G7A01
Richthofen: "Ein voller Erfolg!"

Die Bombardierung von Gernika am 26. April 1937 ging als Fanal der Grausamkeit gegen Zivilbevölkerung in die Kriegsgeschichte ein. Weitgehend unbekannt ist, dass die baskische Kleinstadt in der Provinz Bizkaia nach diesem ersten verheerenden Angriff deutscher und italienischer Flieger eine ganze Woche lang weiter mit Bomben und Granaten überzogen wurde. Sogar nach der Besetzung durch die Franquisten wurden in der Umgebung der Stadt von der Legion Condor und der Aviazione aus der Luft Menschen gejagt.

Am 26. April 1937, einem Markttag, fand der erste Bombenangriff auf Gernika statt, bei dem mehr als 2.500 Menschen starben und 85% der Gebäude vollständig zerstört wurden. Nur 1% der Gebäude und Infrastrukturen von Gernika blieben komplett erhalten, was der militärischen Logik von Oberbefehlshaber Wolfram von Richthofen genau entsprach.

Von Richthofens Strategie war, die Wohnhäuser der Stadt zu vernichten und die Waffenfabriken und die Kommunikationswege von Angriffen zu verschonen. Dazwischen lagen kaum 15 Meter Entfernung. Unversehrt blieben deshalb die Zugangsbrücke, alle Zufahrtswege zur Stadt und die Eisenbahnlinie. Dazu die Waffenfabriken der Stadt, die aus militärischer Logik perfekt als Angriffsziel geeignet gewesen wären. Nachdem Richthofen die Auswirkungen der Luftbombardierungen studiert hatte und nachdem ihm von seinen Leuten bestätigt worden war, dass Gernika völlig zerstört war, stellte er in seinem Tagebuch fest, dass keines der strategischen Verschonungs-Ziele auch nur berührt worden war. (1) Sein Plan war perfekt erfüllt worden, in sein Tagebuch schrieb er: “Ein voller Erfolg der Luftwaffe“.

G7A02Eine Serie von Angriffen

Doch der drei Stunden dauernde vernichtende Großangriff vom 26. April, bei dem ca. 40 Tonnen Bomben abgeworfen wurden, war nicht der einzige Angriff auf die Stadt. Tatsächlich wurde Gernika bis zum 29. April unerbittlich weiter bombardiert und am 30. April von franquistischen Truppen eingenommen. Und selbst nach der militärischen Besetzung endeten die Angriffe nicht. Die nicht besetzten Teile der Stadt und ihre Umgebung wurden weiter mit Maschinengewehrfeuer belegt, bis zum 3. Mai. Dabei ging es erneut nicht um militärische Ziele, sondern um die Jagd auf fliehende Zivilist*innen. Als Fazit kann festgestellt werden, dass Gernika in acht aufeinanderfolgenden Tagen insgesamt sieben Luftangriffe erlitt.

Einige Historiker und andere Autoren behaupten bis heute, die Bombardierung von Gernika am Markt-Montag (26. April) sei kein Terrorangriff gewesen, bei vielen der erfolgten Analysen handele es sich um Fehleinschätzungen. Gemäß diesen Autoren beabsichtigte der maßgebliche Befehlshaber der Legion Condor, die einzige Brücke von Gernika zu zerstören: die Renteria-Brücke. Die Piloten hätten das Ziel jedoch verfehlt, weil sie aufgrund der großen durch die Explosionen verursachten Rauchentwicklung ihre Ziele nicht unterscheiden konnten.

Geschichtsfälschung

Allein solcherart Feststellungen zeugen von ungeheurer Schamlosigkeit und von einer absoluten Respektlosigkeit gegenüber den Opfern jenes Angriffs. Außerdem weisen sowohl die historischen Fakten wie auch die politischen und strategischen Hintergründe in eine andere Richtung. Tatsächlich schickte der Kommandostab der Putschisten am Tag nach der Bombardierung (Dienstag, 27. April) wieder Jagd- und Kampfflugzeuge des Typs Heinkel He70 und He51, um Gernika und Umgebung erneut zu bombardieren und aus der Luft mit Maschinengewehren zu beschießen.

Per Mitteilung wussten diese Flieger bereits, dass weder die besagte Brücke noch andere mögliche strategische Ziele bombardiert worden waren, sondern dass sie – gemäß des Einsatzplanes – verschont geblieben waren. Wer versucht, den faschistophilen Analysen zu folgen, sieht sich schnell widersprüchlichen Tatsachen gegenüber. Vorausgesetzt, diese Ziele seien beim Angriff am 26.April tatsächlich verfehlt worden, hätten die Angriffe vom Folgetag die ideale Möglichkeit dargestellt, diese Fehler zu korrigieren und die nunmehr vollends ungeschützten und offen sichtbaren Ziele zu zerstören. Doch nichts war weiter von der Realität entfernt.

Die Bomberbesatzungen taten, was sie bereits am Vortag getan hatten: Sie schossen mit Maschinengewehren auf diejenigen, die mit der Suche nach Toten beschäftigt waren und auf jene, die versuchten, in Richtung der beiden Nachbarorte Sukarrieta und Mungia zu fliehen. Wieder war die überwiegende Mehrheit dieser Flüchtenden Zivilisten. Es ist überflüssig festzustellen, dass der Qualm der Bombardierung des Vortags sich längst verzogen hatte.

Legendenbildung

Darüber hinaus berichtete der Generalstab der Franco-Truppen am Mittwoch, 28. April um 12 Uhr, dass die eigenen Streitkräfte weiter in Richtung Gernika vorrücken und “dass der Feind vor dem Verlassen der Stadt diese in Brand gesteckt hätte, weshalb es sinnvoll wäre, ein Aufklärungsflugzeug zu schicken, um die Zerstörung zu dokumentieren“. Daraufhin wurde das Flugzeug Breguet Br.19 Nr. 10-169 der Gruppe 2-G-10 der Nord-Luftwaffe zum Fotografieren beauftragt, mit dem folgenden Ergebnis: “Durchführung einer fotografischen Erkundung von Guernica um 12.30 Uhr, Aufnahme von vier Fotos, die den Ort völlig verwüstet zeigen, ohne erkennbare Trichter, die auf eine Bombardierung hinweisen könnte, stattdessen sprechen alle Anzeichen dafür, dass der Ort in Brand gesteckt wurde“.

G7A03Die Fotos wurden dem Generalstab um 15.30 Uhr übergeben. Die Crew der Breguet bestand aus Captain Gomez Martin und Commander Llop, der den Bericht in Gasteiz unterschrieb und damit zu einem der ersten Personen wurde, die die Bombardierung leugneten. Dass der Kriegsreporter George Steer, der Gernika in Flammen gesehen hatte, am Folgetag in der London Times über das Kriegsverbrechen berichtet hatte, hatte zu einem internationalen Aufschrei geführt. Die Faschisten – deutsche und spanische – sahen sich gezwungen, zu einer Notlüge zu greifen. Umgehend wurde die Lüge auf den Weg gebracht, Gernika sei von den Basken selbst in Brand gesteckt worden. Auf den Fotos war perfekt zu sehen, dass die nicht gewollten Ziele nicht in Mitleidenschaft gezogen worden waren, dennoch agierten die Flugstaffeln der faschistischen Angreifer auch in den folgenden Tagen wie bisher.

Im historischen Tagebuch der italienischen Jagdgruppe 16 ist festgehalten, dass am 28. April zwei Flugzeuge der 25. Staffel und zwölf Flugzeuge der 26. Staffel einen “Überwachungsflug an der Front“ von Gernika durchführten, wobei Zivilisten aus der Luft mit Maschinengewehren beschossen wurden. Das “Libretto di volo“ des Jagdflugzeugpiloten Corrado Ricci bestätigt, dass dieser Auftrag durchgeführt wurde. Und wie in der Zeitung Euzkadi zu lesen war, schoss eine unbestimmte Anzahl von Angriffsflugzeugen IMAM Romeo Ro.37 und Kampfflugzeugen Fiat Cr.32 wieder mit Maschinengewehren auf diejenigen, die versuchten, aus Gernika zu fliehen: “Die Aufständischen flogen fast eine Stunde lang über Gernika und gingen mit Maschinengewehren auf Jagd gegen die Zivilbevölkerung. Sie schossen auf Frauen und Kinder, auf alle, die sie während ihrer Vernichtungsaktion an einem ungeschützten Ort überraschten“.

MG-Beschuss der Bevölkerung

Die IMAM Romeo Ro.37 war mit zwei Maschinengewehren Breda-Safat 7,7 Millimeter bestückt und konnte bis zu 180 Kilo Bomben im Fahrgestell unter dem Rumpf laden. Dennoch attackierte keines dieser Flugzeuge die Renteria-Brücke, auch nicht die Waffenfabriken von Gernika oder die Eisenbahnlinie. Die einzig mögliche Interpretation ist, dass diese Ziele nicht beschossen wurden, weil es dazu keinen Befehl gab. Wie der Pilot der Heinkel He51 Hans Wandel bezeugte, erhielten sie den Befehl, die Bevölkerung mit Maschinengewehren zu beschießen und Kriegsexperimente durchzuführen, um festzustellen, wie viele Personen aus 900, 600 beziehungsweise 500 Metern Höhe erschossen werden konnten. Genau dieser Befehl wurde ausgeführt.

Wahrheit in geheimen Brichten

Die offiziellen Berichte nennen Namen der Piloten, die diese Gräueltaten begingen: Kapitän Martori, Leutnant Recchi und die Brigadiers D'Angelo und Corrado Ricci. Der Bericht im Archiv von Salamanca und die Berichte der Italiener stimmen darin überein, es habe sich um “Begleit-Service“ und “Überwachung der Front“ gehandelt. Die Falschheit dieser Dokumente offenbart sich in den geheimen Mitteilungen, die das italienische Kommando nach Rom schickte und die täglich vom britischen Geheimdienst ausspioniert wurden.

Diese geheimen Berichte beschreiben die tatsächliche Natur der Angriffe, sowohl vom 29. als auch vom 30. April, und der Angriffe vom 2. Mai. Das heißt, an den Tagen nach der militärischen Besetzung von Gernika. Sechs italienische Bomber vom Typ Savoia-Marchetti SM.81, drei Angriffsflugzeuge vom Typ IMAM Romeo Ro.37 und 17 Jagdflugzeuge führten in der Umgebung Gernikas “Bombardierungen und Angriffe mit Schnellfeuergewehren“ durch. Strategische Ziele werden nicht erwähnt.

Die Zeitung Euzkadi (2) beschreibt in ihrer Ausgabe vom ersten Mai, dass “die feindliche Luftwaffe, ihrem bisherigen Vorgehen entsprechend, einige Orte innerhalb des zu Gernika gehörenden Sektors bombardiert hat“. Wie italienische, deutsche und spanische Berichte übereinstimmend bestätigen, attackierten Flugzeuge dieser drei Armeen am 3. Mai weiterhin die Zivilbevölkerung, die aus dem Gernika-Sektor in westlicher Richtung nach Mungia oder in nördlicher Richtung nach Mundaka floh. Tatsächlich gab es an diesem Tag viel Aktivität an der Front von Gernika, wo mindestens 59 Flugzeuge zwischen Jägern, Bombern und Bodenangriffs-Flugzeugen beteiligt waren. Im Flugtagebuch des Piloten Pablo Atienza steht, dass er mit einer Heinkel He51 die Heinkel He45 bei ihrem Bombenangriff auf die Umgebung Gernikas zwischen 9.25 Uhr und 11 Uhr vormittags eskoltierte.

G7A04Teil einer Militär-Offensive

Beim Lesen dieser Ausführungen, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die aufständische Luftwaffe und ihre Verbündeten sich allein der Bestrafung der Zivilbevölkerung widmete. Das ist jedoch nicht der Fall. Sie griffen täglich und mit aller Macht verschiedene Ziele an, sowohl zivile als auch militärische.

Die Angriffe auf die Bevölkerung im Sektor Gernika zwischen dem 26. April und dem 3. Mai sind in der Tat nur ein winziger Bruchteil der Luftangriffe, die in jenem Zeitraum auf baskischem Boden stattfanden. In der beschriebenen Woche wurden in Bizkaia 85 Bombenangriffe durchgeführt. Der Bermeo-Sektor wurde 17 Mal bombardiert, Mungia fünf Mal, Bilbao und Umgebung mehr als 15 Mal und Zornotza-Amorebieta sechsmal. Neben den Stellungen in den Bergen Sollube, Urko, Oiz und Untzillatx wurden in dieser Woche auch die Orte Areeta, Arratzu, Arrieta, Arrigorriaga, Barakaldo, Berriz, Bilbao, Bolibar, Durango, Eibar, Erandio, Errigoiti, Etxebarria, Galdakao, Gautegiz Arteaga, Gerrikaitz, Getxo, Lamiako, Markina, Mundaka, Munitibar, Muxika, Plentzia, Portugalete, Santurtzi, Sestao, Zaratamo, Zeberio, Zierbena und Zornotza bombardiert. Alle diese militärischen Operationen gegen städtische Zentren waren Angriffe auf die Zivilbevölkerung, also Kriegsverbrechen.

Die Bevölkerung von Gernika und Umgebung erlitt nicht nur am 26. April eine Bombardierung mit horrorhaften Folgen. Sie wurde eine ganze Woche lang ohne Unterlass aus der Luft bombardiert und mit Schnellfeuergewehren beschossen. Dabei führten die Bomberpiloten die Befehle ihrer faschistischen Auftraggeber aus und griffen aus der Luft alles an, was sich bewegte. Strategische Ziele von Installationen, die nach der Eroberung genutzt werden sollten, blieben verschont. Im Falle Gernikas waren dies Waffenfabriken und die Zugangsbrücke zum Ort. Alle in diesem Artikel zitierten Informationen stehen im Dokumentationszentrum der Bombardierung Gernikas zur Verfügung (Gernikako Bonbardaketari buruzko Dokumentazio Zentrua). Die Wahrheit findet sich in den Archivdokumenten.

(Publikation Baskultur.info 2019-05-20)

ANMERKUNGEN:

(1) Die Information stammt aus dem Artikel “Los siete bombardeos de Gernika“, erschienen in der Tageszeitung Deia am 8. Mai 2019. Autor: der Historiker Xabier Irujo (LINK)

(2) Euzkadi war eine Tageszeitung, die seit 1913 in Bilbao veröffentlicht wurde. Euzkadi veröffentlichte Texte auf Baskisch und Spanisch, für jede Sprache gab es einen Redakteur. Nach der Besetzung Bilbaos im Juni 1937 wurde Euzkadi eingestellt, die Räume wurden der Zeitung “El Correo Español“ angeboten, die zum Sprachrohr der faschistischen Falange wurde. Baskische Flüchtlinge setzten die Veröffentlichung von Euzkadi in Barcelona in den Jahren 1938 und 1939 fort.

ABBILDUNGEN:

(1) Gernika nach der Vernichtung

(2) Fabrik mit Bunker (FAT)

(3) Baskische Soldaten (FAT)

(4) Schutzbunker Astra (FAT)

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information