Operation Ausfahrt. Vorsicht!
Der Besenwagen ist vorbeigefahren, die berühmteste Tour der Welt ist passé und hat im Baskenland drei Tage lang ihre Spuren hinterlassen. Wunden werden geleckt, der Ausnahmezustand ist beendet, der Massentourismus nicht. Die Tour-Flüchtlinge kehren heim nach Donostia oder Bilbo, um mit einem spanischen Wahlkampf konfrontiert zu werden, der alles oder nichts verändert. Kreuzfahr-Schiffe gehen ein und aus, in Pamplona laufen die Stiere tägliche Ehrenrunden für den Macho und Nobelpreisler Hemingway.
Uztaila – Juli. Auch wenn die Ferien gerade angefangen haben, werden die Tage schon wieder kürzer. Operation Ausfahrt heißt das Phänomen, wenn Millionen auf ein Mal in den Urlaub fahren. Manche auch in den Autobahn-Tod. Getreide wird geschnitten, Schafe geschoren, zudem ist Wahltag.
(2023-07-30)
SKANDAL IM GEFÄNGNIS
Für die politischen Gefangenen ist der Übergang der Knast-Kompetenz von spanischen in baskische Hände deutlich spürbar. Im Herbst 2021 wurde diese Verwaltung ins Baskenland übertragen. Seither sind die “Politischen“ in ihren Rechten den “Sozialen“ eher gleichgestellt, die baskischen Behörden geben sich alle Mühe, die alte Sonderjustiz hinter sich zu lassen. Das gelingt nur bedingt, weil sich das Madrider Polit-Gericht Audiencia Nacional, in bester franquistischer Tradition, immer wieder einmischt und Prügel ins Getriebe wirft.
Der aktuelle Skandal betrifft einen ETA-Gefangenen, der bereits 24 Jahre verbüßt hat und dem noch 10 Jahre bevorstehen. Er musste zum Zahnarzt. Nachdem die entsprechenden Psychologen und Juristen befragt wurden, wurde dem gefangenen bestätigt, dass er reumütig sei, keine Wiederholung drohe und er sich gut benehme im Knast. Die Folge war, dass er alleine und ohne die übliche Begleitung zum Zahnarzt ging.
Das bemerkten die Beamten von der Brigada Movil der Ertzaintza, ein rechter Schlägertrupp, der normalerweise mit solchen Begleitungen beauftragt wird. Die hatten nichts Besseres zu tun als zur Presse zu gehen, um den „Skandal“ anzuzeigen. Nun kocht die rechte Szene, die “Opfer“ fühlen sich “gedemütigt und zutiefst verletzt“. Dahinter steckt die Haltung, dass ETA-Gefangene ihre Strafen bis zum letzten Tag absitzen müssen, für sie also keine 2/3- oder 3/4-Regelungen in Frage kommen. Das versuchten die baskischen Behörden zu ändern, es sind ihnen jedoch die Hänge gebunden, weil Madrid mehr zu sagen hat als Gasteiz. Vor nicht allzu langer Zeit war im rechten Diskurs ganz selbstverständlich und öffentlich davon die Rede, “die sollen doch im Gefängnis verfaulen“ (wörtlich: pudrir). Eine schöne Vorstellung von Resozialisierung auf Spanisch.
Trotz rechten Gegenwindes knickt die baskische Verwaltung nicht ein, man wolle das System humanisieren, man habe den Fall genau geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der unbegleitete Ausgang rechtlich und menschlich zu verantworten sei. Außerdem spare man Geld, wenn auf die Begleit-Kommandos verzichtet würde. Daran hängen sich die Kritiker nun besonders auf, als wäre es das einzige Argument. Der Skandal wird genüsslich ausgeschlachtet in der rechten Presse, in diesem Fall gegen die regierenden Christdemokraten, die ohnehin voller Sorgen sind nach ihrem Wahldebakel.
Der eigentliche Skandal in dieser Geschichte ist, dass die Hälfte der spanischen Gesellschaft tatsächlich noch in franquistischen Kategorien denkt, die Akzeptanz von Folter ist nur ein Beispiel. Zweiter Skandal ist die Haltung der Polizei, die eigentlich neutrale Ausführungsgehilfin sein sollte und nicht zur Presse geht, wenn ihr irgendwas nicht passt. Was in der geschichte überhaupt nicht erwähnt wird: der Gefnagene kam nach überstandener Zahnbehandlung aus freien Stücken zurück. Die Verwaltung hatte mit ihrer Einschätzung also völlig Recht.
(2023-07-27)
EINGELADEN - KEINE FLÜCHTLINGE
Jedes Mal, wenn ein Schiffsuntergang mit afrikanischen Migrant*innen die ethischen Grundsätze ins Zwielicht bringt, mit denen sich Europa zu brüsten pflegt, sind die Mainstream-Medien schockiert über die vielen verlorenen Menschenleben, die zerstörten Familien. Über das Drama, das es bedeutet, sich ins Mittelmeer zu wagen, nicht an Bord von Vergnügungs-Kreuzfahrschiffen, sondern in Kayukos und Einbaum-Booten unterwegs zu sein. In den Nachrichten wird dann die Verzweiflung derjenigen hervorgehoben, die in die Hände der Flucht-Mafia geraten und sich aufs Meer stürzen, da sie in ihren Heimatländern keine Chance auf ein besseres Leben haben.
Jedoch gibt es einen Aspekt, der in vielen heuchlerischen Chroniken ungenannt bleibt und der mit schmerzlicher Genauigkeit die Bewegung von Booten voller Afrikanerinnen und Afrikaner erklärt, die auf europäische Strände zusteuern. Diese von den Medien gewöhnlich unterschlagene Nuance lautet, dass diese Migrant*innen unsere Gäste sind. Sie sind die unmittelbare Folge der kolonialistischen Politik, die Europa weiterhin auf Länder anwendet, die als Giftmüll-Deponien oder als Fanggründe für seine Fischereiflotten genutzt werden, deren Felder ruiniert, deren natürliche Ressourcen geplündert wurden und werden, deren Regierungen abgesetzt und ersetzt werden, wenn ihre Wahlen nicht nach europäischem Geschmack verlaufen, und denen neue Grenzen nach neokolonialen Interessen gezogen werden.
Jedes Mal, wenn im Namen des Fortschritts, mit Gleichgültigkeit oder europäischen Stimmen Kriege nach Syrien, Libyen oder in den Jemen gebracht werden, laden wir gleichzeitig diejenigen nach Europa ein, denen wir Güter, Rechte und Lebensgrundlagen entzogen haben. Nicht als Migranten, Flüchtlinge oder Menschen ohne Papiere, sondern als eingeladene Gäste, ob die europäische Gesamt-Gesellschaft das nun will oder nicht. Es ist der "Ruf-Effekt", der die rechten Parteien so beunruhigt. In Europa kam die Vernunft abhanden, die Würde ging verloren. Wir können zuversichtlich sein, dass die Gäste nicht kommen, um Auto-Rallyes zu organisieren und Elefanten zu töten (Anspielung auf den König). (Baskische Presse)
(2023-07-26)
DAS SPANIEN-REISEMAGAZIN SCHREIBT …
“Baskenpartei für Minderheitsregierung unter Sánchez“ ist der Titel eines Wahlberichts eines deutschsprachigen Reisemagazin – schauen wir doch mal, wie die Aktien stehen:
Die baskische Partei Euscadi Herria Bildu gilt als wichtige politische Kraft in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland (A: leider ist nicht einmal der Name richtig geschrieben, Euskal Herria Bildu wäre besser). Sie spielte bislang eine Schlüsselrolle bei der Förderung der baskischen Identität und Autonomie (A: falsch, sie ist für Unabhängigkeit). Doch nun könnte sie bei den Koalitions-Gesprächen das Zünglein an der Waage sein. Nach den landesweiten Wahlen am 23. Juli 2023 in Spanien hat sie sich laut El País deutlich auf die Seite des amtierenden Regierungschefs Pedro Sánchez geschlagen.
Und das könnte Folgen für den eigentlichen Sieger der Wahl haben: Alberto Feijóo von der konservativen Volkspartei Partido Popular (PP). Zwar hat seine „Volkspartei“ (A: in Wirklichkeit Postfranquisten) bei den Wahlen mehr Stimmen erhalten als die PSOE unter Sánchez, doch für eine absolute Mehrheit gemeinsam mit der rechtsnationalen (A: neo-franquistischen) Partei VOX genügt es nicht. Das gibt Sánchez die Chance, wieder eine Minderheitsregierung zu bilden. Und genau dafür braucht er die kleinen Regionalparteien wie eben ehbildu, die immerhin 1,36 Prozent der Stimmen erhielt.
Nachfolgerpartei von Batasuna
eh bildu (EH Bildu) wurde 2012 als ein politischer Zusammenschluss linker baskischer Parteien gegründet. Die Partei entstand nach dem Verbot der ehemaligen Partei Batasuna, die als politischer Arm der Terrorgruppe ETA (Euskadi Ta Askatasuna) galt. (A: auch falsch, sie entstand nicht nach dem Verbot, sondern nachdem ETA einen definitiven Waffenstillstand verkündet hatte, das war 2012, 10 Jahre später). Bildu sieht sich dagegen als legale politische Plattform mit dem Ziel, die baskische Kultur und Sprache zu erhalten und die Unabhängigkeit des Baskenlands auf friedlichem Weg zu erreichen. eh bildu („Gemeinsam“) (A: falsch: die Übersetzung lautet: Baskisches Volk vereinigen) hat allerdings auch viele Schnittmengen mit der sozialdemokratischen PSOE, von der Umwelt- bis zur Sozialpolitik. Sie strebt die Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft und die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit an.
Politische Präsenz und Herausforderungen
Bildu unter der Führung des früheren Eta-Aktivisten Arnaldo Otegi gilt inzwischen sogar als stärkste Baskenpartei. Sie hat in regionalen, lokalen und europäischen Wahlen gute Ergebnisse erzielt und ist in einigen Städten und Gemeinden zur wichtigsten politischen Kraft aufgestiegen. Ihr Erfolg beruht teilweise auf der Mobilisierung derjenigen Wählerinnen und Wähler, die sich für die Unabhängigkeit des Baskenlands einsetzen und die kulturelle Identität der Region wahren möchten.
Einige Kritiker werfen der Partei vor, nicht klar genug von der Vergangenheit von Batasuna und der ETA distanziert zu sein, was die Parteiführung aber vehement abstreitet. Unstrittig aber ist: Parteichef Otegi war in den 1970er Jahren auf der Flucht vor der Polizei, weil er mit vorgehaltener Waffe für die ETA Autos beschlagnahmt haben soll und offenbar sogar eine ganze Tankstelle in die Luft jagte.
Fazit: eh bildu ist im Baskenland inzwischen sogar erfolgreicher als die nationalistische PNV (A: baskische Christdemokraten), die bei den letzten Landeswahlen auf 1,12 Prozent der Stimmen gekommen ist. Gleichzeitig ist sie trotz der separatistischen Töne für Pedro Sánchez auch schon im Vorwahlkampf ein verlässlicher kleiner Partner gewesen. Beide Parteien wollten unbedingt eine rechtsnationale Koalition von PP und VOX verhindern. Und wie es aussieht, könnte das sogar knapp gelingen. (A: Weil EHB keinen Zweifel an einer Unterstützung für Sánchez lässt, ist die Partei zwar wichtig für eine Mehrheit, aber nicht das Zünglein an der Waage, diese Rolle kommt vielmehr der rechten katalanischen Unabhängigkeits-Partei Junts per Cat zu, die das Recht zu einem Referendum einfordert).
Bitte besser recherchieren!
(2023-07-24)
NACH DEM STUHLGANG
Spanien hat gewählt, das Baskenland hat gewählt, auch Katalonien hat gewählt. Mit ziemlich unterschiedlichen Ergebnissen und Tendenzen. Spanien rückt nach rechts, das Baskenland nach links, Katalonien stagniert.
Ergebnisse
1. Gewonnen hat die postfranquistische PP, 47 zusätzliche Sitze (jetzt 136) reichen der bisherigen Oppositionspartei aber nicht zur Mehrheit, auch nicht mit Hilfe der befreundeten Faschisten. 2. Zur großen Überraschung vieler gewann auch die Regierungspartei PSOE, wenn auch nur zwei Sitze, dazu. Als zweite Kraft stehen Verhandlungen an mit einem halben Dutzend Kleinparteien. 3. Die Faschisten von Vox stürzten von 52 auf 33 Sitze ab und fragen sich, ob es an ihnen selbst lag, oder am polarisierten Wahlkampf, den sie selbst mit angeheizt hatten. 12% Faschistenanteil sind zwölf Prozent zu viel. Bemerkenswert, dass die Partei im Baskenland und Navarra weiter kein Bein auf die Erde bekommt.
4. Für einen weiteren Sturz verantwortlich zeichnete die Podemos-Nachfolge Sumar (von 38 auf 31), für die es hätte schlimmer kommen können. 5. Die Ergebnisse in Katalonien bewegten sich von Unabhängigkeits-Kräften hin zu staatstragenden, die Sozialdemokraten waren die Nutznießer. 6. Im Baskenland blieb die linke Koalition EH Bildu auf der Überholspur, die rechte PNV muss sich fragen, wo plötzlich 100.000 Wahlstimmenabgeblieben sind.
Analyse
(*) Nachdem zuletzt kleinere Parteien Erfolge verbuchten (Podemos, Ciudadanos, Vox) wandte sich das Publikum nun wieder dem Dualsystem von PP und PSOE zu. (*) Als Wahlgewinner fordert PP-Chef Feijoo das Recht zur regierungsbildung, eine Mehrheit hat er aber nicht. (*) Die könnte Sanchez von der PSOE zusammenbasteln, mit baskischen und katalanischen Linken und Rechten. Die rechte Presse interpretiert das mit „Sanchez in der Hand der Sezessionisten“. (*) Zünglein an der Waage spielt dabei die katalanische Rechtspartei JUNTS, die eisern auf Unabhängikeit besteht. Als Preis für eine Regierungsunterstützung fordert sie eine Amnestie für die wegen des Unabhängigkeits-Referendums Verurteilten und die Genehmigung eines Referendums a la Schottland. Das überschreitet für die Sozialdemokraten die Schmerzgrenze. (*) Einmal mehr gingen die baskischen Ergebnisse gegen den Strom. Möglicherweise zieht die rechte Verliererpartei PNV dieselbe Handbremse wie Sanchez im Mai und ruft vorgezogene Regionalwahlen aus, um die negative Dynamik zu bremsen.
Aussichten
Beide Blöcke – ultrarechts und extrem rechts, sowie sozialdemokratisch und unabhängigkeits-freundlich – werden alles in die Waagschale werfen, am Drücker zu bleiben. Schmutz aller Art inbegriffen. Eine Minderheits-Regierung, welcher Farbe auch immer, ist denkbar. Neuwahlen ebenfalls. Nach dem Wahlkrampf, der Koalitionskrampf. Politik wird wenigstens bis zum Herbst völlig in den Hintergrund treten.
(2023-07-23)
FASCHISTEN IN DIE REGIERUNG?
Am heutigen Sonntag 23.7.2023 geht es für Ministerpräsident Pedro Sánchez ums Ganze: er will Spanien weitere vier Jahre mit der Koalition aus seiner sozialdemokratischen PSOE und dem links-alternativen Bündnis Sumar aus 15 Parteien regieren – darunter die postkommunistische Vereinigte Linke und die linkspopulistische Podemos. Sumar, die erstmals die gesamte Linke jenseits der PSOE eint, wird von der bisherigen Arbeitsministerin Yolanda Díaz angeführt, die bei Podemos putschartig die Führung übernommen hat. Sie hofft, drittstärkste Kraft zu werden und damit der faschistischen VOX-Partei Konkurrenz zu machen.
Der Chef der postfranquistischen Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, ist bereit, mithilfe jener Rechtsextremen in den Regierungspalast einzuziehen. Umfragen sprechen für ihn und nicht für Sánchez, der die Kommunal- und Regionalwahlen am 28. Mai verlor und deshalb die Parlamentswahlen um ein halbes Jahr vorzog.
Sánchez und Díaz werben für die Politik ihrer Koalition. Während der Covidpandemie und der Ukrainekrise hat diese den Sozialstaat in Spanien ausgebaut. Der Mindestlohn stieg um 50 Prozent, die Renten wurden leicht angehoben. Auch der Kündigungsschutz, den einst die PP im Zuge der Eurokrise aufweichte, wurde wieder erweitert. Seither gibt es mehr Festanstellungen in Spanien denn je. Erstmals hat das Land außerdem ein Mieterschutzgesetz. Ein breites Kurzarbeits-Programm rettete viele Arbeitsplätze in der Tourismus-Branche über die Coronakrise hinweg. Diese Sozialpolitik ist von wirtschaftlichen Erfolgen begleitet. Während andere EU-Länder in eine Rezession rutschen, wächst Spaniens Wirtschaft.
All diese Maßnahmen brachte die sozialliberale Regierung dank eines Sammelsuriums kleinerer Parteien aus Regionen wie dem Baskenland und Katalonien so durchs Parlament. PP und VOX stimmten selbst dann dagegen, wenn sich – wie etwa bei der Arbeitsmarkt-Reform – Gewerkschaften und Arbeitgeber bereits geeinigt hatten. Feijóo hat bereits angekündigt, einen Großteil der Reformen zurücknehmen zu wollen, sollte er an die Regierung kommen.
Die Rechte hat mit einer großangelegten Kampagne gegen das, was sie „Sánchismus“ nennt, erreicht, dass die Linkskoalition trotz dieser Erfolge um die Wiederwahl fürchten muss. Sánchez würde Spanien zerstören und es den „Feinden des Vaterlandes“ ausliefern. Damit gemeint sind neben der Linken die Unabhängigkeits-Parteien aus dem Baskenland und Katalonien, die entgegen der PP und VOX viele Entscheidungen mit ihren Stimmen durchs Parlament brachten.
Doch Feijóo hat ein Imageproblem. Bilder aus den 1990er Jahren zeigen ihn mit einem Baron der Drogenmafia aus seiner Heimat Galizien auf dessen Jacht. Er habe nicht gewusst, womit sein Freund, gegen den damals bereits ermittelt wurde, sein Geld verdient, erklärte er.
Und anders als vor den Kommunal- und Regionalwahlen regiert die PP mittlerweile in über 100 Städten sowie in fünf Regionen in Koalition mit der faschistischen VOX. Es zeigt sich bereits, was das bedeutet: In Regionen mit eigener Sprache wird Spanisch wieder zur Hauptsprache ernannt. Umweltzonen und Fahrradwege werden abgebaut. Bürgermeister verbieten die LGTB-Fahne an öffentlichen Gebäuden ebenso wie Kundgebungen gegen sexualisierte Gewalt. Theaterstücke und Filme werden abgesetzt, weil sie homosexuelle Szenen enthalten oder die Repression der Franco-Diktatur anklagen. Auf dem Weg zurück in den Franquismus.
(2023-07-20)
KAUFKRAFT-VERLUST
Der baskische Durchschnittslohn von 2.100 Euro verliert 5% an Kaufkraft. Zwar sind die bei Streiks erkämpften Lohnerhöhungen im Baskenland höher als im übrigen Spanien, die Preissteigerungen sorgen dennoch dafür, dass die Arbeitnehmer stärker unter der Inflation leiden. Auch im vergangenen Jahr war das Baskenland nach Madrid die Region mit den zweithöchsten Löhnen und Gehältern, musste aber einen größeren Kaufkraftverlust hinnehmen als das übrige Spanien. Der Grund dafür ist, dass der Anstieg der Gehälter geringer war als die Inflation, die um 8% anstieg. Dies ist die wichtigste Schlussfolgerung einer nun veröffentlichten Studie.
Der der vom Nationalen Institut für Statistik erstellte Bericht enthält folgende Daten. Zum einen wird das durchschnittliche baskische Gehalt mit 2.099 Euro angegeben, womit das Baskenland nach Madrid mit 2.139 Euro den zweiten Platz in der staatlichen Rangliste einnimmt. Der spanische Durchschnitt liegt mit 1.822 Euro deutlich darunter. Das Baskenland führte diese Rangliste seit Jahren an, aber die Gehälter müssen mit den Lebenshaltungskosten in den einzelnen Regionen abgeglichen werden, und in dieser Hinsicht stehen die baskischen Arbeitnehmer nicht so günstig da. Die Gehälter im Baskenland stiegen im vergangenen Jahr durchschnittlich um 2,4%, ein magerer Prozentsatz im Vergleich zu einer galoppierenden Inflationsrate von 8%. Daraus ergibt sich ein Kaufkraftverlust von 5,3%.
Auf staatlicher Ebene fiel dieser Kaufkraftverlust geringer aus. So stieg der Durchschnittslohn um 4%, so dass der Verlust angesichts der Inflation 4% betrug. Der gravierendste Aspekt ist, dass diese schlechteste Zahl nicht nur für das Haushaltsjahr 2022 gilt, sondern sich in den letzten Jahren wiederholt hat. Die Studie geht bis ins Jahr 2017 zurück und kommt zu dem Schluss, dass der Kaufkraftverlust im Baskenland über einen Fünfjahres-Zeitraum 4,7% beträgt, verglichen mit dem nationalen Durchschnitt von 2,5%.
Aufgrund dieser Diskrepanz hat Madrid gegenüber dem Baskenland sogar noch weiter aufgeholt. Im Jahr 2017 war das Durchschnittsgehalt nur 0,1% niedriger als in der Hauptstadt, im vergangenen Jahr hat sich dieser Unterschied auf 1,8% erhöht. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren. Der Durchschnittslohn in der baskischen Industrie beträgt 2.496 Euro und ist damit nach Madrid der zweithöchste im Staat. Im Baugewerbe liegt er bei 2.121 Euro, hier ist das Baskenland landesweit führend. Im Dienstleistungssektor liegt das Gehalt bei 1.990 Euro, auch in diesem Bereich liegt die Autonome Gemeinschaft Baskenland hinter Madrid an zweiter Stelle. Das Baugewerbe war der Sektor, in dem die Gehälter im vergangenen Jahr am stärksten gestiegen sind, nämlich um 6,7%. In der Industrie lag der Anstieg bei 4,2% und im Dienstleistungssektor bei 1,8%.
(2023-07-19)
90.000 AUSLÄNDISCHE ARBEITER*INNEN
Im Baskenland gibt es jetzt mehr als 90.000 ausländische Arbeitnehmer*innen, eine Rekord, der im Juni aufgestellt wurde, Zugewanderte machen gleichzeitig mehr als 60% der neuen Mitglieder der Sozialversicherung aus. Dies geht aus den soeben veröffentlichten Daten des Ministeriums für Sozialversicherung und Migration hervor.
Die Einwanderer*innen gewinnen somit an Präsenz auf dem baskischen Arbeitsmarkt, indem sie vor allem den Arbeitskräftemangel in den prekärsten Sektoren weitgehend ausgleichen. Das zeigt sich daran, dass ihr Durchschnittsgehalt nur 20.096 Euro beträgt, gegenüber 31.628 Euro bei Einheimischen. Das heißt, sie verdienen 36% weniger, wie aus den Statistiken des Nationalen Statistik-Instituts (INE) hervorgeht.
Die Zahl der ausländischen Beitragszahler*innen erreicht seit einiger Zeit Rekordwerte, von den neuen Beitragszahler*innen in der Sozialversicherung stellten sie in den letzten zwölf Monaten mehr als 60%. In absoluten Zahlen ausgedrückt: 9.539 der insgesamt 15.775 neuen Mitglieder. Das ist darauf zurückzuführen, dass bei der einheimischen Bevölkerung mehr Personen in Pension gehen als dass junge Menschen in den Arbeitsmarkt in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dies aufgrund der niedrigen Geburtenrate der Einheimischen, die bereits Geschichte hat.
Auffallend ist, dass das Baskenland zu den Regionen mit den meisten Einwanderer*innen gehört: nur Galicien (15,9%), Aragon (12,42%) und die Balearen (12,13%) liegen darüber. Trotz dieses spektakulären Anstiegs liegt ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beitragszahler im Baskenland bei nur 9% und damit immer noch weit unter den 13%, die sie im Staat insgesamt erreicht.
Die fast durchweg schlechter bezahlten Migrant*innen sind vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe präsent, wo sie bereits 15.560 Beschäftigte zählen, gefolgt von den Hausangestellten mit 12.512 Personen, von denen die große Mehrheit Frauen sind. An dritter Stelle steht der Handel (11.895), dicht gefolgt vom Baugewerbe (11.040). Was die Herkunft betrifft, so kommen 21.640 Personen aus der EU, wobei Rumänien mit 10.240 Personen an der Spitze liegt, während 68.414 Personen von außerhalb der EU kommen. Marokko führt diese zweite Gruppe an (8.627 Beitragszahler), gefolgt von Kolumbien (7.754), Nicaragua (6.822) und Venezuela (4.783).
(2023-07-17)
FEST IM GRIFF DER POLIZEI
Soll noch jemand behaupten, im Baskenland werde nicht mit zwei Maßen gemessen … ein Blick in die Reihen aufsässiger Polizisten – ertzainas – reicht aus, um das Gegenteil zu erkennen. Was sich da aktuell abspielt, findet so schnell keinen Vergleich. Einige der Cipayos, wie sie hier wegen ihrer unfreundlichen Umgehensweise unfreundlich genannt werden, sind nicht mehr zufrieden mit ihren bisherigen gewerkschaftlichen Vertretern und haben sich in einer Plattform formiert, die sich „Ertzainas im Kampf“ nennt. Im Kampf, diesmal nicht gegen das organisierte Verbrechen, sondern für einen neuen Tarifvertag und bessere Gehälter.
1.000 Euro mehr soll das bringen. Wer wollte sich dieser Forderung nicht anschließen, aber es sind ja Cipayos …Polizisten, die drohen, den Tourstart in Bilbo platzen zu lassen (“Ohne uns keine Tour“), auf den die gesamte politische Klasse in Euskadi doch doch so was von stolz ist. Polizisten, die demonstrieren, wo ihnen gerade der Hammer hängt und phantasievolle Aktionen wählen, für die andere ein Jahr in den Knast wandern würden.
Die Tour zu verhindern war dann doch etwas zu hoch gehängt, doch die ersatzweise Arbeitsverweigerung war beeindruckend. An einem Tour-Tag waren plötzlich 15% der Belegschaft, in Zahlen 1.200 Mann, krank geschrieben. Und das ohne Pandemie und Gelbfieberplage. Alle Achtung – die Betriebsräte von Mercedes oder Michelin könnten sich eine Scheibe davon abschneiden. Interessantes Thema für die nächste Fortbildung … Die übrigen 85% der Blau-uniformierten waren hingegen weniger glücklich, denn sie mussten Ersatz leisten für alle Ausfälle. Wenig solidarisch. Bei Daimler wären die Bänder still gestanden, aber bei den Bullen ist derartiges nicht denkbar, die organisierte Kriminalität hätte es gedankt.
Was die sich trauen, auf was die kommen … zum Beispiel, direkt vort dem Parlament zu demonstrieren, und nicht nur das, den Autoverkehr und die Straßenbahn zu stoppen … das hatten vor ihnen schon andere Streikende versucht, und hatten heftig auf die Mütze bekommen. Von wem, fragt da jemand – na von denselben Blau-Uniformierten, die dafür bezahlt werden, dass der Straßenverkehr ordentlich abläuft, ohne lästige Einflüsse von läsitigen Demos. In diesem Fall standen sich Bullen und Cipayos gegenüber, oder umgekehrt, friedlich bis in die Haarspitzen. Der Öffentlichkeit stach die Ungleichbehandlung natürlich ins Auge, dem innensenator war es peinlich.
Doch weil der Tausender für alle noch nicht gedruckt wurde, geht die Geschichte weiter. Heute früh, zur Hauptverkehrszeit, haben die “Kämpfenden“ die Autobahn blockiert und einen Stau sondergleichen provoziert, für den sonst wenigstens ein Tanklaster hätte ausbrennen müssen. Schwerer Eingriff in den Straßenverkehr könnte das genannt werden, aber Schwamm drüber, es geht ja um berechtigte Wünsche – für die andere nochmal ein Jahr hinter Gitter gehen würden.
Spricht jetzt noch jemand von gleichem Maß für alle? Sie haben alles fest im Griff. Nicht die vom Innensenat, auch nicht die Zivilbullen, sondern die Bullen in Zivil, in ihrer Freizeit (falls nicht gerade eine Krankschreibung mithilft). Sie haben alles fest im Griff. Nicht die öffentliche Ordnung, sondern die Polizeiführung. Eine ganz neue Facette des Polizeistaat, von dem wir immer gesprochen haben.
(2023-07-16)
DIE SKEPSIS NIMMT ZU
Langsam könnte es doch zu viel werden … das denken sich immer mehr Baskinnen und Basken, wenn sie auf Tourismus angesprochen werden. Dem Überfluss an Touristen. Immerhin 15% finden es gar nicht gut, dass es in ihrer Stadt so viele Besucher gibt, obwohl acht von zehn weiterhin der Meinung sind, dass der Tourismus im Baskenland "nachhaltig" sei. Aber was ist schon nachhaltig – beim Einkauf keine Plastiktüten zu verwenden (aber weiter auf Teufel komm raus zu konsumieren), wie das internet uns glauben machen will?
Der Tourismus im Baskenland steuert auf ein weiteres Rekordjahr zu. Im Jahr 2022 wurden mit 4,2 Millionen Besuchern alle vorherigen Rekorde gebrochen, fast doppelt so viele Besucher*innen wie Einheimische. Der Sektor ist zu einer der treibenden Kräfte der Wirtschaft geworden und sorgt für die Schaffung von Arbeitsplätzen, 95% davon unter aller Sau. Aber er hat auch begonnen, seine Schattenseiten zu zeigen. Steigende Mietpreise, die Schließung kleiner Läden zugunsten großer Ketten und nicht selten überfüllte Straßen. Für 75% der Bevölkerung ist die Tatsache, dass das Gebiet ein immer attraktiveres Reiseziel ist, ein "positives Element für das tägliche Leben", es stört das tägliche Leben nicht besonders. Diese positivere Sichtweise der Reisetätigkeit hat sich jedoch in den letzten Jahren in den Städten verringert, in denen der Tourismus "überhand nimmt".
Das Büro für soziologische Untersuchungen der baskischen Regierung hat in Zusammenarbeit mit Basquetour seinen dritten Bericht über die Wahrnehmung des Tourismus in der baskischen Gesellschaft veröffentlicht. In das Dokument sind die Ergebnisse der beiden anderen Studien aus den Jahren 2021 und 2022 eingeflossen, in einem der Abschnitte wird ein Vergleich mit einer anderen Erhebung aus dem Jahr 2016 angestellt. Und an dieser Stelle sind die wichtigsten Veränderungen zu erkennen.
In jenem Jahr gab es ebenfalls einen Rekord an Touristen: 3,4 Millionen, was deutlich unter den aktuellen Ziffern liegt. Damals sagten nur 4% der Bevölkerung in besucherstarken Gegenden, dass sie sich gestört fühlen, während 63% den Zustrom von Touristen begrüßten. Im Jahr 2023 sind es bereits 15%, die Bedenken haben, und die Jasager sind auf 48% geschrumpft.
Die Abteilung für Tourismus, Handel und Verbraucher-Angelegenheiten spielt die Bedeutung dieser Zahlen herunter, da es sich nicht um eine "sehr hohe Quote" handelt. Sie glauben, dass die Zunahme der Zahl der Leute, die Tourismus in ihren Straßen ablehnen, "Teil der Logik der größeren Massen sei". Sie heben die positiven Aspekte hervor. Zum Beispiel, dass "81% der Befragten sagen, dass der Tourismus im Baskenland verantwortungsvoll und nachhaltig" betrieben werde. Dagegen spricht die wachsende Zahl von Kreuzfahrschiffen, die in Bilbo Einzug hält und deren ökologische Folgeschäden bekanntermaßen von vielen als immens betrachtet werden. Doch genau auf diese Karte setzt Bilbao. Der zuständiger Senator betont, dass "97%" der Meinung sind, dass er eine "wichtige Aktivität für die Wirtschaft" des Baskenlandes sei – woher er das nimmt, bleibt sein Geheimnis, wichtig vielleicht noch, aber fatal auf jeden Fall.
Das wirtschaftliche Gewicht wächst. Nach den Prognosen des Baskischen Instituts für Statistik wird sich der Tourismus in diesem Jahr mit 5,7 Milliarden Euro auf die baskische Wirtschaft niederschlagen, fast 7% des Brutto-Inlands-Produkts. Diesen Sommer könnte die Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr "zwischen 5 und 10%" steigen, vor allem im Hotel- und Gaststätten-Gewerbe und im Tourismus – jene Bereiche, die für die schlechtesten Arbeitsbedingungen und Löhne bekannt sind.
Die Tour de France, die Rückkehr wichtiger Kongresse und Messen, die 156.000 Passagiere, die in dieser Saison am Kreuzfahr-Terminal in Getxo anlegen, der erwartete Rekord in den Pilgerherbergen – all das wird als Erfolg gewertet.Doch immer mehr Leute sind der Ansicht, dass der Schaden größer ist als der Nutzen. Vor allem für die kleinen Leute. Denn dass die Reichen und Hotelbesitzer ihren Reibach machen, daran zweifelt niemand.
(2023-07-13)
TRIBUT DER DREI KÜHE
Wie jedes Jahr am 13. Juli, seit fast 650 Jahren, fand im Pyrenäenort Belagoa die Zeremonie des Tributs der drei Kühe statt, eines der ältesten traditionellen grenzüberschreitenden Abkommen in Europa. Dazu treffen sich die Bürgermeister von Erronkari aus Hegoalde und Baretous aus Iparralde, und versprechen sich gegenseitigen Respekt und Einverständnis bei der Nutzung der Pyrenäenweiden.
Der Tribut der drei Kühe blickt auf eine fast 650-jährige Geschichte zurück, wurde. Die Vereinbarung geht auf das Jahr 1375 zurück und beendete die Streitigkeiten zwischen den Grenztälern von Erronkari und Baretous um die Nutzung der Weiden. Der Tribut (jedes Jahr am 13. Juli) ist eine Sachleistung in Form von drei Kühen, die die Viehzüchter des nördlichen Baretous-Tals an ihre südlichen Grenznachbarn in Izaba, Garde, Urzainki und Uztarrotze (alle im Erronkari-Tal) für das Weide-Recht zahlen.
In Vorwahlzeiten gab sich auch die navarrische Ministerpräsidentin ein Stelldichein, um neben dem historischen auch an das touristische Interesse des Tributs zu erinnern. Die Zeremonie sei von großer symbolischer Bedeutung, da sie eine Erneuerung des Friedens und der guten Beziehungen zwischen den Nachbarn auf beiden Seiten der Grenze darstellt, ein Abkommen, das noch heute eingehalten werde. Angesichts des Krieges "vor den Toren Europas“ habe das Abkommen einen besonderen Wert. Nach diesem unsinnigen Vergleich fehlte nur noch der Aufruf, jenen Krieg mit drei Kühen zu beenden. Vorwahlzeiten.
Das zu übergebende Vieh muss ohne Makel und von Rasse sein. Vor der Übergabe der Tiere erneuern die Bürgermeister der Grenztäler in traditioneller Tracht der Region das Friedensgelöbnis. Dieses Versprechen wird symbolisch besiegelt, indem sie ihre Hände auf den St. Martinsstein legen, der die Grenze zweier Staaten markiert. Heute handelt es sich um den Grenzstein 262 zwischen Frankreich und Spanien, im 14. Jahrhundert hingegen war es keine Grenze, weil beide Seiten der Pyrenäen zum Königreich Navarra gehörten, das bis 1512 existierte. Der Ausruf "pax avant" (von nun an Frieden) wird unisono als Zeichen der Zusammenarbeit wiederholt.
Ursprung und Grund für die Zahlung sind unbekannt. Sie wurde Jahrhunderte lang kontinuierlich durchgeführt, im 14. Jahrhundert aber eingestellt, was zu zahlreichen Auseinandersetzungen führte. Es folgte ein Schiedsspruch, der seit 1375 ohne Unterbrechung durchgeführt wird. Der Vertrag stützt sich auf den Schiedsspruch der Aragon-Gemeinde Ansó, nachdem die Streitparteien einen neutralen Vermittler gesucht hatten. Ansó war als Teil eines anderen Königreichs perfekt geeignet. Im Jahr 2011 erklärte die Regierung von Navarra das Ereignis zum immateriellen Kulturgut und zu einem Fest von touristischem Interesse.
(2023-07-12)
BITTE SPARSAM MIT WASSER
In Afrika ist die Notwendigkeit längst bekannt, mit Wasser gut zu haushalten und sparsam umzugehen. Wenn Flüsse gestaut werden, wird Wasser für die Nachbarn flussabwärts knapp und ist bereits zum Konfliktstoff geworden. Der Streit zwischen Irak und der Türkei ist ein flagrantes Beispiel, solange die Türken den Zufluss im Zweistrom-Land dosieren. Bisher war das Thema Wasserknappheit ein Problem der sogenannten Dritten Welt, mit der Klimakatastrophe und ihren Auswirkungen ist es im kapitalistischen Norden angekommen.
Wo bisher im Überfluss verbraucht und gewissenlos verschleudert wurde, werden plötzlich Restriktionen eingeführt. In katalanischen Regionen wird von 200 Uhr bis morgens um sieben das Wasser abgestellt, woanders ist Autowaschen und Rasensprenkeln verboten, weil bereits ganze Frucht und Gemüseernten gefährdet sind oder wegen Trockenheit bereits “den Bach runter“ sind – ein zum realen Zynismus gewordener Metapher. Die Konsumgesellschaften haben sich immer schwer getan, mit allen denkbaren Rohstoffen verantwortlich umzugehen, oder gar, sich an eine gewissen Knappheit zu gewöhnen. Im Baskenland wird nach wie vor unter laufendem Wasserhahn das Geschirr abgewaschen.
Während die Armen mit großen Kübeln an öffentliche Wasserstellen gehen, um ein Minimum an Ausgaben zu sparen, wirft ddie bürgerliche Gesellschaft das Wasser buchstäblich zum Fenster hinaus. Während andernorts die Natur graubraune Brennfarbe annimmt, muss die Liebelings-Spielwiese der Mittel- und Oberklasse in weiter in kräftigem Grün leuchten. Von Golf ist die Rede.
“Golfplätze verbrauchen mehr Wasser als Spaniens Großstädte“ titelt eine Zeitung. “Trotz großer Dürre bewässern Golfplätze immer noch stark ihre Flächen.“ So ganz neu ist das Thema gar nicht. Von Massentourismus und Golf-Unkultur heimgesuchte Inseln – wie Mallorca oder La Gomera – haben schon seit Jahrzehnten Probleme mit dem Grundwasserspiegel, der aufgrund von immensem Verbrauch ständig sinkt und die Umwelt gefährdet. Wasserintensive Golfplätze an erster Stelle. Mit vollestem Recht protestieren dagegen nun Klimaaktivisten. Es handelt sich nicht nur um ein ökologisches Problem, sondern auch und vor allem eines der ungleichen Verteilung von Rohstoffen, um Arroganz angesichts einer weltweit drohenden Katastrophe. Es handelt sich um ein Grundproblem des Kapitalismus: während bei den einen der Stoff zu neige geht, hauen die andern weiterhin rücksichtslos auf den Putz.
Der spanische Staat erlebt gerade eine der größten Dürren und trotzdem sollen hunderte Golfplätze weiter im großen Stil bewässert werden. Deshalb haben Klimaaktivisten damit begonnen, nun auf ungewöhnliche Weise gegen den Verbrauch von 100.000 Liter Wasser pro Golfloch zu protestieren. Denn so viel Wasser wird für die Grünhaltung eines kleinen Teils des Golfplatzes veranschlagt.
Klimaaktivisten der Gruppe Extinction Rebellion Spain haben auf zehn Golfplätzen in Spanien die Golflöcher mit Zement oder Gemüsepflanzen gefüllt. Damit wollen sie den hohen Wasserverbrauch auf Golfplätzen denunzieren. Nächtliche Aktionen in Barcelona, Madrid, Valencia, im Baskenland, in Navarra und auf der Insel Ibiza richten sich gegen die „Wasserverschwendung während einer der schlimmsten Dürren, die Europa je erlebt hat“. Gelinde gesagt.
Extinction Rebellion erklärt unter Berufung auf Zahlen der Umweltschutz-Organisation Ökologinnen in Aktion, dass nur ein Loch eines Golfplatzes mehr als 100.000 Liter Wasser pro Tag verbrauche, um das umliegende Grün zu erhalten. “Im spanischen Staat werden täglich 437 Golfplätze bewässert“, kritisieren sie. Damit sei der Wasserverbrauch der Golfplätze höher als der der gesamten Bevölkerung von Madrid und Barcelona zusammen. Dass nur 0,6 Prozent der Bevölkerung dem Golfsport nachgehen versetzt dem Elitensport seinen verdienten Stempel.
(2023-07-11)
ÜBER DAS BASKISCHE
Auf der Seite “tourismus.euskadi“ werden deutschsprachige Reisewillige daran erinnert, dass Euskadi, oder, die Autonome Region Baskenland eine eigene Sprache hat. ImStil von “Was Sie schon immer wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“ wirft die Seite 10 Dinge über die baskische Sprache Euskara in den Kampf um Tourismus-Anteile, “die Sie sicher noch nicht wussten“. “Kaixo“, “egun on“, “pintxo“, “agur“, “bai“ – so wird gefragt: “Kommen Ihnen diese Wörter irgendwie bekannt vor?“ Die nicht gegebene Antwort ist selbstverständlich Nein, schließlich handelt es sich lediglich um einen Werbe-Gag.
Es folgen einige Feststellungen: “Es heißt, das Baskische sei eine schwierige Sprache. Klar ist jedoch nur, dass sie keiner anderen Sprache ähnlich ist und man daher auch heute noch nicht weiß, woher sie stammt. Sicher ist, dass sie die älteste (überlebende) Sprache Europas ist. Möchten Sie mehr interessante Tatsachen über das Baskische wissen? In diesem Post werden Sie einige davon kennenlernen.“ Also los!
1. Älteste Sprache Europas: Nach Ansicht der Sprachwissenschaftler und Forscher auf dem Gebiet des Baskischen handelt es sich um die älteste europäische Sprache. Niemand weiß, woher diese Sprache stammt, denn sie ist mit keiner anderen Sprache verwandt. Ein wahres Rätsel für die Sprachwissenschaft!
2. Anzahl der Baskisch sprechenden Personen: Es gibt heute schätzungsweise 750.000 Baskisch-sprechende, außerdem haben 62,4% der Personen, die in der autonomen Region Baskenland leben, Grundkenntnisse der Sprache.
3. Euskal Etxeak: Diese baskischen Kulturzentren wurden von der sogenannten baskischen Dispora gegründet, die in verschiedene Länder ausgewandert sind. Heute gibt es 124 dieser Zentren, in denen Baskisch gesprochen wird und die dazu beitragen, die baskische Kultur in der ganzen Welt bekannt zu machen (zum Beispiel in Berlin).
4. Offizielle Sprache: Baskisch ist seit 1979 neben dem Spanischen die offizielle Sprache im Baskenland, in den baskisch-sprachigen Gebieten Navarras seit 1982.
5. Zahlensystem: Das spanische Zahlensystem ist dezimal, während das baskische ein Zwanzigersystem ist. Zu den Zahlen, die kein Mehrfaches von zwanzig sind, wird zehn hinzugefügt.
6. Kein Genus und keine Tilde: Im Baskischen gibt es kein grammatikalisches Geschlecht und (mit Ausnahmen) auch keine Tilde. Interessant ist auch, dass der früheste Nachweis baskischer Wörter aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammt.
7. Dialekte: Die verschiedenen Dialekte werden als "euskalkiak" bezeichnet, was wörtlich übersetzt "Teile des Baskischen" bedeutet. Sie werden in 6 Gruppen unterteilt, diese wiederum in Untergruppen, die sich in Phonetik, Grammatik und Wortschatz unterscheiden.
8. Euskara Batua: Euskaltzaindia, die Akademie der baskischen Sprache machte in den 1960er Jahren den Vorschlag, eine einheitliche Sprache zu schaffen, um so die Kommunikation zwischen den verschiedenen Sprechern des Baskischen zu vereinheitlichen und zu vereinfachen.
9. Internationaler Tag der baskischen Sprache: Am 3. Dezember wird jedes Jahr der Tag der baskischen Sprache gefeiert, der 1995 von der baskischen Regierung und von Euskaltzaindia zu einer festen Einrichtung gemacht wurde.
10. Anzahl der Artikel in Wikipedia: Das Baskische ist eine der meistvertretenen Sprachen in Wikipedia, es steht auf Platz 34 dieser Online-Enzyklopädie. Über 400.000 Artikel auf baskisch sind auf dieser Plattform zu finden.
Hätten Sie es gewusst?
(2023-07-09)
TOR ZUM PARADIES
Das Dorf Kanala liegt am rechten Ufer der Mündung des Urdaibai-Biosphären-Reservats. Dort, so heißt es, liegt das Tor zum Paradies. Oder zur Hölle, denn das Leben verläuft in dialektischen Bahnen. Von Kanala aus kann man sich das Land so vorstellen, wie es die prähistorischen Bewohner*innen vor 14.000 Jahren vom Gipfel des Ereño-Gipfel aus gesehen hätten, unter dem die Santimamiñe-Höhle mit ihren steinzeitlichen Höhlenmalereien ruht. Im Rhythmus der Gezeiten genießen heutzutage typische Exemplare der zeitgenössischen, postpandemischen baskischen Bewohner*innen mit einem Bier und einem Pintxo in der Hand den Sonnenuntergang, als gäbe es kein Morgen.
Vom Aussichtspunkt Ereño aus werden die Sinne mit Dünen, Inselchen, auf den Sand gemalten Wellen, mit Wasser- und Vogel-Geräuschen erfüllt. Urdaibai ist seit 1984 ein Unesco-Biosphärenreservat und steht somit erst seit 39 Jahren unter Naturschutz. Ein Mikroteilchen von Zeit, eine verschwindend kurze Spanne angesichts von Millionen Jahren von Geschichte.
Gegenüber liegt die Silhouette der Murueta-Werft, einer der Standorte, die jetzt für das Guggenheim txiki ausgewählt wurden (das kleine Guggenheim). Daneben die Ferienkolonien von Sukarrieta, wohin in den 1920er Jahren arme Kinder zur Tuberkulose-Heilung geschickt wurden und wo zu Beginn dieses Jahrzehnts ebenfalls erfolglos versucht wurde, einen zweiten New Yorker Ableger zu bauen, zum Preis des Abrisses der Kolonie.
Irrungen und Wirrungen des Lebens. Oder die Irrungen und Wirrungen der heutigen Politik. Die Gleichung der neoliberalen baskischen Regierung für die Bizkaia-Zukunft für lautet: Kultur plus Tourismus ergibt Wirtschafts-Wachstum. Das Ganze wird gewürzt mit Ruhm, Kongressen und Makro-Events mit dem Namen “Euskalenglisch“. Es mag überzeugen oder nicht, es mag funktionieren oder nicht. Konsequenz ist ein immer wiederkehrender Zweifel: die Gründe für die sture Entschlossenheit der Regierung sind nicht nachvollziehbar, dieser Wahn, ein Museum mitten in einem Naturschutzgebiet zu bauen. Das ist unhaltbar für ein Land und eine Regierung, die im Rahmen einer mittelfristigen Umwelt-Strategie (PMA2030 genannt) einen Aktionsplan vorgenommen hat, mit dem "die Weichen für ein nachhaltigeres Territorium bis 2030" erreicht werden soll.
Die Verbände, Gruppen und Plattformen der Region, die gegen das Projekt sind, haben die Parteien aufgefordert, bei den bevorstehenden Wahlen Stellung zu beziehen zu dem, was sie als "Megaprojekt für das Tourismus-Gebiet Urdaibai" bezeichnen. Zunächst in Erfahrung gebracht werden, wie die konkreten Pläne lauten, denn die Politik arbeitet immer mit unvollständigen informationen und Nebelwerfern. Zudem wäre eine gute Idee, die betroffene Bevölkerung dazu zu befragen, auch wenn ein Referendum zu Nervenzusammenbrüchen führen könnte.
Doch Volksbeteiligung ist bei solchen Projekten ausgeschlossen. Im aktuellen Wahlkampf geht es auch um Kultur, Künstler, Vögel, sommerliche Verkehrsstaus, nasse Badesachen, überfüllte Gebiete, Ökologie – und, warum auch nicht, Bier im Paradies. Nicht wenige hoffen, dass nicht das verlorene Paradies gemeint ist, denn davon haben alle schon genug.
(2023-07-07)
ZEIGEN WO ES LANG GEHT
Ausgerechnet baskische Polizisten von der Ertzaintza zeigen derzeit, wie Streiks durchgeführt werden. Dazu ohne oder sogar gegen die üblichen Polizei-Gewerkschaften, von denen sie sich nicht vertreten fühlen. Im Kontroll-Aufwand der dreitägigen Tour de France im Baskenland sahen sie den perfekten Moment, um ihre Unzufriedenheit in die Schlagzeilen zu bringen. “Ohne Tarifvertrag keine Tour“ – der Slogan ließ einiges erwarten.
Und was wird da gefordert? Zum einen mehr als 1.000 Euro Lohnerhöhung für alle, eine Forderung, von der jede Rentnerin, jede Fabrikarbeiterin nur träumen kann, von Hausangestellten und Sozialhilfe-Empfängerinnen ganz zu schweigen. Zum anderen einen neuen Tarifvertrag, denn seit 12 Jahren wurde der alte nicht erneuert – was ein schlechtes Licht wirft auf die Gewerkschaften wie auch auf die verantwortlichen Sicherheits-Politiker.
Mit Spannung wurde deshalb die Tour erwartet, die in den Augen des Innensenators “die größte Koordinations-Angelegenheit in der Geschichte des Baskenlandes darstellt“ – sicher keine Übertreibung. Sollten die Unzufriedenen tatsächlich die Tour zum Stoppen bringen? Und sollten die Gegner*innen des Makro-Tourismus-Events Tour Sympathie zeigen für die Protestler, die kuirzzeitig die Uniformen ablegten?
Wie immer wird heißer gekocht als gegessen. Dennoch fuhren die Beamten eine beachtliche Bilanz auf: Am zweiten Tag der Tour waren 1.200 Ertzainzas krankgeschrieben, das macht 15% des gesamten Personals, so der Senator in einem Interview im baskischen Fernsehen. Der erklärte, dass seine Dienststelle aus arbeitsmedizinischer Sicht untersuchen werde, warum es im Sommer "plötzlich" zu diesem "überdurchschnittlich hohen Krankenstand" gekommen sei, der auch noch ausgerechnet mit den drei Tagen der Tour im Baskenland zusammenfiel.
Wie er ergänzte, waren am 26. Juni (4 Tage vor der Tour) 676 Beamte, also um die 9% des Personals, vorübergehend arbeitsunfähig, was "den durchschnittlichen Fehlzeiten entspricht". Am Sonntag, dem 2. Juli, dem zweiten Tag der Tour, waren es hingegen "fast doppelt so viele". Außerdem "ging dieser Spitzenwert sehr schnell zurück", als das Radrennen Bizkaia und Gipuzkoa über die Grenze verließ.
Eine Ertzaintza-Einheit stach bei der “Aktion“besonders hervor, nämlich die sogenannte “Mobile Brigade“. Nicht eben eine Einheit, mit der sich leicht sympathisieren ließe, denn es handelt sich um die berüchtigte Schlägertruppe der baskischen Polizei, die Demonstrationen und Streiks anderer Gewerkschaften aufmischt und Migranten nach rassistischen Profilen kontrolliert. Bei dieser “Mobilen Brigade“ war "die Abwesenheit mit 50 bis 60% des Personals besonders hoch". Dagegen seien die Beamten der Verkehrseinheit fast zu 100% angetreten und konnten durch die Neueinteilung von Beamten den gesamten Einsatzbedarf für die Tour abdecken.
Zynisch gab der Senator zu bedenken, dass "der plötzliche Anstieg der Abwesenheit zur selben Zeit in denselben Abteilungen mit einer bisher unbekannten Epidemie zusammenhängen könnte".
"Ich bin der Meinung, dass es zur Verantwortung der Dienststelle gehört, die Gründe für diese unverhältnismäßige Krankheits-Abwesenheit" zu suchen. Denn die Alternative, die ich nur ungern in Betracht ziehe, wäre, dass ein Vertreter des Gesetzes das Gesetz zur Regelung der Krankheitsabwesenheit missbraucht, das ist eine Hypothese, die ich mir gar nicht vorstellen möchte", meinte er. Sollte er aber. Und tut er sicher auch. Denn die Zahlen sind eindeutig, sie entsprachen den mehrfach geäußerten Drohungen.
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: der Regierung ist die Kontrolle über einen Teil ihrer Polizei längst aus den Händen geraten. Dazu kommt, dass sich viele von ihnen nicht mehr bei den ohnehin rechts orientierten “Gewerkschaften“ organisieren, sondern mit ultrarechten und faschistischen Organisationen sympathisieren. Wie Vox.
(2023-07-06)
OSASUNA WIRD VERBANNT
Eine besonders große Freude im Fußball ist es, wenn kleine Clubs mit niedrigem Haushalt, aber guter Planung Erfolge erzielen. Der Club Atletico Osasuna aus Pamplona (bask: Iruñea)erreichte in der abgelaufenen Saison überraschend den 7. Platz, noch vor einer Reihe von Teams, die zu Beginn als Favoriten gehandelt wurden. Dieser Rang berechtigt zur Teilnahme an der vor Kurzem geschaffenen Conference-League. Bei einem Club, dessen erklärtes saison-Ziel der Nicht-Abstieg ist, versteht es sich, dass die Euphorie groß war. Wenn, ja wenn nicht …
Die UEFA, der europäische Fußball-Verband, dagegen Einspruch erhoben hätte und gegen die Teilnahme des Navarra-Clubs knallhart durchgreifen will. Der Grund? Osasuna wird von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt. Der Grund für Osasunas Verbannung liegt beinahe zehn Jahre zurück. In der Saison 2013/2014, vor dem Hintergrund eines drohenden Abstiegs, hatten sich mehrere Verantwortliche des Vereins der Spielmanipulation schuldig gemacht, sie hatten versucht, gegnerische Teams “zu kaufen“. Der Abstieg konnte weder sportlich noch mit Schmiergeld verhindert werden, das Ganze flog auf. Die Verantwortlichen, unter anderem der damalige Präsident, wurden vor Gericht gestellt, verurteilt und saßen im Gefängnis. Niemand hatte den geringsten Zweifel am Skandal.
So was geht beim Europa-Verband selbstverständlich nicht durch. Eine Bestrafung erfolgte bisher nicht, weil sich der Club nicht mehr für einen Wettbewerb qualifizierte. Nun fällt das Damoklesschwert. Auch der Einspruch wurde abgewehrt. Bleibt nur ein Vergleichsgericht, das jedoch üblicherweise den UEFA-Entscheidungen folgt.
In Iruñea ist der Skandal groß. Denn weder im Vorstand noch im Team selbst sind Reste der damaligen Club-Besetzung zu finden. Man fühlt sich somit unschuldig verurteilt. Aber der Club ist eben der Club. Osasuna wurde nicht allein ausgeschlossen, dasselbe Schicksal ereilte einen Club aus Osteuropa – wegen Korruption. Auch Mallorca, Malaga und betis wurden einst von der UEFA-Keule getroffen. Also Business as usual.
Pikant an der Geschichte sind, sollte es beim Ausschluss bleiben, die Nachrücker für Osasuna: die von Athletic Bilbao. Die Bilbainos konnten sich im fünften Jahr in folge nicht für Europa qualifizieren, nun könnten ausgerechnet sie die Nutznießer der Situation werden. So oder so, bleibt ein schales Gefühl, keine besondere Basis für baskische Nachbarschaft.
(2023-07-05)
HIGH VON DER TOUR
Die Radfahrer der diesjährigen Tour de France zeigten sich begeistert über die unübertreffliche Stimmung, die das baskische Publikum auf den ersten drei Etappen durch Euskal Herria verbreitet hatte. Sportler und Verantwortliche übertrafen sich mit Superlativen. Dass der Radsport im Baskenland eine große Tradition hat, war bekannt und wurde deutlich unter Beweis gestellt, baskischer Sportsgeist benötigt keine einheimischen Idole, um glückselige Stimmung zu verbreiten.
Weniger bekannt sind andere baskische Traditionen und Umgangsweisen. Zum Beispiel was den Umgang mit Marihuana anbelangt, das hier auf jedem dritten Balkon wächst. Nicht dass es legal wäre, doch der Umgang ist liberal, selbst von Seiten der Verfolgungsorgane. Auf der Straße wird offen gedreht und geraucht – kein Wunder, dass auch in den Zuschauer-Pulks bei der Tour der süßliche Rauch vertreten war. Diese Erfahrung machte der Schweizer Rad-Profi Silvan Dillier, für den die Rad-Rennen durchs Baskenland etwas ganz Spezielles waren, auch weil hier „“ganz eigene Gerüche“ die Fahrt begleiten. “Hier wirst du high während des Rennens“, sagte er einem eidgenössichen Reporter ins Mikrofon.
Dillier, einem von zwei Schweizer Fahrern bei der Tour, fiel auf den ersten Etappen über baskische Strassen also etwas mehr auf als nur emotionale Fans entlang der Strecken. Gegenüber dem Schweizer Velo-Magazin “Gruppetto“ erklärte er, warum sich die Rennen in der Küstenregion so von den anderen Wettbewerben unterscheidet. “Wenn man während des Rennens high wird von Gras, dann weiss man, dass man im Baskenland ist“, sagte der Aargauer.
Mit einem Schmunzeln fügte der Fahrer noch an: “Man riecht einfach, wie viele hier am Strassenrand Marihuana konsumieren. Ich glaube, das ist wirklich einzigartig für diese Region.“ Mit der speziellen Duftnote dürfte es für Dillier mit der Grenz-Überfahrt ins französische Baskenland vorbei sein. Die nächsten 18 Etappen werden allesamt auf französischem Boden ausgetragen – Marihuana-frei, versteht sich. Bei so viel Rauch um nichts ist es dem Schweizer zu wünschen, dass er nicht einem Doping-Test unterzogen wird. Denn wie sollte er erklären, dass er nicht in einem Coffee-Shop Halt gemacht hat.
(2023-07-04)
TOUR DE FRANCE IM BASKENLAND
Abgesehen von ein paar auf der Straße verteilten Reißnägeln war die dreitägige Durchfahrt der Tour de France in Euskadi ein riesiges Fest, dem sich eine große Mehrheit anschloss und das sogar im Peloton (dem Fahrerfeld) wegen der erlebten Begeisterung einen großen Eindruck hinterließ. Die Bask*innen sind eine “Radfahr-Nation“, wie es im Sport-Jargon so dümmlich heißt. Tatsächlich existieren hunderte von Radclubs, jedes Wochenende sind Tausend von professionell gekleideten Amateuren unterwegs, um ihre teilweise dicken Bäuche über steile Hänge zu manövrieren.
Sportlich gesehen haben auch die baskischen Erfolge bei der Tour eine lange Tradition, weit über den legendären Miguel Indurain (aus Navarra) hinaus. Bisher stachen die baskischen Fans vor allem bei den Pyrenäen-Etappen hervor, wenn sie zu Tausenden die Aufstiege und Abfahrten säumten, immer mit Applaus und einem aufmunternden “aurrera“ verbunden. Und mit einer Ikurriña in der Hand, die grün-rot-weißen Insignie der baskischen Identität. 640 Tausend Menschen waren auf den ersten beiden Etappen am Straßenrand, von der dritten liegen noch keine Zahlen vor – macht deutlich mehr als ein Drittel der Bevölkerung.
So erklärt sich der besondere Erfolg der drei Startetappen der Grand Boucle, die für teures Geld eingekauft wurde. Denn abgesehen von Sport und Doping ist die Tour ein riesiges Geschäft, das Millionen bewegt. Zuschauer*innen genauso wie Euros und Dollars. Was also bewegt die Behörden, Dutzende von Millionen auszugeben, in diesem Fall die baskischen? Es geht ums Bild. Um die Fotos, Videos und Berichte, die rund um den Planeten gehen. Denn nach Fußball-WM und Olympia gilt die Tour (trotz unaufhörlichen Doping-Skandalen Modell Armstrong) als das dritt-wichtigste Welt-Sportereignis der Neuzeit.
Das Bild ist es also, was die Sache teuer und lohnenswert macht. Möglicherweise kassieren Journalisten einen Extra-Bonus für jede “Bilbao“- oder “Euskadi“-Erwähnung. Das entspräche der Bild und Begriffs-Logik. Denn so werden im Medienzeitalter bleibende Eindrücke geschaffen. Wenn in den nächsten Monaten oder Jahren unter Holländer*innen oder Österreicher*innen bei der Suche nach einem adäquaten Urlaubsziel das Wort “Bilbao“ fällt, dann assoziieren sie nicht mehr nur “Guggenheim-Museum“, sondern auch: ist da nicht letztes Jahr auch die Tour de France durchgekommen?
Werbeanzeigen im Internet werden nach Klicks bezahlt – eine ähnliche Wirkung haben die Bilbao-, Euskadi- oder Guggenheim-Nennungen. Irgendetwas bleibt hängen. Mit dem Bekanntheitsgrad steigt der Marktwert des Ortes, der Gegend, der Region. Da haben sich die Investitions-Millionen doch gelohnt – oder etwa nicht? Wenn so viel Steuergelder fließen, wer verdient dann auf der Gegenseite? Zu allererst die Gastronomie und das Hotelgewerbe. Denn 3.000 Journalisten aus aller Welt wollen versorgt werden. Dazu wenigsten noch einmal so viele aus der technischen Kolonne der Tour. Plus extra angereiste Touristen ergibt das eine erkleckliche Zahl. Obwohl die Zimmerpreise um ein Vielfaches gestiegen sind. Oder gerade deshalb.
Diesem eingeheimsten Super-Mehrwert gegenüber stehen die in jenen Etablissements arbeitenden Menschen. An ihnen geht diese multiplizierte Gewinnspanne komplett vorbei, sie arbeiten weiter prekäre, mit beschränkten Verträgen, schlecht bezahlt. So gesehen ist die Ausgabe von Steuergeldern eine Umverteilung der von allen gespeisten Staatskasse von unten nach oben, von arm nach reich.
Letztendlich fördern Makroevents wie der Tour-Start das Konzept des einsilbigen Massentourismus mit all seinen Kollateralschäden. Für die ansonsten Tourismus-kritische baskische Linke ergab sich daraus ein Zwiespalt. Sollte sie das Spektakel trotz Massenbeteiligung ablehnen, wie es bei vergleichbaren Events der Fall war? Sie wählte den populistischen Spagat: Was wir schon nicht verhindern können, schmücken wir eben tausendfach mit unseren Fähnchen. Letzteres hat funktioniert. Die Ikurriña war auf allen Übertragungen zu sehen. Ebenfalls touristische Geheimtipps wie Gaztelugatxe oder der Flysch von Zumaia, die seit Jahren immer mehr überlaufen und zur Sau gemacht werden. Kollateral.
Brot und Spiele war das Motto der Römer, um ihre Sklavengesellschaft ruhig zu halten. Events und Fiestas ist die heutige Strategie. Denn wer zur Etappe fährt, streikt wenigstens nicht und bleibt abwesend bei der gleichzeitigen Demonstration gegen Sozialabbau. So einfach ist das.
(2023-07-03)
DER HEILENDE KRANKENSTAND
Die im Baskenland meistgelesene (rechte) Tageszeitung bringt auf ihrer Titelseite vom 29. Juni die Schlagzeile, dass Euskadi im Arbeitsbereich den Rekord an Krankheits- oder Fehltagen markiert. Im Durchschnitt bleiben baskische Arbeitnehmer*innen 21 Tage ihrer Arbeit fern – aus welchen Gründen auch immer. Diese 21 Tage machen umgerechnet 9,5% der erwarteten Arbeitsleistung oder Anwesenheitszeit aus. Solche Zahlen kommen in der neoliberalen Presse immer gut an, um zu demonstrieren, wie gut es den Arbeitnehmer*innen geht und wie die Unternehmer leiden.
Die Zahlen stammen übrigens von spanischen Statistik Institut INE. Wenn sie korrekt erhoben sind, folgt der Region Baskenland von Asturien mit 7,7% Fehlzeiten, gefolgt von den Kanaren (7,5%), Galicien, Katalonien und Navarra (alle 7,4%). Am Ende der Fahnenstange zu finden sind abgeschlagen die Balearen (4,3%), daneben die Region Valencia (5,9%), der spanische Mittelwert liegt bei 6,8%. Beachtliche Unterschiede also. Sollen wir nun denken, dass die Bask*innen besonders arbeitsscheu oder faul sind? Dass ihre Haltung zum Thema Arbeit von rechten Politikern und Medien gerne hinterfragt wird, ist eine olle Kamelle. Was macht den unterschied zu den fleißigen Balearen aus?
Gehen wir einmal davon aus, dass die Zahlen stimmen … dann gäbe es dazu einige Anmerkungen, die im Artikel (selbstverständlich) nicht angeführt werden.
Es ist eine bekannte und statistisch belegte Tatsache, dass baskische Arbeitnehmer*innen in größerer Zahl gewerkschaftlich organisiert sind als anderswo. In der jüngeren Vergangenheit hatte das zur Folge, dass die Hälfte aller im Staat stattfindenden Streiks im Baskenland ihren Ausgang hatte. Obwohl die baskische Bevölkerung nur 3% des Staates ausmacht. Im Baskenland gibt es also Reste von Klassenbewusstsein und einer Analyse darüber, dass Arbeit krank machen kann und deshalb gelegentlich die Notbremse gezogen werden muss.
Und mehr als das. Wer krank ist oder auf der Arbeit krank gemacht wird, geht nicht immer gleich zur Ärztin, um sich den ominösen Schein zu holen. Viele trauen sich aus Angst um den Arbeitsplatz nicht zu diesem eigentlich notwendigen Schritt. Von der Haltung der Arbeitskolleg*innen ganz zu schweigen – wer will schon gerne zum egoistischen Kollegenschwein abgestempelt werden, der den anderen durch Abwesenheit Mehrarbeit auflastet. Solidarische Kolleg*innen und starke Gewerkschaften verhindern solche Dynamiken.
Stellen wir also fest: Während im Baskenland viele ihren Grenzen kennen und ausreichend selbstbewusst sind, läuft auf den Balearen irgendwas schief. Viele leben dort bekanntlich von Tourismus und Gastronomie, zwei Sektoren also, die enorm prekär strukturiert sind und mit schlechter gewerkschaftlicher Vertretung. Das Inseldasein allein kann der Grund nicht sein. Das beweist ein Blick auf die Kanaren, die sich knapp hinter den Bask*innen halten. Arbeit macht häufig krank, prekäre Arbeit auf jeden Fall. Selbsthilfe ist von Nöten.
ABBILDUNGEN:
(*) Tagespresse
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-07-03)