gaza001Geschichts-Abriss des Zionismus

Es ist nicht das erste Mal, dass der Gazastreifen im Mittelpunkt der Welt-Nachrichten steht. Immer in einem blutigen und gewalttätigen Kontext. Aber dieses Mal ist er Schauplatz eines Völkermords, der charakteristische Merkmale des zionistischen Kolonialismus aufweist. Die Überschrift mag wie eine Plattitüde klingen. Aber zusammen mit der anhängenden Infografik zeigt sie, wie Palästina unter britischer Herrschaft aussah und wie Israel den historischen Gazastreifen um ein Drittel verkleinert hat.

Der palästinensische Übersetzer und Journalist Mussa’ab Bashir Alazaiza fasst in einem Artikel der baskischen Tageszeitung Gara-Naiz die Geschichte der zionistischen Bewegung und der Besetzung Palästinas zusammen. Mussa arbeitet als Korrespondent bei Hispan TV.

Der 7. Oktober 2023 war der Beginn der jüngsten Gewaltspirale, die durch den zionistischen Kolonialismus verursacht wurde und nicht durch den Beginn eines "Krieges zwischen Hamas und Israel". Die Errichtung Israels, eines kolonialistischen Regimes, das auf einer zionistischen Ideologie beruht und 1948 nach einem Krieg errichtet wurde, ist die Hauptursache für alle Probleme in diesem Gebiet.

Warum ist Israel ein kolonialistisches Regime?

gaza002Das Ziel der Zionistischen Welt-Organisation (WZO) war es, "eine Heimstätte für die Juden in Palästina" zu schaffen, wie es in der Erklärung ihres ersten Kongresses 1897 in Basel hieß. Zionistisch nennt sich die Organisation, weil sie den Zionismus vertritt, eine rassistische Ideologie mit nationalistischen Zügen, die im frühen 18. Jahrhundert zusammen mit anderen ähnlichen Ideologien wie dem germanischen Nationalismus (aus dem sich der Nationalsozialismus entwickelte), oder dem polnischen oder ukrainischen Ultranationalismus entstand, wie der kanadische Wissenschaftler Yakov Rabkin erklärt.

(Yakov M. Rabkin, geboren am 29. September 1945, ist ein emeritierter Professor für Geschichte an der Universität von Montreal, Autor und Intellektueller. Zu seinen veröffentlichten Werken gehören Studien über die Beziehung zwischen Wissenschaft und Technologie, Forschungen über kulturelle Aspekte der Wissenschaft, einschließlich Studien über Juden in der Wissenschaft.)

Das Wort Zionismus leitet sich von Zion ab, dem Namen eines Berges in der palästinensischen Hauptstadt Jerusalem. Mit Zion wird an die Schaffung eines "jüdischen Staates" in Palästina apelliert, wie er von den Vätern des Zionismus, insbesondere von Theodor Herzl, dem ersten Präsidenten der WZO, gepredigt wurde.

Die zionistische Bewegung des 18. Jahrhunderts war eine Minderheit unter der jüdischen Bevölkerung Europas und nicht existent unter den Juden in der übrigen Welt. Sie setzte sich zusammen aus der Klasse, die dieselben Interessen hatte wie die hegemoniale Klasse in Europa, die zur Zeit der ersten industriellen Revolution Nationalstaaten aufbaute.

In diesem Zusammenhang ereignete sich der Aufstieg kolonialistischer Mächte wie Großbritannien und Frankreich, die mit Invasionen in der arabischen Welt begannen. Herzl sah damals die Möglichkeit, mit diesen Mächten zu paktieren, weshalb er in seinem Buch "Der Judenstaat" schrieb: "Für Europa würden wir dort ein Bollwerk gegen Asien bilden, wir würden der Kultur gegen die Barbarei als Vorposten zu Diensten sein. Als neutraler Staat würden wir Beziehungen zu ganz Europa unterhalten, das unsere Existenz zu garantieren hätte".

Die zionistische Bewegung wurde auch vom osmanischen Sultanat unterstützt, das die Einwanderung zionistischer Juden nach Palästina ermöglichte, wo sie den ersten Kibbuz und die Siedlung Petah Tikvah (Tor der Hoffnung) gründeten. Patah Tikvah liegt nur wenige Kilometer östlich von Tel Aviv und zählt heute mit ca. 250.000 Einwohner*innen zu den größten Städten Israels.

Als Palästina nach dem Ersten Weltkrieg an Großbritannien fiel, verpflichteten sich die Briten, die Gründung eines jüdischen Staates zu erleichtern. Ein Prozess, gegen den sich die einheimische palästinensische Bevölkerung wehrte. Das Ungleichgewicht der Kräfte aufgrund der Unterstützung der zionistischen Bewegung durch den Kolonialismus und die schrecklichen Folgen des Zweiten Weltkriegs führten jedoch – neben anderen Gründen – zum Erstarken der zionistischen Bewegung, die 1937 den ersten Plan zur Übernahme der Kontrolle über Palästina vorlegte: den so genannten Plan A oder Plan Alimelech Avnir, benannt nach dem militärischen Berater von David Ben-Gurion, der 1948 den Staat Israel ausrief.

Von 1937 bis 1948 sammelten die Zionisten Informationen in allen palästinensischen Ortschaften und erhielten von Großbritannien Ausbildung und Waffen. Der Plan wurde dreimal geändert, und schließlich wurde Plan D (Dalet, der vierte Buchstabe des hebräischen Alphabets) durchgeführt, der die ethnische Säuberung Palästinas und die Ausrufung eines Staates vorsah. Dies führte zur Zerstörung von mehr als 600 Dörfern und zur gewaltsamen Vertreibung von 75% der palästinensischen Bevölkerung, die damit zu Flüchtlingen wurden.

Die terroristischen zionistischen Militär-Organisationen überfielen 77% des palästinensischen Gebiets, auf dem sie den bereits erwähnten Staat Israel ausriefen. Dieses Kapitel der palästinensischen Geschichte ist die Nakba, arabischer Begriff für "Unglück" oder "Katastrophe". Es ist das schlimmste Ereignis in der Geschichte dieses tausendjährigen Volkes.

Nach der ethnischen Säuberung kam die rassistische Segregation

gaza003Fast zwei Drittel der palästinensischen Flüchtlinge blieben in ihrem Land, und zwar in zwei Gebieten: im Gazastreifen und im Westjordanland. Gaza-Stadt war bis zur Nakba die Hauptstadt des gleichnamigen Bezirks, der damals eine Fläche von 1.111,5 qkm umfasste und 80.000 Einwohner zählte.

Im Jahr 1948 kamen 200.000 geflüchtete Landsleute dazu, die aus ihren Gebieten vertrieben worden waren. Israel konzentrierte sie alle in einem auf 365 Quadratkilometer (ein Drittel) reduzierten Landstreifen. Der Gazastreifen wurde von den ägyptischen Behörden und das Westjordanland von den jordanischen Behörden kontrolliert, bis Israel 1967 den Rest Palästinas sowie Teile Ägyptens, Jordaniens und Syriens besetzte.

Seitdem hat sich der Gazastreifen auf unterschiedliche Weise gegen die israelische Besatzung und ihre repressiven und rassistischen Maßnahmen gewehrt. Die 1970er Jahre waren Jahre des bewaffneten Widerstands, vor allem mit den so genannten Volkswiderstandskräften, einer von der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) gebildeten Miliz. Die PFLP war zusammen mit anderen Gruppierungen Teil der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), doch die israelische Armee löschte diese linke Miliz schließlich aus.

Die israelischen Maßnahmen eskalierten und zerschlugen alle Versuche einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit Palästinas und alle Ansprüche auf eine nationale Identität, was zum Ausbruch des ersten Volksaufstandes führte, der auf Arabisch als “Intifada“ bekannt ist.

Kapitulation der PLO, Aufstieg der Hamas

1993 beschloss PLO-Chef Jassir Arafat ohne Referendum oder Konsultation der Vertretungsorgane des palästinensischen Volkes, den israelischen Staat anzuerkennen und im Gegenzug für das Versprechen eines palästinensischen Staates im Westjordanland und im Gazastreifen 77% des palästinensischen Landes und das Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge aufzugeben. Dies war das berüchtigte Osloer Abkommen.

Infolge dieses Abkommens schuf die PLO die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), ein Regierungsorgan für die palästinensischen Gemeinden im Westjordanland und im Gazastreifen. Diese PA beinhaltet jedoch keine nationale Souveränität, hat keine Kontrolle über die Grenzen oder die natürlichen Ressourcen und verfügt über keine wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Die Korruption der Palästinensischen Autonomiebehörde PA unter der Führung von Arafat und danach unter Mahmoud Abbas sowie die Unentschlossenheit der palästinensischen Linken, die zu einer NGO und einem Satelliten der PLO geworden war, führten zum überwältigenden Sieg der islamistischen Bewegung Hamas bei den Wahlen zum Legislativrat im Jahr 2006. Nur die Bewohner*innen des Gazastreifens und des Westjordanlands, das heißt, weniger als ein Drittel der palästinensischen Bevölkerung, können an den Wahlen zum Legislativrat teilnehmen, der eine lokale Regierung ernennt.

Der Sieg der Hamas war ein Wahlprotest gegen die Palästinensische Autonomiebehörde und gegen Fatah, die Partei von Mahmoud Abbas, die sich weigerte, die Macht an die Hamas abzugeben, was 2007 zu innerpalästinensischen Zusammenstößen führte. Die Hamas gewann im Gazastreifen, wo sie über relativ starke militärische Kräfte verfügt, während das Westjordanland weiterhin von Fatah regiert wird.

Israel interniert und bombardiert, Hamas explodiert und schießt

gaza004Das Regierungsmodell der Hamas hat sich ebenfalls als korrupt erwiesen. Im Gegensatz zur Fatah-Partei ist die Hamas eine Gruppierung mit einer populistisch-islamistischen Ideologie, die die muslimische Religion auf repressive Weise auslegt. Die Hamas ist nicht ISIS oder Al-Qaida, sondern eine palästinensische islamistische Gruppierung, die im Gegensatz zur Fatah den bewaffneten Kampf gegen Israel nicht aufgegeben hat.

Israel seinerseits hat seine Politik der kollektiven Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung ebenfalls nicht aufgegeben. Vielmehr hat es diese seit 2007, als die Hamas den Gazastreifen übernommen hat, verstärkt und nicht aufgehört, landwirtschaftliche Felder zu zerstören, die Fischereizone einzuschränken sowie Fischer zu verhaften und zu erschießen. Die Arbeitslosenquote unter den Jugendlichen im Gazastreifen ist 2023 auf 65% angestiegen.

Israel hat den Streifen nahezu hermetisch abgeriegelt und ihn 2009, 2012, 2014, 2019 und 2021 mit Bombardements und Militäroperationen angegriffen, die bei der gesamten Bevölkerung, insbesondere bei den Jüngsten, ein psychologisches Trauma verursacht haben.

Friedliche Märsche in Richtung der Trennlinie zwischen dem Streifen und dem israelisch kontrollierten palästinensischen Gebiet, bei denen die Rückkehr der Flüchtlinge und die Öffnung der Grenzübergänge gefordert wurden, wurden mit tödlicher Gewalt beantwortet. Israel hinterließ mehr als 300 tote Palästinenser und 30.000 Verwundete, darunter Hunderte von Amputationen durch Explosiv-Kugeln israelischer Scharfschützen.

Der Gazastreifen wurde zu einem Dampfkochtopf, der unweigerlich irgendwann explodieren musste. verantwortlich dafür ist Israel, weil der Staat die Generation, die unter der Blockade aufgewachsen ist, zum Explodieren gebracht hat. Die meisten Milizionäre der Hamas und anderer bewaffneter palästinensischer Gruppierungen sind junge Menschen, die unter der Blockade und den Bombardierungen groß geworden sind. Das ist es, was das kolonialistische Regime Israels kultiviert hat.

Dennoch beharrt das zionistische Regime darauf, mit noch mehr tödlicher Gewalt vorzugehen, das Regime bricht völlig unverfroren das Völkerrecht und erklärt unmissverständlich, dass es einen Völkermord begehen will.

In seinen Pressekonferenzen hat Netanjahu zusammen mit seinem Kriegskabinett erklärt, dass in der israelischen Armee "Juden und Nicht-Juden im Gazastreifen kämpfen". In der Tat gibt es in der zionistischen Kolonialarmee einige Muslime und Christen, die unter jüdischem Kommando kämpfen, allesamt Zionisten. Dies erinnert an die französischen, britischen und spanischen Kolonialarmeen, in denen ebenfalls Einheimische gegen ihre jeweiligen eigenen Völker kämpften.

Das palästinensische Volk ist überwiegend ein arabisches Volk und besteht aus muslimischen, christlichen und auch jüdischen Bevölkerungs-Gruppen. Israel ist kein Vertreter des Judentums, sondern des Kolonialismus. Gaza ist weder ein Land noch ein Hamastan (Hamas-Land), sondern Teil eines kolonisierten Landes namens Palästina.

Der Autor dieses Artikels ist Mussa’ab Bashir Alazaiza, palästinensischer Übersetzer und Journalist bei Hispan TV, er erschien in spanischer Sprache in der baskischen Tageszeitung Gara. Übersetzung: Baskultur.info. (1)

ANMERKUNGEN:

(1) “Gaza es una franja de Palestina” (Gaza ist ein Streifen von Palästina), Tageszeitung Gara, 2023-11-09 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Gaza (collage)

(2) Zionistische W.O. (wikipedia)

(3) Mussa’ab Bashir Alazaiza (gara)

(4) Zerstörung (elcorreo)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-11-11)

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information