Iñaki Williams: Baske oder nicht
Mit seinen erst 21 Jahren hat es Iñaki Williams bereits in die Geschichtsbücher des Athletic Club Bilbao geschafft. Der Spieler mit afrikanischen Wurzeln ist in aller Munde. In einem halben Jahr ist er zum Stammspieler geworden in jenem Team, in dem sonst doch nur baskische Fußballer spielen. Entgegen verlockenden Millionenangeboten aus England hat Iñaki Williams seinen Vertrag bei Athletic verlängert und zeigt sich bodenständig. Für wie lange kann niemand sagen, trotz hoher Ablösesumme.
Iñaki Williams tut dem Fußballclub aus Bilbao gut. Vielleicht mehr als jeder andere Star, den die Talentschule Lezama in den letzten 50 Jahren hervorgebracht hat. Denn Iñaki Williams ist schwarz, seine Eltern stammen aus Afrika.
Warum er dennoch in einem der ganz wenigen Teams spielen darf, das sonst nur einheimische Spieler einsetzt und somit der millionenschweren Kaufslogik dieses Sportgeschäfts widersteht, überrascht vielleicht Außenstehende. Insider hingegen wissen, dass der Club in Bilbo nicht nur auf den Geburtsort der Spieler und Spielerinnen schaut, sondern auch all jene integriert, die egal wo geboren das Kicken im eigenen Talentschuppen gelernt haben. Als Beispiele aus der Vergangenheit dienen der in Etxremadura geborene Ernesto Valverde, früherer Spieler und aktueller Trainer, oder der in Venezuela geborene Exspieler Fernando Amorbieta. Zu diesen Ausnahmen gehört auch Iñaki Williams, der schwarze Neustar, von dem sicher noch viel zu hören , sehen und lesen sein wird. (2015-01-25)
Iñaki Williams tut Athletic Bilbao gut. Nicht nur weil er Tore schießen kann, sondern vor allem, weil er definitiv das Argument widerlegt, der Club betreibe eine rassistische Spielerpolitik. Denn genau das war in der Vergangenheit eine Interpretation, die sich in wenig bilbo-freundlichen Kreisen hartnäckig hielt. Vielleicht nur aus Neid, oder weil dieser Selbstbeschränkung auf einheimische Spieler eine Kritik am weltweiten fußballerischen Sklavenmarkt innewohnt, die für manche schwer verdaulich ist. Sich auf die Einheimischen zu beschränken und dennoch erfolgreich zu sein wirkt fast wie ein Wunder, dabei haben auch Länder-Teams wie Island mit einer kleineren Bevölkerung als das Baskenland gelegentlich Erfolg. Dass der Club aus Bizkaia nie abgestiegen ist in der Millionen-Liga ist dennoch ein Phänomen, das nur zu erklären ist mit einer vorbildlichen Nachwuchsarbeit und mit der besonderen Identifikation der Spieler mit dem Club und seinem Publikum. Die bösen Zungen interpretierten diese Limitierung als Rassismus und lagen selbst mit dem Begriff schon falsch. Denn Holländer, Deutsche oder Schweizer auszugrenzen (um im Bild zu bleiben) hat mit Rassismus so viel zu tun wie Angola mit Neuseeland. Der Begriff könnte sich – wenn, dann – nur auf Kicker aus anderen Kontinenten beziehen, von anderer Hautfarbe. Damit hat Iñaki Williams nun aufgeräumt.
Allein der Name Iñaki Williams hat es in sich. Ein englischer Familienname kommt zu einem Vornamen, der baskischer gar nicht sein könnte und zu den heutzutage häufigsten Männernamen gehört. Iñaki wurden im Baskenland die ersten afrikanischen Migranten genannt, deren originale Namen so schwer auszusprechen oder gar zu behalten sind. Das ist keine 10 Jahre her. Dabei war diese Namensgebung durchaus liebevoll gemeint, denn Iñaki ist en historischer Name ohne jeglichen negativen Touch, die spanische Entsprechung wäre Ignacio (nur auf deutsch könnte es mit Ignaz problematisch werden). Im Fall des Fußballers war die Entscheidung jedenfalls nicht des Volkes Wille, sondern der Familie – so wie manche Kurden eben Günter heißen.
Iñaki Williams hat seinen Vertrag bei Athletic bis 2021 verlängert und die Fangemeinde glücklich gemacht. Sollte ein Club mit reichem Besitzer vorzeitig seine Dienste in Anspruch nehmen wollen, müssten stattliche 50 Millionen auf die bilbainische Clubtheke gelegt werden – was in Anbetracht der russischen order arabischen Millionen in England sicher kein Hinderungsgrund wäre. Denn im Fußball ist das letzte Wort trotz Vertrag und Treueschwüren nie gesprochen, irgendwo hat auch der „Mythos Athletic“ seine Grenzen. Manchen Spielern ist es nicht zu verdenken, wenigstens ein Mal im Leben einen großen Titel gewinnen zu wollen, nicht alle halten es wie die „lebenslangen“ Telmo Zarra, Jose Angel Iribar, Julen Guerrero oder Joseba Etxeberria. Es spricht für sich, dass ein Weltstar wie Xabi Hernandez, der mit Barca alles gewonnen hat, bei seinem Abschied feststellt, der einzige Club neben Barca, der ihn gereizt hätte, wäre Athletic Bilbao. Für Iñaki Williams und kommende Talente gilt schlicht, die Zeit bis zu einem möglichen Abschied so begeistert wie möglich zu verbringen. Solange wird der Ruhm des Iñaki Williams begründet. Er selbst tut es mit Toren, die Medien mit ihren Mitteln, wie der folgende Artikel zeigt.
Mit seinen erst 21 Jahren hat es Iñaki Williams bereits in die Geschichtsbücher des Athletic Clubs geschafft. Mögliches Interesse aus der Premier League lässt ihn kalt. Ein Porträt einer potentiellen Vereinslegende (1). Sein Vater kommt aus Ghana und seine Mutter kommt aus Liberia. Und Iñaki Williams selbst, der kommt aus dem Baskenland. Beim größten und wichtigsten Fußballverein dieser so stolzen, aber fremdbestimmten Region ist man darüber recht froh. Iñaki Williams kann nämlich recht gut Fußballspielen - und das darf man beim Athletic Club de Bilbao bekanntlich nur dann, wenn man aus dem Baskenland kommt oder zumindest fußballerisch dort ausgebildet wurde. Auf Williams trifft beides zu.
Trotz dieser freiwilligen Einschränkung an potentiellen Arbeitnehmern brachte der Athletic Club schon den einen oder anderen ganz guten Kicker hervor. Legendäre Torhüter wie Andoni Zubizarreta, den sie El Centurion nannten, liefen im berüchtigten San Mames auf. Oder auch brandgefährliche Stürmer wie Telmo Zarra und Pichichi, nach dem sogar die offizielle Torjägerkanone der Primera Division benannt ist: "Trofeo Pichichi".
Neben all diesen Vereinslegenden besitzt Williams aber bereits im Alter von erst 21 Jahren ein Alleinstellungsmerkmal, das ihm auch nie mehr jemand wird nehmen können. Er ist der erste dunkelhäutige Torschütze in der 118-jährigen Geschichte des ruhmreichen Athletic Clubs.
Fast ein Jahr ist das nun schon her. Am 19. Februar 2015 verwandelte Williams in der 9. Minute des Europa-League-Sechzehntelfinal-Hinspiels gegen den FC Turin eine Hereingabe von links und schoss sich so in die Geschichtsbücher seines Vereins. Und das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, denn diese Geschichtsbücher sind dick und reich an Einträgen. Seit dem historischen Treffer folgten einige weitere Torerfolge. Zwölf, um genau zu sein. Dazu vier Assists.
Aduriz' Verletzung sei Dank
Iñaki Williams ist in der Primera Division einer der Aufsteiger der vergangenen zwölf Monate. Anfang Dezember 2014 war es, als sich Aritz Aduriz, aktuell Mittelstürmer und zukünftig wohl Vereinsheiliger, am Oberschenkel verletzte. Ohne vorher je bei einem Pflichtspiel zum Einsatz gekommen zu sein, fand sich statt des Veteranen Aduriz gegen Cordoba auf einmal Nachwuchsmann Williams in der Startelf wieder. Dessen Empfehlungsschreiben aus der dritten Liga scheint Trainer Ernesto Valverde überzeugt zu haben: Elf Treffer in 15 Spielen für den Athletic Club B.
Gelegenheiten dieses Empfehlungsschreiben zu überarbeiten und noch überzeugender zu gestalten blieben dann kaum. Das war aber auch nicht mehr nötig, denn Williams spielte abgesehen von drei Partien fortan nicht mehr für die zweite Mannschaft, sondern kam regelmäßig bei Valverde zum Einsatz. Für Williams das Größte. "Er liebt Athletic und die Stadt Bilbao", sagt Rik Sharma von der spanischen Zeitung Sport gegenüber SPOX.
Nach einigen Stationen bei kleineren Vereinen in der Region kam Williams 2012 mit 18 Jahren in die Jugendabteilung seines Traumklubs. Über den Zwischenschritt CD Baskonia, einem Kooperationsverein des Athletic Clubs in der vierthöchsten Spielklasse, kämpfte sich Williams innerhalb von zweieinhalb Jahren bis in die Stammelf der Profimannschaft durch. Der Aufstieg verlief rasant.
Schnell und flexibel
Spricht man über Williams, ist das Adjektiv "rasant" überhaupt äußerst vielfältig anwendbar. Seinen Aufstieg hat er nämlich zu großen Teilen seiner Geschwindigkeit auf dem Platz zu verdanken. "Seine größte Stärke ist seine Schnelligkeit", sagt Sharma, "viele Verteidiger kommen ihm einfach nicht hinterher." 35,7 km/h soll er vergangenen Saison mal gelaufen sein. Schneller war in der ganzen Liga niemand. Beschränkt man Williams aber auf seine Schnelligkeit alleine, wird man ihm nicht gerecht. "Er ist ein cleverer Spieler, technisch sehr stark", sagt Sharma.
Und er ist offensiv flexibel einsetzbar. Williams debütierte zwar im Zentrum, kam nach der Rückkehr von Aduriz jedoch vornehmlich über die Flügel, sowohl den linken als auch den rechten. "Im Zentrum ist er aber am besten aufgehoben", sagt Sharma. Und dort wird er irgendwann wohl den ewigen Aritz Aduriz beerben. Mit seinen 1,86 Metern verfügt Williams über einen robusten Körper, mit dem er den Ball gut abschirmen kann. Manchmal nutzt er ihn aber auch dafür, um sich energisch und wuchtig durch die gegnerischen Verteidigungsreihen zu dribbeln. Und manchmal vollbringt er mit ihm auch Kunststücke, die die Fans in eine Mischung aus Begeisterung und Unglauben stürzen. Geistesblitze oder auch Geniestreiche nennt man diese Aktionen im so blumigen Fußballsprech gerne.
Williams füllte diese Begriffe in der Hinrunde der laufenden Saison nicht nur einmal mit Leben. Am beeindruckendsten aber gegen Espanyol Barcelona, beziehungsweise dessen fußballspielende Angestellten. Leicht rechtsversetzt, nahe der Strafraumgrenze lupft Williams ein hohes Zuspiel mit dem Rücken zum Tor und der ersten Berührung über zwei verdutzte Espanyol-Verteidiger hinweg, dreht sich und knallt den Ball dann mit der zweiten Berührung links oben in den Winkel.
Anlagen für die Premier League
Das hat man in der globalisierten Welt des Fußballs wohl auch in England mitbekommen. Denn schon bald tauchten erste Gerüchte auf, wonach der FC Liverpool und auch der FC Arsenal an Williams interessiert sein sollten. Geht es nach Sharma, würde der 21-Jährige auch sehr gut in die Premier League passen. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Spieler, die aus Spanien kommen, den englischen technisch meist überlegen sind", sagt der Experte. Bei Williams kommt das physische Durchsetzungsvermögen hinzu, das ihn für den Fußball auf der Insel geradezu prädestiniert.
Seine Ausstiegsklausel von 20 Millionen Euro wird bei den interessierten Premier-League-Vereinen nicht mehr als ein Schulterzucken hervorrufen. Vielleicht aber auch nicht einmal das. Mehr oder weniger hektisch versucht der Athletic Club deshalb gerade, den Vertrag von Williams, der ohnehin nur bis 2017 läuft, zu verlängern, um die feste Ablösesumme in die Höhe zu treiben. Dass die Basken in diesem Metier reichlich anerkannte Experten sind, ist spätestens seit dem Wechsel von Javi Martinez zum FC Bayern hinlänglich bekannt.
Ein bisschen romantisch
Während Martinez im Sommer 2012 energisch auf einen Wechsel drängte, stellt sich die Lage bei Williams derzeit aber komplett konträr dar. Konträr und auch ein bisschen romantisch. Um ehrlich zu sein, fast sogar zu romantisch. "Selbst wenn ihn ein Premier-League-Verein kaufen wolle, wäre es schwer, ihn zu überzeugen den Klub zu verlassen", sagt Sharma. Williams nimmt man seine Liebe zu seiner Stadt und seinem Verein in der Heimat scheinbar ab.
Wie tief dagegen seine Liebe für sein tatsächliches Land - nicht das Baskenland, sondern Spanien - ist, konnte noch nicht abschließend festgestellt werden. Viermal lief Williams für die U21-Nationalmannschaft bisher auf und sammelte dabei drei Scorerpunkte. Es ist nicht auszuschließen, dass Williams, rasant wie man es von ihm gewohnt ist, seine Scorerpunkte im gelbroten Trikot bald nicht mehr gegen U21-Teams von Georgien oder Kroatien sammelt, sondern etwa bei der Europameisterschaft in Frankreich. "Wenn er weiterhin so überzeugend spielt und so konstant trifft, ist es nicht abwegig, dass er es in den Kader für die EM schafft", sagt Sharma.
Iñaki Williams ist auf dem besten Weg Bilbaos Vereinslegenden nachzueifern und selbst ein ganz Großer seines Athletic Clubs zu werden. Auf einem rasanten Weg.
ANMERKUNGEN:
(1) Artikel bei Yahoo-Sports (Link)
FOTOS:
(1) Siegesfeier nach dem Supercup-Erfolg gegen Barca (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) Begeisterte Fans vor dem Pokalfinale Mai 2012 (Foto Archiv Txeng – FAT)
(3) Das baskische Fernsehene berichtet euphorisch (Foto Archiv Txeng – FAT)
(4) Siegesfeier nach dem Supercup-Erfolg gegen Barca (Foto Archiv Txeng – FAT)
(5) Begeisterte Fans vor dem Pokalfinale Mai 2012 (Foto Archiv Txeng – FAT)
(6) Siegesfeier nach dem Supercup-Erfolg gegen Barca (Foto Archiv Txeng – FAT)