert. “Diesen Kampf werden wir gewinnen“.

Dieser Kampf begann mit einem Schreiben der spanischen Arbeits-Ministerin, in dem die Erhöhung der Renten um 0,25% angekündigt wurde, 230 Tage später wird er mit derselben Kraft fortgesetzt, um öffentliche, angemessene, gerechte und ausreichende Renten zu fordern. Bislang ist es der Bewegung nach eigenen Angaben gelungen, die Erhöhungsrate von 0,25% der PP-Reform von 2013 aufzuheben, die Tragfähigkeit des öffentlichen Rentensystems nachzuweisen, den Nachhaltigkeits-Faktor abzuschaffen und die Verabschiedung neuer Beschlüsse zu verhindern, mit denen die Renten halbiert werden sollten. Trotz dieser Erfolge wird gewarnt, dass es noch viele weitere Gründe gibt, um weiter zu kämpfen.

Die diesjährige Aktualisierung von 8,5% reicht nicht aus, um ihre Einkommens-Verluste durch die Inflation zu decken, aber sie ist ein Zeichen dafür, dass ihre Forderungen Gehör finden. "Wir sind stolz darauf, unseren Kampf für eine gerechte Verteilung des Wohlstands mit sozialen und gewerkschaftlichen Organisationen zu teilen und ein wichtiger Bezugspunkt für die Änderung der Politik zu sein, die unsere Löhne, Renten und öffentliche Dienstleistungen verschlechtert", hieß es.

Im Jahr 2023 wird die Rentner*innen-Bewegung weiterhin für das kämpfen, was sie eint: die gerechte Verteilung des Wohlstands, die Wiederherstellung der Kaufkraft der Löhne und Renten, und die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen. Sie wird weiterhin Hand in Hand mit anderen Bewegungen für die Unterstützung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, die persönliche Betreuung bei Bank-Dienstleistungen, den Kampf von Arbeitnehmer*innen für bessere Löhne usw. auf die Straße gehen. Heute freuen sie sich darüber, dass ihre Bewegung ein Bezugspunkt für die soziale Mobilisierung im Baskenland geworden ist und die Mobilisierung mit anderen Regionen und Gemeinschaften im spanischen Staat teilt. Mit einer Schweigeminute wurde an die fünf Rentner gedacht, die an der Feier zum fünften Jahrestag nicht teilnehmen konnten, die bis zu ihrem letzten Lebenstag "auf der Straße und erhobenen Fäusten" an der Bewegung teilgenommen haben. (Ecuador Etxea)

(2023-01-16)

TOD AUFGRUND VON MEDIZINISCHER FAHRLÄSSIGKEIT

Die Schiedsstelle für Patient*innen meldet 699 Todesfälle aufgrund von medizinischer Fahrlässigkeit im Jahr 2022im spanischen Staat. Der Verband fordert, dass Operationen nur von Fachärzten durchgeführt und auf Wunsch der Patient*innen aufgenommen werden. Der “Verteidiger der Patienten“, so die wörtliche Übersetzung, hat im vergangenen Jahr 699 Todesfälle aufgrund von mutmaßlicher medizinischer Fahrlässigkeit gezählt, 71 mehr als im Jahr 2021. Das geht aus dem vorgestellten Bericht "Memory 2022" hervor. Bei der Vereinigung gingen 13.611 Beschwerden ein (455 mehr als 2021), was 37 Fällen von möglichem Fehlverhalten pro Tag entspricht.

kolu39y16Diagnosefehler, Verschiebung von Therapien, schlecht durchgeführte Eingriffe, übereilte Entlassungen, schlechte Pflege, Krankenhaus-Infektionen oder Verspätung von Krankenwagen sind einige der Ursachen für Todesfälle, die hätten vermieden werden können, klagt die Einrichtung. Der Verband fordert Maßnahmen, um diese medizinischen Risiken zu reduzieren. Die erste Maßnahme wäre "die Verhinderung der Schäden selbst", mit "entsprechenden Gesetzes-Änderungen, damit nur ordnungsgemäß zugelassene Fachärzte in ihrem Bereich operieren können". Erinnert wird an den Fall von Sara Gómez, einer jungen Frau, die nach einer Lippen-Manipulation starb. Die zweite Maßnahme wäre die Forderung, dass medizinische Eingriffe auf Wunsch der Patient*innen oder bei hoher Komplexität aufgezeichnet werden sollten, als "unverzichtbare Garantie für die Patient*innen, wenn diese als Folge eines chirurgischen Eingriffs bereits einen Schaden erlitten haben".

Der Patient*innen-Vertreter erklärt, dass er in seiner 25-jährigen Geschichte "Tausende von Beschwerden von Patient*innen gesammelt hat, von denen viele als Klage keinen Erfolg haben, weil es keine Beweise dafür gibt, was tatsächlich im Operationssaal passiert ist", da es keine "visuelle Aufzeichnung" gibt. Es ist unverständlich, dass auch im 21. Jahrhundert und im digitalen Zeitalter keine audio-visuelle Aufzeichnung der Operation erfolgt, die als Haupt-Beweismittel zur Aufklärung von Eingriffs-Fehlern dienen könnte, sowohl zugunsten des Patienten, wenn die Beschwerde berechtigt ist, als auch zugunsten des Chirurgen, wenn sie unbegründet ist".

Zur Situation des Gesundheitswesens in Spanien warnt der Bericht, dass sich viele Beschäftigte nach der Pandemie "auf Kriegsfuß" befinden, weil "es an Personal fehle und viele Fachkräfte überlastet seien, insbesondere in der Primärversorgung, was zu mehreren Streiks geführt habe". Die Autoren sind auch "besorgt" über "die Zunahme der Fern-Betreuung, da sie die Diagnose deutlich erschwert und die Gesundheit der Patient*innen gefährdet". "Es hat den Anschein, dass die politischen Entscheidungsträger ein Low-Cost-Gesundheits-Modell in Szene setzen und versuchen, die Betreuung mit möglichst geringen Ausgaben zu maximieren", kritisieren sie.

Das spanische öffentliche Gesundheits-System "ist auf dem Weg zum Aussterben", so der Verband, man ist der Ansicht, dass die Politik in diese Richtung arbeitet. "In der Zwischenzeit steht es dem privaten Gesundheits-System frei, die Situation auszunutzen, unter der der öffentliche Sektor leidet. Es gibt keinen politischen Willen, die Verhältnisse wieder umzukehren, da man versucht, die Probleme des öffentlichen Systems, das nicht in der Lage ist, seine Verwaltung zu verbessern, durch Vereinbarungen mit dem privaten Sektor zu lösen. Je schlechter der öffentliche Sektor verwaltet wird, desto besser scheint der private Sektor zu sein", betonen sie. (Tagespresse)

(2023-01-15)

FASCHISMUS-DESINFEKTION

Nach der faschistischen Kundgebung im Bilbo-Viertel San Francisco haben Antifaschisten den betroffenen Doktor-Flemming-Platz desinfiziert. Bei einem ihrer vielen Versuche, die Bevölkerung und die Medien zu provozieren und der postfranquistischen PP einige Stimmen abzuluchsen, hatte die ultrarechte und xenophobe Vox-Formation einen "Informationstisch" aufgebaut, am Schnittpunkt zwischen San Francisco und Zabala, zwei Stadtteile, die für ihren hohen Anteil an Migrant*innen bekannt sind.

kolu39y15Mit Besen, Mopps und Desinfektionsmitteln "säuberten" am nächsten Vormittag Dutzende von Menschen gegen 11.00 Uhr den Platz, um deutlich zu machen, dass "Faschismus, Rassismus, Machismo und LGTBI-Phobie nicht willkommen sind". Die Vox-Veranstaltung war ohne Zwischenfälle verlaufen, obwohl oder weil ein riesiges Polizeiaufgebot anwesend war. Rund um den Platz standen bis zu 12 Ertzaintza-Wannen sowie weitere Streifenwagen und Beamte in Zivil. Am Infotisch der Ultrapartei waren kaum zwanzig Unterstützer, die Flugblätter verteilten. Unter ihnen befanden sich der stellvertretende Vorsitzende der Partei in Spanien, Javier Ortega Smith, und der Vorsitzende des Bizkaia-Ablegers, Niko Gutiérrez.

Um sie herum und hinter einem Polizeikordon versammelten sich Bilbainos und Bilbainas unterschiedlichen Alters, und verschiedener Herkunft, um ihrem Unmut über die Anwesenheit von Vox Ausdruck zu verleihen. "Faschisten raus aus unseren Vierteln" und "Faxistak kanpora" waren die am häufigsten skandierten Parolen. Im Hintergrund ertönten aus einem Lautsprecher von einem nahe gelegenen Balkon antifaschistische Lieder wie "No volverán" von Chikos del Maiz oder "Kolore bizia" von Negu Gorriak. Nach einer halben Stunde auf dem Platz zogen die Vox-Faschisten von der Ertzaintza-Polizei eskortiert zum Zabalburu-Platz und nahmen vor der regionalen Polizeistation ein Video auf.

(2023-01-13)

BLAUER WAHLKAMPF

2023 ist Wahljahr und der vorgezogene Wahlkampf treibt ungebetene Gäste in baskische Barrios. Faschisten zum Beispiel. Die haben im Baskenland keinen so leichten Stand (wie im spanischen Staat). Dort werden sie bei ihren Meeting von Tausenden bejubelt (oder ausgepfiffen), hier müssen sie mit Bussen herangekarrt werden, um unter einem kleinen Partyzelt zusammengepfercht und schwerbewacht von der Polizei ihre Provokation durchzuziehen.

kolu39y13aIhre wenigen Wähler*innen im Baskenland haben sie in der Nähe der Kasernen der Guardia Civil oder der Nationalpolizei, in Bilbo auch in großbürgerlichen und ausländer-feindlichen Stadtteilen wie Abando und Indautxu. Es könnte als logisch verstanden werden, dass die Faschisten (von Vox in diesem Fall) ihre Meetings dort abhalten, wo sie ihr Publikum vorfinden. Doch überraschenderweise ist genau das Gegenteil der Fall. Die Faschisten vermeiden “Heimspiele“ und laufen dort auf, wo sie ihre “natürlichen Feinde“ verorten: in Stadtteilen mit hohem Migrations-Anteil. So geschehen im alten Arbeiter-Barrio San Francisco (Bilbo), der nach dem Ende des Bergbaus zum Migrations-Treffpunkt wurde.

Die faschistische Kundgebung provoziert selbstverständlich Widerspruch. Deshalb steht ein Dutzend Polizeiwannen mit mehr als 100 Behelmten bereit, um den Ungebetenen ihr per Gesetz erlaubtes Treffen zu garantieren. “Ohne Polizei seid ihr gar nichts“, ruft einer aus den Protestreihen, und er hat Recht. Ohne die Beamten könnten sie keinen Fuß ins Barrio setzen.

Das Partyzelt steht am kleinen Doktor-Fleming-Platz, wo sich normalerweise Afrikaner*innen die Zeit vertreiben. Auf einem naheliegenden Balkon sind Boxen platziert, aus denen unüberhörbar Lieder von Kortatu gespielt werden, gegen Polizei und Ultrarechte. Die Presselandschaft ist komplett vertreten, weil erwartet wird, dass “irgend was passiert“. Bei vorherigen Vox-Provokationen in Atxuri und San Francisco vor zwei Jahren “passierte“ tatsächlich was, deshalb sind jetzt Verfahren anhängig, den Beschuldigten drohen Knast und Geldstrafen, die baskische Polizei spielt mit falschen Protokollen ihre Rolle perfekt.

Atxuri ist bekannt, weil dort in einer offenen Sporthalle illegale Migrant*innen übernachten, vorwiegend Jugendliche, eines der wenigen Dächer, die gegen Regen Schutz bieten. Nicht gegen Wind und Kälte, aber für Vox ein Grund zur Wahl dieses Ortes. Hier werden keine Botschaften vermittelt oder Wahlversprechen gemacht. Nicht einmal ein Diskurs findet statt, kein Mikro, keine Lautsprecher. Die Faschisten schwatzen unter ihrem Partyzelt, zwei Frauen verteilen Flugblätter, sie müssen sich “Faxistak kanpora“ anhören, auch Migranten-Männer sind lautstark aktiv. Nach einer Stunde verschwinden die “Faxas“ mit einer beachtlichen Polizeieskorte, die Mehrheit zurück in ihr geliebtes Spanien (diós, patria, rey). Auch die Journalisten (auch nur Männer) ziehen enttäuscht ab, weil dieses Mal nichts “passiert“ ist.

Das Partyzelt ist grün, in Deutschland würde von brauner Provokation gesprochen, die Neo-Franquisten identifizieren sich aber eher mit Blau. Blau wie die Falange oder die Blaue Division. Derartige Spuren müssen entfernt werden. Deshalb hat die Nachbarschafts-Vereinigung für den folgenden Vormittag einen Putztrupp organisiert, um den Tatort des blau-braunen Geschehens zu desinfizieren. Symbolisch versteht und ohne Ammoniak. Aber ausdrücklich migrations-freundlich, basis-demokratisch und antifaschistisch. Damit keine Spur bleibt von den spanischen Faschisten – bis zum nächsten Besuch wegen Wahlkampf.

(2023-01-11)

PFLEGEARBEIT – SKLAVENARBEIT

7,4% der intern in Haushalten beschäftigten Personen arbeiten mehr als 71 Stunden pro Woche. Viele von ihnen haben Probleme wie Erschöpfung, Stress, Angst, depressive Symptome wegen Überforderung, Panik, Angst ... 34 Frauen und 18 Verbände von Hausangestellten und Pflegekräften trafen sich am 27. November in Benicassim zum III. Treffen der Hausangestellten und Pflegekräfte, um eine Strategie für einen gemeinsamen Kampf gegen die Sklaverei zu entwickeln, die die Arbeit von internen Hausangestellten darstellt.

kolu39y11Während des Treffens wurde die Situation der Frauen erörtert, die in diesem Bereich arbeiten. Eine von 6 Arbeitnehmerinnen ist von schwerer Armut betroffen. Im spanischen Staat leben 40.000 von ihnen al Interne auch noch an ihrem Arbeitsplatz, 90% davon sind Ausländerinnen. Jede vierte intern arbeitende Frau kümmert sich um einen abhängigen Erwachsenen. Diese Arbeit von intern arbeitenden Frauen wäre kein Problem, wenn sie ordnungsgemäß geregelt wäre. Doch während die durchschnittliche Wochen-Arbeitszeit dieser Pflegerinnen 45 Stunden beträgt, sagt jede Zehnte von ihnen (10%), dass sie mehr als 61 Stunden arbeiten müssen, und 7,4% arbeiten sogar mehr als 71 Stunden. Verschärfend hinzu kommt, dass viele jener Frauen keine gültigen Papiere haben und deshalb besonders gefährdet sind, schamlos ausgebeutet zu werden. Von dieser Sorte Auftraggeber*innen gibt es genug: rechtlose Pflegerinnen werden eingestellt, um Geld zu sparen für die unbequeme Pflicht der Versorgung eigener Familienmitglieder.

Diese exzessive Ausbeutung hat zur Folge, dass Arbeit und Privatleben unmöglich miteinander vereinbart werden können, ein Gleichgewicht ist nicht entfernt vorhanden. Konsequenz ist, dass intern beschäftigte Frauen mit körperlichen und seelischen Folgen zu kämpfen haben. "Erschöpfungszustände, Stress, Ängste, Symptome depressiver Störungen wie Überforderung, Panik, Angst und Orientierungslosigkeit werden durch die Arbeit als Interne verschlimmert, wobei viele dieser Probleme auf die fehlenden gesetzlich geregelten Ruhezeiten während der Arbeitszeit zurückzuführen sind", so die Auskunft.

Angesichts dieser Tatsachen wurden bei dem Treffen in Benicassim Forderungen an die spanische Regierung formuliert. Die Arbeiterinnen und ihre Verbände forderten die Exekutive auf, erstens, alle ihr zur Verfügung stehenden Mechanismen zu nutzen, um die im Arbeitnehmer-Statut enthaltenen Rechte zu garantieren; zweitens solle das Ausländer-Gesetz reformiert werden, um die Bedingung einer dreijährigen Anmeldung bei der Meldebehörde abzuschaffen. Denn die derzeitige Regelung hat gezeigt, dass die gesetzlichen Lücken dazu genutzt werden, um Interne einzustellen. Drittens soll ein öffentliches und universelles Betreuungssystem aufgebaut werden, das Betreuungs-Gesetz soll so neuformuliert werden, dass die Arbeit anerkannt wird. Und schließlich sollen viertens Diskussionsräume geschaffen werden, in denen die Arbeitnehmerinnen die in der Tarifvereinbarung 189 beschlossenen Maßnahmen nutzen können.

In Benicassim wurde auch die Verantwortung der auftraggebenden Familien nicht vergessen. Sie wurden an ihre Pflicht erinnert, sich um ihre Betreuerinnen zu kümmern, sich korrekt über ihre Rechte und Pflichten zu informieren und die Arbeitnehmerinnen von solchen Aufgaben zu entlasten, die lebenswichtige oder einschneidende Entscheidungen für die betreuten Personen beinhalten. Mit diesem III. Treffen der Haus- und Pflegearbeiterinnen wurden die ersten Grundsteine zur Verbesserung der "Sklavensituation" all dieser Frauen gelegt. Nun ist es an der Regierung, den Schritt zu einer grundsätzlichen Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu tun. "Auf diesem Weg können wir Erfolge feiern, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Deshalb fordern wir alle Arbeitnehmerinnen auf, in kollektiven Räumen (Gewerkschaften) die Kraft zu suchen, um die angestrebten Ziele zu erreichen, wie zum Beispiel den Acht-Stunden-Tag, wie andere Arbeitnehmer*innen". Mit Unterschriften bitten die Initiatorinnen um Unterstützung bei der Abschaffung der “Sklavenarbeit".

(2023-01-10)

NATURSCHUTZ VERBIEGEN

Wenn sich Bauprojekte mit Umweltschutz-Regelungen in die Quere kommen, werden nicht die Bauprojekte geändert oder angepasst, sondern die Schutzmaßnahmen werden reduziert. Als ob sie ohnehin niemals Sinn gemacht hätten. So die Philosophie der regierenden PNV in Bizkaia.

kolu39y10Die Abgeordnete für Nachhaltigkeit und Naturschutz von Bizkaia, Amaia Antxustegi (PNV), bestätigte bei der Parlamentssitzung, dass die regionale Abteilung für Infrastruktur und territoriale Entwicklung im Oktober die Direktion für Küste und Meer des spanischen Ministeriums für ökologischen Übergang gebeten hat, die Schutzlinie für das Grundstück der Murueta-Werft zu korrigieren. Denn dort will die Bizkaia-Regierung ein zweites Guggenheim-Museum mit zwei Standorten bauen lassen, mitten im Biosphären-Reservat. Versteht sich, dass es in solchen international anerkannten Naturschutzgebieten strenge Regeln gibt. Für ein Guggenheim sollen die jedoch gekippt werden. Nach dem spanischen Küsten-Gesetz darf in einem Abstand von 100 Metern nicht gebaut werden, auch für Flussläufe, wenn sie mit dem Meer in Verbindung stehen, gelten Restriktionen wie in diesem Fall.

Eine genauere Stellungnahme zu dem Dossier wollte die Abgeordnete nicht abgeben, weil es noch in Bearbeitung sei – obwohl der Antrag bereits gestellt ist. Konkret hat die regionale Behörde die Zentralregierung aufgefordert, die Schutzlinie des Meer- und Landgebiets am Grundstück der Murueta-Werft von 100 auf 20 Meter zu reduzieren, damit ein Erweiterungsbau des Guggenheim-Museums im Naturschutzgebiet Urdaibai möglich wird. Diese beachtlich große Werft war ohnehin ein schwarzer Fleck im Urdaibai-Gebiet, sie wurde jedoch nicht in Frage gestellt, weil sie älter ist als die Naturschutz-Regelungen.

Der Abgeordnete von Podemos, der Antxustegi in dieser Sache vor das Parlament zitiert hatte, kritisierte, dass die Verringerung der Schutzlinie auf 20 Meter für das "am strengsten geschützte" Gebiet im Biosphärenreservat Urdaibai beantragt wurde. Nach Ansicht des Podemos-Vertreters von Bizkaia respektiert die Provinzregierung mit diesem Antrag nicht das Prinzip der "Vorsorge" für den Umweltschutz und agiert gegen den Schutz der biologischen Vielfalt in Urdaibai.

Von EH Bildu wurde die verantwortliche Abgeordnete ebenfalls nach der Verringerung der Schutzlinie und ihrer Meinung zu den "Auswirkungen" gefragt, die diese Änderung haben könnte. Antxustegi betonte, dass ihre Behörde "die Einhaltung der Umweltvorschriften sicherstellen wird" und dass sie "zu gegebener Zeit" die möglichen "Auswirkungen und Korrektur-Maßnahmen" des Guggenheim-Projekts in Urdaibai analysieren wird. Sie deutete an, dass es in der Zukunft eine "strategische Umweltstudie" geben werde, die die "bestehenden und möglichen Risiken" des Projekts analysieren wird. Hoffentlich keine Gefälligkeits-Studie, die all das bestätigt, was die PNV hören will.

(2023-01-09)

ENERGIE-ARMUT

kolu39y09Um die im Baskenland zunehmende Energiearmut anzuprangern, besetzte die linke Jugendorganisation Ernai die zu Weihnachten aufgestellte Eishalle von Bilbao. Unter dem Motto: "Sogar hier ist es wärmer als bei uns zu Hause" gingen die Ernai-Aktivist*innen in die Eisbahn, um deutlich zu machen, dass bei vielen jungen Leuten die Armut so weit geht, dass sie sich im Winter eine vernünftige Heizung nicht mehr leisten können. Gleichzeitig wurden die Milliardengewinne der Stromkonzerne verurteilt.

Die Jugendorganisation beklagt, dass die Unternehmen in der Zeit der Krise ihre Profite weiterhin auf Kosten der Verarmung junger Menschen vervielfachen, die gezwungen sind, Studium und prekäre Arbeit zu kombinieren, oder arbeitslos werden. "Junge Menschen sind zu einer der am meisten gefährdeten Gruppen in der Gesellschaft geworden", warnten sie. Ernai erklärte, dass etwa 80% der Produktion in den Händen von fünf Unternehmen liegen, darunter Iberdrola und Endesa. 90% der Energievermarktung liegt in den Händen von drei Unternehmen: Iberdrola, Endesa und Naturgy. Iberdrola hatte bekannt gegeben, dass das Unternehmen in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 einen Gewinn von 3,104 Milliarden Euro gemacht hat, 29% mehr als im Jahr zuvor. Diese Gewinne seien eine Folge der in der Vergangenheit getroffenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen zur Liberalisierung dieses Sektors, der für die Deckung der Lebensgrundlagen von grundlegender Bedeutung ist. "Dieses System verurteilt uns zum Elend, aber wir werden nicht aufhören zu protestieren", erklärte die Organisation, die die Verantwortung und die Verpflichtung der jungen Menschen darin sieht, Alternativen zu schaffen, sich zu organisieren und zu kämpfen.

(2023-01-08)

HILFEN BEI MISSBRAUCH

Die baskische Regierung gewährt misshandelten Frauen Beihilfen von bis zu 11.520 Euro, um den Opfern in ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit zu unterstützen, wenn sie ihre Beziehung zu den Aggressoren endgültig beendet haben. Der Zugang zu diesen Beihilfen ist beschränkt auf Opfer geschlechts-spezifischer Gewalt durch Partner oder Ex-Partner, die eine Beeinträchtigung von mindestens 33% und unterhaltspflichtige Angehörige nachweisen können. Zudem muss die Beziehung zum Aggressor endgültig beendet sein. Diese Hilfe ist vorgesehen im Finanzhilfe-Programm für Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind. Das Programm gilt für das Jahr 2023 und wird verwaltet vom baskischen Ministerium für Gleichstellung, Justiz und Sozialpolitik. Es ist mit 1,6 Millionen Euro ausgestattet. Die Frist für die Einreichung von Anträgen lief gerade ab.

kolu39y08Die Höhe des Zuschusses hängt somit davon ab, wie viele Personen das Opfer betreut, sowie von der Existenz einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung. So können misshandelte Frauen ohne Angehörige 2.880 Euro erhalten, ein Betrag, der sich auf 5.760 Euro erhöht, wenn ihre Beeinträchtigung mindestens 33% darstellt. Die Beihilfe erhöht sich auf 8.640 Euro, wenn die geschädigte Frau zwei oder mehr Familienangehörige oder minderjährige Kinder zu versorgen hat, wenn sie ein Familienmitglied oder ein minderjähriges Kind zu betreuen hat, das zu mindestens 33% beeinträchtigt ist, oder wenn es sich um Frauen mit einer Beeinträchtigung von mindestens 33% handelt, die ein Familienmitglied oder ein minderjähriges Kind zu versorgen haben.

Die Antragstellerinnen dürfen eine Einkommensgrenze von 75% des interprofessionellen Mindestlohns nicht überschreiten. Der Höchstbeitrag, der sich auf 11.520 Euro beläuft, steht nur Frauen mit mindestens 33% Beeinträchtigung zu, die zwei oder mehr Familienangehörige oder minderjährige Kinder zu versorgen haben; Frauen mit einem Grad der Beeinträchtigung von mindestens 33% und einem Familienangehörigen oder minderjährigen Kind mit einem Grad der Beeinträchtigung von mindestens 33%; Frauen mit einem Grad der Beeinträchtigung von mindestens 65% oder mit einem Familienangehörigen oder minderjährigen Kind mit einem Grad der Beeinträchtigung von mindestens 65%.

Zudem muss Arbeitslosigkeit vorliegen, die Frauen dürfen keinen Arbeitsvertrag haben und über eine Bescheinigung als Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt verfügen (Schutzanordnung, Verurteilung oder in Ausnahmefällen ein Bericht der Staatsanwaltschaft), die zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft und nicht älter als ein Jahr ist. Eine weitere Voraussetzung ist, dass sie behördlich angemeldet sind und seit mindestens sechs Monaten ununterbrochen in einer baskischen Gemeinde wohnen. Zusätzlich Bedingung ist, dass die Frauen die Hilfe zur aktiven Eingliederung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt nicht erhalten haben, dass sie keine Schulden bei regionalen Steuerbehörden oder bei der Sozialversicherung haben. Ziemlich viele Bedingungen und Ausschlusskriterien.

(2023-01-06)

WINDELN GEGEN ARBEITGEBER

kolu39y06Streikende Arbeiterinnen der Gewerkschaft SAD (Sindicato de Asistencia a Domicilio – Hausangestellten-Gewerkschaft) warfen schmutzige Windeln auf den Ministerpräsidenten und die Arbeitgeber-Verbände. Die genannten Übeltäter waren mit Tusche auf Transparente gemalt. Die SAD-Mitglieder – entsprechend ihrer Tätigkeit vorwiegend Frauen – beendeten ihren vierten Streiktag mit einer Performance vor dem Sitz der baskischen Regierung in Bilbo, bei der sie die verantwortlichen Unternehmen des Sektors – Aztertzen, Urgatzi, Aurrerantz, Lagunduz sowie den Lehendakari-Ministerpräsidenten Iñigo Urkullu – mit schmutzigen Windeln bewarfen, weil sie für das Ausbleiben einer Tarifvereinbarung verantwortlich sind.

Die in der häuslichen Pflege Beschäftigten haben sich erst in letzter Zeit in Gewerkschaften organisiert. Der Arbeitsbereich ist geteilt in solche Personen, die autonom und oft unter sklavenähnlichen Bedingungen in festen Haushalten arbeiten oder Menschen pflegen; gleichzeitig gibt es Unternehmen, die mit dem Prinzip der Leiharbeit, hier zwei Stunden, dort zwei Tage, ihr Geld verdienen. Der Anteil von Frauen hoch, häufig handelt es sich um Frauen aus Lateinamerika, manche ohne gültige Papiere, was ihre Ausbeutung noch leichter macht.

Nach der Aktion vor dem Verwaltungsgebäude marschierten die Streikenden zum Rathaus von Bilbao, nachdem sie zuvor am Sitz der Provinzregierung angehalten hatten, um die Windel-Performance zu wiederholen. Vier Tage öffentliche Mobilisierung waren die Antwort auf die Weigerung der Arbeitgeber-Organisation, am 23. Dezember an einem Verhandlungstreffen teilzunehmen. "Es ist klar, dass die Bosse versuchen, die Sache hinauszuzögern", hieß es von Seiten der Gewerkschaft UGT. Die Arbeitgeber-Haltung wurde als "offensiv" bezeichnet, da deren bisherige Angebote keine Lohnerhöhungen vorsehen und zudem einen Kaufkraftverlust von 11,3% für die Hausangestellten bedeuten würden. "Die Beschäftigten werden nicht auf ihre berechtigten Forderungen nach einer Verbesserung des Branchen-Tarifvertrags verzichten, der seit sieben Jahren ohne Lohnerhöhungen oder arbeitsrechtliche Verbesserungen auf Eis liegt", stellte eine Vertreterin der Gewerkschaft CCOO fest.

(2023-01-04)

FRAUENMORD IN BILBO

Der baskische Innensenator und stellvertretende Ministerpräsident hat öffentlich Stellung genommen zu dem Mord an einer bolivianischen Gastwirtin. Erkoreka kritisierte, dass niemand aus deren Umfeld den langen Leidensweg von Rebeca Huayta denunziert hat, die am 28. Dezember von ihrem Partner in der gemeinsam betriebenen Bar im Stadtteil San Francisco von Bilbao ermordet wurde. Der Politiker bedauert das fehlende "soziale Engagement" der Menschen, die die ermordete Frau kannten und genau wussten, was sie jeden Tag zu erleiden hatte.

kolu39y04In einem Interview mit Radio Euskadi erinnerte Erkoreka daran, dass Verwandte, Freunde und Nachbarn des Opfers nach Bekanntwerden des Verbrechens von einer "Art von Folter im Zusammenleben" sprachen, die Rebeca von Seiten ihres späteren Mörders erlitt. Niemand habe diese Gewaltakte angezeigt, weshalb kein Verfahren wegen geschlechts-spezifischer Gewalt eingeleitet werden konnte. Erkoreka bedauerte, dass die Gewaltakte nicht der Ertzaintza zur Kenntnis gebracht wurden, dies habe verhindert, dass die Präventions- und Reaktionsmechanismen nicht aktiviert werden konnten. Im Baskenland gäbe es (neben anderen Maßnahmen) etwa 50 Frauen, die zu ihrem Schutz ständig eskortiert werden. Voraussetzung für diese Maßnahmen sei jedoch, dass zuvor eine Anzeige erstattet wurde, die es der Polizei ermöglicht, mit richterlicher Unterstützung solche Maßnahmen zu ergreifen.

Ein Stück Wahrheit ist den Aussagen des Politikers sicher nicht abzusprechen. Auf Morde oder sexistische Attacken folgen regelmäßig Kundgebungen, bei denen sich vor allem Politiker an Zurückweisung zu übertreffen suchen. Zu hören ist “Die Nacht gehört den Frauen“, oder “Kein Übergriff ohne Antwort“ – doch davon wird keine mehr lebendig. An der Vorsorge mangelt es, an entsprechender Erziehung. An einer radikalen Änderung des Alltags in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Bei dieser radikalen Veränderung zieht die Politik nicht mit, die Justiz schon gar nicht. In einem anderen Stadtteil von Bilbo steht ein Typ hinter der Theke, der eine Bedienstete vergewaltigt hat, nachdem er sie vorher betäubte. Aus der erstatteten Anzeige wurde nichts, weil die Vergewaltigung “nicht bewiesen werden konnte“. In diesem Fall hat auch Erkoreka nicht interveniert. Die Justiz hat dem Vergewaltiger einen Freibrief ausgestellt. Erkorekas Justiz.

(2023-01-02)

FOLTERER OHNE MEDAILLEN

Das spanische Innenministerium hat den Entzug von Polizei-Auszeichnungen angeordnet, die an Beamte des franquistischen Repressions-Apparats verliehen wurden. Darunter das ehemalige Mitglied der Sozialpolitischen Brigade der Franco-Polizei, Antonio González Pacheco, bekannt und berüchtigt als “Billy the Kid“, der im Jahr 2020 an Covid starb, ohne jemals vor Gericht gestellt worden zu sein. Pacheco war der bekannteste Folterer der Diktatur, aber auch in den Jahren des Übergangs und der sogenannten Demokratie. Dutzende wenn nicht Hunderte von Baskinnen und Basken erlitten seiner sadistischen Methoden. Misshandelten Frauen gegenüber sagte er: “Du wirst nie wieder ein Kind bekommen“. Dafür sollten seine Folter-Methoden sorgen.

kolu39y02Nach Angaben des Ministeriums ist die Entscheidung des Innen-Ministers Grande-Marlaska eine Konsequenz des neuen “Gesetzes der demokratischen Erinnerung“, das seit Oktober 2022 in Kraft ist und mit dem die franquistische Diktatur aufgearbeitet werden soll. Das Gesetz “sieht die Annullierung von polizeilichen Belohnungen vor, wenn nachgewiesen wird, dass der Begünstigte vor oder nach der Verleihung Handlungen begangen hat, die nicht mit den Verdienstorden der Nationalen Polizei oder der Guardia Civil vereinbar sind“. Das klingt positiv, ist allerdings ein schlechter Witz, denn es ist allgemein bekannt, dass beide Polizei-Einheiten systematische Folter praktizierten in extra dafür vorgesehenen Folterkellern. Daneben gab es ein System zur Vertuschung der Misshandlungen. Und wenn ein Beamter tatsächlich einmal erwischt wurde und womöglich sogar verurteilt, dann trat die Politik auf den Plan und sprach schnellstmöglich eine Strafreduzierung oder Begnadigung aus.

Zudem hat der Innenminister selbst eine üble Folter-Vorgeschichte. Als Richter beim Polit-Gericht Audiencia Nacional gehörte es zu seiner Praxis, über Foltervorwürfe von Verhafteten Baskinnen hinwegzugehen, die in der 5-tägigen Kontaktsperre Misshandlungen erlitten. Mehr als einmal wurde die Audiencia vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dafür verurteilt.

Posthum sollen also dem Star-Folterer des Franco-Regimes und des Regimes von 1978, Juan Antonio González Pacheco (Billy the Kid) seine vier Orden entzogen werden. Die Polizei selbst ist es, die eine Liste erstellen soll mit Entzugs-Kandidaten. Wo der Bock zum Gärtner gemacht wird, da wundert es wenig, dass bisher nur ganze sieben Akten von Folterern identifiziert wurden, von denen sich vier auf zivile Wachleute und drei auf Polizeibeamte beziehen. Dabei wird geschätzt, dass seit 1960 etwa 10.000 Bask*innen Opfer der Folterpraxis wurden. Der Entzug wird in einem Verwaltungsverfahren geregelt, die “Betroffenen“ haben die Möglichkeit des Widerspruchs.

Vereinigungen, die das Franco-Regime verteidigen, können nach dem neuen Gesetz aufgelöst werden. Da überrascht es wenig, dass die spanischen Post- und Neo-Franquisten dagegen Sturm laufen. Konsequenterweise hat der PP-Parteichef bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes erklärt, er werde das Gesetz sofort annullieren, falls er an die Regierung kommt. Verboten sein soll künftig “das öffentliche Eintreten für den Franquismus mit Verachtung und Erniedrigung der Würde seiner Opfer oder die direkte oder indirekte Aufstachelung zu Hass oder Gewalt“. Als Strafe wird die Auflösung oder der Entzug der Gemeinnützigkeit angedroht.

Wenn das Gesetz von der Regierung selbst ernst genommen wird, müsste das prominenteste Angriffsziel die “Stiftung Francisco Franco“ sein, die das ideologische Erbe des Massenmörders verwaltet und seine historischen Taten verteidigt und verehrt. Mehr noch: im Besitz dieser gemeinnützigen (!) Stiftung befinden sich staatliche Dokumente, die nie und nimmer in Privatbesitz sein dürften. Aber Spanien wäre nicht Spanien, danach kräht (fast) kein Hahn. Eine erste Nagelprobe für das Gesetz war der 20. November, Francos Todestag. Es gab Gedenkmessen und Kundgebungen, bei den der Führergruß noch das Wenigste war. Doch die Polizei hielt sich vornehm zurück, wen greift schon gerne Freunde und Gesinnungs-Genossen an … man werde den Sachverhalt prüfen …

Eine neue Kommission zur Umsetzung des Memoria-Gesetzes wird auch den Prozess der Beseitigung von Symbolen und Elementen überprüfen, die dem demokratischen Gedächtnis widersprechen und sich in Gebäuden des Ministeriums befinden. Außerdem werden die Bedingungen festgelegt, um das Recht auf freien, unentgeltlichen und allgemeinen Zugang zu den öffentlichen Archiven sowie auf Einsichtnahme in die Dokumente über den Staatsstreich, den Krieg von 1936 und die Franco-Diktatur zu gewährleisten und zu erleichtern, die sich möglicherweise in der Obhut oder im Besitz des Innenministeriums befinden.

(2022-12-25)

WOLFSATTACKEN IN BIZKAIA

Schafhirten aus dem Gorbeia-Massiv (zwischen Araba und Bizkaia gelegen) weisen darauf hin, dass die jüngsten Wolfsattacken schwere Schäden verursachen für eine Tätigkeit, die ohnehin in der Krise ist. "Wenn die Schafzucht schon im Niedergang begriffen war, so sind angesichts dieser Situation ihre Tage gezählt", warnen die Viehzüchter.

kolu39x25In der Gemeinde Zeanuri am Nordhang des Gorbeia gibt es nur noch zwei Familien, die sich diesem Beruf widmen, eine davon steht kurz vor der Pensionierung. Die zweite Züchterin, die zusammen mit ihrem Mann eine Herde von 500 Tieren betreut, räumt ein, in den letzten Monaten "drei schwere Angriffe mit 14 Tieropfern" erlitten zu haben. Ihr Partner schläft seit Wochen im Auto auf dem Feld, um zu verhindern, dass die Schafe sich entfernen. "Die Wölfe kommen immer näher an die Bauernhäuser heran, und der wirtschaftliche Schaden ist groß. Es ist ein weiterer Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, wir schlafen keine Nacht in Ruhe".

Von Januar bis Mitte Oktober hat die Provinz-Verwaltung Bizkaia "15 Angriffe im Gorbeia-Gebiet registriert, bei denen 13 Schafe getötet wurden " gezählt. Doch könnte die Zahl der durch diese Art von Angriffen getöteten Tiere höher sein, so die Schäfer. "Wir haben ein ernsthaftes Problem mit Wölfen, und es wird schlimmer. Sie lassen sich nicht blicken, immer wieder tauchen tote oder verletzte Tiere auf. Wenn wir ankommen, sind sie bereits von den Geiern gefressen worden und man sieht nur noch das Blut", sagt der Sohn eines der ältesten Hirten im Gebiet.

Früher wurde Jagd auf die Wölfe gemacht, bis sie fast ausgerottet waren. Nur in Burgos und im nahen kantabrischen Gebirge gab es in höheren Gebieten noch welche. Doch dann wurden die Raubtiere per Gesetz geschützt, zum Ärger der Hirten und Jäger, die einen Eingriff in die Zahl der Räuber bevorzugen. Es ist für niemand ein Geheimnis, dass die Wölfe nicht aus Hunger Schafe reißen, sondern aus ihrem Aggressionstrieb heraus.

Die Situation am Gorbeia sei "besorgniserregend" und zwinge die Hirten, die Tiere "so weit wie möglich nach unten zu bringen", erklären die Betroffenen. Einer mit etwas mehr als hundert Schafen beklagt: "In den Bergen ist es heutzutage sehr schwierig, sie zu halten". Die Zahlen, die der Provinzverwaltung vorliegen, sind ähnlich wie in der Vergangenheit, etwas höher als in den Vorjahren. Im Jahr 2021 gab es 14 Anzeigen und im Jahr zuvor 19. Das Hauptproblem für die Behörden ist, dass der Wolf eine "geschützte Art" ist und daher "außergewöhnliche Maßnahmen wie die Jagd" nicht durchgeführt werden können.

Entschädigung

Die einzige Option, die die Umwelt-Abteilung in Betracht zieht, sind "Entschädigungen zum Ausgleich der Verluste". Die Behörde hat der baskischen Regierung, die für die Ausarbeitung eines Dekrets zuständig ist, die "Besorgnis der Viehzüchter über die Situation" übermittelt. "Wir teilen sie, es ist dringend notwendig, dieses Dekret zu verabschieden". Darin sollen Beihilfen für den Kauf von Wachhunden und für die Aufstellung von abgeschlossenen Hütten als Notmaßnahmen für den Primärsektor möglich gemacht werden. "Bis der Beschluss gefasst ist, bleibt uns als einzige Lösung, die Schutzmaßnahmen selbst zu bezahlen. Man sagt uns, dass diese Hunde eine Option sind, aber wir sind es nicht gewohnt, mit ihnen zu leben", klagt ein Hirte. "Sie verursachen Probleme mit Menschen, die in den Bergen wandern gehen", fügt er hinzu.

(2022-12-23)

OFFIZIELLE TEAMS BEI PELOTA UND SURF

Ein Jahr und fünf Tage nach seiner Verabschiedung durch den spanischen Ministerrat hat das neue Sportgesetz am 22.12.2022 seine parlamentarische Behandlung abgeschlossen und wurde vom Plenum des Kongresses (Parlament) gebilligt. Das neue Gesetz weist – aus baskischer Sicht – eine besondere Neuheit auf: es öffnet baskischen Sportverbänden die Einschreibung in internationalen Föderationen und die Teilnahme an internationalen Wettbewerben unter dem Namen “Euskadi“. Was im Fußball von spanischer Seite hartnäckig abgelehnt wird, wird nun bei Pelota und Surf hochoffiziell genehmigt.

kolu39x23Umsonst war dieses Zugeständnis der Zentralregierung nicht. Es war der Preis für die Zustimmung der baskisch nationalistischen Partei PNV zum Staats-Haushalt der PSOE-Podemos-Regierung. Denn Haushalte werden längst nicht mehr nach ideologischen oder inhaltlichen Kriterien behandelt, sondern nur noch als Geschachere im Stil von “ich-gebe-dir-was-gibst-du-mir“. In diesem Fall waren die Stimmen der PNV so viel Wert, dass die Spanier von einem Dogma abwichen: dem der sportlichen Alleinvertretung auf internationaler Ebene durch spanische Verbände.

Die offizielle Erklärung dieser sportlichen Ausnahmeregelungen hat zu ihrer Legitimation gegenüber spanischen Ultranationalisten zwei Gesichter. Erstens sollen baskische Teams in Sportarten mit historischen Wurzeln im Baskenland zugelassen werden, sowie Verbände in solchen Sportarten, in denen die baskischen Verbände vor entsprechenden spanischen gegründet wurden. Das erste Kriterium erfüllt in Perfektion der baskische Traditionssport Pelota, dem baskische Wurzeln nachgesagt werden. Das zweite Kriterium erfüllt der baskische Surf-Verband, der älter ist als der spanische.

Die spanische Rechte (Ultrarechte) sieht in solchen Zugeständnissen nichts als die Gefahr des “Untergangs der großen Nation“. Im Baskenland hingegen existiert schon lange ein breiter gesellschaftlicher Konsens, eine internationale Beteiligung für alle baskischen Verbände zu fordern. So beantragte der baskische Fußballverband vor wenigen Jahren die Aufnahme in die UEFA und die FIFA – was dem spanischen FB-Verband selbstverständlich bitter aufstieß. Den internationalen Verbänden ist es relativ gleichgültig, ob hinter Mitgliedschaften Staaten oder Regionen stehen (Schottland, Nordirland, Puerto Rico oder Wales sind Mitglieder). Solche Anträge wurden in der Vergangenheit über das Veto der Staatsverbände (in diesem Fall Spaniens) abgewürgt.

Nach der Parlaments-Entscheidung (166 Ja-Stimmen, 157 Nein-Stimmen und 18 Enthaltungen) könnte es in Zukunft zu baskisch-spanischen Duellen in Pelota- und Surf-Wettbewerben kommen. Vergangenen Herbst fanden in Iparralde noch die Pelota-Weltmeisterschaften statt, bei denen alle Bask*innen unter spanischer Flagge antreten mussten und einen Sieg nach dem anderen verbuchten. Der Traum vieler Baskinnen und Basken ist es, mit Frauen und Männern an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilzunehmen. Sportlich gesehen könnten baskische Teams mit den Größen vieler Sportarten durchaus mithalten.

Das neue Sportgesetz beinhaltet im Übrigen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und gegen Diskriminierung. Es erkennt das Recht auf körperliche Betätigung und Sport an und führt unter anderem Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und gegen jede Art von Diskriminierung im Sport aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung, der Herkunft oder einer Behinderung ein.

2022-12-18

KATAR GEWINNT DIE WM

Perfektes Ende des WM-Turniers für Katars Scheich Al Thani und den Fußballclub Paris Saint Germain. Messi und Mbappé, die beiden Superstars und Führungsspieler ihrer jeweiligen Auswahl – Argentinien und Frankreich – standen sich im Finale gegenüber (nicht Marokko und Kroatien, was möglich gewesen wäre). Egal wer am Ende die Nase vorn hat, werden auch der Club PSG und Katar gewinnen, denn beide Stars spielen für PSG, das von dem Katari Al-Khelaïfi gekauft wurde, von Qatar Airways gesponsert und von dem Katar-Milliardär Nasser Al-Khelaifi präsidiert wird.

kolu39x18Vor dem Spiel: Mbappé und Messi lächeln. Nach dem Spiel nur noch die aus Argentinien. Und Katar gewinnt das Turnier. Das strahlendste Lächeln auf dem Gesicht hat der Scheich von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, der im arabischen Miniland über allem steht. Ungeliebte Staaten müssen sich Öffentlichkeit und Sympathien kaufen, das gilt für die Türkei in gleicher Weise wie Marokko oder Katar. Dazu dient auch der Erwerb eines europäischen Spitzenclubs. Sicher auch damals schon in Hinblick auf künftige Highlights. Al Thani gründete 2005 im Rahmen eines staatlichen Investment-Fonds Qatar Sports Investments und förderte eine Reihe internationaler Sportereignisse in Katar, die in der Ausrichtung dieser Fußball-WM gipfelten, mit dem Ziel, das internationale Profil des Emirats zu stärken.

Mit Nasser Al-Khelaifi als Vollstrecker seiner Befehle hat Al Thani seine Finanzkraft unter Beweis gestellt, indem er namhafte Spieler wie Mbappé, für den an Monaco 180 Millionen Euro gezahlt wurden, und im Sommer 2021 Lionel Messi vom FC Barcelona verpflichtete. Ganz zu schweigen von Neymar, der mit einer Ablösesumme von 222 Millionen Euro der teuerste Neuzugang der Geschichte war. Messi, Neymar und Mbappé gehören zu den gefürchtetsten Stürmern der Welt, doch im WM-Finale war nur Platz für zwei. Die Sieger standen ohnehin schon fest: Gewinnt Frankreich, gewinnen PSG und Katar – gewinnt Argentinien, gewinnen PSG und Katar.

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist seit mehreren Jahren der Eckpfeiler des Sportprojekts von Katar-Scheich Al Thani. Dieses Ereignis kulminierte nun auf fast schon idyllische Weise mit dem Image von PSG und Qatar Sports Investments, als der schnellste Legionär Kylian Mbappé auf den besten Spieler des Jahrhunderts traf: Lionel Messi. Alle Medaillen des Turniers sind vergeben, gewonnen hat Katar.

Wie solche Erfolge zustande kommen, haben die kürzlich erfolgten Festnahmen von Politiker*innen in Brüssel gezeigt. Alles über Scheckkarte, alles und alle haben ihren Preis, im EU-Parlament, bei der FIFA oder bei der UEFA. Erinnert sei, dass das spanische Pokalfinale nach Saudi Arabien verscherbelt wurde. Sport selbst spielt nur noch eine marginale Rolle, es geht um Global Players. Für den Club PSG und seiner Besitzer hatte es eine enorme Priorität, dass Mbappé während der Weltmeisterschaft in Katar eine ihrer Ikonen darstellt, deshalb durfte er nicht zu Real Madrid wechseln und verlängerte in Paris. Auch wenn er verloren hat, darf sich der Club PSG als Sieger fühlen.

(2022-12-17)

GAL- UND ETA-OPFER GEMEINSAM

ETA wurde gegründet, um den spanischen Faschismus zu bekämpfen. Die GAL-Todesschwadronen wurden gegründet, um nicht nur ETA, sondern gleich die ganze baskische Freiheitsbewegung zu bekämpfen und zu ermorden. Insofern ist davon auszugehen, dass ETA-Opfer vorwiegend politisch rechtsstehende Personen sind, und umgekehrt, GAL-Opfer tendenziell aus der Linken kommen. Doch manchmal, bevorzugt im Baskenland, stimmen diese Kategorisierungen nicht. Ein Beispiel.

kolu39x01Bei einem Treffen im Sitz von Gogora, dem “Institut für Erinnerung, Zusammenleben und Menschenrechte“ der baskischen Regierung, wurde ein Dokumentarfilm über den schmutzigen Krieg vorgestellt. “Schmutziger Krieg“ bedeutet, dass staatliche Instanzen und Politiker auf extralegalen Wegen, abseits von jeglicher Rechtsstaatlichkeit, gegen die baskische Unabhängigkeits-Bewegung vorgegangen sind, ein nicht erklärter aber tödlicher Krieg mit Morden und systematischer Folter. Das besondere an der Veranstaltung: es waren sowohl Angehörige von GAL-Opfern anwesend wie auch Angehörige von Opfern von ETA. Das gibt es nur im Baskenland, denn ETA-Opfer im Staat setzen sich nur mit den Postfranquisten von der PP oder gleich den Neofaschisten von Vox an einen Tisch.

Zurück zu Gogora (baskisch: Erinnern) und zur Präsentation von "Memoria eraikiz: GAL 1983" (Gedächtnis aufbauen: GAL 1983), einer Produktion des baskischen Fernsehens EITB und Gogora über den Ursprung des schmutzigen Krieges. Am Runden Tisch saßen Aintzane Ezenarro, Direktorin von Gogora, die Regisseurin des Dokumentarfilms, Maite Ibáñez. Daneben Karmen Galdeano, Tochter von Xabier Galdeano, der 1985 in San Juan de Luz (Donibane Lohizune) von einem GAL-Kommando ermordet wurde. Andere Opfer der GAL, wie Lurdes Oñederra, und mehrere Opfer von ETA, darunter Dori Monasterio, Abel Uceda und Mari Carmen Hernández, verfolgten mit Interesse die Beiträge aus den vorderen Reihen.

Karmen Galdeano (von ihrer Schwester Begoña begleitet) bedankte sich für "eine so reale und klare Dokumentation, die etwas bewirken sollte". Sie bedauerte, dass "wir immer wieder erneut zu Opfern gemacht werden, weil kaum jemand einen Finger rührt". Galdeano, Tochter des Journalisten und Direktors von EGIN, der auf dem Rückweg von einer Demonstration in Iparralde erschossen wurde, kritisierte "die wenigen Dokumente, die vom Staat freigegeben wurden, die dennoch viel aussagen und wie wenig mit ihrem belastenden Inhalt gemacht wurde". Sie forderte mit Nachdruck "eine institutionelle Erklärung des Staates, die anerkennt, dass nicht nur vier Beamte an dem Anschlag beteiligt waren, sondern dass es eine wohl organisierte Struktur gab und dass der Staat seine Verantwortung übernehmen und den verursachten Schaden anerkennen muss, wie dies auch von ETA und ETA-Gefangenen verlangt wird".

Die Direktorin von Gogora forderte "ein Gedenken, bei dem alle eingeschlossen sind und das an alle Menschenrechts-Verletzungen erinnert". "Es gab 32 Angriffe der GAL-Todesschwadronen mit 26 Toten und ebenso vielen Verletzten, von denen nur 11 Fälle untersucht wurden. Die Bestrafung der wenigen Polizisten und Politiker, die erwischt wurden, war lächerlich. Sobald sie verurteilt wurden, kam von politischer Seite eine Begnadigung. Diese Praxis wurde als Teilbegnadigung bezeichnet, aber am Ende bedeutete das weitestgehend Straffreiheit", beklagte sie. Der Staat ließ seine verdienten Krieger nicht im Stich, vor allem deshalb, um zu verhindern, dass einer beginnt, aus dem Nähkästchen zu plaudern und höherstehende Namen zu nennen.

Die Gogora-Direktorin forderte lud mehrere Zuhörer ein, das Wort zu ergreifen, insbesondere die anwesenden Angehörigen von ETA-Opfern. Mari Carmen Hernández argumentierte, "wir haben immer gefordert, dass die Fakten geklärt und die Akten freigegeben werden. All diese Menschen brauchen Gerechtigkeit". Dori Monasterio, Tochter eines von ETA ermordeten Taxifahrers (ein Verbrechen, das bis heute nicht aufgeklärt wurde) unterstützte "die Notwendigkeit von Gerechtigkeit und Aufklärung".

Diese Forderung wird von den Angehörigen von Opfern der GAL und von ETA übereinstimmend erhoben. Ein seltener, für spanische Verhältnisse undenkbarer Anblick: Die Opfer von GAL und ETA fordern gemeinsam "Gerechtigkeit". Für die baskische Regierung haben solche Fotografien einen enormen politischen Wert. Nur hier wird offen darüber gesprochen, dass es systematische Folter gab, nur hier wird offen kritisiert, dass Opfer von staatlicher Gewalt als Opfer dritter oder vierter Klasse behandelt werden. Zur jährlichen Demonstration für die Rechte der baskischen politischen Gefangenen, die regelmäßig im Januar stattfindet, ruft unter anderem eine Frau auf, deren Mann (ein Polizist) von ETA erschossen wurde. Baskische Verhältnisse.

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-12-17)

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