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Fußball trotz und mit Covid

Die iberische Fußball-Saison 2020-2021 mit umfangreicher baskischer Beteiligung wird als die Saison der Coronavirus-Pandemie in die Geschichte eingehen, in der es (bei einer minimalen Ausnahme) auf den Tribünen keine Zuschauer*innen gab. Bei der Mehrheit der erstklassigen Teams waren die Blicke stärker nach unten (Abstieg) als nach oben gerichtet, Unbeständigkeit war die allgemeine Regel. Am Ende gab es dennoch zwei baskische Cup-Sieger. Bilbao blieb wegen Covid die Europa-Meisterschaft erspart.

Zwei gewonnene Pokale, zwei Aufstiege und ein Abstieg, vier Trainer-Entlassungen und viel Mittelmäßiges ist die Bilanz der baskischen Teams in der ersten, zweiten und dritten Liga. Wem die fehlende Unterstützung des Publikums psychologisch gesehen mehr geschadet hat, ist ein Thema für die post-pandemische Sozial-Psychologie.

Am vorletzten Spieltag der Liga 2020-2021 wurden in vier verschiedenen Stadien zum ersten Mal wieder Zuschauer*innen zugelassen, allerdings nur in Regionen mit geringer Coronavirus-Verbreitung. Nicht so im Baskenland. Manche sahen darin einen unlauteren Wettbewerb, denn die Bedeutung der Fan-Unterstützung ist nicht überall dieselbe. Während in Barcelona oder Bilbo die Stadien regelmäßig voll sind, spielen Clubs wie Levante oder Getafe auch ohne Covid fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Den Rekord-Championsleague-Sieger Real Madrid eine Saison lang auf dem eigenen Trainingsplatz spielen zu sehen, war durchaus eine Besonderheit.

Mit wenigen Lichtblicken als Ausnahme war die Saison aus baskischer Sicht von Mittelmäßigkeit geprägt, wobei die Clubs nicht müde wurden, die fehlende Unterstützung ihrer Fans zu beklagen. Bei den Fernseh-Übertragungen wurde mit Photoshop Publikum simuliert, dazu wurden Publikumsgeräusche eingespielt, um die Trostlosigkeit zu beschönigen. Es liegt nahe, dass diese sich tatsächlich auch auf die agierenden Kicker und Kickerinnen übertrug. Um den spielenden Millionären etwas Druck zu nehmen, wurden fünf statt drei Auswechslungen erlaubt. Häufigster Ausfallgrund waren in diesem seltsamen Jahr nicht Verletzungen oder Formschwäche, sondern Corona-Infektionen oder Quarantäne wegen Covid-Kontakten.

kick2Europa-Meisterschaft verloren

Nachricht des Jahres (neben den Ergebnissen auf dem Platz) war, dass die UEFA der Stadt Bilbao den Titel des Austragungsortes für die verschobene Eurocopa entzogen hat, nachdem die baskische Regierung mit strengen aber konsequenten Covid-Auflagen den Zugang von Publikum unmöglich gemacht hatte. Weil der Event nach Sevilla verlagert wurde, will Bilbao nun seine Investitionen zurück, Gerichtsverfahren anhängig. Allerdings hat die Nachricht vom Entzug äußerst konträre Ansichten hinterlassen. Die Stadt erhoffte sich erneut, Millionen-Cash zu machen, in die internationalen Schlagzeilen zu kommen und einen Baustein mehr ins Welt-Metropolen-Puzzle einzuzufügen. Auf der anderen Seite all jene, die gerne eine baskische Auswahl bei der Eurocopa sehen würden, auf die verfluchte “La Roja“ aber gerne verzichten. Allgemein durfte davon ausgegangen werden, dass der Event rechte Hooligans angezogen hätte, mit dem Ehrgeiz, den Bilbao-Frieden zu stören. Dies blieb der Stadt erspart.

kick3Frauen kicken erstklassig

Nach dem Aufstieg der Eibar-Frauen waren drei Clubs in der ersten Liga beteiligt, mit unterschiedlichem Erfolg. Für die Neuaufsteigerinnen ging es um Klassenerhalt, was mit attraktivem Spiel und ohne Abstiegskitzel erreicht wurde. In die Krise gerieten ausgerechnet die Mehrfach-Meisterinnen von Athletic, nach einer endlosen Serie ohne Erfolge gerieten sie in Abstiegsgefahr. Der neue Trainer musste nach einem halben Jahr gehen und wurde durch die Trainerin des zweiten Teams ersetzt, Iraia Iturregi, eine langjährige Spielerin der Rot-Weißen.

Während sich Eibar und Athletic die schlechteren Tabellenplätze teilten, wurde die Saison für Real Sociedad aus Donostia zu einem positiven Erlebnis. Sie konnten zwar nicht an den Pokalerfolg von 2019 anknüpfen, ließen in der Tabelle aber zum ersten Mal Athletic hinter sich. Im kommenden Jahr werden es vier baskische Teams sein, denn Deportivo Alaves schaffte den Aufstieg und beinahe wäre noch Osasuna dazugekommen.

Zur Einschätzung der aktuellen Situation im iberischen Frauen-Fußball hilft ein Blick über den baskischen Tellerrand. Die Frauen des FC Barcelona gewannen die Meisterschaft, ohne Punktverlust mit nur fünf Gegentoren. Ebenfalls erfolgreich waren die Katalaninnen in der Champions-League, wo Chelsea mit 4:0 bezwungen wurde. Drei Tage nach diesem Erfolg wurde Athletic mit 8:0 abgefertigt, ähnliches war Real Sociedad nach dem Pokalsieg ergangen, als Barca im Supercup (Meisterin gegen Pokalsiegerin) mit 12:1 vom Platz ging. Soll heißen, in der langweilig gewordenen Liga existieren dramatische Unterschiede, die ihren finanziellen Ursprung haben. Im Gegensatz dazu erhielten die Barca-Damen für ihren CL-Erfolg nur einen Bruchteil dessen, was Messi und die Seinen bekommen hätten: 1 zu 160. Zuletzt hatte sich Real Madrid ebenfalls ein Team zusammengekauft und schaffte auf Anhieb den dritten Platz. Keine schönen Aussichten.

kick4Sociedad Deportivo Eibar

Ganze sieben Jahre dauerte das Wunder von SD Eibar in der ersten Liga. Trotz gutem Endspurt endete die Saison mit Abstieg, vor allem, weil das Team von Trainer José Luis Mendilibar zu Hause zu wenig Punkte machte. Damit endet die Geschichte des kleinsten Stadions der ersten Liga mit ausgebauten 8.000 Plätzen vorläufig. Dass der Baske Mendilibar trotz fortwährender Abstiegsgefahr auch sein sechstes Trainerjahr in Eibar zu Ende coachen durfte, passt perfekt zum Arbeitsstil im Club der Waffenstadt (ciudad armera).

Seit drei Jahren präsidiert mit Amaia Gorostiza eine Frau den Club. Selbst die kritische Situation wurde völlig unaufgeregt über die Runden gebracht. Im Gegensatz zum sonst üblichen Diskurs in anderen Gefilden (“Wir versuchen im nächsten Jahr den direkten Wiederaufstieg“) will man sich in Eibar Zeit lassen, ein neues Team aufzubauen, um “in drei oder vier Jahren“ wieder erstklassig zu werden. Ans Steuer berufen wird wahrscheinlich Gaizka Garitano (Ex von Athletic), der lange im Eibar-Team spielte und den Club von der dritten in die erste Liga führte.

kick5Deportivo Alavés

Erst am vorletzten Spieltag konnte sich der Club aus der Euskadi-Hauptstadt Vitoria-Gasteiz vor dem Abstieg retten. Wäre auch bitter gewesen, ausgerechnet im 100. Jahr der Vereinsexistenz ins Gras beißen zu müssen. Für die Rettung wurden gleich drei Trainer verschlissen, denn anders als in Eibar gehören Entlassungen in Mendizorrotza zum gängigen Arbeitsstil –ein komplettes Jahr hat schon länger kein Übungsleiter mehr durchgehalten. Getrübt wurde die Nicht-Abstiegs-Stimmung durch die Nichtverlängerung des Vertrags des langjährigen Teamkapitäns Manu Garcia, der den Verantwortlichen zu alt erschien.

Neben dem Club-Jubiläum (Gründungstag 23. Januar 1921) gab es in Gasteiz einen weiteren Jahrestag zu feiern, der den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte darstellt. Am 16. Mai 2001 stand Alavés in Dortmund im Endspiel des damaligen UEFA-Cups gegen Liverpool. Ein Team aus überdurchschnittlichen Nobodies hatte bei der ersten europäischen Teilnahme das Wunder geschafft, David gegen Goliath. Jenes dramatische Finale endete 5:4 für die Engländer und gilt als bestes Endspiel dieses Wettbewerbs und eines der 20 besten Endspiele überhaupt. Was keine Übertreibung darstellt, denn der Spielverlauf hätte dramatischer kaum sein können. Liverpool führte 4:1, bevor den Basken Ausgleich und Verlängerung glückte. Nachdem zwei Alavesistas vom Platz gestellt wurden, gewannen die Insulaner aufgrund eines Eigentors von Alavés mit dem damals praktizierten Golden Goal. Selbst das makellose Verhalten der baskischen Fans verdiente damals einen extra Preis. Doch all das ist tränenrührende Geschichte für einen Club, der auch im nächsten Jahr am Abgrund stehen wird.

kick6Club Atletico Osasuna

Auch der Club Atletico Osasuna aus Iruñea-Pamplona durfte während der vergangenen Saison sein 100-jähriges Bestehen feiern, allerdings schon vor dem Jahreswechsel, am 20. Oktober 1920 war der Verein als Fusion von Sportiva Football Club und New Club entstanden. Dass Osasuna (was auf Baskisch “Gesundheit“ bedeutet) gleichauf mit Athletic die Tabelle beendet, war eine der positiven Geschichten des baskischen Fußballs im Covid-Jahr. Der kämpferische Stil, der den Navarros seit Langem nachgesagt wird, konnte auch in diesem Jahr auf den Rasen gebracht werden. Dafür steht der vorletzte Spieltag mit der Auswärtspartie bei Atletico Madrid. Hätte Osasuna beim Tabellenführer die zwischenzeitliche Führung gehalten, oder nur ein Unentschieden zugelassen, wären sie zu Meistermachern für Real Madrid geworden. Ein gutes Zeichen für das Team, bei dem mit dem Basken Jagoba Arrasate (bei La Real gescheitert) auch der Trainer gut ins Bild passt.

Athletic Club de Bilbao

Für Athletic Bilbao mit Gaizka Garitano auf der Trainerbank hätte die Saison zu einem einmaligen Hit in der Vereinsgeschichte werden können. Hätte, denn es kam ganz anders. Im Jahr eins nach der Spieler-Legende Aritz Aduriz musste ein neues Team mit jungen Spielern aufgebaut werden, was dem in Bilbao hoch verehrten Garitano nicht gelang. Eine Negativserie zu Weihnachten brachte den Club zwar nis Pokalfinale aber auch in Abstiegsgefahr, die Verantwortlichen sahen sich gezwungen, das zu tun, was bei Athletic ziemlich unpopulär ist und relativ selten vorkommt: eine Trainerentlassung.

kick7Aduriz wurde zum fachkundigen Radio-Kommentator und der ligaerfahrene Marcelino zum neuen Chefcoach. Was folgte war eine Berg- und Talfahrt erster Güte. Als Pokalfinalist des vergangenen Jahres stand Athletic Anfang Januar im Final Four um den spanischen Supercup. Der sollte eigentlich für viele Euro-Millionen bei den Saudis ausgetragen werden, was das Coronavirus allerdings vereitelte. Gegen die Supermächte Real Madrid und FC Barcelona wurde aus dem Abstiegsgespenst ein unerklärlicher Höhenflug, das Team hatte endlich einmal wieder einen Pokal gewonnen. So recht glauben konnte und wollte es kaum jemand, die Erwartungen an den neuen Trainer stiegen ins Unermessliche.

Zum Unikat in der Fußball-Geschichte hätten die Bilbainos werden können, wenn sie die beiden folgenden Finale um den spanischen Pokal für sich entschieden hätten. Drei Endspiele in drei Monaten, zwei Endspiele in zwei Wochen. Zu dieser einmaligen Konstellation war es ebenfalls wegen der Pandemie gekommen. Denn 2020 hatten die beiden baskischen Rivalen das Finale erreicht, sie hatten in Absprache mit der Liga jedoch vereinbart, das Spiel erst auszutragen, wenn wieder Publikum im Stadion zugelassen würde. Was am Ende dann doch nicht möglich war. So kam es am 3. April zum Treffen zwischen La Real und Athletic, eines der langweiligsten Finale der Pokalgeschichte, in 90 Minuten kein Torschuss, Entscheidung per Elfmeter.

Was gegen La Real nicht klappte, hätte (wie im Januar) gegen Barca wieder gut gemacht werden können. Aber Messi, der im Supercup-Finale wegen Tätlichkeit vom Platz gestellt worden war, hatte einen wundervollen Abend, Athletic ging sang- und klanglos unter, mit 0:4 waren die Basken noch gut bedient. Das Gabarra-Schiff beim Meeres-Museum war bereits vorbereitet für die traditionelle Flussabfahrt des Teams nach einem Titelgewinn. Doch zum fünften Mal in den vergangenen zehn Jahren konnte der Cup nicht an den Nervion geholt werden. Aus dem möglichen Eintrag in die Geschichtsbücher des Fußball (drei Pokale in zwölf Wochen) wurde eine krachende Bauchlandung, die auch in der Liga ihre Fortsetzung fand.

Im vierten Jahr in Folge hat sich der Club aus Bilbao für keinen europäischen Wettbewerb qualifiziert. Die Eingefleischten führen es auf das fehlende Publikum zurück, denn die Atmosphäre in San Mamés gilt auch unter Auswärtigen als unübertrefflich. Auch wenn über das Spieljahr hinweg die vier stärksten Rivalen besiegt wurden, schaffte das Team keine zwei Liga-Siege in Folge. Trainer Marcelino nutzte die Flaute zum Leistungstest für die junge Generation, was für die nächste Saison hoffen lässt. Wie in keinem zweiten Team wurden Athletic-Spieler von der Pandemie getroffen, bei Trainingsstart fehlten bereits sieben, weitere folgten. Eine Nachricht nach Saison-Abschluss sorgte für Anerkennung und Ungläubigkeit zugleich. Iñigo Martinez, der Fels aus der Athletic-Abwehr und einer der gesetzten Verteidiger für die Eurocopa verzichtet auf dieses Turnier, weil er sich weder physisch noch psychisch den Anforderungen gewachsen sieht und seinen Platz deshalb besser Motivierten überließ.

kick8Real Sociedad San Sebastian

La Real war im vergangenen Ligajahr eindeutig das beste Team aus dem Baskenland. Ähnlich wie Athletic betreibt der Club eine einzigartige Nachwuchs-Förderung, die sich in einer erfolgreichen Verjüngung des Teams manifestiert. Dazu scheint der Club besonders attraktiv für Rückkehrer aus ausländischen Ligen zu sein. Vor zwei Jahren kehrten Nacho Monreal von Arsenal und Mikel Merino aus Dortmund zurück, hinter beiden war auch die Konkurrenz aus Bilbao her. Besonders wertvoll war die Verpflichtung von Welt- und Europameister David Silva, der wegen seines Alters bei Manchester City aussortiert worden war, bei La Real aber gleich wieder zum Star und Spielmacher aufstieg. Dazu kam mit Imanol Alguacil ein Trainer aus den eigenen Reihen, der durch den Rausschmiss eines Vorgängers vom Notnagel zum Dauertrainer wurde.

Mit dieser perfekten Mischung wurden praktisch alle Saisonziele erreicht: ein gutes Abschneiden in der Europa-League, die erneute kontinentale Qualifikation und endlich wieder eine Trophäe für das Vereinsmuseum. In der Liga wäre sogar mehr als der fünfte Platz drin gewesen, wenn es nicht ein paar Aussetzer gegeben hätte wie die 1:6-Heimpleite gegen Barcelona. Betreffs der Europa-League wollte sich in Donostia niemand beschweren, gegen das große Manchester United ausgeschieden zu sein (das dann ausgerechnet gegen den Liga-Sechsten aus Villareal den Cup verlor).

Höhepunkt des Jahres war jedenfalls das wegen der Pandemie um ein ganzes Jahr verschobene Pokalfinale gegen Athletic. Es brachte ein von beiden Seiten absolut deprimierendes Spiel, aber eben auch einen neuen Pokal in die Vitrinen, der erste nach dem ebenfalls Pokalerfolg des Jahres 1987. Weil aus dem Spiel heraus gar nichts klappte, musste ein Elfmeter von Mikel Oyarzabal das Finale entscheiden. Dass es ausgerechnet gegen die baskischen Rivalen aus Bizkaia geschafft wurde, versüßte den Erfolg zudem, auch wenn die folgende Häme der Sieger gegenüber den Verlieren nicht unbedingt von großer Moral und Sportlichkeit zeugte. Auf der anderen Seite blieben ein paar der unterlegenen Spieler bis zum triumphalen Konfetti-Foto Beifall klatschend auf dem Rasen – so viel zum ethischen Unterschied zwischen den beiden großen Clubs aus Euskal Herria.

kick9Von der Dritten in die Zweite

Gleich drei baskische Clubs aus der dritten spanischen Liga hatten im Mai 2021 die Chance, für das nächste Jahr eine Klasse höher zu klettern: Sociedad Deportiva Amorebieta, die Amateure von La Real (Sanse) und die von Bilbao Athletic. Das Überraschungsteam aus der Bilbo-Nachbarstadt Zornotza schaffte den Sprung zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte ebenso wie die Youngsters aus der Hauptstadt Gipuzkoas. Die werden von keinem geringeren als dem Weltmeister Xabi Alonso (La Real, Liverpool, Real Madrid, Bayern München) trainiert, dem als Jungcoach bereits Anfragen aus Deutschland, England und angeblich Madrid vorliegen. Für den Miniclub aus Bizkaia beginnen jetzt die Probleme, weil das Mini-Stadion in keiner Weise den Erfordernissen für die zweite Liga entspricht. So wird ein Zwangs-Umzug in das Trainingsgelände von Athletic wahrscheinlich.

Dass der von Joseba Etxeberria gecoachte Nachwuchs aus Bilbao den Aufstieg nicht schaffte, war für Spieler und Staff zwar enttäuschend, ein schlauer Journalist erklärte jedoch bereits im Vorfeld des “Finales“, dass ein Scheitern auch seine Vorteile habe. “Ist der Aufstieg der jungen Löwen in die zweite Liga eine gute Sache? Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht. Ich erinnere mich mit Unwohlsein an das letzte Intermezzo in der Silber-Kategorie 2015-2016. Es gab einfach keine Möglichkeit zu gewinnen. Stellt sich die Frage: Ist das gut für die Stärkung der Psyche von Spielern, die in naher Zukunft im Erstliga-Team zum Einsatz kommen sollen? Weder Madrid, noch Barca, noch andere Große sind in der Zweiten Liga vertreten.“ Sicher keine unsinnige Überlegung. Aber auch nicht der Grund, weshalb sich der gelobte Trainer aus Bilbao verabschiedete auf der Suche nach größeren Herausforderungen. Athletic bleibt damit vorläufig ohne seinen Kronprinzen, denn wiederholt war der Trainer der Zweiten in Krisenfällen in die Erste nachgerückt.

Dass der aus Hondarribia (Gipuzkoa) stammende Unai Emery nach dem FC Sevilla, Paris Saint Germain und Arsenal London einen Trainerjob beim relativ unbekannten FC Villareal aus der Region Valencia annahm, könnte als Karriereknick betrachtet werden. Der Club hatte zwar mehrfach die Champions-League erreicht, aber noch nie einen richtigen Titelpokal in seine Vitrinen stellen können. Das sollte sich mit Emery ändern. Im Mai stand er im Finale der Europa-League und hatte Manchester United vor sich. Kein Problem für den Basken, das Spiel endete unentschieden, im Elfmeterschießen hatten seine Leute mit 11:10 die Nase vorn. Nach drei Europa-League-Titeln mit dem FC Sevilla war es für Emery bereits der vierte Erfolg in jenem Turnier.

Und sonst

Individuell gesehen ist der 1989 im Zentrum von Navarra geborene und international wenig bekannte Cesar Azpilicueta der große Gewinner des Jahres. Nach neun Jahren in den Reihen des englischen Milliarden-Clubs Chelsea London durfte er als Teamkapitän den Pokal der Campions-League in die Fernsehkameras recken. Wie nahe sportliches Glück und Elend nebeneinander liegen, zeigt das Schicksal seines ebenfalls baskischen Teamkollegen Kepa Arrizabalaga, Torhüter aus Ondarroa, der 2018 für die Rekordsumme von 80 Millionen Euro von Athletic zu den Londonern gewechselt war, nach ein paar Fehlgriffen jedoch in die dritte Reihe degradiert wurde. Der aus Frankreich stammende und bei Athletic zum Fußballer ausgebildete Aymeric Laporte, ebenfalls 2018 von Bilbao zu City gewechselt, hat sich nach langem Hin und Her für die spanische Auswahl entschieden, wurde schnell eingebürgert und darf nun um einen Euro-Titel kämpfen, was ihm vom französischen (ebenfalls baskischen) Auswahltrainer Didier Deschamps heftige Kritik einbrachte.

Als die ungeliebte Eurocopa (Europa-Meisterschaft) bereits in vollem Gang war, erlebte ein ehemaliger Athletic-Spieler den Höhepunkt seiner bisher kurzen Trainer-Karriere, als er mit dem Madrider Club Rayo Vallecano den Aufstieg von der zweiten in die erste Liga schaffte. Andoni Iraolas Rayo war in der Liga nur auf dem sechsten Platz gelandet, gerade noch ausreichend für die KO-Runde, die zwischen Platz drei und sechs ausgespielt wurde. In Hin- und Rückspielen wurden zwei im vergangenen Jahr aus der Ersten abgestiegene Clubs besiegt. Erst der Madrider Konkurrent aus Leganés, dann die Katalanen von Girona. Dabei schaffte Rayo das Kunststück, die 1:2-Heim-Niederlage aus dem Rückspiel auswärts mit 2:0 wettzumachen und das nach Platzverweis mit zehn Spielern. Anekdotisch klingt es, dass Iraola kurz vor den "Endspielen" in Frage gestellt worden war und bereits über mögliche Nachfolger diskutiert wurde. Der Sternschnuppen-Himmel des Fußballs. - Eine Beobachtung am Rande: Die fünf maskulinen Erstligisten hatten zu Saisonbeginn jeweils baskische Trainer, die alle die baskische Sprache Euskara sprechen und dies bei den Pressekonferenzen (zum Missfallen der spanischen Presse) auch gerne praktizieren. Iraola wird diese Tradition fortsetzen, falls er nicht doch noch ersetzt wird bei Rayo.

ABBILDUNGEN:

(1) Saison 2020-21 (FAT)

(2) Eurocopa (deia)

(3) Alaves-Damen (alaves)

(4) Eibar (marca)

(5) Alaves (alaves)

(6) Osasuna (elpais)

(7) Athletic (mundodep)

(8) La Real (lareal)

(9) Amorebieta (durangon)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-06-05)

 

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