Jeder Tag Totensonntag
Der zweite Alarmzustand wurde zentralstaatlich verordnet, um der zweiten Coronavirus-Welle Grenzen zu setzen und regionale Maßnahmen zu beschließen. Ein neuer Lockdown droht. Die Proteste gegen die Einschränkungen persönlicher und kollektiver Freiheiten haben das Baskenland erreicht. Nicht alle, die rebellieren, sind Negationisten und Faschisten. Weitere Themen: unsägliche Jahrestage, Römische Siedler im Baskenland, nicht endender Polizei-Rassismus, Widerstands-Kultur trotz Coronavirus-Pandemie.
Baskultur.Info-Nachrichten von November 2020: zwischen Rassismus und Wohnungsnot Antifaschismus und Pandemie, zwischen historischen und aktuellen Todestagen, zwischen Diktator Franco und dem Kinderarzt Santi Brouard, zwischen internationalen feministischen Mobilisierungen und Folteropfern.
INHALT:
(14) Mobilisierungstag 28N (13) Der Preis für die Zustimmung zum Staatshaushalt (12) Frauenmord - Polizeimord (11) Die Baskische Fussball-Auswahl (10) 20. November - Todestag (9) Schnellzug statt Gesundheit (8) Gentrifizierung und Enteignung (7) Faschistische Umtriebe in Bilbao (6) Immobilien-Mafia Bilbao (5) EH Bildu: Skandal um Haushaltsdebatte (4) Attacke gegen Faschisten (3) Gastronomie: Protest der Kneipiers und ihrer Klientinnen (2) Verdeckter Rassismus (1) Pandemie: Rebellion und Vandalismus (*)
2020-11-28
MOBILISIERUNGSTAG 28N
Dass das Wetter besonders gut werden sollte, konnte niemand ahnen, als der 28. November zum vielfachen Mobilisierungstag auserwählt wurde. Es war praktisch unmöglich, allen Aufrufen zu folgen, nicht wenige taten ihr Bestes, überall zu sein: gegen Spekulation und Mieterpressung – Freiheit für die West-Sahara – Hausbesetzung und Gaztetxes – Kampf der hausangestellten Frauen – Für ein freies Palästina. Wenn schon die Gaststätten geschlossen sind, es gibt immer Wege für soziale Kontakte. Daneben gab es Aktivitäten innerhalb der Kampagne für die baskische Sprache und gemeinsame Putzaktionen in Nachbarschafts-Lokalen. Sogar die faschistische Vox-Partei hatte einen Info-Tisch im Zentrum Bilbaos aufgestellt – einen Schandfleck gibt es eben immer.
GENTRIFIZIERUNG – MIET-ERPRESSUNG
Eine Vielfach-Wohnungs-Besitzerin im ohnehin von Polizei-Rassismus heimgesuchten Arbeiter- und Migrations-Stadtteil San Francisco (Bilbao) versucht seit Jahren, aus armen Mieter*innen das Letzte herauszupressen. Für ein Mini-Zimmer werden 370 Euro kassiert, ein Mietvertrag und das Recht zur Einschreibung bei der Meldebehörde muss extra bezahlt werden. In der Wohnung leben bis zu elf Personen mit Einzelverträgen. Als die saharauische Mieterin durch den Lockdown zahlungsunfähig wurde, wurde sie mit Rauswurf bedroht, das Wasser wurde (illegalerweise) abgestellt, Lampen ebenfalls und Müll in den Hof geworfen. Die daraus folgende Gezieferplage wurde mit illegalem Gift bekämpft ... die Liste der Haifisch-Praxis geht weiter. Dagegen hat sich im Barrio eine Aktions-Gruppe zusammengefunden, die gegen solcherart Repression mobilisiert und Rechtsbeistand organisiert. Heute war Kundgebung, um öffentlich auf die Misstände aufmerksam zu machen. (VIDEO)
FREIHEIT UND REFERENDUM FÜR DIE WEST-SAHARA
Die große im Baskenland lebende Saharaui-Gemeinschaft mobilisierte einmal mehr gegen den von Marokko angezettelten Krieg, und gegen die Besetzung eines Großteils der zur West-Sahara gehörenden Gebiete. Gefordert wird erstens die Durchführung des von der UNO versprochenen Referendums und zweitens das Ende der Besetzung durch Marokko. Die katalanische Regierung solidarisierte sich mit der Polisario und verurteilte die Besetzung. Die saharauische Nachrichten-Agentur ECS informierte gestern, dass Russland, Algerien, Südafrika, Deutschland, die Türkei, Kuba und Italien sich dafür einsetzen wollen, die UNO-Beschlüsse durchzusetzen; Kolumbien und Guatemala unterstützen das marokkanische Königsregime. Zwischen dem Baskenland und der West-Sahara existieren viele freundschaftlich-solidarische Beziehungen auf offiziellen und privaten Ebenen. (VIDEO)
HAUSBESETZUNG UND GAZTETXES
Ebenfalls gegen Immobilien-Spekulation, Wohnungsnot, Gentrifizierung, Touristifizierung, gegen Wohnungs-Leerstand, Zwangsräumung gegen zahlungsunfähige Personen und mangelnde soziale Wohnungs-Politik wandte sich BOM, die Hausbesetzer-Bewegung aus Bilbao, Bilboko Okupazio Mugimendua. Kritisiert wurden Immobilien-Firmen, Banken, Bauunternehmen und Stadtverwaltungen, die nur Profit im Sinn haben und trotz zunehmender Armut nicht für die immer notwendiger werdenden Sozial-Wohungen sorgen. Solange dieser Zustand anhalte, sei Besetzung, für private und gemeinschaftliche Zwecke allemal legitim. Um die Mittäterschaft der Presse bei der Diffamierung von Besetzer*innen anzuklagen, ging der Weg der Demonstration zum Sitz der größten baskischen Tageszeitung, der reaktionären El Correo, einst Sprachrohr des franquistischen Regimes. (LINK)
KAMPF DER HAUSANGESTELLTEN FRAUEN FÜR MEHR RECHTE
Im Zusammenhang mit dem Internationalen Tag zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen (am 25. November) beklagten die in Haushalten angestellten Frauen, dass ihre Rechte ignoriert und ihre Situation unsichtbar gemacht werde. Die meisten dieser privaten Hausangestellten sind Migrantinnen, manche ohne Papiere. Aus diesen Gründen sind sie einer vielschichtigen Ausbeutung und Agression unterworfen. “Wir sprechen von verschiedenen Formen von Gewalt: sexistisch, physisch, psychologisch, institutionell, wirtschaftlich, symbolisch, rassistisch und als Klassensubjekte. Diese Gewaltformen bedingen sich gegenseitig und summieren sich. Die Folgen sind Armut, Prekarität und die Drohung mit Ausweisung.“ So die Erklärung der Frauen, die sich mittlerweile in der Gewerkschaft LAB organisieren. “Diese Gewaltformen müssen erkannt und benannt werden, sie müssen als Männergewalt beklagt werden, es handelt sich um Gewalt, die in kolonialen und kapitalistischen Verhältnissen ihre Grundlage haben.“ (VIDEO)
FÜR EIN FREIES PALÄSTINA
Am Vortag des Internationalen Tages der Solidarität mit dem palästinensischen Volk schlossen um die 400 Personen den Mobilisierungs-Marathon mit einer Demonstation von der Stadtmitte zur Altstadt ab. Die Solidarität mit Palästina ist in Euskal Herria ebenfalls stark ausgeprägt, auch wenn (im Gegensatz zu den Saharauis) nur wenige Palästinenser*innen hier leben. Aktueller Streitpunkt ist der Auftrag der israelisch-zionistischen Regierung an ein baskisches Transport-Unternehmen, eine Straßenbahn durch die besetzten Gebiete im West-Jordanland zu bauen. Selbst der Betriebsrat des Unternehmens CAF in Beasain (Gipuzkoa) hat die Unternehmens-Leitung aufgefordert, auf den Auftrag zu verzichten (nicht zuletzt deshalb, weil sich das Unternehmen in einer idealen Auftragslage befindet und es sich somit leisten könnte, einen Job abzusagen). Sämtliche relevanten baskischen und spanischen Gewerkschaften sprechen sich ebenfalls gegen das Projekt aus, das völkerrechtlich umstritten ist. Daneben wurde von der internationalen BDS-Kampagne zum Boykott von kulturellen und wissenschaftlichen Kontakten mit Israel aufgerufen. (FOTOSERIE)
2020-11-27
DER PREIS FÜR DIE ZUSTIMMUNG ZUM STAATS-HAUSHALTS
Überraschend und doch nicht waren die 91,5% Zustimmung der Parteibasis der baskischen Linkskoalition EH Bildu zum Vorschlag ihres Generalsekretärs, doch bitte dem spanischen Staatshaushalt zuzustimmen. Arnaldo Otegi hatte um eine satte Mehrheit seiner Basis gebeten, um aller Welt zu zeigen, dass die baskische Unabhängigkeits-Linke stark ist, und überzeugt von dem, was man macht. Erster Fehler, denn nicht die ganze Linke wurde gefragt, sondern nur jener Teil, der auf Institutionen und Parlamentarismus setzt. 5,6% sprachen sich bei der telematischen General-Versammlung gegen den Vorschlag aus und 2,9% hatten keine Meinung oder wollten sie nicht preisgeben. Anders ausgedrückt, 1.648 Baskinnen und Basken haben entschieden, wo es im Staate lang geht, nicht besonders viele.
Nicht dass es sich um einen sonderlich sozialistischen oder ökologischen Haushalt handeln würde. Ein paar kleinere lokale Investitionen wurden im Austausch ausgehandelt, doch Otegi ging es um Höheres. Es gehe darum, der baskischen Bevölkerung weiterhin die Chance zu erhalten, verlorene soziale Rechte wiederzuerlangen und die Chance zu einer limitierten Demokratisierung nicht zu verpassen. Dazu gehört der allmähliche Verzicht Madrids auf eine Gefängnispolitik im Dauer-Ausnahmezustand. Aber das darf niemand laut sagen, denn der Austausch von “Stimmen gegen Terroristen-Verlegungen“ gehört zu den Schlagworten der rechten Opposition.
Mit den Stimmen für Sanchez werde zum einen die rechte Partei Ciudadanos ausgebremst, die sich ebenfalls zur Mehrheitsbeschaffung angeboten hatte. Gleichzeitig entgehe man der Gefahr einer Regierungs-Übernahme durch die Rechte und Ultrarechte, flapsig “Tri-Faxito“ genannt, Dreieinigkeit der Faschisten. Danach wurde Otegi kryptisch: die Zustimmung sei ein Schritt auf dem Weg zu einer Baskischen Republik. Das muss erstmal jemand erklären. Es ist der Rauch, um den Blick zu verstellen auf den politischen Preis der Entscheidung.
Denn die offizielle baskische Linke hat gestern nicht nur eine Kröte geschluckt, sondern einen ganzen Krötentümpel ausgelöffelt, um im Bild zu bleiben. Die Stimmen bedueten Zustimmung zum Militärhaushalt, zum Unterhalt der korrupten Monarchie und zur Finanzierung von Polizeieinheiten, die systematisch foltern. Zustimmung zu einem anti-ökologischen Hochgeschwindigkeitszug, der das Baskenland spaltet und seit 15 Jahren mit guten Argumenten bekämpft wird. Aus dem Haushalt stammen selbstverständlich auch die Mittel, um in Ceuta oder Melilla tödliche Zäune zu bauen. Zugestimmt wird einer Regierung, die versprach, die arbeitnehmer-feindliche Arbeitsmarkt-Reform zurückzunehmen, sowie das “Maulkorb-Gesetz“, mit dem die Meinungsfreiheit auf ein Minimum gestutzt wird.
Es wäre zynisch, über die (vermeintlich über die Zustimmung erreichte) Verbesserung der Haftbedingungen der baskischen politischen Gefangenen hinwegzugehen. Dennoch hat jede politische Entscheidung ihren politischen Preis. “Mit dieser Entscheidung ist Bildu vollends in der Sozialdemokratie angekommen“, schreibt eine kritische Stimme bei Insurgente. Dem ist wenig zuzufügen.
2020-11-26
FRAUENMORD – POLIZEIMORD (12)
Ein weiteres Jahr mussten Zehntausende von Baskinnen (und Basken) gestern auf die Straße ziehen, um am “Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen“ deutlich zu machen, dass sich nichts im patriarchalen Panorama verändert hat. Im Gegenteil. Die Pandemie und der notwendige Lockdown haben misshandelte Frauen doppelt eingeschlossen. Die Zahl der Anzeigen ging zurück, um nach dem Alarm dramatisch nach oben zu schnellen. Wirklich verändert wird nichts, nur Schaufensterreden und wütende Drohungen. Noch viele 25. November werden notwenig sein, um an der Diskriminierung der Hälfte der Weltbevölkerung etwas zu ändern.
Der Internationale Tag gegen Gewalt gegenüber Frauen geht übrigens zurück auf einen Mord an zwei revolutionären Schwestern in der Dominikanischen Republik im Auftrag der damaligen Diktatur im Jahr 1981. Lateinamerikanische und karibische Feministinnen riefen daraufhin zu einem internationalen Protesttag auf, der sich mit den Jahren im Mobilisierungs-Kalender einen Platz erkämpfte.
Was im Übrigen nicht heißt, dass gestern alle Frauen in Sachen Männergewalt unterwegs waren. Eine Madrider Rechts-Politikerin beeilte sich mit der Aussage: “Frauen seien nicht Opfer von Gewalt, weil sie Frauen sind“, ihr Parteichef hatte das Gegenteil gesagt. Die Position ist nicht neu, die faschistische Vox-Partei drängt sie allen auf, die sie hören wollen oder auch nicht.
Viel Zeit für den Bericht über die Anti-Macho-Mobilisierungen in den TV-Nachrichten blieb nicht, weil gestern in Argentinien “Gott gestorben“ ist, daraus ergeben sich Prioritäten, Maradona war wichtiger als die weibliche Weltbevölkerung. Neben dessen fußballerischem Können ist auch bekannt, dass er zur schlagenden Fraktion in der Männerwelt gehörte. Diese Information wurde am Todestag pietätvoll verschwiegen.
KOMMANDO INTXAURRONDO
Von einem Männermord muss auch heute (26. November) die Rede sein, Opfer war in diesem Fall ein Mann. Vor genau 35 Jahren wurden in Gipuzkoa und Navarra fünf Personen von der Guardia Civil festgenommen, vier Männer, eine Frau, wegen Verdacht der ETA-Aktivität. Alle wurden gefoltert, der Busfahrer Mikel Zabalza überlebte die Folter nicht. Drei Wochen nach der Festnahme wurde seine Leiche in einem Flussgebiet gefunden, die vorher zig Mal durchgekämmt worden war, von der Polizei und von Freund*innen.
Die offizielle Version der Polizei-Mörder ist bis heute, Zabalza hätte die Polizei am Fluss zu einem Waffenversteck geführt und sei abgehauen, man wisse nicht, was aus ihm geworden sei. Diese irre Version wird bis heute aufrecht erhalten von einem Staat, in dem sich nach wie vor viele wundern, wie ETA so lange ihre bewaffneten Aktionen weiterführen wollte.
Mikel Zabalza war ebensowenig wie die vier anderen Gefolterten bei ETA, aber das spielte (und spielt) für die dunkelgrünen Verfolger keine große Rolle. Denn Folter richtete sich nie nur gegen dringend Verdächtige (auch dies wäre inhuman und illegal), sondern immer gegen einen beträchtlichen Teil der baskischen Bevölkerung. Gegen alle, die sich irgendwie regten. Alle sollten sich bedroht fühlen. Die Guardia Civil ist ein Staat im Staat. Unangreifbar. Die Angehörigen der Opfer von ETA fordern von den spanischen Sicherheits-Behörden dringend, dass die noch nicht aufgeklärten ETA-Attentate von 1978, 1980 oder 1985 aufgeklärt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Und auf der Gegenseite?
Folteranzeigen wurden und werden schnell eingestellt, manchmal zu schnell, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach festgestellt hat. Vor zwei Tagen wurde eine 59-Jährige ETA-Verdächtige von Belgien an Spanien ausgeliefert. Vor 40 Jahren hatte sie sich der Repression entzogen und hatte im Exil gelebt, mit festem Wohnsitz, offiziell und medienbekannt. Das ist spanische Justiz. Die Gründlichkeit bei der Verfolgung baskischer Täter würde sich die Familie von Mikel Zabalza sicher ebenfalls wünschen. Doch spanische Politik – egal ob von Postfranquisten oder Sozialdemokraten ausgeübt – kümmert sich nicht um Figuren wie Zabaltza, Argala, Naparra, die vier von der Pasaia-Bucht oder die vielen anderen, die spurlos verschwunden sind oder von Ultrarechten, Guardia Civil und Söldnern umgebracht wurden. Es soll tatsächlich Leute geben, die die Ereignisse der vergangenen zehn Jahre als Friedensprozess bezeichnen.
2020-11-24
EUSKAL SELEKZIOA AUF DEM WEG (11)
“Baskische Auswahl“ – “Euskal Selekzioa“ wird das baskische Fußball-Team genannt, das seit drei Jahrzehnten sogenannte “Länderspiele“, gegen hochkarätige Gegner wie Rumänien, Uruguay, Paraguay, Bolivien, Peru und einige andere mehr austrägt. Es sind keine Pflichtspiele, dennoch nehmen alle Spieler gerne Teil, wenn sie denn von ihren Profiteams freigestellt werden. Das ist nicht selbstverständlich, weil die Spiele eben nicht offiziell sind. Denn die Euskal Selekzioa wird von den internationalen Verbänden nicht anerkannt. Vielmehr ist sie seit dreißig Jahren auf dem Weg dahin.
Vorher hieß das Team, das jährlich ein oder zwei “Länderspiele“ austrägt, “Team Euskadi“, danach “Euskal Herria“. Beide Namen waren politisch besetzt und fanden keine einheitliche Zustimmung. Das ging so weit, dass die Spieler sich weigerten, unter dem Namen “Euskadi“ zu spielen, weil dieser Name sich nur auf die drei Provinzen der Autonomen Gemeinschaft CAV bezieht, Navarra und Iparralde jedoch ausschließt. Baskische Kicker haben mehr als nur Geld im Kopf unsd setzen sich für ihre Überzeugung ein. “Euskal Selekzioa“ war schließlich der Kompromiss.
Wer spielt in dieser Selekzioa? Alle, die im Baskenland geboren wurden oder dort das Fußballspielen gelernt haben. Identisch mit der Philosophie des Clubs Athletic Bilbao. Die Staatsbürgerschaft ist egal, die kulturelle Verbindung zählt. Die Kicker kommen aus allen Teilen des Baskenlandes, aus Navarra, Euskadi und Iparralde. In der Selekzioa spielen Kicker, die schon Welt- und Europameister geworden sind, wie Bixente Lizarazu oder Xabi Alonso, Topspieler, für die es eine Ehre ist, ihre freie Zeit mit diesen internationalen Vergleichen zu verbringen. Der aktuelle Kader umfasst Spieler von fünf Vereinen: Athletic Bilbao, SD Eibar, CA Osasuna, Real Sociedad und Deportivo Alavés, in Iparralde gibt es keine Teams auf hohem Niveau. Dabei ist auch der aktuelle französische Teamchef – Didier Deschamps – ein Baske.
Einen kleinen Erfolg hat der baskische Fußball-Verband, der um die internationale Anerkennung kämpft, kürzlich erreicht. Die Selekzioa darf an offiziellen UEFA-Terminen spielen, an Tagen also, die der europäische Verband für offizielle Freundschaftsspiele und Qualifikationen freihält. In der Zukunft will die “Euskadiko Futbol Federakundea” oder spanisch “Federación Vasca de Fútbol” das Recht erringen, an offiziellen internationalen Turnieren teilzunehmen. Der Weg wäre einfach, würde da nicht ein dicker Stein im Wege liegen: der spanische Fußball-Verband, der solche Versuche mit Veto belegt.
Der baskische Verband gründet seine Forderung auf Präzendenzfälle, denn bekanntermaßen haben Schottland, Wales und Nordirland ebenfalls das Recht zur offiziellen Teilnahme an Turnieren, auch wenn es sich um keine eigenständigen Staaten handelt. Puerto Rico ist bei Olympischen Spielen ganz selbstverständlich vertreten – warum also nicht auch die Basken. Alles eine Frage des guten Willens. Und der ist in der spanischen Politik und im Verband nicht vorhanden. Zu stark wäre der Aderlass, wenn Basken und Katalanen (die dasselbe fordern) aus den spanischen Spielerlisten gestrichen werden müssten.
Tatsächlich gibt es baskische Sportverbände, die in internationalen Föderationen Mitglied sind und Weltmeisterschaften bestreiten. In jenen Sportarten nämlich, in denen es keine spanischen Verbände gibt. Dann gibt es auch kein Veto. Es handelt sich um weniger bekannte Sportarten wie Kampfsport, Kajak, Kajak Surf oder Tauziehen. Auch für Pelota gibt es keinen spanischen Verband.
Im Dezember 2018 hatte der baskische Verband auf einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Versammlung dem Präsidenten Elustondo das Mandat erteilt, den Beitritt zur UEFA und FIFA zu beantragen. „“Der Antrag muss eingereicht werden. Wir haben es nicht vergessen“, sagte der. Zwar habe man bisher “eine negative Antwort“ befürchtet, da der spanische Fußballverband entschlossen gegen einen Beitritt war. Doch aufgrund der Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen gab sich Elustondo optimistisch: “Ich weiß nicht, wie viel näher wir dem offiziellen Status sind, aber wir sind näher dran.“ Elustondo hat keinen Zweifel daran, dass sich sein Teasm für Europa- oder Weltmeisterschaften qualifizieren könnte.
Sollte das Baskenland mit einem Antrag in Zukunft tatsächlich erfolgreich sein, würde das Team auf Anhieb zu den Top 20 der wertvollsten Teams der UEFA gehören. Die Mannschaft von Trainer Javier Clemente, einst Nationalcoach von Spanien, Irak und Libyen, würde sich mit einem Marktwert von knapp 183 Millionen Euro auf Rang 17 hinter Schweden und vor der Schweiz positionieren. Doch das sind Rechenspiele. Denn um Geld geht es (bislang) nicht.
Vor einer Woche spielte die Selekzioa gegen Paraguay, an 50. Stelle der FIFA-Rangliste platziert. Zwei zu eins stand es am Ende und nicht alle Stars standen auf dem Platz. Jeweils ein Spieler von Athletic und La Real waren mit der spanischen Auswahl unterwegs, ein weiterer ist in Paris tätig und bekam keine Freistellung. Einige Basken und Katalanen, die mit der spanischen Auswahl auf höchster Ebene erfolgreich waren und sind, haben keinen Zweifel daran gelassen, dass sie eine eigene Auswahl vorziehen würden, wenn sie die Wahl hätten.
Auch eine Frauen-Selekzioa gibt es übrigens. Seit 2006 werden Spiele ausgetragen: gegen Argentinien, Tschechien, Chile, Slowakien, Katalonien, Irland, Estland, weniger beachtet, aber eben doch.
2020-11-20
20N - DER TODESTAG (10)
Zwanzigster November, Todestag des Massenmörders und Diktators Franco. Vor 45 Jahren. Eine lange Zeit, die im Staate nicht zur historischen Aufarbeitung genutzt wurde. Da wundert es nicht, wenn an diesem Tag um die 20 Gedenk-Gottesdienste gefeiert werden, quer über das Land verteilt, unter anderem im Valle de los Caidos, dem ehemaligen Mausoleum Francos. Der dortige Oberpriester ist zufällig auch Mitglied einer faschistischen Organisation und lässt sich die Gelegenheit (trotz Abwesenheit des Objekts) nicht entgehen. Gemeinsam mit Franco wird dem ebenfalls Faschisten Juan Antonio Primo de Rivera gedacht, Diktatoren-Sohn, Putschist und Falange-Gründer, den die Republik hinrichten ließ.
Am selben Tag im Jahr 1936 starb auch der bekannte Anarchist Buenaventura Durruti, irgendwo an der Front, tödlich verletzt durch eine verirrte Kugel, zu seiner Beerdigung in Barcelona kam eine halbe Million Menschen zusammen. Die Krieg war in Gang, die Legion Condor der Nazis bereitete ihren Einsatz vor und niemand konnte voraussehen, dass aus dem Putschisten Franco ein langjähriger Diktator werden würde, der wiederum am selben Novembertag 1975 im Bett sterben würde. Die historischen Todestage waren damit nicht zu Ende.
Sicher nicht zufällig am selben Tag wurde der abertzale Kinderarzt und baskische Parlaments-Abgeordnete Santi Brouard 1984 in seiner Praxis von einem Kommando aus Faschisten, spanischen Polizisten und gekauften Söldnern erschossen. Ihm folgte genau fünf Jahre danach der ebenfalls abertzale Politiker Josu Muguruza, der eben ins spanische Parlament gewählt worden war und zur Kongress-Eröffnung nach Madrid gekommen war. Das Abendessen am Vorabend wurde von einem faschistischen Todeskommando überfallen, ein Wunder, dass durch die Schüsse von den fünf Anwesenden nur einer getötet wurde: Muguruza.
Wenigsten drei Arten von Erinnerung wird es somit geben. Die anarchistische Gemeinschaft wird an Buenaventura Durruti erinnern, sicher nicht mit einem Gottesdienst. Die offizielle abertzale Linke geht zum Gedenken, mit Priestern allenfalls als Demonstrations-Teilnehmern, auf die Straße. Ob die dritte Art von Gedenken mit dem in Arbeit befindlichen neuen Memoria-Gesetz eine Zukunft hat, steht derzeit in den Sternen. Weil es sich um die Verherrlichung von Diktatur und Faschismus handelt. Die soll nach den Plänen der Koalitions-Regierung PSOE-Podemos in einem neuen Gesetz unter Strafe gestellt werden. So richtig daran glauben mag im antifaschistisch-republikanischen Lager noch niemand. Sogar die ehrenvolle Franco-Stiftung zu verbieten steht mit auf der Tagesordnung.
(P.S. Auch an einem 20. November 1945 begannen die gegen den deutschen Faschismus siegreichen Alliierten die Nürnberger Prozesse, zu denen die Basken ein ganz besonderes Verhältnis haben, weil es nach dem Franquismus etwas Vergleichbares im spansichen Staat nicht gab.)
2020-11-19
AN DER GESUNDHEIT VORBEI (9)
Im baskischen Autonomie-Vertrag in der spanischen Verfassung ist festgelegt, dass die Zentralregierung jährlich Investitionen von bestimmter Höhe im Baskenland machen muss. Viele andere Regionen, die solche Verträge nicht haben, sind neidisch auf diese Regelung, die vor 40 Jahren von den Basken durchgesetzt wurde. Im kommenden Jahr sind es genau 570 Millionen Euro, die nach Euskadi fließen sollen. Von diesem erklecklichen Betrag gehen 290 Millionen in die Finanzierung eines unsinnigen, ökologisch fatalen und wirtschaftlich äußerst fraglichen Projekts: der baskische Hochgeschwindigkeits-Zug AHT, spanisch TAV.
Seit mehr als 10 Jahren wird er gebaut, die Kosten haben sich multipliziert, der Termin für die Fertigstellung wurde mehrfach verschoben. Von Beginn an war er umstritten wie kein anderes Infrastruktur-Projekt. Tatsächlich hat das bergige Baskenland ein Verkehrs- und Transport-Problem. Dies wird vom AHT-TAV jedoch nicht gelöst, weil der nur vier Haltestellen haben soll: Donostia, Gasteiz und Bilbo. Dazwischen liegt der Knotenpunkt Bergara, der dem Projekt seine Verlaufsform und seinen Spitznamen gibt: Baskisches Y. Hochgeschwindigkeit schließt viele Haltestellen aus, weil sie sonst nicht erreicht wird. Insofern ist der AHT-TAV eine Metropolen-Verbindung, die den Rest des Landes ignoriert. Mehr noch. Er ist Teil eines europäischen Hochgeschwindigkeits-Netzes, das (in diesem Fall) Paris mit Madrid und Lissabon verbinden soll. Portugal hat sich schon verabschiedet, dennoch investiert die EU weitere Milliarden in das Projekt, das an den Notwendigkeiten der Bevölkerung komplett vorbeirauscht. In der baskischen Region Nafarroa (Navarra) geschieht Ähnliches. Von den 87 Millionen Zentral-Investitionen gehen 62 Millionen in die Ost-Verlängerung des Projekts Richtung Saragossa.
Viel Geld, riesige Investitionen – mitten in der größten Wirtschafts- und Gesellschafts-Krise der letzten 100 Jahre. Die Pandemie hat überdeutlich gemacht, wo Investitionen fehlen: im Sozial- und Gesundheitsbereich, hinten und vorne. Dorthin fließen keine zusätzlichen Mittel. Dafür erzielen Bauunternehmen riesige Gewinne. Wusstest du, dass Florentino Perez, der glorreiche Präsident des glorreichen Clubs Real Madrid Vorsitzender ist des größten spanischen Bau-Unternehmens? Eines der größten in Europa ... er gilt bei vielen als der mächtigste Mann im Staat. Über Konjunktur, Krise, Profite, seine Krankenversicherung und mächtige Freunde braucht er sich keine Sorgen zu machen.
(2020-11-17)
VOM WIEGEN-HAUS ZUR GENTRIFIZIERUNG (8)
“Casa Cuna“, das Haus der Wiege wird das 1916 in Bilbao La Vieja errichtete Gebäude im Volksmund genannt. Damals war es sowohl Forderung wie existenzielle Notwendgikeit der dort lebenden Arbeiterinnen und Arbeiter. Ein Haus für die Kinder der Ärmsten der Armen. Bilbo Zaharra, so der baskische Name des Stadtteils, ist nur einen Steinwurf von der Altstadt Bilbao entfernt, getrennt durch die San Anton Brücke. Hinter den ersten Häuserreihen erhob sich bis in die 1970er Jahre die riesige Mine San Luis über den Berg Richtung Pagasarri.
Eisenerz wurde abgebaut, Arbeits-Migrant*innen aus dem ganzen Staat kamen hierher, auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Diese Zukunft war für die ersten Generationen nur schwer zu finden, dafür wurden sie zum Kern der ersten proletarischen Arbeiterbewegung im Staat. Weil die Kindersterblichkeit enorm hoch war, kam es folgerichtig zur Forderung einer Einrichtung, in der die Kleinen untergebracht sein sollten, während sich die Alten im Bergwerk abarbeiteten. Das Wiegenhaus.
Einmal wurde das Gebäude erneuert, bis gestern stand es aus hellem Naturstein gebaut und mit vielen bunten Kacheln versehen am Fluss, das mit Abstand schönste Haus im Barrio. Unterhalten wurde es zuletzt vom Sozialwerk der gemeinnützigen Sparkasse Bilbao, bis diese per Gesetz zur Umwandlung in eine private Bank gezwungen wurde. Das Sozialwerk war am Ende. Der Übergang einer gemeinnützigen und mit öffentlichen Mitteln finanzierten Einrichtung in private kapitalistische Hände war vollzogen. 2018 verließ der bis dahin einquartierte Kindergarten das Gebäude, nun wird es ausgebaut von und für eine stadtteil-fremde Institution. Das ruft Proteste hervor.
FÜR DEN STADTTEIL!
Eine Nachbarschafts-Initiative fordert “ein Casa Cuna für den Stadtteil“. So wie dies die Stadtverwaltung und die neue Bank in Aussicht gestellt hatten. Diesem Versprechen gefolgt war eine Projekt-Ausschreibung, bei der es um die künftige Nutzung des Gebäudes gehen sollte. Für die Bewohner*innen von Bilbo Zaharra war klar, dass das Haus weiterhin den Notwendigkeiten der Nachbarschaft und der Bearbeitung der vielfältigen Probleme des von Armut geprägten Stadtteils dienen sollte. Aus dem Barrio wurden folgende Vorschläge gemacht: ein Zentrum für alleinstehende Senior*innen – ein schon lange vorher gefordertes Frauenhaus – ein Weiterbildungs-Zentrum für Jugendliche und Arbeitslose – ein Zentrum der Erinnerung an die Bergbau-Geschichte des Stadtteils.
VETTERNWIRTSCHAFT
Der Ideen-Wettbewerb lief in dunklen Kanälen ab, niemand wusste, welche Projekte eingereicht wurden und wer die Auswahl treffen sollte. Schließlich wurde in der Zeitung über jenes Projekt berichtet, das den Zuschlag erhielt. Wirklich überrascht war im Barrio niemand über dieses korrupte und verschleiernde Vorgehen der Verwaltung. Alle sind es hinreichend gewohnt, dass Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg, hinter verschlossenen Türen und zwischen fünf Gleichgesinnten getroffen werden. Nun soll im Cuna-Gebäude ein Zentrum für Forschung und Unternehmertum eingerichtet werden – das allerletzte, was der Stadtteil braucht.
PROTEST
Deshalb regt sich einiges im Viertel. Die Nachbar*innen besprechen in offenen Versammlungen ihre Strategien und mobilisieren zu Pressekonferenzen und Demonstrationen gegen die kapitalistische Umwidmung der öffentlichen Einrichtung. Es ist nicht der erste Fall. Ein altes Schulgebäude wurde vor 30 Jahren zu einer Kunstakademie umfunktioniert – Lichtjahre entfernt von nachbarschaftlicher Nutzung. Weil in der Altstadt seit zehn Jahren der Tourismus überquillt, wurden gegenüber im armen Barrio Hostals eröffnet, zu Tourismus-Wohnungen umgestaltete Immobilien sorgen für stete Preissteigerungen. Zum ersten Mal werden regelmäßig die Straßen gereinigt, damit die Gäste keinen ganz so schlechten Eindruck bekommen.
GENTRIFIZIERUNG
Alles, was in Bilbo Zaharra verändert wird, dient den Schnöseln aus Getxo, die hier das Wochenende verbringen (und ihr Geld zurücklassen) sollen: Neue Kneipen-Lizenzen, Verkehrsberuhigung, Promenadengestaltung. Oder dem Tourismus, der angesiedelt werden soll. Gentrifizierung ist der Begriff für diesen Prozess, an dessen Ende die tendenzielle Vertreibung der alten Bevölkerung steht, weil sie die Preise nicht mehr bezahlen kann.
Vergangenen Samstag (14.11.2020) fand erneut eine Demo statt, zur Debatte stehen Vorschläge, wie weiter vorgegangen werden soll: ein Stadtteil-Fest, die Integration von anderen sozialen Bewegungen, politische Bildung zur Problematik der Gentrifizierzung und der Zwangsräumungen, die Privatisierung von öffentlichem Eigentum, die Schließung öffentlicher Dienstleistungen, die Ignoranz gegenüber der Problematik des Stadtteils. (FOTOSERIE und VIDEO)
(2020-11-13)
FASCHISTISCHE UMTRIEBE IN BILBAO (7)
Antifaschistische Monumente sind beliebte Ziele für Neofaschisten und Ultrarechte, die gerne die Zeit in den Franquismus zurückdrehen würden und auch im Baskenland immer mehr werden. Zuletzt hatten sie Erfolg bei den baskischen Parlaments-Wahlen und erhielten einen Sitz. Heute wurde eine nächtliche Attacke am Monument für die baskischen Kriegs-Batallione auf dem bilbainischen Artxanda Berg gemeldet. Dort hatten Unbekannte hunderte von spanischen Flaggen in die Wiese gesteckt. Dies wurde vom Antifaschistischen Netzwerk Euskal Herria bekannt gegeben, nach einer Untersuchung der Inhalte von ultrarechten Medien.
Dort hatte das Netzwerk Fotos entdeckt, die in jenen Kreisen herumgereicht wurden. Überraschende zweite Nachricht war, dass die Ultra-Aktion nicht gestern am 12. November stattgefunden hat, sondern bereits einen Monat vorher, am 12. Oktober. Dass der Vorfall nicht bekannt wurde, lag an der schnellen Intervention der Stadtverwaltung, die sofort einen Reinigungstrupp losschickte und die unerwünschten Objekte entfernte. Auch in der Presse wurde nichts erwähnt.
Der zwölfte Oktober ist nicht irgendein Tag im Kalender, es ist jener Tag, an dem (wir berichteten) Kolumbus auf seiner Eroberungsreise zum ersten Mal Land sah. Deshalb wurde der 12O zum National-Feiertag, mit dem nationalistischen Namen “Hispanidad“. In Madrid fahren Panzer zur Militärparade, die korrupte spanische Monarchie salutiert.
Weil solche ultranationalen und Völkermord verherrlichenden Paraden im Baskenland abgelehnt werden, ignorieren viele den Feiertag. Eine Gruppe aus der jüngeren Generation hatte 2020 zum zweiten Mal genau diesen Tag gewählt, um einen Erinnerungsmarsch der baskischen Batallione aus der Kriegszeit nachzustellen. Für spanische Ultra-Gemüter ist dies eine unverzeihliche Provokation. So erklärt sich die Fahnenaktion.
Bereits 2017 wurde das Monument, das aus einem riesigen Fingerabdruck besteht, schon einmal mit Farbe angegriffen. Jämmerlich hingegen ist das Verhalten der Stadtverwaltung. Sie selbst war es, die das Denkmal (Aterpe (bask) = Herberge / La Huella (span) = Fingerabdruck) im Jahr 2006 aufgestellt hatte, zusammen mit Organisationen aus der antifaschistischen Erinnerungs-Bewegung. Bei einer solchen Provokation zu kneifen und den Vorfall zu verschweigen spricht für sich und die koffeinfreie Auffassung von Antifaschismus.
(2020-11-12)
IMMOBILIEN-MAFIA (6)
An die “freie Marktwirtschaft“ und die “sich selbst regelnden Mechanismen des Marktes“ glauben nur jene, die daran verdienen. Vielmehr wird vieles manipuliert und gesteuert. Zuletzt wurden Immobilien-Geschäfte in Bilbao dabei erwischt, wie sie die Mietpreise in Absprachen künstlich hoch gehalten haben. Erwischt wurden sie von der regionalen Behörde, die illegale Geschäftsmachenschaften überprüft, die sogenannte Konkurrenz-Behörde. Die Untersuchung ergab, dass “eine beträchtliche Anzahl von Immobilien-Geschäften die Mietpreise illegal reguliert haben“, von 36 ist die Rede. Geprüft wird nun, ob diese Praxis rechtliche Konsequenzen hat.
Momentan ist Bilbao die einzige Stadt, die diesbezüglich untersucht wurde. Jedoch ist davon auszugehen, dass andernorts eine ähnliche mafiöse Praxis vorherrschte. Die bestand darin, sich in der Miethöhe abzusprechen, um auf diesem Weg eine Preiskonkurrenz zu vermeiden, mit der Absicht, die Mieten auf möglichst hohem Niveau zu halten. Unklar ist nun, ob die Behörde auch in anderen Orten Untersuchungen starten wird. Weiterhin unklar ist die Zahl der untersuchten Agenturen, die Frage ist, ob die ertappten 36 eine Minderheit oder eine Mehrheit im Sektor darstellen.
(2020-11-11)
SKANDAL UM HAUSHALTSDEBATTE (5)
“Falls nicht im letzten Moment etwas dazwischen kommt, wird EH Bildu in Madrid dem Haushalt zustimmen“, so die schlichte Formulierung des Generalsekretärs der baskischen Unabhängigkeits-Koalition in einem morgendlichen Fernseh-Interview. “Noch nie zuvor hat die baskische Linke einem staatlichen Haushalt zugestimmt, weder als Herri Batasuna, noch als Bildu“, beeilten sich die Medien den erstmaligen und überraschenden Schritt zu kommentieren. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.
Zuerst in Madrid. Die spanische (Ultra-)Rechte sprang sofort im Viereck. Diese Zustimmung sei eine Bankrotterklärung, mann wolle wissen, was im Gegenzug vereinbart worden sei. Es sei eine Lüge, wenn von “Haushalt für das Land“ gesprochen werde, wenn die Zustimmung von jenem Kräften komme, die eine Unabhängigkeit fordern. Gemeint war außerdem die katalanische ERC. Die Akzeptanz von EH Bildu sei außerdem das “Weißwaschen des Terrorismus“. Der Verband der “Opfer der Terrorismus“ bekam sich überhaupt nicht mehr ein. Denn ausgerechnet am selben Tag (heute) wurde die Entscheidung der spanischen Gefängnis-Behörde bekannt, weitere fünf baskische politische Gefangene aus entlegenen spanischen Gefängnissen in baskische oder umliegende zu verlegen. “Das ist ein übler Deal Gefangene gegen Haushalt“, interpretierten die ultrarechten Opfer. Und liegen damit vielleicht gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.
UM WELCHEN HAUSHALT GEHT ES?
Eigentlich eine banale Frage, mit einer banalen Antwort: um alle staatlichen Ausgaben für das kommende Jahr. Wie überall auf der Welt. Deshalb lohnt es sich einen Blick ins Detail zu werfen. Zum Haushalt gehört der Militär-Etat, dem EH Bildu nun also zustimmen will. Dazu gehört der Posten für die Guardia Civil, ein paramilitärisches Polizeikorps, das in seiner Jahrzehnte langen Geschichte Zehntausende von Personen gefoltert hat. Bevorzugt Baskinnen und Basken. Mit Haushaltsgeldern wird die korrupte spanische Monarchie (von Franco wiedererweckt) ebenso finanziert wie die mörderischen Zäune in Ceuta und Melilla auf afrikanischem Gebiet. Die Liste wäre leicht fortzusetzen.
ZWEIFEL
Und wenn es nun tatsächlich um einen Deal zum Wohle der Gefangenen und ihrer Angehörigen geht? Die rechten spanischen Regierungen haben auch nach dem definitiven Waffenstillstand von ETA und deren Auflösung immer auf Verhandlungs-Blockade gesetzt. Keine Gnade für die Verlierer. Nicht einen Tag Haftverkürzung. Kein Kilometer Richtung Baskenland. Die Koalitions-Regierung PSOE-Podemos hat mit diesem Dogma gebrochen, nicht ganz, aber tendenziell. Den Familienangehörigen, die zum Besuch nun keine 1.000 Kilometer mehr fahren müssen, wird es egal sein, wie die Näherverlegung zustande kam. Ihnen und den Gefangenen sei es zu gönnen, eine zusätzliche Last ablegen zu können. Dennoch muss nach dem politischen Preis gefragt werden. Den letztlich die spanische Unrechtsjustiz erzwungen hat. Diesen Preis muss sich EH Bildu in die politische Jahresabrechnung notieren, die Unabhängigkeits-Koalition, die sich auf dem Weg ins politische Establishment befindet.
P.S. Zum Glück gingen die Wahlen in den Vereinigten Staaten so aus wie sie ausgingen, sonst hätte der Generalsekratär von EH Bildu erneut dem Menschenfeind Trump zum Sieg gratulieren müssen. Jene Geste vor vier Jahren bleibt unvergessen.
P.P.S. Nicht nur in Madrid, auch zu Hause wurden Begehrlichkeiten laut. Die sozialdemokratische Chefin im Baskenland applaudierte der abertzalen Entscheidung. Legte jedoch gleich nach, dass es unlogisch wäre, dem Haushalt in Madrid zuzustimmen und dem im Baskenland nicht. Irgendwie hat sie Recht. Immerhin gehören Militär, Guardia Civil und Monarchie nicht (direkt) zum baskischen Haushalt. Nur der alles unter sich begrabende Hochgeschwindigkeits-Zug AHT. Doch bekanntlich gilt die Bauernregel: wenn die rote Linie einmal überschritten ist ... ist die Scham vorbei.
(2020-11-09)
FASCHISTEN ANGEGRIFFEN (4)
Dass der aktuelle spanische Oberfaschist Santiago Abascal (mit c) ausgerechnet ein Baske ist, ist eher anekdotisch. Gleichzeitig hat er wohl nirgendwo mehr Feinde wie in seiner Herkunfts-Region. Hartnäckige Gegner verschiedenster ideologischer Couleur. Einige davon haben sich entschlossen, dem familiären Ladenbetrieb in der Stadt Amurrio (Araba) einen nächtlichen Besuch abzustatten und das Schaufenster zu bearbeiten. “Vielleicht gefällt dir das, du Faschist“, stand mit Sprühfarbe auf dem Kristall. Abascal selbst sorgte dafür, das Ereignis über soziale Medien bekannt zu geben.
Wenig später reagierte die gesamte Bandbreite der im baskischen Parlament vertretenen Parteien und wiesen die “Gewalttat“ entschieden zurück: die rechte PP, die christdemokratische PNV, die sozialdemokratische PSE, die Protestpartei Podemos und die linksliberale baskische Koalition EH Bildu. Abascal dankte für die Solidarität, machte jedoch eine Differenz zwischen der ehrlich gemeinten und der taktischen, die er seinerseits zurückwies. Ohne sich genauer zu erklären, war unschwer zu erraten, dass mit den Taktikern Podemos und EH Bildu gemeint waren. “Weil es sich um Linksextremisten handelt“, so die Formulierung, die täglich durch die Medien katapultiert wird.
Nun, objektiv betrachtet ist diese Aussage der faschistischen Vox-Partei meilenweit von der Realität entfernt. Auch durch ständige Wiederholung wird sie nicht wahrer. Umgekehrt stellt sich die Frage, weshalb die beiden Links-Parteien in den bürgerlichen Kanon eingeschwenkt sind, um sich auf die Seite der Post-Franquisten zu stellen. Die Abascal-Partei lässt keine Gelegenheit aus, Migrant*innen für alle erdenklichen sozialen Missstände verantwortlich zu machen und fordert ihre Ausweisung; zum Teil ist sie verantwortlich für die populistischen Anti-Covid-Auschreitungen der letzten Tage; sie praktiziert einen harten anti-feministischen Diskurs, der patriarchale Gewalt leugnet und die Gesellschaft in die 1930er Jahre zurückwerfen soll.
“Al enemigo ni agua“ lautet ein spanisches Sprichwort: “Nicht mal Wasser für den Feind“. Diesem Motto folgend hätten die beiden von der linken Seite die Chance nutzen können, auf die Hass-Botschaften der Ultras hinzuweisen, anstatt sich einem pseudo-demokratischen Blabla anzuschließen. Wer nächtliche Attacken verurteilt, mag ein demokratischer Geist sein; wer faschistische Parolen hinnimmt, ist jedoch (mit Verlaub) ein demokratisches Arschloch. Sollte morgen ein Büro der Podemos-Partei brennen, werden Abascal und seine Volksgenossen einen Teufel tun, sich davon zu distanzieren. Am ehesten werden sie sagen: “unsere Leute waren es nicht“, oder “kein Wunder, bei der Politik, die Podemos praktiziert“. In linksliberalen Kreisen geht die Fähigkeit verloren, zwischen Gegnern und Feinden zu unterscheiden. Wer sie verliert, wird inhaltlich anfällig. Faschismus, Xenophobie, Rassimsus und Anti-Feminismus stehen immer auf der anderen Seite des Stroms.
(2020-11-07)
DER GROSSE GASTRONOMIE-PROTEST (3)
Möglicherweise hat die baskische Regierung mit ihrem Lockdown für den Gastro-Sektor gleich zwei Eigentore geschossen. Erstens gingen die existenzgefährdeten Kneipiers, zusammen mit Reinigungskräften und Lieferanten in allen baskischen Hauptstädten auf die Straße und fanden überall die uneingeschränkte Unterstützung der zufällig vorbeikommenden Passant*innen (nach Polizeiangaben 18.000 Personen allein in Bilbo). Ein klassenübergreifendes Spektakel, das deutlich machte, dass die baskische Gesellschaft an ihrem empfindlichsten Nerv getroffen wurde: der Kneipenkultur.
Das zweite Autogol war die Massen-Mobilisierung, die durch die Lockdown-Entscheidung erneut kräftigen Aufschub bekam. So war die Innenstadt Bilbaos kurzzeitig ziemlich überfüllt, von Anti-Covid-Distanz war Momente lang nicht das geringste zu sehen. Zwar versuchten die Veranstalter*innen, den Marsch in drei Reihen durchzuziehen, nach wenigen hundert Metern verlor sich diese Disziplin jedoch, als sich die unorganisierte Masse anschloss.
Die am heutigen Tag begonnene Schließung betrifft 13.500 Lokale, nicht gerade wenig für ein 2,5 Millionen-Volk. Betroffen sind 60.000 Personen, gefährdet sind Existenzen, Kreditverträge und vieles andere mehr. So waren die Forderungen der Protestler*innen sehr pragmatisch. Die Regierung solle sich mit finanziellen Hilfen einmischen, die anderswo so großzügig ausfallen, hinsichtlich der Industrie zum Beispiel. Wo keine Einnahmen sind, dürfe es auch keine Ausgaben geben – so die schlichte Losung. Denn es geht in diesem Sektor nicht nur um den Verlust der Einnahmen (und Profite), sondern darum, dass die Kosten weiter laufen, obwohl die wirtschaftliche Tätigkeit brach liegt.
Das bedeutet ein Minus, wo frau auch nur hinschauen mag. Die Regierung soll deshalb helfen, die Mieten zu senken, den Steuersatz ebenfalls (vorübergehend) von 10 auf 4%, die Steuerausgaben für Personal sollen auf Null gefahren werden, allen Bediensteten soll über Arbeitslosengeld der volle Lohn gezahlt werden. Dabei verdient sich niemand eine goldene Nase, es geht um die bloße Existenzsicherung in einem Bereich, der ohnehin längst bekannt ist für seine prekären Bedingungen. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass die Ansteckungsraten in der Gastronomie sehr niedrig liegen, eben weil die interne Schutz-Disziplin äußerst ernst genommen wurde.
Seltsame Plakate wurden hochgehalten mit der Aufschrift “Ich will ein deutscher Gastronom sein“. Hintergrund ist, dass die deutsche Bundesregierung offenbar ein Millionen-Programm zur Rettung des Sektors aufgelegt hat. Die baskische bis dahin jedoch nicht. Wer sich das Demonstrations-Spektakel – in jeder der drei Hauptstädte waren Tausende unterwegs – danach im Fernsehen noch einmal zu Gemüte führte, wurde von der spontanen Entscheidung des baskischen Regierungsrates überrascht, dem deutschen Beispiel doch noch zu foglen und Geld in den notleidenden Sektor zu pumpen.
Vielleicht nimmt die Tragödie der baskischen Gastronomie in Zeiten der Pandemie auf diesem Weg noch einen halbwegs versöhnlichen Abschluss, falls nicht irgendwelche Hindernisse eingebaut sind (was in keinster Weise überraschen würde). Jedenfalls war die Demonstration ein willkommener Anlass, den Samstag-Nachmittag auf äußerst kommunikative Weise zu verbringen – wenn schon die Gaststätten geschlossen waren. Denn nach der Kneipen-Kultur steht in der Gunst der baskischen Bevökerung an zweiter Stelle der Protest, für und gegen alles, Hauptsache auf der Straße. Mit Freunden, Kindern und Hunden, mit und ohne Sicherheitsabstand wegen dieser lächerlichen Pandemie.
(2020-11-04)
VERDECKTER RASSISMUS (2)
Wenn Wohnungsbesitzer und Immobilienhändler Verträge machen … bleiben Migrantinnen, Zuwanderer, Flüchtlinge, oder wie sie auch genannt werden, außen vor. Denn in sieben von zehn Auftragsverträgen steht, und sei es mit Postit, geregelt, dass die Groß- oder Klein-Kapitalisten bitteschön Einheimische, Landsleute oder wie sie auch genannt werden, als Mieter wollen.
Genau 72,5% der Immobilien-Vermittlungs-Büros gestehen ihren anbietenden Kunden und Kundinnen Klauseln im Vertrag zu, die das Profil der Wohnungs-Suchenden deutlich einschränkt. Diese Praxis ist zweifellos Rassismus. Im besten Fall werden noch Ausländer aus Mitteleuropa akzeptiert, von denen angenommen wird, dass sie kapitalkräftiger und zahlungstreuer sind.
Dass die beschriebene Praxis “politisch nicht korrekt“ und möglicherweise rechtlich anfechtbar ist, wissen beide Seiten. Deshalb werden Strategien angewandt, die nicht oder weniger sichtbar sind. Eine davon ist, von den Interessierten eine Unmenge an Dokumentation, Sicherheiten, Bürgschaften und Kautionen zu fordern, oder im Moment der Anfrage so zu tun, als wäre das Wohnobjekt schon vergeben.
Letzteres wurde schon mehrfach aufgedeckt. Ruft eine sprachlich leicht identifizierbare Migrantin im Büro an und bekommt die Auskunft, die Wohung sei “leider geradee eben vermietet worden“. Dummerweise ruft eine Stunde später die Freundin der Migtrantin – einheimisch wohlgemerkt – an und bekommt sofort einen Termin zur Besichtigung.
In Bilbao leben vielleicht 50% der Migrantinnen in einem bestimmten Viertel, das bekannt ist für Drogen, Prostitution und in das viele Bewohnerinnen der kommerziellen Innenstadt noch nie einen Fuß gesetzt haben, obwohl sie ihr ganzes Leben in der Stadt verbracht haben.
(2020-11-01)
REBELLION UND VANDALISMUS (1)
Die Coronavirus-Pandemie und ihre Gegenmaßnahmen sind in den vergangenen zwei Tagen in eine neue Phase getreten. Die Phase des massiven Widerstands. In Sevilla, Madrid, Barcelona, Santander, Bilbao, Burgos, Logroño brachen hunderte von vornehmlich jüngeren Leuten die Sperrstunde, teilweise endeten die Proteste in Plünderungen von Geschäften oder im Abbrennen von Müllcontainern.
Trotz hunderten von Handy-Videos, die durch die sozialen Netze gehen, ist unklar, wer letztendlich für die Proteste und Rebellionen verantwortlich ist. Drei Versionen stehen zur Auswahl. Einerseits der spontane (und von vielen als legitim bezeichnete) Protest von Jugendlichen, die sich mit der Ausgangssperre ab 23 Uhr in ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt sehen und ihre selbstverständlichen Rechte einfordern.
Danach wird es politisch. Linke, antifaschistische Netze machen die Ultrarechte verantwortlich, die in den vergangenen sechs Monaten alles getan hat, die Pandemie und die daraus folgenden Schutzmaßnahmen in Frage zu stellen, und die sich in Verschwörungs-Theorien ergehen, um die Unzufriedenheit in der Bevölkerung für ihre politischen Zwecke zu kapitalisieren. Als dritte Version werden “radikale, anarchistische Systemgegner“ verantwortlich gemacht, sozusagen die üblichen Verdächtigen. Diese Erklärung kommt aus Teilen der bürgerlichen Presse, die dieses Klischees schon lange benutzt. Dieser Schuldzuschreibung schließt sich die Ultrarechte selbst ebenfalls an (und sei es nur, um Repression abzuwehren). Eine Ausnahme in diesem Erklärungs-Dschungel könnte Katalonien, konkret Barcelona darstellen.
BEOBACHTUNGEN
Bei den Protesten in Bilbao-Indautxu konnte auf den im Internet kreisenden Videos Dutzende von Jugendlichen beobachtet werden, die mit Masken versehen, aber unvermummt auftraten, nach dem Motto “zufällig dabei – die Nacht gehört uns“. Bei den Plünderungen in Logroño waren Mädchen in Ausgehkleidung beteiligt – organisierte Ultrarechte gehen anders vor. Vieles deutet darauf hin, dass die nächtlichen Ausschreitungen auf verschiedene Ursprünge zurückgehen. Von den in Bilbao Verhafteten hatten fünf eine Vorgeschichte mit Gewalt-Hintergrund, einer mit sexistischer Gewalt. Kein Hinweis auf linke Beteiligung.
Ohne Druck gab der baskische Innen-Senator zum Besten, dass nach seinem Informationsstand die baskische Linke (die sonst für jeglichen Ausdruck von Gewalt als verantwortlich herhalten muss) nicht an den Mobilisierungen beteiligt war. Im Gegenteil, die Jugendorganisation von Sortu, Ernai, hatte zwei Stunden vor der Rebellion in der Innenstadt in der Altstadt eine geordnete Demonstration angekündigt und durchgeführt, mit allen covid-erforderlichen Sicherheits-Standards.
Tatsache ist, dass sich im Baskenland derzeit unterschiedliche kritische Sektoren formieren, deren Entwicklung in der nahen Zukunft beobachtet und analysiert werden muss, um den Corona-Widerstand zu verstehen. Diese Sektoren generell als Negationisten zu bezeichnen, wie bürgerliche Politik und Presse dies handhaben, greift zu kurz und legt falsche Interpretationen nahe. Denn kritische Stimmen kommen auch aus Lagern, die keinerlei Zweifel an der Gefahr der Coronavirus-Pandemie hegen, die jedoch die Gegenmaßnahmen und Einschränkungen als übertrieben und existenz-bedrohend ansehen. Auf dieser Welle schwimmt auch die unpolitische Jugendbewegung, deren Feste untersagt wurden.
Die politische Linke äußert sich nicht oder wenn, dann sehr verhalten, manchen gehen die Einschränkungen nicht weit genug. Bleiben die Rechte und die Ultrarechte, die keinerlei Handlungs-Alternativen vorbringen und sich ausschließlich über Negation zu Wort melden. Sei es die postfranquistische PP in Madrid, die ihre Gesundheits-Kürzung und -Privatisierung verteidigt; oder die neofaschistische Rechte, die das ganze System zu kippen versucht und den Gesundheits-Bediensteten vorwirft, sie würden mit ihrer Arbeit illegalen Migrant*innen zu Papieren verhelfen.
ABBILDUNGEN:
(0) Totensonntag (FAT)
(1) Polizeieinsatz Bilbao (elcorreo)
(2) Immobilienbüro
(3) SOS Gastronomie
(4) Antifaschismus
(5) Arnaldo Otegi
(6) Immobilien-Mafia Bilbao
(7) Faschisten-Aktion
(8) Kolumbus (wiki)
(9) Faschisten-Umtriebe
(10) Enteignung
(11) Schnellzug
(12) Todestage Santi Josu
(13) Frauen Fußball-Auswahl
(14) Männer Fußball-Auswahl
(15) Feministischer Protest
(16) Folteropfer Zabalza
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-11-01)