„On Egin“ heißt „Guten Appetit“
In Berlin leben Menschen mit 187 Nationalitäten, das ergibt eine bunte Mischung, wenn es um Küche, Essen und Gastronomie geht. Auch die baskische Küche kann da nicht fehlen. Mit baskischen Wurzeln, gemischt mit anderen Einflüssen, hat sich ein Kneipenprojekt seinen Platz erkämpft. In Neukölln neben dem Metro-Ausgang Rathaus, unter dem Namen „On Egin“ – was auf Baskisch nichts anderes als „Guten Appetit“ bedeutet. Neukölln steht stellvertretend für die in Berlin existierende Multi-Kulti-Kultur.
Mit dem Restaurant „On Egin“ versucht eine Gruppe junger Unternehmer, der baskischen Küche und Gastronomie in Berlin einen Platz in der Publikums-Gunst zu sichern. Die Konkurrenz macht es nicht leicht, das „On Egin“ muss sich da erst einmal behaupten. Wer die Neuköllner Weserstraße entlang geht, findet dort ein türkisches Lokal mit Kebab und türkischer Pizza zu annehmbaren Preisen; daneben Blumensträuße für 1,50 oder 3,50 Euro. Die Café-Bar Bariton verkündet „Every hour is a happy hour!“ Ein weiterer türkischer Imbiss bietet Salat, Kebab und Schnitzel. Bunt und mit viel Phantasie sind die Lokale gestaltet, modernistisch. (1) (2016-04-02)
In der Nummer 88 der Wildenbruchstraße befindet sich eine Kneipe mit hölzernen Tischen und Stühlen. Kerzen sorgen für den deutschen Touch, nur die Musik ist einen Tick lauter als es in Berliner Gaststätten sonst üblich ist. Wenig Licht und reges Leben an den Tischen – es ist halb neun Uhr abends. Die Mischung scheint gelungen. Jonan Lekue, ursprünglich aus Gernika und ehemaliger Baskisch-Lehrer bei AEK Deusto (2) verabschiedet eine Gruppe von Deutschen, die zufrieden abziehen. „Alles gut, eskerrik asko!“ sagt ein blonder Kunde beim Gehen und reicht dem Kneipier die Hand. „Etwa 85% der Kundschaft sind Einheimische. Manche treffen sich jede Woche hier, einige studieren im Euskal Etxea die baskische Sprache“ (3). Dort arbeitet auch Jonan, ein Baske aus dem Kneipen-Kollektiv.
Er wird gefragt, ob das Euskara in dieser Stadt der versammelten Nationen mit 187 Ländern nicht unter geht? „Nein“, sagt er, „es ist eben eine Sprache zusätzlich“. Seit 2004 lebt und arbeitet Jonan in Berlin, nicht zuletzt aus Lust am Abenteuer. Im Jahr 2011 ließ er sich von Josu Outeiral davon überzeugen, dass es eine gute Idee sei, in Berlin ein Lokal aufzumachen, das „On Egin“. Gastronomie hatte ihn – wie praktisch alle Baskinnen und Basken – schon immer interessiert. Außerdem erlebte der Euskara-Unterricht in der Spreestadt einen Aufschwung, das passte zusammen. Das „On Egin“ konnte zum Treffpunkt werden von Studierenden, Euskara-Sprachigen und Lehrerinnen.
Eine Baskin aus Donostia ist an den Tischen für die Kundinnen zuständig, sie macht das locker und sympathisch. Aus ihrer Heimatstadt fehlt ihr nur der Strand, ansonsten fühlt sie sich heimisch in Berlin. Ihr Kollege Joan ist aus Barcelona, eine Zeit lang lebte er in Madrid bevor es ihn in die deutsche Hauptstadt verschlug. Er ist für die undogmatische Zusammenstellung der Menüs zuständig – Kennerinnen der baskischen Küche würden das Essensangebot nicht wiedererkennen. Die Speisen können in Tellerrationen bestellt werden, das Angebot ändert sich laufend. „Oft kommen zwei oder drei Personen gemeinsam zum Mittag- oder Abendessen, sie probieren dann verschiedene Teller“, berichtet Jonan von seiner bisherigen Erfahrung. Er ist für das Management des Lokals zuständig.
Eine ungewöhnliche Txistorra (4)
Von Beginn an stellte sich die Frage: Wie kann baskische Gastronomie dem Berliner Gaumen schmackhaft gemacht werden? Mit Phantasie und einem Augenzwinkern. Dass sich kleine Gruppen von Leuten zusammen finden und verschiedene Teller kombinieren, ist in Berlin nicht ungewöhnlich. Wenn das Ambiente dazu passt, das Licht, die Umgangsformen – in Form von Brainstorming entwickelt das Team von „On Egin“ immer wieder neue Ideen.
Unter dem Titel „Take it easy“ taucht auf der Speisekarte eine Reihe von wechselnden Speisen auf – das ganze ist ein Wortspiel mit dem iberischen Spruch „Tómatelo con calma – nimms in aller Ruhe“. Im Mittelpunkt stehen iberischer Schinken, kleine Tintenfische in Zwiebeln, Kabeljau, Kroketten, Champis, Schnitzel und Salate. Dazu ungewöhnliche Beilagen wie Auberginen mit Käse, Spargel mit Idiazabal-Käse (vor allem im Juni), Biarritz-Salat, Piquillo-Paprika, grüne Paprika, und anderes. Auch peninsuläre Geschmackstöne sind zu finden, wie Albondiga-Fleischklöße, Tintenfisch, spezielles Brot oder Reis, sogar Tintenfisch im Baguette. In Planung ist eine Speise-Kombination aus Kürbis und Idiazabal-Käse. Der große Moment ist derzeit, wenn Txistorra mit gekochten Kartoffeln serviert wird (als Zutat in Deutschland eine Pflicht), dazu Apfelkompott. Ein köstliches Gericht, vor allem, weil es mit Txogitxu-Fleisch (5) zubereitet wird, einem hochwertigen Produkt.
Spiegelei ist dabei eine Zierde, auch gekochte Kartoffel (mit Schale, sehr europäisch), und Kabeljau mit Knoblauchgeschmack ist mehr als lecker. Als Getränk ein navarrischer Wein, zum Beispiel „Los Bohemios”, oder Apfelmost und Txakoli-Wein aus Getaria. Doch weil das „On Egin“ seinen Standort in Berlin hat, wird eben auch Bier serviert, das in Neukölln gebraute „Rollberg“, das nur an wenigen Orten angeboten wird. Eine Zugabe, für die die Kundschaft dankbar ist.
Juan und Guillermo sind die Köche, aus multikulturellen Berliner Restaurants haben sie eine Menge Erfahrung mitgebracht. Sie haben zum Beispiel einen Sommer-Salat entwickelt: grüner Salat mit Kartoffeln, gekochtes Ei, Möhren und Huhn in Essig mit Honigsenf-Geschmack. Baskinnen stellen im „On Egin“ beileibe nicht die Mehrheit unter den Gästen, die gastronomische Mischung ist Teil des Berliner Lebens, bzw. des Alltags in Neukölln. Dennoch gibt es gelegentlich Bertso-Abendessen (6), ein baskisches Fest zu organisieren (euskal jaia) steht auf der Tagesordnung.
Viele der angebotenen Produkte werden natürlich importiert, deshalb gibt es auch navarrischen Patxaran (7) zu kosten, valencianische Paella, Pintxos aus Donostia (8), stilles Wasser aus Valencia und allerlei weiße und rote Weine von der Halbinsel. Josu Outerial hat erst kürzlich ein neues Abenteuer gestartet und in Brüssel ein weiteres „On Egin“ geöffnet. Mit einer etwas anderen Philosophie als in Berlin, versteht sich. Denn das Konzept von günstigem Essen, heimeligem Ambiente usw. kommt in der belgischen Stadt nicht so gut an, sagt Jonan Lekue. Der Stadtteil Neukölln hingegen verkörpert recht realistisch den alles andere als prahlerischen Geist Berlins. Dort hat die baskische Küche einen Platz gefunden. (Übersetzung: Baskultur.info)
ANMERKUNGEN:
(1) Freie Übersetzung eines Artikel der baskischen Tageszeitung Deia vom 29.3.2016 (Guten Appetit, On Egin“ (Link)
http://www.deia.com/2016/03/29/sociedad/euskadi/guten-appetit-on-egin
(2) AEK (Alfabetatze Euskalduntze Koordinakundea) ist ein Netzwerk von Schulen und Internaten für Baskisch-Unterricht für Erwachsene, AEK existiert in allen sieben Provinzen im Nord- und Süd-Baskenland
(3) Euskal Etxea (baskische Häuser) sind baskische Kulturzentren außerhalb des Baskenlandes, die offiziell anerkannt sind von der baskischen Regierung, dazu ein Artikel (Link) und die Webseite des Euskal Etxea Berlin (Link)
(4) Txistorra ist eine etwa 80 cm lange dünne Wurst aus Schweinefleisch. Sie kommt ursprünglich aus der Gegend Navarra und Aragon, und wird als Zutat zu Gemüsegerichten benutzt oder fritiert. Sie besteht zu 75% aus Fett, sowie aus Knoblauch, Salz, Paprikapulver und aromatischen Gewürzen.
(5) Txogitxu: Rindfleisch-Fabrikanten in Astigarraga (Gipuzkoa), die besondere Qualität garantieren. Exportieren nach Spanien und Europa.
(6) Bertso Bazkaria (Bertso-Abendessen). Bertsolarismo, baskisch Bertsolaritza, ist ein frei improvisierter Reimgesang in baskischer Sprache, der im gesamten Baskenland bei gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ereignissen, sowie bei Meisterschaften praktiziert wird (alle vier Jahre Bertso Finala). In der Regel „unterhalten" sich zwei Bertsolaris (Verssänger/innen) auf der Bühne mit spontan gereimten Versen, die nach thematisch gestellten Aufgaben und vorgegebenen Melodien gesungen werden. Diese Reim-Kunst hat eine große Tradition in Euskal Herria, sie geht zurück auf Zeiten, als es noch keine Schriftfassung des Euskara gab. Vergleichbare Vers-Kulturen gibt es in Irland, Südamerika, Kuba, die auf römische und altgriechische Kulturen zurückgehen. Neben den Meisterschaften gibt es regelmäßig Essen, bei denen ebenfalls Bertsos gesungen und gedichtet werden, alle Interessierten können sich zum Essen anmelden.
(7) Patxaran: typisch baskischer Schlehenlikör, der auch in vielen Haushalten zum Eigenkonsum produziert wird. Er wird oft nach dem Mittagessen gereicht, ist süß und hat einen Alkoholanteil von 20 bis 30 Prozent.
(8) Pintxo: was im spanischen Staat die „Tapas“ sind im Baskenland die „Pintxos“ – kleine Esshäppchen, die in vielen Kneipen auf der Theke ausliegen und nicht viel kosten. In früheren Zeiten wurden Pintxos kostenlos zu alkoholischen Getränken ausgegeben, um der Betrunkenheit entgegen zu wirken. In einigen spanischen Regionen hat sich diese Tradition erhalten, insbesondere in Galizien und Asturien. Auch in Bilbo, in galicischen Tavernen, gibt es noch kleine Pintxos extra. Die große Masse von Pintxos wird heutzutage jedoch speziell ausgearbeitet und bunt und lecker garniert. Insbesondere die Altstädte der baskischen Metropolen sind bekannt für ihre Auswahl an Pintxos.
FOTOS:
(*) Berlin-Ansichten (Foto Archiv Txeng - FAT)