Die unendliche Geschichte
2.449 Tote, 17.084 ins Krankenhaus Eingelieferte, 271.042 Infizierte und 92% Geimpfte – so die offizielle Bilanz der Coronavirus-Pandemie in Hego Euskal Herria, dem südlichen Baskenland (Euskadi und Nafarroa). Die Zahlen des zweiten Covid-Jahres hinterlassen erneut tiefe Spuren und dürften real höher liegen. Die Ansteckungen stiegen um 82%, nur über die Impfungen konnte erreicht werden, dass die Krankenhaus-Einweisungen nicht mehr als 8,5% zunahmen, gleichzeitig sank die Zahl der Toten um 35,1%.
Nach Lockdown und Ausgangssperre wurde 2021 eine Reihe von weiteren Schutz-Maßnahmen durchgeführt, die jedoch alle nicht zum Ende der Coronavirus-Pandemie führten. Die Justiz stellte Politik und Medizin mitunter in den Schatten, wirtschaftliche Gründe führten zur Verlängerung der Leidenszeit. Schlagwort des Jahres: die Impfkampagne. Über die Ursachen der Pandemie wird im Baskenland nicht diskutiert.
Zweites Pandemie-Jahr im Baskenland. Nach einer Achterbahnfahrt durch die epidemischen Wellen zeigt die Endbilanz des Jahres 2021 beeindruckende Daten. Nach den Zahlen von Osakidetza und Osasunbidea (die Gesundheits-Behörden von Euskadi und Navarra) vom 18. Dezember 2021 wurden im südlichen Baskenland 2.449 Covid-Tote gezählt. Mit den 3.777 Toten aus dem Jahr 2020 ergibt sich die Summe von 6.226 Opfern, die durch Covid-19 ihre Leben verloren haben.
Die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen ist weiter gestiegen. Im abgelaufenen Jahr waren es 17.083, nach 15.737 im Jahr 2020 (insgesamt 32.821). Die Zahl der Infizierten ist weitaus höher, die Rede ist vom 271.042 Covid-Positiven, mit den 148.624 festgestellten Fällen von 2020 kommt eine Summe von 419.666 zustande. (1) Bei einer Bevölkerungszahl von 2,882 Millionen im Süd-Baskenland (Nafarroa und Euskadi) waren somit ungefähr 14,6% der Bevölkerung Covid-positiv. Weil einige (niemand weiß, wie viele) zwei oder drei Mal angesteckt waren, müsste die Ziffer niedriger liegen; dass in Spitzenzeiten nicht alle Covid-Fälle als solche konstatiert wurden, treibt die Zahl hingegen wieder nach oben.
Aus der Bilanz der Impfdaten ist zu ersehen, dass im Süd-Baskenland 2.361954 Personen eine oder mehrere Impfungen erhalten haben, bevor Ende Dezember 2021 mit der Impfkampagne der Unter-11-Jährigen begonnen wurde. Das entspricht einer Impfquote von 92% in der impffähigen Bevölkerung (also ohne die Kinder unter 12 Jahren), diese eingerechnet wären es 82% der Gesamt-Bevölkerung – eine Zahl, von der Staaten wie Italien, Deutschland oder Frankreich nur träumen können. Hintergrund für diese Impf-Freundlichkeit ist, dass Impfung im spanischen Staat wegen der Rückständigkeit der Franquisten erst zwanzig oder dreißig Jahre später als im kapitalistischen Westen praktiziert wurde. Impfung wurde zu einem Synonym für Modernität und Wohlstand, das gilt bis heute.
Zahlen-Vergleich 2020 und 2021
Beim Vergleich der Ereignisse zwischen 2020 und 2021 fallen bestimmte Daten auf. Zum Beispiel, dass die Zahl der Ansteckungen um 82,3% gestiegen ist, während die Krankenhaus-Einweisungen nur 8,5% nach oben gingen und die Zahl der Covid-Toten um 35,1% gesunken ist. Erklärung dafür ist erstens der relative Schutz, der durch die Impfungen erreicht wurde, zweitens die weniger folgenreichen neue Covid-Varianten.
Auffällig ist auch die unterschiedliche Entwicklung der baskischen Nachbarregionen Nafarroa und Euskadi (auch Autonome Gemeinschaft Baskenland, oder CAV in der Abkürzung). Nach den von den Gesundheitsbehörden Osakidetza und Osasunbidea zur Verfügung gestellten Daten stieg die Zahl der Ansteckungen in der CAV innerhalb des Jahres um 97% (von 107.287 auf 211.644), während der Anstieg in Navarra nur 47,7% betrug (von 41.337 auf 59.398), also weniger als die Hälfte. Dieser Unterschied fällt noch deutlicher aus beim Blick auf die Krankenhaus-Einweisungen. In Euskadi stiegen sie um 27,1% (von 11.836 auf 15.047), in Navarra fiel die Zahl um 47,7% (von 3.901 auf 2.037). Bei den Todesfällen durch Coronavirus weisen die beiden baskischen Regionen ähnliche Zahlen auf. Im Vergleich zwischen 2020 und 2021 fielen die Zahlen in Euskadi von 2.839 auf 2.115 (minus 25,5%), in Navarra von 938 auf 605 (minus 35,6%).
Ins Auge sticht heute (Anfang des Jahres 2022), dass die rekordähnliche Impfquote im Süd-Baskenland nicht ihren Widerhall findet bei den aktuellen Inzidenzzahlen. Das genaue Gegenteil. Die 14-Tage-Inzidenz liegt (Anfang Januar 2022) in Deutschland bei 600 Fällen, in Euskadi bei 5.700 und in Nafarroa sogar bei 6.700. Europäische Spitze – dazu gibt es keine öffentlichen Kommentare, keine Analysen, offenbar traut sich niemand, diesen Vergleich zu interpretieren. Ein Tabu?
Keine Ursachenforschung
Die öffentliche Diskussion um Covid und die Pandemie fokussiert sich fast ausschließlich auf die Wirksamkeit oder Angemessenheit von Impfungen und Schutzmaßnahmen, zuletzt auch um den Covid-Pass. Der mehrfache Kollaps des Gesundheits-Systems als Folge der Sozialkürzungen der vergangenen Jahre war kein großes Thema, erst seit Kurzem kümmern sich die großen Gewerkschaften mehr um diese Frage. Die politische Linke im Baskenland hat zu Covid und Schutzmaßnahmen keine eigene Position entwickelt, teilweise sogar strengere Maßnahmen gefordert; der Themenschwerpunkt Sozialkürzungen wurde weitgehend verpasst. Ursachenforschung wurde so gut wie nicht betrieben, der Begriff Zoonose ist ein Fremdwort geblieben, die Kritik an der Art der Lebensmittel-Produktion – allem voran die Fleisch-Produktion – blieb das exklusive Thema des staatlichen Konsum-Ministers, der für seine vorsichtiges Infragestellen medial heftige Prügel bezog.
Mehrfach vertraten Politik, Medizin und Justiz völlig gegensätzliche Positionen zum Umgang mit der Pandemie. Die Politik stellte in jeder Phase eine vehemente Interessenvertretung der Wirtschafts- und Industrie-Interessen dar (bei der das Kleingewerbe und die Gastronomie den schwarzen Peter bekamen); der Wert einer gut ausgestatteten öffentlichen Gesundheits-Versorgung wurde in keinem Moment hervorgehoben, vielmehr wird auf ein Doppelspiel von privat und öffentlich gesetzt. Gewerkschaften und linke Parteien haben in dieser Hinsicht weitgehend versagt. Die baskische Politik zeigte sich inkompetent, schlecht informiert und ängstlich bei ihren Entscheidungen und war von der unsicher agierenden Medizin schlecht beraten, widersprüchliche Aussagen waren ebenso an der Tagesordnung wie falsche Entscheidungen.
Dazwischen mischte sich dann noch die Justiz, die sich im Spagat zwischen der Verteidigung von zivilen Rechten und der Bewertung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz unangemessene Kompetenzen anmaßte. Was in Katalonien durchging, war in Navarra illegal, in Madrid legal, in Andalusien illegal, usw. Die Abwesenheit von irgendwelchen gemeinsamen Kriterien führte zu einem juristischen und politischen Chaos. Dazu kam die zersetzende Haltung der spanischen Rechten bzw. Ultrarechten. Festzuhalten ist, dass es im Süd-Baskenland keine relevante Negationisten-Bewegung gab und gibt, schon gar nicht ein, die wie überall in Europa (und in Madrid), von der Ultrarechten gesteuert würde. Die sonst so starken linken Kräfte im Baskenland verpassten eine hervorragende Gelegenheit, die Folgen der neoliberalen kapitalistischen Politik an den Pranger zu stellen: Privatisierung, Sozialkürzung, Prekarisierung, Armut.
CORONA-CHRONOLOGIE 2021
27. DEZEMBER 2020: ERSTE IMPFUNGEN. In Navarra ist Francisco Guerrero (70 Jahre alt) der erste Geimpfte, in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland ist es Begoña del Olmo (80 Jahre).
20. JANUAR 2021: IMPF-SKANDAL. Die Impf-Kampagne ist noch keinen Monat alt, als es zum ersten Eklat kommt. Die Direktoren der Krankenhäuser Basurto und Santa Marina (beide Bilbo, beide PNV) treten zurück, nachdem sich herausstellt, dass sie die Prioritätenliste für die Impfungen (Alters- und Berufsgruppen) ignoriert haben und sich außer der Reihe haben impfen lassen.
8. FEBRUAR 2021: SECHS TOTE IN EINEM PORTAL. Die Gesundheits-Senatorin bestätigt, dass in einem Hausportal im Bilbao-Stadtteil Santutxu sechs Personen an Corona starben. Der Aufzug des Hochhauses ist die Ursache der Virenverbreitung, die Bewohner*innen beschweren sich, von den Börden ihrem Schicksal überlassen worden zu sein, ein Desinfektionsdienst muss aus eigener Tasche bezahlt werden.
9. FEBRUAR 2021: POLEMISCHES URTEIL. Der Oberste Gerichtshof des Baskenlandes entscheidet auf Antrag des Gaststätten-Verbands, dass die Gastronomie auch in den “roten Zonen“ geöffnet werden kann. Die baskische Regierung, die eine gegenteilige Regelung beschlossen hatte, protestiert energisch.
17. FEBRUAR 2021: IMPFUNG VON ERTZAINTZA-POLIZISTEN. Beginn der Impfung von 4.500 Ertzaintza-Beamten, noch Abschluss der Impfung der Gruppe der Über-80-Jährigen und vor den Gesundheits-Beschäftigten, die erneut auf die Straße gehen, um ihre Situation Stress und Überlastung zu beklagen.
19. FEBRUAR 2021: 62 POSITIVE IN FITNESSRAUM. In einem Fitness-Studio in Barakaldo werden 62 Personen angesteckt mit der britischen Variante, die Einrichtung wird geschlossen.
4. MÄRZ 2021: EIN JAHR SEIT DEM ERSTEN TOTEN. Vor genau einem Jahr starb die erste Person im Süd-Baskenland (Hegoalde, Euskadi und Navarra) an Covid.
11. MÄRZ 2021: ZWEIFEL AN ASTRAZENECA. Verschiedene europäische Staaten setzen die Impfung mit dem britischen Impfstoff AstraZeneca aus, nach dem es zu verschiedenen Fällen von “schwerwiegenden Thrombosen“ kommt.
12. MÄRZ 2021: KEIN COVID IN ALTERSHEIMEN. Nach der Entlassung aus der Isolierung von drei Personen in einem Altersheim in Araba gibt es keine weiteren Fälle in diesen privaten und öffentlichen Einrichtungen in Hegoalde.
22. MÄRZ 2021: STRATEGIEWECHSEL MIT ASTRAZENECA. Die Zentralregierung und die Autonomie-Regierungen beschließen eine Ausweitung der Altersgruppen auf 65 Jahre, die mit AstraZenecea geimpft werden sollen, anstatt bisher 55. Die Gesundheitsbehörden deklarieren den Impfstoff erneut und trotz Gegenbeispielen als sicher.
26. MÄRZ 2021: KNEIPEN-SCHLIESSUNG IN NAVARRA. Die navarrische Regierung beschließt, erneut die Gaststätten zu schließen angesichts einer Welle, die “ernst zu nehmen ist und schneller kommt als erwartet“.
27. MÄRZ 2021: ISOLIERUNG VON ORTSCHAFTEN. Neunzehn Orte in der Region Euskadi, acht davon mit mehr als 5.000 Einwohnerinnen, werden isoliert, niemand darf hinein, niemand heraus.
31. März 2021: VACUNODROME. Wie im Anoeta-Stadion von Donostia werden in der Casilla-Sporthalle von Bilbo und im Lakua-Fronton von Gasteiz große Impfzentren eingerichtet.
3. April 2021: POKALFINALE. Nach mehrfachem Verschieben wird das Pokalfinale 2020 der spanischen Liga in Sevilla vor leeren Rängen ausgetragen. Gegenüber stehen sich ausgerechnet zwei baskische Teams, Real Sociedad San Sebastian und Athletic Bilbao.
8. APRIL 2021: NEUE PROBLEME MIT ASTRAZENECA. Nachdem die Impfung von Personen unter 60 Jahren mit diesem Präparat gestoppt wurde, beschließen Zentral- und Regional-Regierungen, den AstraZeneca weiter an die Altersgruppe 60 bis 65 zu verabreichen. Später wird ausgedehnt auf 69 Jahre.
21. APRIL 2021: JANSSEN KOMMT. Die Autonome Gemeinschaft Baskenland erhält die ersten 6.850 Mono-Dosen des Janssen-Impfstoffs, der nur einmal gespritzt wird. Navarra erhält 2.000 Einheiten. Beginn der Massen-Impfungen von Personen über 70 Jahren.
23. APRIL 2021: TOD NACH IMPFUNG. In Aizoiani stirbt ein 35-jähriger Militär kurz nach der Impfung mit AstraZeneca an den Folgen einer Thrombose und einer Hirnblutung. Eine medizinische Untersuchung ergibt, dass der Tod durch die Impfung verursacht wurde.
28. APRIL 2021: THROMBOSE-VERDACHT. Eine 57-jährige Frau aus Araba, die mit AstraZeneca geimpft wurde, befindet sich nach einer Hirn-Thrombose im künstlichen Koma.
5. MAI 2021: GESUNDHEITS-PERSONAL OHNE IMPFUNG. Insgesamt 1.893 Beschäftigte von Osakidetza, der Euskadi-Gesundheitsbehörde (4,55%), verzichten darauf, sich impfen zu lassen.
9. MAI 2021: KEINE AUSGANGSSPERRE IN EUSKADI. Das Oberste Gericht von Navarra lehnt Ausgangssperre und Einschluss von Ortschaften ab. Genau in dem Moment, als der generelle Alarmzustand für beendet erklärt wird. Abgelehnt wird auch die Limitierung von Versammlungen auf vier Personen, wie dies die baskische Urkullu-Regierung beabsichtigt.
11. MAI 2021: KEINE AUSGANGSSPERRE IN NAVARRA. Das Oberste Gericht der Region lehnt die von der Regionalregierung verordnete Ausgangssperre als “unverhältnismäßig“ ab. Auch die Schließung der Straßencafés um 22 Uhr wird zurückgewiesen.
19. MAI 2021: DER BASKISCHE VARIANTE. In Pamplona wird eine spezielle Variante des Coronavirus entdeckt, die zu 194 Erkrankungen führt und bis Juni im Umlauf ist. Die C19-Version wird Karrikiri genannt, nach einem Unternehmen, das beim Stierlauf in Pamplona Stiere liefert. Die Nachricht von der Varinate wird erst im Februar 2022 bekannt.
22. MAI 2021: POLEMIK MIT ASTRAZENECA. Der Pharmakonzern hat Lieferprobleme (oder verkauft anderweitig versprochene Ware meistbietend auf dem Weltmarkt). Die bisher mit AstraZeneca Geimpften sollen als zweite Dosis Pfizer erhalten, der Begriff “Impf-Cocktail“ macht die Runde und wirft Zweifel auf. Vor allem deshalb, weil die “Patientinnen“ eine Einverständnis-Erklärung unterschreiben sollen.
14. JUNI 2021: MASSENANSTECKUNG ALTERSHEIM GASTEIZ. Zwanzig Personen, Pensionärinnen und Pflegerinnen, werden in einem privaten Altersheim in Gasteiz positiv getestet, obwohl alle geimpft sind, eine Person muss ins Krankenhaus eingeliefert werden.
17. JUNI 2021: CUREVAC SCHEITERT. Das von Curevac entwickelte Impf-Präparat, das in Hegoalde unter anderem von Biocruces und Biodonostia getestet wurde, weist bei einer zweiten Untersuchung eine Effizienz von nur 47% gegen Coronavirus auf.
24. JUNI 2021: ANTI-PANDEMIE-GESETZ. Das spanische Parlament verabschiedet ein Anti-Pandemie-Gesetz, das von Beginn an unwirksam ist. Es legt eine allgemeine Maskenpflicht fest, am selben Tag wird jedoch die Maskennutzung im Freien abgeschafft. Das Gesetz steht in direktem Zusammenhang mit einem Gesundheits-Notstand, der bald wieder zurückgenommen wird.
26. JUNI 2021: ENDE DER MASKENPFLICHT IM FREIEN. Neue Regel ist, dass Gesichtsmasken im Freien nur dann getragen werden müssen, wenn der persönliche Abstand zu anderen Personen weniger als 1,5 Meter beträgt. Im öffentlichen Transport muss die Maske immer getragen werden.
29. JUNI 2021: MASSENANSTECKUNG AUF MALLORCA. Die baskische Gesundheits-Senatorin informiert über 189 Covid-Fälle, die in der CAV festgestellt wurden und mit Mallorca in Zusammenhang stehen. Die Massenansteckung zieht weitere Kreise, es stellt sich heraus, dass baskische Schulklassen (und aus anderen Regionen) ihre Abschlussfahrten nach Mallorca unternahmen und dort in Discos und am Strand Feste ohne Ende gefeiert wurden.
1. JULI 2021: FIESTAS ABGESAGT. Angefangen bei den Großveranstaltungen in den baskischen Metropolen (Baiona, Pamplona, Bilbo, Gasteiz, Donostia) werden alle Fiestas abgesagt. Im Laufe des Sommers kommt es in der Folge zu sogenannten No-Fiestas: illegale Massen-Zusammenkünfte von jungen Menschen mit Drogen und Alkohol und Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften.
2. JULI 2021: ANSTIEG VON ANSTECKUNGEN. Mit 456 neuen Ansteckungen erlebt das Süd-Baskenland einige Tage lang eine negative Covid-Tendenz. In Hernani (Gipuzkoa) ist die Situation besorgniserregend, mit einer Inzidenz von 621 Fällen auf 100.000 Personen in vierzehn Tagen, am 23. Juni (neun Tage zuvor) waren es nur 49 Fälle. Der Anstieg geht zurück auf illegale No-Fiestas.
7. JULI 2021: MASSENANSTECKUNG IN SALOU (KATALONIEN). Die Ansteckungen in Tourismus-Gebieten nach Klassenfahrten betreffen bereits 1.5000 baskische Jugendliche. Die Hälfte der Jugendlichen, die nach Salou zur Klassenfahrt gereist waren, ist covid-positiv.
13. JULI 2021: MASSENANSTECKUNG IN LESAKA (NAFARROA). Nach 90 Covid-Fällen in wenigen Tagen wird in der Kleinstadt ein großangelegter Massentest gemacht unter jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren.
14. JULI 2021: ILLEGALER LOCKDOWN. Der erste Lockdown wegen Coronavirus, der sich von März bis Juni 2020 hinzog, wird auf Antrag von Ultrarechten vom (ebenfalls rechts besetzten) spanischen Verfassungs-Gericht für unwirksam erklärt – politische Schlappe für die Regierungs-Koalition.
19. JULI 2021: MASSENANSTECKUNG IM GEFÄNGNIS ZABALLA. Vierzehn Gefangene eines Trakts des Zaballa-Gefängnisses in Araba werden positiv auf Covid getestet, alle sind bereits geimpft und asymptomatisch. Erneut werden alle Besuche gestrichen.
25. JULI 2021: FÜNFTE WELLE AM HÖHEPUNKT. Die 14-Tage-Inzidenz im Süd-Baskenland beträgt 847 Fälle, die höchste Ziffer seit Beginn der Pandemie, die Marke von 842 aus dem Herbst 2020 wird übertroffen.
6. AUGUST 2021: MASSENANSTECKUNG IN ALTERSHEIM IN BILBO. 21 Bewohner*innen des Misericordia-Altersheims in Bilbo und vier Betreuerinnen werden positiv getestet. Nur zwei von ihnen zeigen Covid-Symptome, alle waren bereits zwei Mal geimpft.
26. AUGUST 2021: EUSKADI VERLÄSST DIE ROTE ZONE. Die Inzidenz in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland sinkt unter 400, was nach eineinhalb Monaten das Ende der roten Zone bedeutet.
1. SEPTEMBER 2021: MASSENANSTECKUNG in ERRIBERA (NAVARRA). In der landwirtschaftlichen Erribera-Zone in Süd-Navarra wird unter Wanderarbeiterinnen eine Massenansteckung festgestellt.
16. SEPTEMBER 2021: DAS OBERSTE GERICHT EUSKADI. Das Gericht korrigiert erneut die Regional-Regierung Urkullu und erhöht den Publikums-Anteil in Fußball-Stadien in Euskadi von 30% auf 60%.
16. SEPTEMBER 2021: IMPFZENTRUM GESCHLOSSEN. Mit der Schließung des Impfzentrums (Vacunodrom) im Pavillon der öffentlichen Universität beginnt Nafarroa eine neue Phase. Hier und in der ehemaligen Maristen-Schule wurden 450.000 Impfdosen an 242.000 Personen verabreicht.
20. SEPTEMBER 2021: BEGINN DER DRITTEN IMPFDOSIS. In Altersheimen der CAV werden zum ersten Mal Verstärkungs-Impfdosen verabreicht, die dritte Impfung wird mit Pfizer durchgeführt.
22. SEPTEMBER 2021: ENDE DER PANDEMIE. Das Institut für öffentliche und Arbeits-Gesundheit in Nafarroa stellt fest, dass die 14-Tage-Inzidenz nach 14 Monaten unter die Schwelle gefallen ist, die als Pandemie bezeichnet werden kann, 32 Fälle unter 100.000. Die Bewertung lautet, dass “wir in Navarra vor dem Ende der Pandemie stehen können“.
1. OKTOBER 2021: ENDE DER EINSCHRÄNKUNGEN. Die navarrische Ministerpräsidentin María Chivite kündigt das Ende der Einschränkungen an, Maßnahmen wie Maskenpflicht in Innenräumen werden allerdings beibehalten. Weiter wird dringend empfohlen, immer gut zu lüften und die Hände zu waschen.
2. OKTOBER 2021: BUSSGELDER ZURÜCKGEZAHLT. Die Regierung von Urkullu zahlt alle bereits bezahlten Bußgelder wegen Verstößen gegen Pandemie-Maßnahmen während des ersten Alarmzustands zurück, nachdem das spanische Verfassungsgericht den ersten Einschluss im Juli für nichtig erklärt hat.
3. OKTOBER 2021: ENDE DER EINSCHRÄNKUNGEN. Der Pandemie-Krisen-Beirat LABI in Euskadi beschließt, die Mehrheit der aktuellen Schutzmaßnahmen aufzuheben. Nur die Publikums-Beschränkung in Räumen mit mehr als 5.000 Plätzen wird noch bei 80% belassen. Der Gebrauch von Gesichtsmasken in Innenräumen bleibt Pflicht.
12. OKTOBER 2021: TÖDLICHE MASSENANSTECKUNG IN LOIOLA. Vier Geistliche des Jesuiten-Klosters Loiola (Gipuzkoa) sterben an einer Mehrfach-Ansteckung mit Coronavirus in der Einrichtung. Betroffen sind 12 Priester und 10 Arbeiter. Alle waren bereits geimpft. Sieben Jesuiten werden ins Krankenhaus gebracht.
20. OKTOBER 2021: MASSENANSTECKUNG IN BASURTO. Im Krankenhaus Basurto (Bilbo) wird eine Massenansteckung festgestellt, betroffen sind 30 Patient*innen, Pfleger*innen und Besucher*innen eines bestimmten Krankenhaus-Flügels.
28. OKTOBER 2021: ZWEITER ALARM-ZUSTAND ANULLIERT. Die konservative Mehrheit des spanischen Verfassungs-Gerichts erklärt auch den zweiten von Regierung und Teilen der Opposition beschlossenen Alarmzustand, der sechs Monate andauerte, für verfassungsfeindlich. Damit werden alle in dieser Zeit ausgesprochenen Bußgelder wegen Verstößen gegen Einschränkungen hinfällig. Die Regierung in Navarra erklärt, sie werde die Bußgelder aus dem ersten Alarmzustand zurückzahlen, der im Juli vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt worden war.
1. NOVEMBER 2021: ANSTECKUNGEN BEI MINDERJÄHRIGEN. In der Gruppe der Kinder unter 12 Jahren steigt die Corona-Inzidenz auf 174. Schulen werden immer mehr zu Ansteckungszentren.
1. NOVEMBER 2021: ANSTECKUNGS-REKORD IN AGURAIN. Unter den baskischen Orten mit mehr als 5.000 Einwohner*innen weist Agurain (Salvatierra) in Araba mit 1.064 Fällen die höchste Inzidenz auf.
5. NOVEMBER 2021: MASSENANSTECKUNG IN ASTIGARRAGA. In der Herri-Schule des Ortes in Gipuzkoa müssen sieben Schulklassen mit 150 Schüler*innen geschlossen werden. Ansteckungen in Schulen setzen zunehmend sich fort.
17. NOVEMBER 2021: NEUE EINSCHRÄNKUNGEN. In Ortschaften mit einer Inzidenz von mehr als 150 Fällen müssen alle Aktivitäten ausgesetzt werden, bei denen die Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden können.
22. NOVEMBER 2021: INZIDENZ IN DER CAV ÜBERSTEIGT 300. Das offizielle Amtsblatt der Autonomen Region Baskenland bestätigt eine 14-Tage-Inzidenz von 300,7 Fällen pro 100.000 Personen.
22. NOVEMBER 2021: COVID-PASS GEBREMST. Das Oberste Gericht der Region Baskenland (Euskadi) sagt nein zum Plan der Regional-Regierung, dass für den Zugang zu Nachtlokalen und Restaurants mit mehr als 50 Plätzen ein Covid-Ausweis vorgelegt werden muss. Die Regierung hatte dem Gerichtshof ihre Vorschläge zur Prüfung vorgelegt.
22. NOVEMBER 2021: GRÜNES LICHT FÜR COVID-PASS. Das Oberste Gericht der Region Navarra (im Gegensatz zum vergleichbaren Gericht in Euskadi) unterstützt die Maßnahme der Regional-Regierung, für den Zutritt zu Restaurants mit mehr als 60 Plätzen die Vorlage eines Covid-Ausweises zu verlangen. Das soll auch für Diskotheken und Festsäle gelten, sowie für Kulturräume mit Fassungsvermögen von mehr als 1.000 Personen.
30. NOVEMBER 2021: VIRUS ZURÜCK IN ALTERSHEIMEN. Eine Massenansteckung mit mehr als 20 Betroffenen wird aus einem Altenheim in Ermua (Bizkaia) gemeldet. Sieben Fälle in fünf Einrichtungen in Gipuzkoa sowie fünf Fälle in drei Heimen in Araba bestätigen, dass das Virus erneut in diesen baskischen Einrichtungen zirkuliert. Wenigstens zwei Personen sterben in den betroffenen Zentren an Coronavirus.
2. DEZEMBER 2021: GESUNDHEITS-NOTSTAND. CAV-Ministerpräsident Urkullu unterschreibt ein Dekret, mit dem angesichts der hohen Zahl von Neuansteckungen mit Coronavirus ein Gesundheits-Notstand erklärt wird.
3. DEZEMBER 2021: FREIE BAHN FÜR DEN COVID-PASS. Das spanische Verfassungs-Gericht widerspricht der Entscheidung des Obersten Baskischen Gerichts und genehmigt die Einführung eines Covid-Passes in der CAV. Die baskische Regierung hatte in Madrid gegen die baskische Entscheidung geklagt.
7. DEZEMBER 2021: DRUCK IM GESUNDHEITS-BERICH STEIGT. Wegen des Anstiegs der Zahl der Covid-Patient*innen stoppt die Gesundheits-Behörde der CAV Behandlungen von Patienten mit chronischen Krankheiten, Herzschwächen, chronische Bronchitis, u.a.
7. DEZEMBER 2021: KINDER-IMPFUNG. Die spanische Gesundheits-Behörde gibt die Impfung von Kindern zwischen fünf und elf Jahren frei.
9. DEZEMBER 2021: INTENSIVSTATIONEN IM STRESS. Insgesamt 95 Personen liegen auf den Intensivstationen des südlichen Baskenlandes, die Zahl nähert sich dem kritischen Limit.
9. DEZEMBER 2021: MASSENANSTECKUNG IN BASURTO UND BARAKALDO. Osakidetza entdeckt und meldet neue Massenansteckungen im Krankenhaus Basurto und einer Gesundheits-Station in Barakaldo-Sestao.
10. DEZEMBER 2021: AUSWEITUNG DES COVID-PASSES. Die baskische Regierung fordert vom Obersten Gericht der CAV die Ausweitung der Ausweis-Pflicht auf alle gastronomischen Einrichtungen, alle Fitness-Studios und Gefängnisse.
14. DEZEMBER 2021: ERSTE OMIKRON-FÄLLE. In Hegoalde werden die ersten acht Ansteckungen mit der aus Südafrika stammenden Omikron-Variante gemeldet, die bereits seit Tagen durch die Medien geht. Zu erwarten sind Massenansteckungen, die Infektions-Rate schießt exponentiell in die Höhe.
15. DEZEMBER 2021: BEGINN DER KINDER-IMPFUNG. Im Süd-Baskenland beginnt die Impfung von Kindern, zuerst sind die zwischen elf und neun Jahren an der Reihe, 30.000 Anmeldungen sind vergeben.
16. DEZEMBER 2021: DRUCK IM VERSORGUNGS-BEREICH. Die Gesundheits-Behörde Osasunbidea in Navarra sagt nicht dringende chirurgische Eingriffe ab, angesichts des enormen Drucks im Gesundheits-Bereich.
18. DEZEMBER 2021: GEGEN DEN IMPF-PASS. Die aus Negationisten und Impf-Gegner*innen bestehende Bewegung Bizitza (baskisch: Leben) mobilisiert in Donostia mehrere Tausend Personen zu einem Protest gegen den Covid-Pass, der als “Apartheid“ und als “diktatorisch“ bezeichnet wird.
20. DEZEMBER 2021: WEITERE BESCHRÄNKUNGEN. Weihnachten droht mit der Vervielfachung von Omikron-Ansteckungen durch Familienfeiern. Der Covid-Krisenrat LABI in Euskadi empfiehlt wie in Nafarroa die Beschränkung der Weihnachts-Treffen auf 10 Personen und nicht mehr als zwei Familieneinheiten.
BILANZ
Die Ziffer von 82% Impfung der Gesamtbevölkerung bzw. 92% der impffähigen Bevölkerung stellt in Europa einen Rekord dar. Dieser Rekord steht in krassem Widerspruch zur Tatsache, dass die Omikron-Welle (im spanischen Staat die sechste, in anderen Ländern die vierte oder fünfte Covid-Welle) gerade im Rekord-Staat besonders heftig um sich greift. Die hoffnungsvollen Prognosen über den Schutz der Impfung haben sich als Zwecklügen herausgestellt, von denen nicht mehr übrig bleibt als eine Linderung des Covid-Leidens. Die Informationspolitik der baskischen und navarrischen Regierung – wie die der spanischen und der Mehrheit weiterer Exekutiven – bestand während der gesamten bisherigen Pandemiezeit aus Unwissen, Halbwahrheiten, hilflosen Empfehlungen, Durchhalteparolen und fahrlässigen Unwahrheiten (um den Begriff Lügen zu vermeiden).
Diese Politik war der ideale Nährboden für ultrarechte Negationisten, Esoteriker*innen, Verschwörungs-Theoretiker und Gesundheitsapostel. Sie alle beriefen und berufen sich auf “Freiheit“, die sie ansonsten mit Füßen treten oder mit Egomanie verwechseln. Im Baskenland konnte diese Mischung aus unterschiedlichen Motivationen nie Fuß fassen. Einerseits, weil die Ultrarechte hier nicht stark und einflussreich genug ist; andererseits, weil das Vertrauen in ein funktionierendes Gesundheits-System und in Impfungen generell nirgendwo so groß ist wie im Baskenland (respektive spanischer Staat).
In diesem Abgrund zwischen bürgerlich-kapitalistischem Diskurs und fundamentaler Ablehnung jeglicher Schutzmaßnahmen – vernünftig oder absurd – war die baskische Linke in keinem Moment in der Lage, einen rationalen Gegenpol zu formulieren. Sie bewegte sich zwischen Hilfslosigkeit und der Forderung nach schärferen Schutzmaßnahmen. Durch die Pandemie wurden die Folgen der Kürzungen im Gesundheits- und Sozial-Bereich deutlicher als nie zuvor. Dennoch halten sich die regierende Christdemokraten, verantwortlich für die neoliberale Privatisierungs- und Kürzungs-Politik in Umfragen ohne jegliche Verluste.
Jahrelang hatten Gewerkschaften und linke Organisationen vor den Folgen dieser neoliberalen Kürzungs- und Privatisierungs-Politik gewarnt. Doch im Moment der sich zuspitzenden Krise waren sie nicht in der Lage, ihre berechtigte und notwendige Kritik zu bündeln und zu einer dauerhaften Stimme im Pandemie-Panorama zu machen. Nur die im Gesundheitsbereich Beschäftigten (und ihre eher minderheitlichen Gewerkschaften) brachten gelegentlich die katastrophalen Umstände in den Krankenhäusern, Intensivstationen und in der Basisversorgung zum Ausdruck, mit Zuspitzung auf die Arbeitsbelastung und den psychologischen Druck, den die Beschäftigten seit fast zwei Jahren auszuhalten haben.
Die größte Lüge der Pandemie bestand in der anfänglich bis zum Erbrechen wiederholten Feststellung “Niemand bleibt zurück“ oder “Niemand bleibt unversorgt“. Dieser Spruch hatte ein schnelle Verfallszeit. Bereits im Sommer 2020 war er nicht mehr zu hören. Danach kam die Hochkonjunktur der Pharma-Industrie und ihrer schnell und schlecht entwickelten Präparate. Die Konkurrenz aus Russland und Kuba wurde (ohne wissenschaftliche Prüfung) politisch und medial ausgeschaltet. Milliarden wurden eingesammelt, die Diskussion über die Freigabe der Patente war beendet, bevor sie anfing.
Die Pandemie war und ist eine ideale Unterrichtseinheit in Sachen Kapitalismus, fehlender Fürsorge, Mehrbelastung von Frauen, geschlechts-spezifischer Arbeitsteilung, unzureichender Sozialpolitik und den Folgen von Sozialkürzungen, Prekarisierung und Privatisierung. Eine Unterrichtseinheit für all jene, die sich trotz Konsumgesellschaft, Umweltzerstörung und Vernichtung der Lebensgrundlagen einen kritischen Blick erhalten haben.
ANMERKUNGEN:
(1) Zahlen und Daten aus der Tageszeitung Gara vom 27.12.2021
ABBILDUNGEN:
(1) Covid-Collage (FAT)
(2) Zoonose (sci-dev.net)
(3) Omikron (aarp.org)
(4) Fleischkonsum (sp.on)
(5) Schweine keulen (dpa)
(6) Pharma-Interessen (heise.de)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-01-13)