Das Jahr der Niederlagen
Egal in welcher Ecke des Baskenlandes sie leben und für welches Team sie fiebern, in einem können sich die baskischen Fußballfans einig sein: es war ein Jahr des Leidens. Kaum eine Erwartung wurde erfüllt, am Ende waren alle froh wenigstens nicht abgestiegen zu sein. Vor allem die internationalen Erwartungen wurden bitter enttäuscht. Einzige Ausnahme vor diesem dunklen Horizont sind die baskischen Trainer, die beachtliche Erfolge erreicht haben. Nicht einmal die Weltmeisterschaft bietet Trost.
Für die Frauen und Männer im kickenden Teil der baskischen Bevölkerung waren die vergangenen 9 Monate der Saison 2017/2018 zum Abhaken. Kaum einen Grund zur Freude boten die Leistungen der Teams. Selbst die treuesten Fans waren am Ende ziemlich beleidigt.
(2018-06-09) Nach einer solch tristen Saison könnten die Fußballfans eigentlich durchatmen und wenigstens auf eine interessante Männer-Weltmeisterschaft hoffen. Doch nicht einmal dieses Vergnügen ist den baskischen Anhänger*innen vergönnt. Denn baskische Teams dürfen auf internationaler Ebene nach wie vor nicht mitspielen. Dabei könnten es – zumindest die Männer – durchaus aufnehmen mit einigen der 32 Erlauchten, die sich im Juni in Russland treffen, um den höchsten aller fußballerischen Titel auszuspielen. Fünf Basken sind dabei und alle sind sich darin einig, dass sie bei der falschen Auswahl aktiv sind: bei der ungeliebten spanischen! Fußball hat alle Zutaten zum Drama.
Frauen in der zweiten Reihe
Nach wie vor steht der Frauen-Fußball im Schatten. Die Spiele von Real Sociedad und Athletic Bilbao sind vielmehr Ort für Familienausflüge. Die Stimmung angenehm, die Erwartungshaltung nicht so hoch. Für Athletic ist klar, dass die beiden aktuell großen spanischen Clubs deutlich mehr Geld in die Wagschale werfen, so gesehen ist der erreichte dritte Platz das realistisch Machbare. Für die Konkurrenz aus San Sebastian (Donostia) begann die Saison mit 7 Niederlagen und einem Trainerwechsel. Erreicht wurde immerhin der „Klassenerhalt“. Das beste war, Athletic zum ersten Mal besiegt zu haben und das auch noch auswärts.
Zweite Liga
In der „Silber-Liga“ war in 2017-2018 nur ein baskisches Team vertreten: Osasuna aus dem navarrischen Pamplona. Der Club verdaut nach wie vor die Korruptionsskandale aus der jüngeren Vergangenheit. Ein paar ehemalige Funktionäre sitzen deshalb in U-Haft. Der Club ist fast pleite, Geld für neue Spieler steht nicht zur Verfügung. Im Gegenteil, die besten mussten zur Sanierung verkauft werden. Dass dennoch bis zum letzten Spieltag die Tür zur Aufstiegsrunde offen blieb, war so gesehen ein Erfolg. Den treuen Fans wars egal, sie feiern ihr Team so oder so.
SD Eibar
Wer prophezeit hätte, dass das kleine Eibar den besten Platz der vier baskischen Teams erreichen würde, wäre ausgelacht worden. Ziel war erneut der Verbleib in der ersten Liga, realistisch und bescheiden. Wie es sich für Mittelfeld-Clubs gehört gab es wieder viel Personalwechsel. Doch Trainer José Luis Mendilibar hat ein Händchen und baute eine effiziente Auswahl zusammen. Großkopfete wie Atletico und Sevilla wurden mit 3:0 bzw. 5:0 nach Hause geschickt. Mit etwas mehr Stehvermögen wäre sogar Europa möglich gewesen, so wurde es Platz neun. Ein inoffizielles baskisches Finale wie im vergangenen Jahr wird es nicht geben, nachdem sich Athletic und Alaves dabei einen unrühmlichen Spielabbruch geleistet hatten. Schade eigentlich, es hätte der erste Titel in der Vereinsgeschichte für den sympathischen Club aus Gipuzkoa werden können. Ziel für 2019: Klassenerhalt, wie gehabt. Mit Mendilibar so gut wie garantiert, auch wenn Athletic zwei Leistungsträger weggekauft hat.
Real Sociedad San Sebastian
Auf den zweiten Platz im innerbaskischen Vergleich kam der Club aus Donostia mit dem monarchistischen Namen Real Sociedad, Königliche Gesellschaft (auf Platz 12 der Endabrechnung). Bereits vor der Saison war ein wichtiger Spieler arabischen Dollars zum Opfer gefallen und nach Paris gelotst worden. Dafür wurde das Team mit Ausländern verstärkt. Heraus kam eine verrückte Saison. Ein Shootingstar wurde für die spanische Auswahl nominiert, zwei wichtige Spieler waren dauerverletzt, Europa war schnell beendet und die Trainerhoffnung Eusebio wurde entlassen: zwar wurden einige ansehnliche Spiele abgeliefert, Kontinuität war indes zu erkennen. Ein schmerzhafter Tiefschlag war das Pokalaus gegen einen Drittligisten.
Der tiefste Schlag kam im Januar, als die internationale Spielerbörse nochmal kräftig geschüttelt wurde. Frei gewordene Millionen aus Bilbao zogen den für-immer-treu gehaltenen Starverteidiger Martinez ans andere Ende des Baskenlandes. Nun riecht alles nach Neuaufbau. Das Stadion wird umgebaut, die lästige Leichtathletic-Rennbahn wird getilgt. Einige Stars werden den Club verlassen, weil sie bessere Angebote haben, Trainer und Sportdirektor sind neu. Mit Xabi Prieto und Mikel Martinez verlassen zwei Urgesteine das Team, die ihre gesamte Karriere hier verbracht hatten und eigentlich den Titel One-Club-Man-Award verdient hätten. Doch der wird von Athletic verliehen, der baskischen Konkurrenz aus Bizkaia. Auch Jungstar Odriozola wird kaum zu halten sein, umso weniger, wenn er eine erfolgreiche WM spielt, Real Madrid hat ein Auge auf ihn geworfen.
Somit bleibt nur der reale Präsident der alte: ein Waffenfabrikant aus Soraluze, der den Concha-Club zu seinem Spielzeug auserwählt hat. In der Tagespresse ist dies kein Thema, nur wenige wissen, was hinter diesem Jokin Aperribay steckt, dessen Vater im selben Club den Vizepräsidenten mimte. „Es ist traurig, dass eine Gesellschaft, die mehrheitlich gegen den Krieg ist, einer Reihe von Unternehmern Beifall zollt, die von Kriegen leben und an ihnen verdienen“, heißt es in einem kürzlich publizierten Buch über die baskische Waffenindustrie.
Deportivo Alavés
Der Club aus der baskischen Hauptstadt hat in der vergangenen Saison einen Rekord erzielt: noch nie ist ein Club nicht abgestiegen, der die ersten sechs Spiele alle verlor und dabei nur ein einziges Tor erzielte. Beachtlich! Es konnte nur noch aufwärts gehen und es ging aufwärts, auf den dritten Platz aus baskischer Sicht (Rang 14 insgesamt). Bezahlt mit zwei Trainerwechseln, erst der dritte Kandidat war die richtige Wahl: der sympathische Ex-Barca-Verteidiger Abelardo. Auch für Alavés – der Name leitet sich vom Provinznamen Alava ab – zählt nur eines: drin bleiben in der Ersten. Personalwechsel muss jeweils in Kauf genommen werden. Alavés ist eines jener Teams, das davon profitiert, dass die reichen Clubs (oder ihre Eigentümer) zu viele gute Spieler kaufen, die dann nicht alle einsetzbar sind. Um sie bei Laune zu halten, werden sie dann an kleine Clubs ausgeliehen, die den Durchlauferhitzer spielen. Vergangenes Jahr war gab es mit Deyverson und Hernandez schon zwei Beispiele, in diesem Jahr waren es Munir und Bojan.
Athletic Bilbao
Dass Athletic trotz überdurchschnittlicher Besetzung und erfolgreich integrierten Nachwuchsleuten nur 16. wurde und schlechtester baskischer Club war mehr als enttäuschend. Sogar die ansonsten supertreuen Fans holten mehrfach ihre weißen Taschentücher heraus: zum Abwinken. Der neue Trainer Kuko Ziganda war nicht in der Lage, die gute Arbeit seines Vorgängers fortzuführen. Was in der Mannschaft steckt, zeigte sie in fünf oder sechs Spielen. Doch auf jedes gute Match folgten vier schlechte. Katastrophe im Europacup (trotz Erreichen der Zwischenrunde), Pokalaus gegen einen Drittligisten und das auch noch zu Hause. Es war zum Heulen. Der Kreativspieler Muniain verletzte sich früh und schwer, Bilbaos „Pele“ Iñaki Williams konnte seinen Höhenflug nicht fortsetzen.
Schlagzeilen machte der Club nur in der Winterpause, als Verteidiger Aymeric Laporte für 75 Millionen zu Guardiolas Manchester City ging. Um die Lücke zu schließen wurde für 35 Millionen Starverteidiger Iñigo Martinez vom baskischen Konkurrenten Real Sociedad verpflichtet – keine eben freundschaftliche Geste, Gift für die baskische Fußballwelt. Trainer Ziganda durfte die Saison zu Ende bringen, wurde dann aber ersetzt vom argentinischen Hoffnungstrainer Berizzo. Dieser Bielsa-Schüler verspricht frischen und offensiven Fußball, gleichzeitig arbeiten die Clubmanager an der Verstärkung durch neue Kicker.
Erfolgreiche Trainer
An baskischen Trainern kann es nicht liegen, dass der heimische Fußball neun Monate lang im Argen lag. Eher an der Tatsache, dass die meisten nicht im Baskenland unter Vertrag stehen. Unai Emery ist mit Paris Saint Germain französischer Doublesieger geworden, Ernesto Valverde hat mit dem FC Barcelona dasselbe erreicht. Beiden fehlte nur die europäische Krönung: ein Erfolg bei der Championsleague war nicht drin. Vor allem für Emery war dies fatal. Sein Clubmilliardär hatte die unverschämte Summe von 330 Millionen Euro investiert in zwei Spieler, die den CL-Cup im Vorbeigehen mitnehmen sollten. Dass der Plan schief ging, hat den Mann aus der Grenzstadt Hondarribia den Job gekostet, ihn tritt nun ein Deutscher an. Doch war Emerys Fall keiner nach unten, sondern nach oben: er darf nun bei Arsenal Arsene Wenger beerben, den Rekordhalter unter den Langzeittrainern.
Vergleichbare Probleme hatte Valverde bei Barca nicht. Der katalanische Club ist einer der wenigen, die noch nicht an der Börse sind und sich auch an niemanden verkauft haben (außer den Trikot-Sponsoren). Im Gegenteil: alle waren zufrieden, hatte der Ex von Athletic Bilbao mit seinem Team doch einen Vorsprung von 15 Punkten vor Real Madrid herausgespielt und wäre um ein Haar die ganze Saison unbesiegt geblieben. So was lässt sich sehen.
Erfolgreich war auch Asier Garitano, der große Bruder des bekannteren Gaizka, der vor wenigen Jahren SD Eibar von der Dritten in die Erste geführt hatte. Ähnliches vollbrachte Asier mit CD Leganes, einem Madrider Vorstadtclub. Zwischen 2013 und 2016 lenkte er Leganes in die erste Liga und behauptete sich auch im zweiten Jahr. Gern erinnern wird er sich, dass er Real Madrid mit einem Sieg in Bernabeu aus dem Pokal warf, was einen gewissen Zidane an den Rand der Hilflosigkeit brachte. So viel Erfolg ruft neue Bewerber auf den Plan, insofern verwundert es nicht, dass Asier Garitano künftig La Real aus Donostia aus der Misere führen soll.
Einen Karrieresprung gemacht hat Julen Lopetegui vom FC Porto zum spanischen Auswahltrainer. Der Ex-Keeper stammt zwar aus Gipuzkoa, spielte aber nie für ein baskisches Team. Mit etwas Glück könnte er in Russland den meistgeliebten Cup der Kickerwelt in die Höhe recken, was sicher nur wenige baskische Fans erfreuen würde. Dabei könnten ihm gleich vier Basken helfen: Kepa Arrizabalaga von Athletic, Alvaro Odriozola von La Real, Cesar Azpilicueta von Chelsea und Nacho Monreal von Arsenal. Gaizka Garitano ist nach verschiedenen Stationen in der ersten spanischen Liga (Eibar, Valladolid, La Coruña) mit dem Nachwuchs bei Athletic Bilbao beschäftigt. Überraschend führte er das Team in die Aufstiegsrunde zur 2. Liga. Dass dort nach zwei Spielen Endstation war, enttäuscht in Bilbao niemand. Denn das Amateurteam ist in Bilbao allein dazu da, die Profis in der ersten Liga zu ergänzen und zu ersetzen.
Spieler im Ausland
Eine baskische Erfolgsgeschichte wird aus Larnaka vermeldet. Dort konnte der Bilbaino Ander Murillo sein Karriereende mit einem Triumpf im Pokalfinale feiern. Mit 36 Jahren ist nun Schluss für den Verteidiger, zum Dank bot ihm der Club den Posten als Manager an. Erste Entscheidung war die Verpflichtung eines neuen Trainers: mit Andoni Iraola fiel die Wahl auf einen Ex-Kollegen aus Bilbao, der so seinen ersten Job als Teamverantwortlicher antreten darf, nachdem er seine Karriere als Aktiver in den USA ausklingen ließ. Bilbao ist eben in aller Welt. Ob Ander Herrera von Manchester United nach Bilbao zurückkommt wird sicher zum Sommerthema. Auch Nacho Monreal von Arsenal hat ein Angebot vorliegen, ebenso Mikel Merino von Newcastle und Yuri Berchiche von Paris Saint Germain – der baskische Club vom Nervion sucht dringend Verstärkung. Javi Martinez ist glücklich und erfolgreich bei Bayern München. Ähnliches gilt für Cesar Azpilicueta bei Chelsea.
Perspektiven
Weil die Europameisterschaft der Kicker ab 2020 nach neuem Modell dezentral ausgetragen wird (nicht mehr in einem oder zwei Ländern) darf sich auch der Bürgermeister von Bilbao auf eine oder mehrere Spiele freuen. Denn nach dem Championsfinale im Rugby giert die bilbainische Verwaltung nach weiteren internationalen Großevents. Ein Jahr zuvor soll die Tour de France in Bilbao starten, das kostet viel Geld, soll aber noch mehr in die Kassen der Stadt spülen.
ABBILDUNGEN:
(1) Athletic-Real (mundodeportivo)
(2) Alavés (deportivoalaves)
(3) Jose Luis Mendilibar (diariovasco)
(4) Muniain, Williams (marca)
(5) Real-Athletic (deia)
(6) Ernesto Valverde (lavanguardia)