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Delta! Delta! Hier Euskadi!

Die Zeit der Maskenpflicht ist vorbei, zumindest auf der Straße. Und drinnen kontrolliert ohnehin niemand. Die Zeit des Reisens ist angebrochen, auf der Suche nach den letzten Viren, die noch zur Ansteckung dienen können: Mallorca steht hoch im Kurs. Reisende aus aller Welt bringen die Tierchen wieder in die Reiseziele. Woher das Böse kam, daran erinnert sich kaum jemand mehr. Niemand will wissen, wie künftige Seuchen zu verhindern sind. Partys und Besäufnisse von 16 Monaten müssen nachgeholt werden.

Juli ist im Baskenland traditionell ein Flautenmonat. Behörden arbeiten auf Halbmast, die Bevölkerung überfüllt die Strände, Touristinnen bevölkern die Altstädte und Gewerkschafter gehen in Urlaub. Wie die Halbzeitpause im Fußball, in der keine Tore fallen. Nur listige Politiker treffen wichtige Entscheidungen, auf die niemand reagiert, weil alle mit sich selbst beschäftigt sind.

INHALT:

* (31-07) Sklaverei 21.Jh. * (30-07) Vetternwirtschaft aufgeflogen * (29-07) Bezahlung nach Geschlecht * (28-07) Kunststoff-Recyclig im Senegal * (27-07) Gemeinnütziger Faschismus * (26-07) Unzulängliche Faschismus-Aufarbeitung * (25-07) Rechtsextreme in Navarra * (24-07) Iparralde: Wohnungsnot durch Tourismus * (23-07) "Separatistische Schlampen" * (22-07) 2.040 Bombenangriffe gegen Euskadi 1936/1937 * (21-07) Gesetzliche Abrechnung mit dem Franquismus * (20-07) Einer hat verschissen * (19-07) Am Putschtag geboren * (18-07) Lucio, der ehrliche Bandit * (17-07) Extreme Armut steigt * (16-07) Folter und politische Justiz * (15-07) Legalisierung nach humanitären Taten * (14-07) Tod eines Lieferanten in Bilbo * (13-07) Die Freundin in Palästina in Haft * (12-07) Arme stehen unter Strom * (11-07) Homophobie in Bilbao * (10-07) Die notwendige Fleisch-Debatte * (09-07) Baskische Korruptions-Methoden * (08-07) Homophobie * (07-07) Kranke Hirne, kranke Machos * (06-07) Erfolgreicher Streik in Araba * (05-07) Franquistische Ehren in Berlin * (04-07) Binnen-Tourismus im Aufwind * (03-07) Streik im Guggenheim * (02-07) Heimatnahe Verlegung von baskischen Gefangenen * (01-07) Mehr Tabak und Alkohol *

(2021-07-31)

SKLAVINNEN DES 21. JAHRHUNDERTS

An jedem 30. Juli widmet sich die westliche Welt für einen Moment dem Thema Menschenhandel, am entsprechenden internationalen Tag. Als "Sklaverei des 21. Jahrhunderts" wird nach Angaben der UNO der Menschenhandel bezeichnet, nach Drogen- und Waffenhandel das lukrativste Geschäft. 65% der weltweit versklavten Menschen sind Frauen, ein Drittel sind Minderjährige, Mädchen. Kriminelle Organisationen verfolgen in 50% der Fälle deren sexuelle Ausbeutung. Im Baskenland waren 70% der von der Polizei befreiten Opfer von Menschenhandel Frauen, die zum Verkauf ihres Körpers gezwungen wurden. Während der Pandemie hat sich die Situation für sie zusätzlich verschlechtert.

juli75x31MODERNE SKLAVEREI

Aufgrund der sozialen Beschränkungen zur Eindämmung des Virus (Lockdown, etc.) mussten Prostituierte – in vielen Fällen ebenfalls Opfer des Menschenhandels – öffentliche Orte verlassen. Die Neonlichter der Clubs wurden ausgeschaltet, die Rollläden der Massage-Salons heruntergelassen und die Gehsteige am Straßenrand von Sonnenschirmen und Plastikstühlen befreit. "In diesen Zeiträumen wurden viele der Opfer in geheime Wohnungen gebracht", erklärt ein Polizist. Dort waren sie verstärkt dem Missbrauch ausgesetzt und noch verletzlicher: der Menschenhandel wurde unsichtbarer gemacht. Weitere perverse Folgen: Weniger Prostitutions-Arbeit bedeutet eine Verlängerung der Sklaven-Zeit, um die häufig geforderten “Gebühren zur Freilassung” zu bezahlen. Gleichzeitig wird die Arbeit stressiger und noch unwürdiger, weil die Frauen während der Unterbrechung "keine Gewinne für ihre Entführer erwirtschaften konnten", was nun nachgeholt werden muss.

Das Strafgesetzbuch definiert als Straftatbestand des Menschenhandels: Anwerbung im Herkunftsland, durch Gewalt, Nötigung oder Ausnutzung einer Situation der Schutzlosigkeit, Verbringung ins Zielland, zum Zweck der Ausbeutung des Opfers durch Arbeit, Sexualität, Zwang zu Straftaten, Verkauf von Organen oder Zwangsheirat. Letztere sind die außergewöhnlichsten Fälle. Die häufigsten: sexuelle Sklaverei. Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung (Schönheitssalons, Obsternte, Bau oder zur Begehung von Straftaten) hat zugenommen.

BLEIBEN

Die meisten der befreiten Opfer wollen im Land bleiben. Sie fliehen aus einer Situation der Verwundbarkeit, die nicht verschwindet, wenn sie gerettet werden. Bleibt die Suche nach einer besseren Zukunft. Früher mussten die Entführer anzeigt werden. Jetzt ist das nicht mehr notwendig, weil eine europäische Richtlinie die Staaten verpflichtet, den Opfern, "die als Überlebende behandelt werden sollten", ein Dach und psychologische und rechtliche Unterstützung zu garantieren. Dennoch bleibt die Integration schwieirg, weil die Gesellschaft nicht einbezogen wird, es keine adäquaten Arbeitsplätze gibt und die kulturellen Barrieren nicht überwunden werden. "Menschenhandel ist das unmenschlichste Verbrechen, das darin besteht, Menschen zu Objekten zu machen, mit denen gedealt wird."

RÜCKBLICKE: * (1895) Die Partei PNV (Partido Nacionalista Vasco, Baskisch Nationalistische Partei) wird gegründet auf Betreiben von Sabino Arana Goiri, der zum Präsidenten gewählt wird. * (1959) Der Name ETA erscheint zum ersten Mal öffentlich in einem Schreiben an den baskischen Exilpräsidenten Leizaola. * (1975) ETA erschießt einen Taxifahrer und Guardia-Civil-Vertrauten in Usurbil. * (2009) In Villabona (Gipuzkoa) stirbt der herzkranke Remi Ayestaran, als er von Ertzaintza-Polizisten belästigt wird. * (2017) Kurz vor seiner Freilassung stirbt im Gefängnis von Badajoz der baskische Gefangene Kepa del Hoyo an einem Herzinfarkt.

(2021-07-30)

VETTERNWIRTSCHAFT AUFGEFLOGEN

Die Parlamentsfraktion der baskischen Linken (EH Bildu) hat einen Ausschreibungs-Zuschlag für ein Unternehmen angezeigt, das an einem Absprache-Kartell von Beratungsfirmen beteiligt war. Erst kürzlich hatte die “Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb“ (CNMC) eine Liste mit korrupten Unternehmen und Strafgeldern publiziert, die sich für öffentliche Ausschreibungen abgesprochen hatten. Doch angesichts der mafiösen Strukturen, wie sie in der baskischen öffentlichen Verwaltung (der PNV) herrschen, haben solche Sanktionen keine Konsequenzen.

juli75x30EH Bildu hat nun darauf hingewiesen, dass eine der von der CNMV sanktionierten Beratungsfirmen einen Auftrag im Wert von 96.800 Euro erhalten hat, nachdem sie auf einen anderen Auftrag im Wert von 18.090 Euro verzichtet hatte. Die Provinz-Regierung Araba bestreitet diese Version. Tatsache ist: Am vergangenen 29. April 2021 erhielt “97S&F-Consultans“ von der Entwicklungs-Abteilung der Provinz Araba einen Auftrag über 18.090 Euro zur Durchführung einer Vorstudie über die wirtschaftliche Situation des krisengeschüttelten Landkreises Aiaraldea. Wochen später kündigte das Unternehmen den Vertrag und bewarb sich auf eine öffentliche Ausschreibung zur Ausarbeitung eines Sofortmaßnahmen-Plans und eines Strategie-Plans für den Landkreis. Am 8. Juni erhielt das – erwiesenermaßen korrupte – Unternehmen den Zuschlag für den Auftrag im Wert von 98.600 Euro. Ein guter Deal also.

In der Zwischenzeit waren zwei Dinge passiert: Am 12. Mai verhängte die Nationale Wettbewerbs-Kommission (CNMC) Geldstrafen in Höhe von 6,3 Millionen Euro gegen 22 Beratungs-Unternehmen, darunter “97S&F-Consultans“, und mehrere ihrer Manager, weil sie mindestens zehn Jahre lang öffentliche Ausschreibungen manipuliert hatten. Das Beratungs-Unternehmen muss eine Strafe in Höhe von 69.667 Euro zahlen, sein Geschäftsführer Leandro Ardanza 55.000 Euro. Ende Mai erhielt “97S&F-Consultans“ ein vom Geschäftsführer der Entwicklungsagentur von Araba unterzeichnetes Schreiben, in dem das Unternehmen gebeten wurde, "angesichts der unvorhergesehenen Ereignisse auf den (ersten) Auftrag zu verzichten".

"Wir hoffen aufrichtig, dass Sie Gelegenheit haben, sich an dem neuen Projekt zu beteiligen", fügt der Beamte hinzu, der sich in dem Brief in vertrauensvollem Ton an den Unternehmens-Chef wendet. Nach Ansicht von EH Bildu ist dies "eine Unverschämtheit, die Absprachen und Vetternwirtschaft zwischen bestimmten Institutionen und bestimmten Unternehmen aufzeigt". - "Wo hat man schon gesehen, dass ein Unternehmen einen Vertrag telefonisch kündigt und keine Entschädigung verlangt", sagte der EH Bildu-Vertreter. Er kritisiert "die zunehmende Tendenz von PNV und PSE, auf externe Beratungsfirmen zurückzugreifen, um strategischen Pläne zu verwirklichen. Nach Ansicht der linken Fraktion ist es "unangemessen und sogar gefährlich, die Ausarbeitung und Umsetzung wichtiger strategischer Entscheidungen in den Händen privater Unternehmen zu belassen, die außerdem politischen Parteien nahe stehen und wegen unethischen und offenkundig irregulärem Verhaltens ins Visier von Justiz geraten".

RÜCKBLICKE: * (1975) In den USA verschwindet der Gewerkschafter Jimmy Hoffa spurlos. * (1976) Der spanische König Juan Carlos I verkündet eine Amnestie für politische Gefangene, 500 Personen werden freigelassen. * (1984) Verhaftung in Frankreich der Nummer Zwei von ETA, Eugenio Etxebeste.

(2021-07-29)

BEZAHLUNG NACH GESCHLECHT

Zizur ist eine Kleinstadt mit 15.000 Einwohner*innen im Süden der navarrischen Hauptstadt Pamplona (bask: Iruñea). Im reginalen Vergleich fällt Zizur durch zwei Daten auf: hier wurde das durchschnittlich höchste Bruttogehalt Navarras ermittelt (38.678 Euro pro Jahr), und gleichzeitig das größte Gehaltsgefälle zwischen den Geschlechtern. Das Durchschnittsgehalt für Männer liegt bei 45.941 Euro und für Frauen bei 31.015 Euro. Macht einen Unterschied von 32,5% zwischen Männern und Frauen.

juli75x29Am anderen Ende der Statistiken befinden sich das süd-navarrische Cadreita (2.000 Einwohner*innen) mit dem niedrigsten Durchschnittsgehalt von 20.940 Euro und der ebenfalls im Süden liegende Weinort Corella (7.000 Ew) mit dem geringsten Einkommensabstand zwischen den Geschlechtern von 13,3% (nach den Daten über die Gehaltsstrukturen des Statistischen Instituts Nafarroa für das Jahr 2019).

Der durchschnittliche Bruttolohn einer Person in Nafarroa erreichte in jenem Jahr 27.493 Euro, das sind 1.129 Euro mehr als im Vorjahr. Die Gemeinden Zizur, Aranguren und Esteribar in der Umgebung von Iruñea weisen die höchsten Werte auf, während die Gemeinden Cadreita, Azagra und Mendabia in der Ebro-Nähe die niedrigsten Werte haben. Bei Männern lag das durchschnittliche Bruttogehalt in Nafarroa bei 30.658 Euro und bei Frauen bei 23.942 Euro (mit einem Anstieg von 1.034 Euro gegenüber dem Vorjahr bei Männern und 1.257 bei Frauen), so dass sich das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern von 23,4% im Jahr 2018 auf 21,9% im Jahr 2019 verringerte.

Das durchschnittliche Bruttogehalt von Menschen mit Einschränkungen lag bei 20.576 Euro, das von Menschen ohne Behinderungen bei 27.650 €, was einem Unterschied von 25,6% entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr sind sowohl die durchschnittlichen Bruttolöhne von Menschen ohne Behinderungen als auch von Menschen mit Behinderungen um 4,3% bzw. 5,5% gestiegen. Nach Alter aufgeschlüsselt, erhielten die 25- bis 34-Jährigen ein durchschnittliches Brutto-Jahresgehalt von 22.788 Euro, die 35- bis 44-Jährigen 28.158 Euro, die 45- bis 54-Jährigen 31.599 Euro und die 55-Jährigen und älter 30.897 Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist das durchschnittliche Bruttogehalt in allen Altersgruppen gestiegen, wobei der Anstieg bei den Jüngsten am höchsten war. Das höchste Durchschnitts-Bruttogehalt der Bevölkerung unter 25 Jahren haben die Einwohner*innen von Irurtzun mit 18.011 Euro, das niedrigste die Einwohner von Zizur mit 13.693 Euro.

RÜCKBLICKE: * (1981) Hochzeit von Charles und Diana. Nachdem sie erfahren, dass die Hochzeitsreise in Gibraltar beginnt, nimmt das spanische Königspaar nicht an der Zeremonie teil. * (1994) Mit einer Autobombe tötet ETA in Madrid den Generaldirektor der Polizei, dessen Fahrer und einen Passanten. * (2009) In Burgos bringt ETA einen Kleinbus mit 200 Kilo Sprengstoff vor einer Kaserne zur Explosion: 66 Leichtverletzte.

(2021-07-28)

KUNSTSTOFF-RECYCLINGIM SENEGAL

An der Mondragon Unibertsitatea wird eine Recycling-Presse für Kunststoffe im Senegal entworfen. Der senegalesiche Kulturverein Ndank Ndank aus dem Landkreis Debagoiena stellt die Verbindung dar zwischen der Insel Dionewar und Ecotechnologies Engineering der Mondragon Unibersitatea (MU). So wird in der Fakultät in Hernani eine Presse entwickelt, um die in Dionewar anfallenden Kunststoffe zu recyceln. Denn im Jahr 2019 erhielt die MU einen Anruf vom Verein Ndank Ndank, einem vor zehn Jahren in Bergara gegründeten Verein, der gute Beziehungen pflegt mit der vor der Westküste Senegals liegenden Insel Dionewar. Dessen Ziel ist es, Interkulturalität zu fördern, Realität und Erfahrungen der Migration in den Vordergrund zu rücken und Projekte zu entwickeln, die das tägliche Leben in Dionewar verbessern.

Ndank Ndank informierte über die Tatsache, dass auf der bekannten Tourismus-Insel Dionewar jährlich etwa 225.000 Tonnen Plastik anfallen, die zum Teil mit Meeresströmungen angelandet werden. Es gibt kein System zum Abfall-Management. Also wird so viel Plastik wie möglich gesammelt und verbrannt. Dionewar hat etwa 6.000 Einwohner*innen, die vor allem von der Fischerei leben. Sie leben also vom Meer und gerade dort sammelt sich immer mehr Plastik an.

juli75x28ÖKOTEC

Der Bereich Ökotechnologie für Industrielle Prozesse der MU hat eine klare Ausrichtung: die Förderung von Produkten und industriellen Prozessen zur Umweltschonung. Dazu werden Studierende in der Fakultät Orona Ideo in Hernani ausgebildet. In den letzten Jahren konzentrierte man sich auf die globale Initiative “Wertvolles Plastik“, die sich der Herausforderung stellt, Lösungen für das große Problem des Plastikmülls zu finden, weniger zu produzieren und Wege zur Wiederverwendung zu suchen. So begannen Studierende der MU, nach ein Wegen zu suchen, dem anfallenden Plastik ein zweites Leben zu geben: eine Presse. Dabei müssen die Ressourcen und Bedingungen der Gemeinde berücksichtigt werden: "Eine Gemeinde mit begrenzten Ressourcen. Die Umgebung ist rau, viel Sand, schlechte Stromversorgung, keine Ersatzteil-Beschaffung, der Transport auf die Insel."

DIE TESTPHASE

Die Konstruktion der Presse wurde diesen Bedingungen angepasst. Am Ende kam ein einfaches und variables Design zustande, das noch verbesserungsfähig ist. "Eine leicht anpassungsfähige Maschine, nur wenige Teile können kaputt gehen, sie sind leicht leicht zu ersetzen. Eine Presse mit starkem Rahmen, hergestellt aus einer harten Stahlsorte". Jetzt wird an der zweiten Phase gearbeitet: Vereinfachung der Maschine, leichter Transport, leichtere Behebung von Pannen, leichtere Beschaffung von Ersatzteilen.

ZWEITES LEBEN FÜR DEN KUNSTSTOFF

Wie funktioniert die Presse? "Kunststoff wird in die Presse eingeführt, das Ergebnis sind Fliesen. Wir haben verschiedene Materialien ausprobiert und haben Fliesen geschaffen, die auch als Dachziegel verwendet werden können. Ziel ist es, in der Presse verschiedene Formen zu verwenden, um verschiedene Objekte herzustellen. Zum Beispiel Sandalen-Sohlen", erklären die Studierenden. Je besser der Zustand des zu recycelnden Kunststoffs, desto besser das Produkt. Der Prototyp von Fliesen liegt bereits vor, sie lassen sich leicht zusammenfügen, weder Zement noch Klebstoff wird benötigt. Zur Herstellung ist eine große Menge an Kunststoff nötig – eine wichtige Tatsache, denn so viel Kunststoff wie möglich soll recycelt werden. Es soll eine Maschine werden, die sich leicht zerlegen und zusammenbauen lässt, und die für alle einfach zu bedienen ist. Eine Presse, die komplett demontiert werden kann.

Ndank Ndank berichtet, dass in Dionewar derzeit ein Kulturzentrum gebaut wird, mit einer Mehrzweckhalle und einer Werkstatt für eine Handwerksschule. "Unsere Absicht ist es, die Pressen in diesem Raum aufzustellen und Jugendlichen beizubringen, wie die Maschine funktioniert. Die Bewohner von Dionewar sollen entscheiden, was für Produkte sie brauchen und was sie herstellen wollen."

RÜCKBLICKE: * (1914) Mit der Kriegserklärung von Österreich-Ungarn gegen Serbien beginnt der Erste Weltkrieg. Frankreich rekrutiert Tausende von Basken aus Iparralde, von denen 6.000 den Tod finden. * (1954) Hugo Chavez in Venezuela geboren. * (1984) Im Hospital Bordeaux stirbt Tomas Perez Revilla, ein politischer Flüchtling aus Bilbao, der Tage zuvor ein Attentat durch die GAL-Todesschwadronen erlitt. * (1986) Beim Versuch, während eines Protests eine Hochspannungsleitung zu kappen stirbt in Hernani Fernando Ros an einem Stromschlag. * (1991) Der baskische Radprofi Miguel Indurain erringt den ersten seiner fünf Siege bei der Tour de France.

(2021-07-27)

GEMEINNÜTZIGER FASCHISCHMUS

Niemand mag sich eine Hitler-Stiftung vorstellen, die auch noch gemeinnützig ist und außerdem staatliche Unterstützung erhält. Im spanischen Staat gibt es davon nicht nur eine sondern gleich sieben. Allen voran die Francisco-Franco-Stiftung. Sogar bei den Sozialdemokraten hat sich neuerdings die Überzeugung breit gemacht, dass solche faschismus-fördernden Gemeinwesen-Verbände nicht in eine demokratische Landschaft gehören, dass sie besser gar nie zugelassen worden wären. Aber Spanien ist eben Spanien, Franco starb im Bett, hatte seine Nachfolge (den König) gut geordnet (bien atado), die politische, juristische, polizeiliche und militärische Kaste blieb in Amt und Würden.

Das soll sich nun ändern. Die Koalition PSOE-Podemos arbeitet an einem Gesetz der demokratischen Erinnerung, das der Aufarbeitung des spanischen Faschismus dienen soll und das zum ersten Mal auch die Faschismus-Stiftungen in Frage stellt. Von Illegalisierung ist die Rede. Dazu braucht es jedoch rechtliche Grundlagen, bzw. die bestehenden Gesetze müssen geändert werden. Im Gutachten des staatlichen Generalrats (CGPJ) über den Entwurf des Gesetzes wird gewarnt vor Sanktionen wegen “Verherrlichung des Franquismus“, das sei verfassungswidrig. Hört, hört, die Demokratie gegen den Faschismus zu schützen ist gegen die Verfassung – was muss das für eine Verfassung sein! Sanktionen oder Illegalisierungen seien nur möglich, wenn die Opfer der Diktatur “gedemütigt oder verächtlich behandelt“ werden. Beim Blick auf das Stiftungs-Gesetz 50/2002 stellt sich die Frage, weshalb gleich sieben faschistische Vereinigungen eingeschrieben sind.

juli75x27STIFTUNGSGESETZ

Das Gesetz legt fest, dass Stiftungen Ziele von allgemeinem Interesse verfolgen müssen, die allgemeinen Personengruppen zugute kommen müssen. Die erste Zieldefinition in der Satzung der “Nationalen Stiftung Francisco Franco“ lautet: "Das Studium und die Kenntnis des Lebens, des Denkens, des Vermächtnisses und des Werks von Francisco Franco Bahamonde in seiner menschlichen, militärischen und politischen Dimension sowie die Errungenschaften der Jahre seiner Amtszeit als spanischer Staatschef, Generalkapitän und Generalissimus der Streitkräfte zu verbreiten und zu fördern." In Artikel 3.1 des Gesetzes werden als Zwecke von allgemeinem Interesse genannt: "Die Verteidigung der Menschenrechte, der Opfer von Terrorismus und Gewalttaten, soziale Unterstützung und soziale Eingliederung, soziale, erzieherische, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit, Förderung der verfassungsmäßigen Werte, Verteidigung der demokratischen Grundsätze sowie die Förderung der Toleranz". Wie dazu sieben Pro-Faschismus-Stiftungen passen, bleibt völlig unerklärlich.

FRANCISCO-FRANCO-STIFTUNG

Gegründet 1976, ein Jahr nach Francos Tod. Ehrenpräsident ist einer seiner Urenkel, Luis Alfonso de Borbón, derzeitiger Präsident ist seit 2010 General Juan Chicharro, ehemaliger Kammerdiener von König Juan Carlos. Sitz der Stiftung ist eine Wohnung eines Vereins in Madrid, der von einem Enkel Francos geleitet wird.

STIFTUNG GONZALO QUEIPO DE LLANO FÜR KINDER

1945 vom Putschisten-General gegründet, zur Sorge für "unterprivilegierte Kinder". Der General war berüchtigt für seine Radioansprachen, in denen er Massaker an Zivilisten und die Vergewaltigung republikanischer Frauen anordnete. Einkommensquelle sind die Pachteinnahmen eines 145 Hektar großen Anwesens in Sevilla, das Queipo de Llano mit dem Geld erworben hat, das er mit dubiosen “Volks-Spenden“ erhielt, weil er die Stadt von der "roten Herrschaft befreit hat".

BLAS PIÑAR STIFTUNG

Gewidmet dem Gründer der rechtsextremen Partei Fuerza Nueva. Inspiriert von den Idealen “Gott, Heimat und Gerechtigkeit“. Gegründet mit 30.000 Euro von der Familie. Ziele dieser Stiftung: "In der gegenwärtigen Stunde der fast völligen Verfinsterung unserer Heimat, als Ergebnis des historischen Prozesses, der als spanische Transition bekannt ist und gegen den sich die Fuerza Nueva im Jahrzehnt vor dem Tod des Caudillo zu wehren begann, will die Fuerza Nueva ihre Ideen allen Spaniern und denjenigen, die Spanien über die Grenzen hinaus lieben, zugänglich machen, in der Hoffnung, dass es eine neue Wiedergeburt des vereinten, großen und freien Spaniens gibt".

RAMIRO LEDESMA RAMOS STIFTUNG

Vater des spanischen Faschismus. Gründer der JONS, einer Nachahmung der italienischen Faschisten. Nach Beginn des Krieges wurde er verhaftet und erschossen. Eine der bekanntesten Neonazi-Gruppen Spaniens trägt seinen Namen und verteidigt seine Arbeit: Hogar Social Madrid - Ramiro Ledesma.

STIFTUNG SERRANO SÚÑER

Schwager von Franco, Anhänger des Nationalsozialismus, gründete die Blaue Division, um im Zweiten Weltkrieg mit Hitler zu kollaborieren. Stiftungs-Ziel: "dieses bedeutende und grundlegende Werk [von Súñer] über das Internet den neuen Generationen zugänglich zu machen, um die Geschichte Spaniens im letzten Jahrhundert besser zu verstehen".

STIFTUNG JOSÉ ANTONIO PRIMO DE RIVERA

Gründer der Falange Española. Wegen Rebellion und Aufruhr gegen die Republik zum Tode verurteilt, seine sterblichen Überreste sind im Tal der Gefallenen. "Die Stiftung verfolgt folgende Ziele: Erforschung, Entwicklung und Erweiterung der historischen, politischen und persönlichen Persönlichkeit von José Antonio Primo de Rivera y Sáenz de Heredia und seines historischen und soziokulturellen Umfelds sowie die Aktualisierung seines Denkens."

STIFTUNG YAGÜE

Gewidmet dem falangistischen Militär Juan Yagüe, der wegen eines Massakers in der Extremadura als "Schlächter von Badajoz" bekannt ist. Der Heimatort des Militärs in der Region Soria trägt seinen Namen: San Leonardo de Yagüe. Die Tochter von Yagüe und Stiftungs-Leiterin wurde 2018 zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie die Identität der Treuhänder der Stiftung nicht preisgeben wollte, was gesetzlich vorgeschrieben ist.

DIE ACHTE

Es gibt eine achte franquistische Stiftung, die Fundación Las Hijas de Millán Astray y Capitán Cortés, die nicht in das Stiftungsregister des Justiz-Ministeriums eingetragen ist. Gegründet von der einzigen Tochter des Gründers der Legion, aus der Familie des franquistischen Militärs Santiago Cortés. (Fortsetzung folgt …)

RÜCKBLICKE: * (1549) Der Jesuit und Missionar Francisco Javier kommt an die japanische Küste. * (1931) Das Monument im Dorf Amaiur, Navarra, zur Erinnerung an die Verteidiger Navarras und an die zerstörte Festung Maya wird nachts von Unbekannten gesprengt. * (1953) China, USA und Nordkorea unterzeichnen ein Waffenstillstands-Abkommen, das den Koreakrieg beendet. * (1994) In Donostia wird der Unternehmer José Manuel Olarte von ETA ermordet.

(2021-07-26)

UNZULÄNGLICHE FASCHISMUS-AUFARBEITUNG

Der katalanische Anwalt und Historiker Josep Cruanyes kommentiert den Entwurf der spanischen Regierung für ein neues Gesetz zur Aufarbeitung des Franquismus und seiner Verbrechen: “Das Gesetz basiert auf einem vorigen von der Zapatero-Regierung. Grundsätzliche Aspekte bleiben weiter unberührt. So nimmt man zwar offiziell als Basis das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung der Vereinten Nationen, geht das aber real nicht an. Man bleibt symbolisch. Das ist für Sie in Deutschland sicher unbegreiflich. An der Straffreiheit wird nichts geändert, geraubte Güter sollen weiterhin nicht zurückgegeben werden. Bisher wurden nur Parteien und Gewerkschaften für den Raub ihres Vermögens entschädigt.

juli75x26Im vorgehenden Gesetz wurde etwas Schreckliches bestimmt: Angehörige von Opfern, die zwischen dem 1. Januar 1968 und dem 6. Oktober 1977 im Rahmen der Verteidigung der Demokratie ums Leben kamen, konnten mit 135.000 Euro entschädigt werden – die zwischen dem Putsch 1936 bis 1968 ermordet wurden, nur mit 9.000 Euro. Es wird weiter mit falschen Konzepten gespielt. Die Gerichte waren nicht illegitim, sondern illegal. Die Unrechtsurteile werden nicht annulliert. Die Betroffenen sollen nur ein Dokument der Regierung mit einer persönlichen Anerkennung erhalten.

MASSENGRÄBER

Es gibt einige reale Fortschritte. Es werden nun Vorgänge konkretisiert, die im vorherigen Gesetz zwar vorgesehen, aber nicht konkretisiert waren. Fortschritt in der Frage der Massengräber. Definiert wird nun, dass es die Aufgabe des Staates ist, die Öffnung vorzunehmen und sie zu bezahlen. Die hatten diverse Autonomiegebiete wie Katalonien, das Baskenland oder Valencia längst übernommen. Aber: Können sich von der rechten Volkspartei (PP) regierte Regionen wie Madrid weiter weigern, Massengräber auszuheben? Das ist bisher unklar. Werden die Franco-Stiftung und andere verboten, weil sie die Diktatur verherrlichen? Tatsächlich wird von der Auflösung von Stiftungen gesprochen, deren Ziel die Verherrlichung Francos, den Putsch oder der Diktatur ist. Das soll nicht automatisch geschehen, sondern nach einem Verfahren.

Noch merkwürdiger ist, dass Richter Grande-Marlaska heute noch Innenminister ist. In acht Fällen, in denen Spanien wegen Folter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde, war er der Ermittlungsrichter und hat die Vorgänge nicht ermittelt. Ich weiß auch nicht, warum ein Staatsanwalt die Öffnung von Massengräbern kontrollieren soll, wenn die Täter nicht ermittelt werden sollen. Am Amnestiegesetz soll auch weiterhin nicht gerüttelt werden. Dabei ist über das Völkerrecht längst geklärt, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht amnestiert werden können, die auch nie verjähren.

ILLEGALE URTEILE

Auch das dürfte Sie in Deutschland überraschen. Bis ins Jahr 1996, gar nicht so lange her, hatte man nicht einmal Einblick in die Urteile der Kriegsgerichte. Nicht einmal das Urteil gegen den Präsidenten Companys konnte ich einsehen. Erst nach etlichen Einsprüchen wurde das 1996 möglich. Im Fall von Companys wurde die Verweigerung damit erklärt, dass "Persönlichkeiten" davon betroffen sein könnten. Es wurden also die geschützt, die an den Vorgängen beteiligt waren, die zu seiner Ermordung führten. Die Rechte der Opfer und der Angehörigen wurden ignoriert.

Es gab nie einen wirklichen Bruch mit dem Franco-Regime. Bis heute fordern wir, dass das Gebäude in ein Zentrum zur Erinnerung an die Opfer der Repression umgewandelt wird. Dagegen protestiert sogar die Gewerkschaft der Nationalpolizei, die sich ganz offensichtlich als Nachfolger derer sieht, die dort in der Diktatur agiert haben.“ (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (711) Schlacht von Guadalete: Invasion einer musulmanischen Armee auf der iberischen Halbinsel, der Westgoten-König Rodrigo wird besiegt. * (1953) Beim Versuch, das oligarchische Batista-Regime zu Fall zu bringen, stürmt ein Kommando mit Fidel Castro an der Spitze die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. * (1977) Der ETA-Aktivist Jokin Saizar wird durch eine versehentlich explodierende Bombe getötet.

(2021-07-25)

RECHTSEXTREME IN NAVARRA (1975-1985)

Zwischen 1975 und 1985 verübten rechtsextreme Gruppen mehr als dreißig Anschläge in Navarra oder auf Personen aus Navarras. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den eine Forschungsgruppe der Universität Carlos III (Madrid) im Auftrag der Abteilung “Frieden und Koexistenz“ der navarrischen Regierung erstellt hat. Zwischen 1975 und 1985 verübten rechtsextreme Gruppen mindestens 33 Anschläge in Navarra oder auf navarrische Bürger außerhalb der Region. Zu den Terrorakten gehören die Morde am Montejurra-Berg, die Ermordung von Ángel Gurmindo in Hendaia, das Verschwinden von José Miguel Etxeberria aus Pamplona, die Beschießung von Buchhandlungen, Angriffe auf Büros politischer Parteien und Gewerkschaften, sowie gegen gastronomische Einrichtungen und einen San-Fermín-Club.

juli75x25Das geht aus der Studie "Der unbekannte Terrorismus. Gewalttätige Angriffe der extremen Rechten in Navarra (1975-1985)" hervor, die von der Abteilung für Bürgerbeziehungen über die Generaldirektion für Frieden, Koexistenz und Menschenrechte in Auftrag gegeben wurde und von vier Forschern des Menschenrechtsinstituts "Gregorio Peces-Barba" der Universität Carlos III in Madrid durchgeführt wurde. Die Arbeit befasst sich mit dem politischen Kontext der Transition (Spanien 1975 bis 1979), der gesetzlichen Reaktion des Staates auf Gewalt und der Tatsache, dass diese Fälle durch polizeiliche und gerichtliche Ermittlungen so gut wie nie aufgeklärt wurden. Die rechtliche Anerkennung als Opfer von rechter Gewalt ist völlig unzureichend.

RECHT AUF WAHRHEIT

Der Bericht ist Teil verschiedener Studien, "um zu versuchen, die Vergangenheit zu klären und zur Wiedergutmachung der Opfer beizutragen, in diesem Fall im Zusammenhang mit der GAL und rechtsextremen Gruppen. All dies basiert auf dem Recht auf Wahrheit und soll dazu beitragen, das Bewusstsein der Gesellschaft für diese Realität zu schärfen". Der Bericht gilt als nicht abgeschlossen, denn in einigen Fällen wurden Angriffe mit Personen- und Sachschäden nicht gemeldet, in anderen Fällen kam es aufgrund fehlender Gerichtsurteile zu keiner Anerkennung und Entschädigung der Opfer.

Dieser Umstand hat die Autoren des Berichts zu einem Aufruf an die allgemeine Öffentlichkeit veranlasst, Daten oder Details über rechtsextreme Gewalt in Navarra zu liefern. Der Bericht erwähnt auch die rechtsextremen Gruppen und Banden, die seit den letzten Jahren des Regimes aktiv waren: Guerrilleros de Cristo Rey, Triple A (Alianza Apostólica Anticomunista), ATE (Anti-Terrorismo ETA), Batallón Vasco Español und Acción Nacional. Viele von ihnen mit dem gemeinsamen Nenner eines "katholischen Messianismus", die ihr gewaltsames Vorgehen mit "territorialen oder separatistischen Ansprüchen, dem Aufzwingen eines religiösen Glaubensbekenntnisses oder der Vergeltung für eine frühere Tat" rechtfertigten, so die Studie. Die Untersuchung ergab auch, dass gewalttätige Aktionen "oft von Teilen des Staatsapparates unterstützt oder gedeckt wurden. Einige Beamte waren ideologisch gegen die Errichtung eines demokratischen Systems“. Der “rechtsextreme Terrorismus hat eine Spur persönlichen und sozialen Leids hinterlassen, die nicht mit der Gerechtigkeit behandelt wurde, die alle verdient hätten, die unter terroristischer Gewalt litten". (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (1496) Die kastilische Armee beendet die militärische Eroberung von Teneriffa und den Kanaren. * (1510) Kastilische Truppen erobern Tripolis im heutigen Libyen. * (1512) Pamplona, die unbefestigte Hauptstadt des Königreichs Navarra, ergibt sich der anrückenden Übermacht kastilischer Truppen auf dem Weg zur Eroberung des Königreichs. * (1938) Mit einem republikanischen Gegenangriff beginnt im Spanienkrieg die legendäre Ebro-Schlacht. * (1943) Sturz des faschistischen Diktators Benito Mussolini in Italien. * (1975) Ende des franquistischen Ausnahmezustands in Gipuzkoa und Bizkaia. * (1992) In Barcelona werden die 25. Olympischen Spiele eröffnet. * (1993) Der Baske Miguel Indurain gewinnt seine dritte Tour de France in Folge. * (2010) WikiLeaks veröffentlicht geheime Dokumente über den Afghanistan-Krieg, peinlich und einmalig in der US-Militärgeschichte.

 

(2021-07-24)

IPARRALDE: WOHNUNGSNOT DURCH TOURISMUS

In einem Interview mit Mediabaski kündigte Daniel Oltzomendi, der baskische Landrat für Tourismus an, dass die Vermietung von touristischen Plattformen genauer geprüft wird. Im Moment wird der Fall aus rechtlicher Sicht analysiert, mit der Absicht, zu einer beschränkenden Regelung zu kommen. Im Juni besetzte die ALDA-Bewegung, eine übergreifende Initiative für Grundrechte, ein über die Plattform Airbnb aangebotenes Haus in Bayonne. Der Landrat für Tourismus im Nordbaskenland kündigte an, dass man angesichts der Besorgnis, die durch Vermietungen über Plattformen wie Airbnb ausgelöst wird, "in diesem Sommer eine erste Untersuchung " durchführen will. Tatsächlich wurde nach Analyse der beiden wichtigsten Plattformen für Tourismus-Wohnungen auf dem Markt festgestellt, dass es im Nordbaskenland 10.000 Wohnungen gibt, die von Touristen für mehr als 120 Tage im Jahr gemietet werden können.

juli75x24Oltzomendi betonte, es sei "ein Unding", dass die Miete von Dauer-Bewohner*innen des Territoriums durch touristische Vermietungen geschädigt bzw. Nach oben getrieben werde. Deshalb sollen ab Herbst "konkrete Vorschläge" auf den Tisch kommen. Er kündigte an, dass auch Maßnahmen ergriffen wurden, die sich bereits in diesem Sommer auswirken sollen. "Wir haben aus den Erfahrungen des letzten Jahres gelernt, insbesondere aus den Erfahrungen in den ländlichen Gebieten. Der Baskische Rat, aber auch die Dörfer, haben Rahmenbedingungen geschaffen, um zu versuchen, die großen Bewegungen von Menschen und die Normen für die Pflege der Berge besser zu verwalten". Zu diesem Zweck werden unter anderem "Vermittler" in den Bergen platziert, "die zum Beispiel erklären, dass man nicht durch eine Herde gehen darf, dass Hunde an die Leine gehören oder dass Müll ordentlich entsorgt werden muss".

Das Problem erstreckt sich auch auf die Küste, wo sich zu viele Touristen auf engstem Raum sammeln. Als Beispiel genannt wurde die Holtzarte-Brücke, einem der attraktivsten und meistbesuchten Orte im Nordbaskenland. Auf der anderen Seite hob Oltzomendi den Ansturm auf hervor. "In diesem Sommer sehen wir, dass die Menschen wieder in Landhäuser zurückkehren wollen. Besucher wünschen sich Orte, die offener sind, um sich mit der Familie oder Freunden zu treffen. Dies ist ein Trend, denn schon im April waren die Ferienhäuser auf dem Land belegt.

TREFFEN MIT DEM RAT

Die Bewegung für Grundrechte Alda fordert Ausgleichsmaßnahmen". Vor allem in Stadtvierteln und Dörfern hat die Bewegung, die für die Lösung sozialer Probleme zuständig ist, es als dringend notwendig erachtet, "das weitere Ausbluten des Wohnungsbestandes zu stoppen, das jedes Jahr im stattfindet". Denn die Wohnungen, die über Plattformen an Touristen vermietet werden, sind häufig jene, in denen sonst die weniger wohlhabende lokale Bevölkerung lebt. Die Alda-Bewegung fordert, "dass Tausende von Häusern und Wohnungen wieder dem normalen Wohnungsmarkt einverleibt werden" und "Maßnahmen zur Linderung der aktuellen Wohnungskrise ergriffen werden".

Am 20. Juli traf sich eine Delegation von Alda im Sitz des Baskischen Rates mit dem Lehendakari (Landespräsident) Jean-René Etchegaray, dem Leiter des Tourismus-Rats, Daniel Oltzomendi, dem Vizepräsidenten für Wohnungsbau Roland Hirigoyen, dem Bürgermeister von Urruña, Philippe Aramendi, und Leitern der technischen Dienste. "Die Vertreter von Alda waren zufrieden, dass das von ihnen vorgelegte Dossier zur Kenntnis genommen wurde". Man will sich wieder treffen.

RÜCKBLICKE: * (1933) Die Urteile wegen des Sanjurjo-Putsches (10.8.1932) werden bekannt gegeben. * (1936) Die Durruti-Kolonne verlässt mit 2.500 Milizionären Barcelona, um Zaragoza von den Putschisten zurückzuerobern. * (1974) Die griechische Militärdiktatur tritt ab. * (1994) Der Baske Miguel Indurain gewinnt zum vierten Mal in Folge die Tour de France. * (2001) Die versehentliche Explosion einer Bombe kostet die ETA-Aktivistin Olaia Castresana das Leben.

(2021-07-23)

"SEPARATISTISCHE SCHLAMPEN"

Am 18. Juli 1936 putschten faschistische Generäle (Mola, Franco, Sanjurjo, u.a.) gegen die eben gewählte republikanische Regierung. Mit europäischer Hilfe entfachten sie keinen Bürgerkrieg, sondern den Spanienkrieg, ein Meilenstein für den Vormarsch des europäischen Faschismus. Die antifaschistisch-republikanische Bewegung versammelt sich seit 40 Jahren jedes Jahr auf der Straße, um an Krieg, Genozid und Kriegsverbrechen zu erinnern, weitere Aufklärung und Wiedergutmachung zu fordern und eine Garantie der Nicht-Wiederholung. Doch nicht alle, die an diesem Tag auf die Straße gehen, tun dies mit antifaschistischer Haltung. Gar nicht wenige feiern diesen Tag als den Beginn eines legitimen Kreuzzugs gegen Kommunismus und hängen nostalgisch dem franquistischen Terror nach.

juli75x23Dass Faschismus eine ganz spezifische anti-feminine Komponente hat, daran erinnerten einmal mehr ultrarechte Graffitis, die an den Wänden mehrerer Orte um Bilbao zu sehen waren und die auf den Militärputsch vom 18. Juli 1936 Bezug nahmen. Eines davon war speziell an die Befürworterinnen der baskischen Unabhängigkeit gerichtet: "Separatisten-Schlampen. Wir werden euch vergewaltigen #18Juli". Massen-Vergewaltigungen gehören bekanntlich zum gängigen Repertoire jeder siegreichen Militärmacht, die baskischen Frauen aus den 1930er Jahren können ein trauriges Lied davon singen. Aber nicht nur in den Nachkriegsmonaten wurden Vergewaltigung und die Misshandlung von Frauen zu einem systematischen Repressions-Instrument gemacht, auch die jüngere Geschichte bietet Beispiele.

"DAS WIRD ALLEN BASKISCHEN FRAUEN PASSIEREN".

Im Januar 1980 wurde Ana Tere Barrueta Álvarez, ein 17-jähriges Mädchen, das Baskisch lernte und unterrichtete, von einer Gruppe von Männern vergewaltigt und ermordet, als sie in Loiu (Bizkaia) auf dem Heimweg war. Zur Tat bekannte sich die spanische bewaffnete Gruppe GAE, die Tage später in Alonsotegi vier weitere Tote provozierte. Anas Tanten erzählen, dass die Untersuchungen nicht voran kamen, weil Polizei und Justiz nicht kooperierten. Obwohl die Familie einen Detektiv anheuerte und eine Volks-Untersuchungs-Kommission eingerichtet wurde. Ana Ereño, Feministin und Mitglied der Kommission, veröffentlichte damals einen Artikel in der Presse, der diese Gewalt anprangerte. Die Faschisten reagierten, indem sie ihr Haus stürmten und an die Wand malten: "Marxistin. Schwein. Wir werden dich vergewaltigen", daneben das Kürzel der Fuerza Nueva (Neue Kraft), eine damals bekannte neo-franquistische Organisation, die bis heute existiert.

Im Mai desselben Jahres überfiel eine andere Faschisten-Gruppe María Bravo und Javier Rueda, zwei 16-Jährige, in der Nähe der Loiola-Kaserne von Donostia. Die Angreifer schlugen Javier den Schädel ein und warfen ihn von einer Klippe. Er starb acht Jahre später an den Folgen. María wurde an einen abgelegenen Ort gebracht, vergewaltigt und ermordet. Ihre Leiche wurde am nächsten Tag mit eingeschlagenem Kopf und von der Taille abwärts nackt gefunden. Das Batallón Vasco Español (BVE – Baskisch-Spanisches Bataillon) verbreitete daraufhin die Nachricht, María getötet zu haben, weil sie eine ETA-Informantin sei. Zwei weitere baskische Frauen wurden mit dem Tod bedroht. Javier Rueda erhielt folgende Nachricht: "Nächstes Mal, ein Schuss in den Kopf. Was María passiert ist, wird allen baskischen Frauen passieren".

Neben diesen beiden Fällen sexistischer Gewalt mit Todesfolge gab es zwischen 1977 und 1980 neun weitere Vergewaltigungen und sechs Vergewaltigungs-Versuche, so die Untersuchung "Politisch motivierte Gewalt gegen Frauen im Baskenland", die 2016 von der Menschenrechts-Organisation Argituz veröffentlicht wurde.

Letzte Woche saßen acht Mitarbeiterinnen aus Anwaltsbüros auf der Anklagebank des Politgerichts Audiencia Nacional. Vorgeworfen wurde ihnen, einen “juristischen Arm von ETA“ gebildet zu haben. Dabei kam es zu schockierenden Zeugenaussagen zweier Angeklagten, Naia Zuriarrain und Saioa Agirre. Sie dementierten jegliche Verbindung zu ETA und schilderten, wie sie unter Drohungen, Folter und sexistischer Belästigung gezwungen wurden, falsche belastende Aussagen, die von der Guardia Civil formuliert wurden, auswendig zu lernen und aufzusagen. "Ich betrachte Sie als meinen Feind", hatte einer der Guardia Civil-Beamten bei ihrer Verhaftung zu Zuriarrain gesagt. Drei oder vier von Beamte zwangen sie, sich auszuziehen und sagten ihr: "Es macht uns geil, wenn du dich wehrst". Zu den Foltermethoden gehörte, ihr kaltes Wasser über den nackten Körper zu gießen, während sie betatscht und mit einem Sack fast erstickt wurde.

Sexistische Folter ist eine spezifische Form der Gewalt gegen Frauen, die doppelt bestraft werden, weil sie politische Feinde sind und weil sie gegen die Gebote der patriarchalen Weiblichkeit verstoßen. Die faschistischen Graffiti nach dem 18. Juli hielten nicht lange. Sie wurden von Aktivistinnen der Pro-Souveränitäts-Kampagne Gora Herria übermalt, mit Slogans zugunsten eines baskisch-sprachigen, pluralen, feministischen und antifaschistischen Euskal Herria. (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (1911) In Bilbao wird die baskisch-nationalistische Gewerkschaft ELA Solidaridad de los Trabajadores Vascos – Solidarität der baskischen Arbeiter) gegründet, im Umfeld der PNV (Baskisch Nationalistische Partei). Ihren ersten Mitglieder-Stamm findet sie in der Euskalduna-Werft von Bilbao. Die Gründung gilt als Schachzug zur Schwächung der Klassengewerkschaften UGT (sozialistisch) und CNT (anarchistisch). * (1980) Ein Attentat der ultrarechten Gruppe BVE kostet das Leben der Frau eines linken Stadtrats in Zeberio (Bizkaia), zwei weitere Personen werden getötet. * (1987) Bei einem Hinterhalt in Pasaia wird die ETA-Aktivistin Luzia Urigoitia von der Guardia Civil erschossen.

(2021-07-22)

2.040 BOMBENANGRIFFE IN EUSKADI

Das Erinnerungs-Institut Gogora der baskischen Regierung hat mehr als 2.040 Bombenangriffe in Euskadi während des Bürgerkriegs dokumentiert. In einem entsprechenden Bericht sind sowohl die Angriffe der aufständischen Faschisten wie auch der republikanischen Verteidiger erfasst, die in 127 Orten 1.441 Leben kosteten. Zwischen Juli 1936 und August 1937 wurden im Baskenland bei 1.220 Einsätzen insgesamt 2.042 Bombenangriffe durchgeführt, von der italienischen Aviazione Legionaria, der Flugstreitkraft der Aufständischen und vor allem von der nazideutschen Legion Condor. In insgesamt 127 baskischen Orten kam es zu Angriffen. Dies sind die Rahmendaten, die der "Atlas der Bombenangriffe im Baskenland" liefert, der nun von der baskischen Regierung vorgestellt wurde.

juli75x22LEGION CONDOR

Dabei handelt es sich um eine Forschungsarbeit von mehr als einem Jahrzehnt des Historikers Xabier Irujo, der auf 600 Seiten die Bombenangriffe während des Spanienkriegs im Baskenland (fälschlicherweise Bürgerkrieg genannt) einzeln auflistet: Datum, Ort, Flugzeugtyp, zugehörige Einheiten, taktische oder Terror-Operation. "Wir wollen und dürfen nicht vergessen", sagte die Senatorin für Gleichheit, Justiz und Sozialpolitik. Für die Durchführung der Studie wurden insgesamt 75 Archive konsultiert, im Baskenland, in Katalonien und auch in Dokumentations-Zentren des spanischen Staates. Auch in Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Italien und den Vereinigten Staaten. Alle gesammelten Informationen werden im Friedensmuseum in Gernika zur Einsicht bereitstehen.

Der “Atlas“ beschreibt 1.220 Bombeneinsätze. Wie Irujo erklärte, "bezieht sich eine Operation auf eine Reihe von Angriffen, die von einer oder mehreren Lufteinheiten auf ein einzelnes Ziel im Laufe eines Kriegstages durchgeführt werden. Das bedeutet, dass mehrere Bombenangriffe in der gleichen Operation durchgeführt werden können". Konkret wurden insgesamt 2.042 Bombenangriffe quantifiziert, von denen 1.870 von der Rebellenseite und 172 von der republikanischen Seite durchgeführt wurden. Nach Provinzen wurden 811 Operationen in Bizkaia, 238 in Gipuzkoa und 171 in Álava durchgeführt. Davon waren fast 64% taktischer Natur, 12% waren strategisch und fast 24% zielten darauf ab, Terror in der Bevölkerung zu provozieren.

ARABA

Die hohe Zahl von Bombenangriffen in der baskischen Südprovinz Araba (Alava) erklärt sich folgendermaßen. Die Verantwortlichen der Provinz schlugen sich gleich nach dem Putsch auf die Seite der Aufständischen. Dies bedeutete, dass es in der Provinz (wie auch in Navarra) praktisch keinen Krieg gab. Araba war jedoch Schauplatz der einzigen Gegenoffensive der baskischen Regierung. So war der Grenzort Legutio (Villareal de Alava, zwischen Bizkaia und Araba) an Weihnachten 1936 heftig umkämpft, republikanische Einheiten flogen Bombenangriffe gegen die faschistischen Besatzer im baskischen Ort.

"Gernika ist ein Symbol, aber es war nicht nur in Gernika", betonte die Senatorin. Der Bericht listet Einsätze in 127 baskischen Städten, einen in Kantabrien und vier in Navarra auf, wobei fast 280 Punkte bombardiert wurden. Einige der am schlimmsten betroffenen Gemeinden waren Legutio (65 Einsätze), Bilbao (62), Amorebieta (49), Zigoiti (39) und Mungia (36). Es gibt Belege dafür, dass mindestens 1.441 Menschen an den Folgen der Bombardierungen starben. Zwei Informationen sind besonders auffällig: 58% der Frauen, die im Krieg den Tod fanden, starben als Folge dieser Art von Angriffen, ebenso 49% der Kinder unter vierzehn Jahren.

Während der Präsentation der Studie kündigte die Senatorin an, dass der Entwurf für das baskische “Gesetz zur historischen und demokratischen Erinnerung“ kommende Woche vom Regierungsrat verabschiedet und dem baskischen Parlament zur Bearbeitung vorgelegt werden soll. "Niemand sollte in unserem Gesetzentwurf nach einem Geist der Rache oder Vergeltung suchen, niemand sollte in diesem künftigen Gesetz nach Konfrontation suchen, und auch nicht nach einem Geist der Wiederbelebung der Politik der Grabenkämpfe. Genauso möchte ich betonen, dass Vergessen und Umblättern für uns keine Option ist."

RÜCKBLICKE: * (1522) Der zehn Jahre zuvor begonnene Feldzug des Königreichs Kastilien (unter König Fernando II dem Katholischen) hat die Eroberung des baskischen Königreichs Navarra zum Ziel. Letzte Zuflucht der Navarrer ist die Festung Amaiur in den Vorpyrenäen. Nach vier Tagen Belagerung fällt die Burg mit 200 Verteidigern einer Übermacht zum Opfer. Am 30.Juni 1922 wird ein Denkmal zur Erinnerung an die letzten Verteidiger Navarras eingeweiht. * (1936) Vier Tage nach dem Militäraufstand von Franco wird der baskische Ort Otxandio/Bizkaia von faschistischen Truppen bombardiert, der erste Luftangriff des Spanischen Krieges fordert 61 Tote. * (1980) Ein ETA-Kommando greift in der Region La Rioja einen Konvoi von 120 Zivilgardisten an, einer stirbt. * (2011 Andres Breivik, norwegischer Neonazi, erschießt in einem Feriencamp auf der Insel Utøya 77 Menschen. Die Regierung verzichtet dennoch azuf die Verstärkung der Polizeiapparate.

(2021-07-21)

GESETZLICHE ABRECHNUNG MIT DEM FRANQUISMUS

In Madrid wurde gestern das zweite Gesetz zur Abrechnung mit dem Franquismus auf den Weg gebracht. Es trägt den Titel “Gesetz zur Demokratischen Erinnerung“. Bereits 2007, mittels der ebenfalls sozialdemokratischen Regierung von Zapatero, war das erste “Gesetz zur Historischen Erinnerung“ verabschiedet worden, das überhaupt nicht geeignet war, mit den Schandtaten des spanischen Faschismus aufzuräumen. Nun sollte in der Koalition mit Podemos ein zweites Gesetz weitergehende Schritte gegen den alten Faschismus möglich machen, aber auch gegen die weitere Zuschaustellung von franquistischen Symbolen und den neuen Faschismus. Der seinen Ausdruck findet in der Franco-Stiftung und der neuen Vox-Partei, die keinerlei Anstrengung unternimmt, ihre faschisto-phile Haltung zu verstecken.

juli75x21Das neue Gesetz soll eine Erweiterung des bisherigen Gesetzes sein und dessen Mängel beheben. Antifaschistische Vereinigungen und Parteien wie EH Bildu, ERC, CUP, En Comú Podem und Más País sind jedoch der Meinung, dass es wieder zu kurz greift. Die postfranquistische und neofaschistische Rechte lehnt das Gesetz rundherum ab. Eingearbeitet wurden Vorschläge eines sogenannten “Allgemeinen Justiz-Rats“, die an den Kriterien gefeilt haben, die erfüllt sein müssen, um die Auflösung von Körperschaften erlauben, die den Franquismus oder den Diktator verherrlichen. Allen voran die bisher gemeinnützige Francisco-Franco-Stiftung. Auch sollen öffentliche Veranstaltungen zur Verherrlichung des Franquismus verboten werden (können). Die "Verunglimpfung" der Franquismus-Opfer zu verhindern ist ein weiteres Element, das Aufnahme finden soll. Schutz und Anerkennung der Opfer des Krieges von 1936 und der Diktatur sind die Grundlage des rechtlichen Rahmens, das die Exekutive nun dem Parlament vorlegt, um die zusätzliche Beiträge der vertretenen Parteien zu integrieren. Die rechtsextreme Vox-Partei hat bereits angekündigt, dass sie (ohne genaue Kenntnis des Inhalts und ohne die parlamentarische Behandlung abzuwarten) beabsichtigt, das Gesetz vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Die antifaschistischen Verbände sind hingegen der Meinung, dass das neue Gesetz deutlich hinter den Erwartungen und Notwendigkeiten zurückbleibt. Sie werden daher versuchen, über die Parlamentsparteien Einfluss zu nehmen, und Änderungsanträge im Kongress und Senat zu erreichen.

BANDBREITE DER MASSNAHMEN

Das Gesetz sieht eine breite Palette von Maßnahmen und Interventionen vor. Sie reichen von der Annullierung der Urteile des Franquismus bis zur Schaffung einer DNA-Bank zur Erleichterung der Identifizierung der Verschwundenen der Diktatur. Die Exhumierung der sterblichen Überreste der Franquismus-Opfer soll verstärkt werden, das “Tal der Gefallenen“ (Valle de los Caidos, Francos Mausoleum, aus dem dieser bereits entfernt wurde) soll in einen zivilen Friedhof umgewandelt werden, der den Opfern beider Seiten des Konflikts gewidmet sein soll. Am Obersten Spanischen Gerichtshof soll eine Staatsanwaltschaft eingerichtet werden, um die Rechte der Opfer zu schützen und die Untersuchung der Verbrechen Francos voranzutreiben. Ziel ist auch, die Entfernung franquistischer Symbole an öffentlichen Orten zu vollenden, dafür sollen Sanktionen für Nichtbefolgung eingeführt werden (die im vorigen Gesetz fehlten). Gleichzeitig sollen bestimmte Orte der "demokratischen Erinnerung" gewidmet werden, was in Euskadi und Navarra schon längst geschieht. Vorgesehen ist schließlich die Rücknahme von Ehrungen, Orden und Auszeichnungen, die den Bürgerkrieg oder die Diktatur verherrlichen, einschließlich vergebener Adelstitel.

"UNZUREICHENDES PROJEKT"

Sprecher von ERC und CUP (katalanische Sozialdemokraten und Linke) im Kongress erklärten, dass ihnen dieses Projekt "sehr unzureichend" erscheint und dass sie es nicht unterstützen werden, wenn es in der parlamentarischen Bearbeitung keine wesentlichen Änderungen gibt, da nicht einmal das Franco-Regime generell für illegal erklärt wird (es kam immerhin über einen Militärputsch zustande). ERC-Sprecher Gabriel Rufián ist der Meinung, dass Gerechtigkeit es nicht nur Strafe, sondern auch Wiederherstellung geben muss. Doch fehle im Gesetzesprojekt die Rückgabe des Besitzes, der den unterdrückten Familien vom Franco-Regime und seinen Vasallen geraubt wurde. Außerdem fehle etwas so Einfaches wie die Feststellung, das Regimes sei illegal.

Der Sprecher der CUP, Albert Botran, forderte die Rückgabe des Vermögens, das Vereinigungen, Gewerkschaften und politischen Parteien in der Folge des Staatsstreichs vor 85 Jahren gewaltsam genommen wurde. Die baskische EH Bildu argumentiert, dass das Gesetz sollte "ehrgeiziger" sein und das hinzufügen, was Hunderte von Memoria-Gruppen und Amnesty International seit Jahren fordern. "Es ist an der Zeit, der Straflosigkeit Francos ein Ende zu setzen und den Weg für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für alle Opfer freizumachen", betont die Koalition. Die Sprecherin von En Comú Podem, Aina Vidal, bemängelte das Fehlen einer wirtschaftlichen Entschädigung für die Opfer.

RÜCKBLICKE: * (1977) In Spanien kommt es im zweiten Jahr nach Francos Tod in acht Provinzen zu Gefängnisunruhen. * (1978) ETA tötet in Madrid den General Juan Sánchez Ramos-Izquierdo und seinen Adjutanten. * (1986) ETA greift das Hauptquartier des Verteidigungs-Ministeriums in Madrid mit Panzerabwehr-Granaten an. Die Fassade wird beschädigt, zehn Personen verletzt. * (1992) Der aus Gipuzkoa stammende ehemalige spanische und europäische Box-Meister José Manuel Ibar “Urtain“ begeht Selbstmord, er stürzt sich in Madrid nach einer Depression aus dem 10. Stock. * (1996) Der baskische Radrennfahrer Miguel Indurain gewinnt seine fünfte und letzte Tour de France in Folge.

(2021-07-20)

KOLLEGE, DU HAST VERSCHISSEN!

Pepe Mujica, Ex-Tupamaro, Landwirt und ehemaliger Präsident Uruguays, ist hierzulande einer der beliebtesten Politiker Lateinamerikas. Im Baskenland bei Rechten wie bei Linken. Nicht zuletzt deshalb, weil seine Urahnen aus einem Bauernhof in Gipuzkoa stammen. Im Baskenland ist man auf (fast) alles stolz, was baskische Wurzeln hat. Mujica war einer jener Tupamaros, die 13 Jahre lang “Im Efeu an der Mauer“ eingeschlossen waren, gefangen und vollkommen isoliert. Solche Geschichten wecken in Euskal Herria Empathie.

juli75x20In dieses Beliebtheits-Panorama hat sich nun jedoch ein Misston eingeschlichen. José Mari Esparza, der in Rente gegangene Direktor des linken Txalaparta-Verlags formulierte es direkt und drastisch: “Du hast verschissen, Kollege Mujica“. In seiner Anklageschrift verweist er auf eigene familiäre Wurzeln in Uruguay und gesteht seine Bewunderung für “das fortschrittlichste Land Südamerikas, seine Kultur, seine Schriftsteller, seine baskische Prägung, seine Solidarität mit all unseren Exilanten, für die Tupamaros und ihren epischen Versuch, ein Heimatland für alle zu schaffen“. - “Pepe Mujica weiß aus Erfahrung sehr gut, was Isolation und Folter sind. Und er weiß wie wenige andere, dass die Polizei ein Instrument der Richter ist. Und dass es nicht notwendig ist, mit einer Tüte, Elektroden oder der Badewanne hantiert zu haben, um ein Folterer zu sein. Oder ein Chef-Folterer.“

DAS VERFLUCHTE VORWORT

Dass Esparza das Buch “La Encrucijada“ (Die Kreuzung) des ehemaligen Audiencia-Nacional-Richters Baltasar Garzón gelesen hat, hat ihm offenbar den Magen verdorben. Garzón ist es gewohnt, sich als Retter der Menschheit aufzuspielen und als oberster Vertreter der Menschenrechte. In seiner Zeit als Richter hat er jahrelang bei offensichtlicher Folter weggeschaut – was für ein Menschenrechtler also! Damit nicht genug: den Prolog zum Buch schrieb kein Geringerer als Pepe Mujica. “Das hat mir die Seele gebrochen. Du hast es verschissen, Kollege. Ich hoffe, du hattest einen schlechten Tag, oder hast einen schlechten Tipp bekommen, oder dass irgendein Idiot das Vorwort für dich geschrieben hat, während du gerade im Garten warst. Wenn nicht, wenn es bewusst war, dann ist die Sünde weit größer als ein einfacher Pfusch.“

In seinem Vorwort schreibt Mujica, dass "es immer Sapiens gegeben hat, die zumindest versucht haben, die Würde der Spezies zu retten. Baltasar Garzón ist einer von ihnen". Das deckt sich rein gar nicht mit dem, was Ezparzas Freundin Eider Olaziregi zu erzählen hat: "Ich wurde sexuell missbraucht und ich schätze, dass ich während der Foltersitzungen viermal bewusstlos wurde. Das erzählte ich Garzón, der mit absoluter Gleichgültigkeit zuhörte. Dann wurde ich entlassen.“ - “Als sie mir die Foltertüte abnahmen", erzählt Domingo Aizpurua, "brachten sie mir am ganzen Körper Elektroden an: auf meinen Zehenspitzen, auf meinen Lippen, auf meinen Brustwarzen, auf meinen Händen, auf meinen Hoden, auf meinem Penis ... Ich habe Garzón alles erzählt, was sie mir angetan haben".

“Sie haben haben die Elektroden auf meinem ganzen Körper angebracht", erinnert sich auch Josu Unsión aus Navarra. Es war ein kurzer Schock, ein kurzer Stopp, dann das Gleiche nochmal ... Ich hatte Spuren an den Schläfen ... Garzón schickte mich ins Gefängnis, wo mich eine Menschenrechts-Kommission des Europäischen Parlaments besuchte. Trotz der vergangen Zeit konnten die Ärzte an meinen Schläfen Spuren der Elektroden feststellen". – “Am nächsten Tag war es ähnlich", erzählt Encarnación Martínez, "da wurde mir mehrmals der Sack übergestülpt, Elektroden angelegt, Vergewaltigungen simuliert. Vor Garzón habe ich ausführlich von diesen Grausamkeiten erzählt. Mehr noch, als ich ihm den Fleck auf meinem Rücken zeigen wollte, hatte der Richter den Mut, mir zu sagen, das sei nichts Wesentliches. Und so war es auch: Ich musste in die Notaufnahme des Krankenhauses eingeliefert werden, wo ich fünf Tage lang in kritischem Zustand blieb, sie spritzten mir 27 Liter Serum".

“Mit solchen Beschreibungen könnten wir fortfahren, bis zum Abwinken, bis zu den 5.000 Folter-Anzeigen, die die baskische Regierung bisher anerkannt hat, fast 10.000 erwarten wir tatsächlich“, fährt Esparza fort. “Mit 24 Jahren in einem Sondergericht, das sich der Verfolgung politischer Dissidenten verschrieben hat, ist Garzón zweifellos der europäische Richter, der die meisten Foltervorwürfe gehört hat, ohne jemals etwas anderes zu tun, als sie zu leugnen und zu vertuschen. Beschwerden, die auf den Websites von NGOs, Zeitungen und Anti-Folter-Organisationen zugänglich sind; Gerichtsakten; Bücher, Berichte von Amnesty International, vom Straßburger Gerichtshof ...“.

“Garzón wusste, dass Folter ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, das nicht verjährt, und entschied sich, seine früheren Verbrechen hinter sich zu lassen, mit dem typischen Zynismus eines kranken Geistes, und verwandelte sich zum Kämpfer der internationalen Menschenrechte.“ Heute ist er Präsident der “Internationalen Baltasar Garzón Stiftung für Menschenrechte und universelle Justiz“; sowie Präsident und Exekutiv-Direktor des internationalen Menschenrechtszentrums der Unesco und Ehrendoktor an 29 Universitäten. “Ein Fuchs, der Hühner bewacht.“

Dieser Heuchler Garzón hat gesehen, wie Hunderte von Gefangenen jahrzehntelang in Einzelhaft und totaler Isolation gehalten wurden. Nun schreibt er (richtigerweise), dass Julian Assange "in einem Gefängnis mit sehr restriktiven Bedingungen praktisch seit Jahren isoliert" sei und zögert nicht, diese Situation als "Folter" zu bezeichnen. Der Richter, der Frauen teilnahmslos zuhörte, wenn sie "unter seinem Schutz" sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung beklagten, sagt nun, er denke "an die Frauen, die Aggressionen, verbale und physische, von feigen Männern erleiden". Man muss es erlebt haben, um es zu glauben.

“Das Paradoxe ist: wenn die von ihm selbst vorgeschlagene Universelle Jurisdiktion für Folterverbrechen in Kraft treten sollte, müsste er einer der Ersten sein, der auf der Anklagebank sitzt, weil er selbst in der Hölle Vorhänge aufhängen ließ. Ich hoffe, dass Pepe Mújica dann nicht noch einmal zu seiner Verteidigung auflaufen wird.“ Doch vielleich war es gar kein Ausrutscher von Pepe, zu gleicher Zeit lobte er den chilenischen Rechts-Präsidenten für seine Politik. Vielleicht muss sich Esparza einfach damit abfinden, dass der Uruguayer an rechtsdrehender Altersdemenz leidet. (Quelle)

RÜCKBLICKE: * (1818) Geburt von Casilda de Iturrizar, später verheiratet mit einem Banker und karitative Wohltäterin. * (1999) Das spanische Verfassungsgericht hebt alle vorherigen Urteile gegen die 23 Personen des Parteivorstands von Herri Batasuna auf. Sie hatten 20 Monate im Gefängnis verbracht und waren   verurteilt worden, weil HB im Wahlkampf ein ETA-Video gezeigt hatte. * (2001) Beim G8-Gipfel in Genua wird während einer Demonstration der junge Carlo Giuliani von der Polizei erschossen.

(2021-07-19)

"AM 18. JULI 1936 GEBOREN"

Virginia Carracedo wurde am Tag des Militärputschs geboren, der den sogenannten Spanischen Bürgerkrieg und die franquistische Diktatur entfesselte, mit unzähligen Ermordeten und 140.000 verschwundenen Personen. NEIN. Die abgedroschene Phrase einiger nostalgischer Unverbesserlicher ist falsch: "Unter Franco war das Leben besser", sagen sie. Aber eines muss klar sein: Unter Franco war das Leben nicht besser. Auf jeden Fall starben unter Franco mehr Menschen. Unter Franco wurden mehr Menschen ermordet, aber außer den Franquisten selbst und ihren Familien lebte niemand besser.

Dieser spanische General, der vier Jahrzehnte lang ein blutrünstiger Diktator bleiben sollte, war eine der treibenden Kräfte hinter dem Militärputsch vom 18. Juli 1936. Sie erhoben sich mit den Waffen gegen die an der Wahlurne gewählte Zweite Republik. Wer die Demokratie verteidigen wollte, stellte sich ihnen entgegen. Was die Faschisten einen "Aufstand" nannten, wurde in einen Krieg verwandelt. Der war im Übrigen nicht besonders zivil, sondern militärisch. Laut der Plattform der “Opfer von erzwungenem Verschwinden“ durch Kräfte des Franquismus verschwanden unter dieses totalitären Regimes 140.000 Menschen, Opfer des Krieges und der nachfolgenden Diktatur. Der spanische Staat liegt auf dem unrühmlichen zweiten Platz weltweit was Verschwundene und Massengräbern eines historischen Ereignisses anbelangt. Übertroffen nur von Kambodscha.

juli75x19IMMER IM GEPÄCK

Virginia Carracedo, die seit mehr als einem halben Jahrhundert in Abadiño lebt, wurde an jenem verhassten 18. Juli 1936 geboren. Dieses Datum ist jeden Tag ihres Lebens mit ihr gereist, dokumentiert in ihrem Ausweis und in ihrer DNA. Heute sind feiert diese fröhliche Nachbarin von Traña-Matiena (gemeinsam mit dem traurigen Ereignis) ihren 85. Geburtstag. Die Tochter des antifaschistischen Milizionärs Marcos Carracedo, ergreift das Wort: "Mein ganzes Leben lang habe ich meinen Leuten gesagt, dass ich mit dem Krieg geboren wurde und ich habe die Vorahnung, dass an dem Tag, an dem ich sterbe, ein weiterer Krieg oder etwas Ähnliches passieren wird. Das habe ich immer geglaubt und tue es immer noch", erklärt die aus León stammende Demokratin. Das macht sie in einer Botschaft an die heutige Jugend deutlich, die allmählich Francos Rolle vergisst und all die tragischen Ereignisse, die er mit sich brachte und immer noch bringt: "Vertragt euch, so gut es geht. Möge es keine Kriege mehr geben. Möge sich das, was wir erlebt haben, nicht wiederholen, denn der Krieg ist das Letzte vom Letzten. Es möge Frieden sein".

IN LEON GEBOREN

Virginia Carrecedo wurde an einem der bedeutsamsten Tage des 20. Jahrhunderts in Castrocontrigo geboren, einer Gemeinde im Bezirk in La Bañeza mit heute weniger als tausend Einwohner*innen. "Ich sage auch scherzhaft, dass ich am Tag der Zusatz-Zahlung geboren wurde, das war früher der 18. Juli", fügt sie schmunzelnd hinzu. Sie ist die Tochter von Emilia und Marcos und die älteste von sieben Geschwistern. "Ich wurde am 18. Juli fast um Mitternacht geboren, noch am Tag des Staatsstreichs. Meine Eltern sagten, meine Geburt war ganz normal. Eine Hebamme kam ins Haus. Im Dorf muss es nicht viel Aufregung gegeben haben, aber sie erinnerten sich an vorbeifahrende Lastwagen mit Soldaten. Viele waren auf dem Weg nach Zamora und andere nach La Cabrera", erinnert sie sich.

FAMILIE IM KRIEG

Der Vater war Maurer, die Familie wohnte im Haus neben der Kirche. Virginias Großvater hatte "eine Menge Geld", auch ihre Großmutter stammte aus einer wohlhabenden Familie. "Sie bauten ihren sieben Kindern ebenso viele Häuser, alle in einer Reihe in der Straße, die El Caño heißt." Der Krieg begann und der Vater ging als Milizionär auf der republikanischen Seite an die Front. Marcos Carracedo war ein ruhiger Mann. "Er sprach nicht gerne über den Krieg, obwohl er mit einem Loch im Unterarm und einem zerschossenen Bein zurückkam", erklärt Virginia. Virginias Schwester Idoia stimmt dem zu: "Du konntest deine Hand in das Loch in seinem Unterarm stecken". Die Familie weiß nicht, in welcher Abteilung ihr Vater an der Front war. "Wir glauben, dass alle Brüder Sozialisten waren, bis auf einen, der war Falangist. Jahre später hatten mein Vater und der Falangist keine Reibereien. Mein Großvater hat sich immer darüber aufgeregt", fügt Idoia hinzu.

Eine der ersten Erinnerungen an ihren Vater, vielleicht die emotionalste, stammt aus dem Alter von drei Jahren. "Ja, ja. Ich war drei, der Krieg war vorbei, und sie nahmen mich zum Besuch mit. Ich war in einen kleinen weißen Pelzmantel gekleidet." Das Krankenhaus hieß San Marcos, "wie mein Vater". Ich ging in sein Zimmer und erschrak, als ich ihn bandagiert und in Gips sah. Erst nach einer Weile fasste ich Vertrauen und ging zu ihm, küsste ihn, und berührte immer wieder seine Gipsverbände und Bandagen.

LEBENSRETTER

In jenen Tagen hat die Familie einer Person das Leben gerettet. "Die Franquisten kamen eines Tages, um den Neffen des Pfarrers abzuholen, der neben uns wohnte. Wir versteckten den jungen Mann auf dem Dachboden. Sie wollten ihn erschießen. Obwohl der Krieg vorbei war, erschossen sie immer noch Leute. Ich erinnere mich an Namen und Nachnamen, die ich lieber nicht nennen möchte. Wir gingen auf den Platz, um darüber zu reden. Das war sehr hart! Wie haben wir geweint, als sie mit ihren Lastwagen kamen, mit ausgestreckten Armen zum Führergruß, weil wir wussten, dass sie den Tod brachten! Wir hatten große Angst!", sagt sie betrübt und erinnert sich, dass die Franquisten im Dorf kampierten und auf dem Feuer "die Katzen brieten, die sie uns wegnahmen. Ich habe später auch Katzenfleisch gekostet und es ist geschmacklich dem Hasen ähnlicher als dem Kaninchen". Im Alter von 17 Jahren folgte Virginia dem Weg des Vaters und zog in die Stadt Eibar, wo sie bei der Herstellung von Federn in einer Fabrik arbeitete, die heute nicht mehr existiert. Sie lernte Feliciano Luis Ayllón kennen, der aus dem kantabrischen Dorf Cabárceno stammte, sie heirateten 1958 in San Andrés. (DEIA)

RÜCKBLICK: * (1512) Das Königreich Kastilien beginnt einen Feldzug zur Eroberung des Königreichs Navarra. Der Angriff erfolgt über Gipuzkoa nach Lekunberri. * (1522) Die letzten Verteidiger des Königreichs Navarra werden nach der Belagerung der Burg Amaiur besiegt. * (1936) Putsch-General Francisco Franco trifft in Tetouan ein und übernimmt das Kommando über die revoltierende spanische Armee in Marokko. In Madrid wird die 19. republikanische Regierung gebildet, an deren Spitze José Giral steht, der beschließt, das Volk zu bewaffnen. In Barcelona scheitert der Putsch. Die Gewerkschaften erheben sich gegen den Militärputsch. * (1974) Diktator Franco wird ins Krankenhaus eingeliefert, die politische Macht wird provisorisch an den designierten Thronfolger Juan Carlos delegiert.

(2021-07-18)

EHRUNG FÜR LUCIO URTUBIA

Achtzehnter Juli. Jahrestage. Historische Erinnerung entweder an den Militärputsch der faschistischen Generäle gegen die spanische Republik 1936. Oder persönliche Erinnerung an den navarrischen Anarchisten Lucio Urtubia, der die City-Bank Kopf stehen ließ und vor genau einem Jahr im Alter von 89 Jahren in Paris starb. Die Wahl fiel nicht schwer.

juli75x18In Cascante (Süd-Navarra), der Heimatstadt des 2020 verstorbenen Lucio fand gestern eine Ehrung statt. Eine eher intime Veranstaltung, bei der der menschlichen Aspekt des Kämpfers hervorgehoben wurde, dessen Überzeugung es war, dass "nichts unmöglich und alles machbar ist". Familie und Freund*innen würdigten ihn in der Stadt, in der er am 18. Februar 1931 geboren wurde. Zeugnisse von nahe stehenden Personen, sowohl aus Cascante wie aus Paris, haben dazu gedient, ein Bild von Lucio Urtubias aufregendem Werdegang zu zeichnen. Der Anarchist führte ein Leben wie aus einem Film. Seine Abenteuer wurden in Dokumentationen, Büchern, einem Theaterstück, einem Comic und zahlreichen Presseberichten festgehalten.

Einige der Autoren und Redakteure dieser Werke waren bei der Ehrung anwesend. Jose Mari Esparza vom Verlag Txalaparta, bei dem Urtubia seine beiden Bücher veröffentlichte. Mikel Santos Belatz, der sein intimstes und alltäglichstes Leben in dem Comic "El tesoro de Lucio" (Lucios Schatz) gezeichnet hat, schickte eine Audiobotschaft. Filmemacher Jose Mari Goenaga, Regisseur des Dokumentarfilms “Lucio“ zusammen mit Aitor Arregi, nahm ebenfalls teil.

VIELE FREUNDE, KEIN ZUFALL

Von Beruf Maurer, lautete eines seiner Mottos: "Man muss kämpfen, denn die Dinge fallen nicht vom Himmel". Anwesend viele Freundinnen und Freunde. Die interdisziplinäre Künstlerin Esther Ferrer, spanischer Nationalpreis für plastische Kunst, die zum Anlass ein Audio vorbereitet hat; Chula Potra, Rapperin aus Iruñea, die eingestand, in den Anarchisten verliebt zu sein und die den Akt mit Musik füllte; Eduardo Córdoba und Patxi Tuñón, die mit dem Anarchisten im Buchladen “Pariser Kommune“ von Louise Michel zusammenkamen. Rechtsanwalt Pepe Uruñuela als Moderator.

Zwei ehemalige Mitglieder des Unterstützungs-Komitees für Gefangene, denen Lucio geholfen hat, nahmen ebenfalls teil, ebenso wie Personen aus der anarchistischen und kulturellen Welt, wie die Musiker Marco und Nekane, die in Lucios Haus in Paris wohnten und ein paar Stücke darboten. Gemeinsam hörten alle das Lied der Pariser Kommune, gesungen von Urtubia, und sangen zum Abschluss das mythische Revolutionslied "A las barricadas" (Auf die Barrikaden).

DER "GUTE BANDIT"

Der Kämpfer aus Cascante packte sehr jung seine Koffer, um dem Francos Militärdienst zu entkommen. Er reiste 1954 nach Paris, das bis zu seinem Tod sein Basislager blieb. Seine bekannteste Aktion bestand in Fälschungen von Schecks der damaligen First National Bank (heute Citybank). Das Geld (damals 20 Millionen Euro) wurde “für die revolutionäre Sache“ eingesetzt und brachte ihm die Spitznamen "Guter Bandit" und "Baskenfuchs" ein. Er heiratete, hatte zwei Töchter, sein Haus am Ufer der Seine wurde zu einem Treffpunkt und Freiraum für Kulturschaffende. "Mein Reichtum ist, dass die Leute in mein Haus kommen", pflegte er zu sagen. Im Laufe seines Lebens begegnete er Persönlichkeiten wie Che Guevara, Eldridge Cleaver (Führer der Black Panthers) und Albert Camus.

"Die Lösung kommt nicht von den Regierungen, sie wird von uns selbst kommen, indem wir verantwortlich sind, ohne an Kirchen, Parteien oder Regierungen zu glauben", sagte er 2010 in einem Interview. Darin verteidigte er, dass "wir Dinge ansprechen müssen, die unmöglich erscheinen, wenn wir Fortschritte machen wollen". – “Was ich in meinem Leben unternommen habe, habe ich aus Naivität getan. Selbst heute, so alt ich auch bin, gehe ich davon aus, dass die Gesellschaft verändert werden kann, aber man muss kämpfen", sagte er in jenem Gespräch mit 79 Jahren.

"Von Kind an war ich widerspenstig und sie haben mich immer mit Geldstrafen von fünf Peseten belegt. Meine Mutter konnte sie nicht bezahlen und so wurde ich bestraft, indem ich zum Bäume pflanzen geschickt oder ins Gefängnis nach Tudela gebracht wurde", erzählte er. "Das war mein Glück: ich musste mich nicht anstrengen, um den Respekt zu verlieren vor allem, was etabliert war. Deshalb haben wir armen Menschen einen Reichtum, wenn wir ihn denn zu nutzen wissen. Wir haben das Recht, den Respekt vor dieser idiotischen Gesellschaft zu verlieren. Ich bin nicht gegen Reichtum oder Intelligenz, ich bin gegen dessen Missbrauch".

So schrieb Urtubia im Nachwort, das den Comic von Belatz abschließt: "Nichts ist unmöglich, alles ist machbar (...) Man kann Gutes tun, indem man Dokumente anfertigt und sie denen gibt, die keine haben, damit sie leben und damit arbeiten können. Ihr könnt sogar Geld damit verdienen, so wie wir es getan haben – wenn die andern Geld verdienen, warum nicht wir? Das ist kein Verbrechen, es ist ein Vergnügen.“ (MEHR)

RÜCKBLICK: * (1936) Aufstand faschistischer Truppen um die Generäle Franco, Sanjurjo und Mola gegen die legitime spanische Republik. Internationale Unterstützung führt zu einem drei Jahre dauernden Krieg. * (1918) Nelson Mandela wird geboren. * (1925) In Berlin wird der erste Band von Hitlers “Mein Kampf“ publiziert. * (2002) Guardia Civil und französische Polizei nehmen die Führung der bewaffneten Organisation GRAPO fest (14 Personen). * (2017) Der Präsident des spanischen Fußball-Verbands, Angel Villar, ehemaliger Spieler von Athletic Bilbao, wird wegen Korruption verhaftet. * (2020) In Paris stirbt der aus Navarra stammende Anarchist Lucio Urtubia, der mit der Fälschung von Traveller-Schecks die City Bank um Millionen betrog und dieses Geld an soziale Bewegungen weitergab.

(2021-07-17)

WEITERE 6.000 KINDER IN ARMUT

Fast 6.000 Kinder mehr als im letzten Jahr befinden sich in der Autonomen Region Baskenland (Euskadi) in einer Situation von extremer Armut. Laut der NGO SAVE THE CHILDREN ist die extreme Kinderarmut in Alava, Bizkaia und Gipuzkoa nach der Covid-Krise auf 13,2% gestiegen. Nach der Studie über die Lebensbedingungen befinden sich 41.515 Kinder und Jugendliche in einer Situation extremer Armut und sozialer Ausgrenzung, 5.783 mehr als im Vorjahr. SAVE THE CHILDREN weist darauf hin, besonders Besorgnis erregend sei der Anstieg bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Bei Erwachsenen sieht es anders aus: Bei 18- bis 64-Jährigen ist die Quote um einen Punkt gesunken, die Zahl derer, die in extremer Armut leben, liegt bei 9 %.

juli75x17Auch das Nationale Statistikinstitut (INE) hat eine Umfrage zu den Lebensbedingungen veröffentlicht. Darin wurden zum ersten Mal offizielle Daten zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Haushalte vorgelegt. SAVE THE CHILDREN hat sie ausgewertet. Mit dem Fazit, dass sich Kinderarmut verschlimmert und zunehmend auf niedrige Einkommensschichten konzentriert. Insgesamt sind in Euskadi 41.515 Kinder betroffen. Die Umfrage über Lebensbedingungen zeigt, dass sich die Kriseneffekte nicht in gleichem Maße auf die Geschlechter auswirken. Frauen sind stärker von Armut betroffen als Männer. Besonders deutlich wird der Unterschied beim Anteil in der extremen Armut. Im Jahr 2020 waren 20,3% der Frauen von dieser Situation betroffen und 6,6% der Männer.

VON GENERATION ZU GENERATION

Die Studie zeigt auch, dass Familien mit Kindern besonders von Armut betroffen sind. "10,2% der Haushalte mit Kindern sind von extremer Armut betroffen, während Haushalte ohne Kinder bei 6,5% liegen. Auffällig auch die Verletzlichkeit von Alleinerziehenden, sie wurden von der durch Covid-19 mit-verursachten wirtschaftlichen und sozialen Krise besonders getroffen.

"Die Daten zeigen, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Ungleichheit unter benachteiligten Familien auszugleichen. Kinderarmut hat direkten Einfluss auf Ausbildung und Potenzial unserer Gesellschaft, die Auswirkungen sind langfristig. In vier von fünf Fällen wird Armut von Generation zu Generation weitergegeben. Wir müssen den Kreislauf der Armutsübertragung durchbrechen", erklärt die Direktorin von SAVE THE CHILDREN im Baskenland.

FAMILIEN MIT MIGRATIONHINTERGRUND

Die Krise trifft Kinder je nach Herkunftsland ihrer Eltern sehr unterschiedlich, die höchsten Anteile mit extremer und relativer Armut finden sich in Familien ausländischer Herkunft mit Kindern. In den drei Euskadi-Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit fünfmal höher, dass Kinder und Jugendliche ausländischer Familien in extremer Armut leben. Mehr als 26.543 Kinder unter 18 Jahren leiden nach der Pandemie unter schweren materiellen Entbehrungen. Diese Marginalisierung ist bei Kindern und Jugendlichen stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren (7,2% bzw. 5,7%), was zeigt, dass die Krise die am meisten gefährdeten Kinder besonders hart trifft.

VORSCHLÄGE

Laut der NGO ist es unerlässlich, den Zugang zu allen Hilfs- und Sozialschutz-Maßnahmen zu erleichtern: Ausschluss-Fonds, Nothilfe-Zahlungen, ergänzende Zahlungen zur Beschäftigungsregelung, Vorauszahlung der Einkommensgarantie. "Wir müssen die Zugangshindernisse der von der digitalen Kluft am stärksten betroffenen Gruppen berücksichtigen und ihnen Hilfe beim Zugang zu den Hilfsleistungen zur Verfügung stellen". Die NGO sieht einen dringenden Bedarf für eine Reform der baskischen Sozialhilfe (Renta de Garantia de Ingresos, Einkommens-Garantie, RGI), um den Schutz von Familien mit Kindern zu verbessern, die Einkommen zu erhöhen, mit besonderem Augenmerk auf Alleinerziehende. Tausenden von Familien muss der Zugang erleichtert werden, die derzeit von Armut bedroht sind und die Leistung nicht erhalten.

RÜCKBLICKE: * (1961) Erste bekannte Sabotage-Aktion von ETA beim Versuch, einen Zug zum Entgleisen zu bringen, der franquistische Sympathisanten transportierte. * (2003) Die aus Gernika stammende baskische Radsportlerin Joane Somarriba gewinnt ihre dritte Tour de France, dazu gewann sie zweifach den Giro d´Italia und eine Zeitfahr-Weltmeisterschaft.

(2021-07-16)

FOLTER UND POLITISCHE JUSTIZ

Zehn Jahre nach dem Ende von ETA, Waffenabgabe und Auflösung inbegriffen, verhandelt das spanische Polit-Gericht Audiencia Nacional immer noch (oder schon wieder) gegen Personen, die zu ETA gehört haben sollen. In diesem Fall handelt es sich um Rechtsanwältinnen und Bürokräfte, die eine “Juristische Front“ innerhalb der Organisation gebildet haben sollen. Die Betroffenen wurden 2010 nicht nur verhaftet, sondern auch gefoltert, was die Behörden – wie in vielen anderen Fällen – in keinster Weise interessierte. Auch nicht den damaligen Richter Grande Marlaska, heute immerhin Innenminister.

juli75x16Folteraussagen prägten die zweite Sitzung des Prozesses im Sammel-Verfahren mit dem Aktenzeichen 13/13. Auf der Suche nach belastenden Aussagen war der Guardia Civil jedes Mittel recht. Die Angeklagten bestritten jegliche Verbindungen zu ETA und beschrieben, was mit ihnen gemacht wurde. Die Anwältin Arantza Zulueta wies kategorisch zurück, dass ihre Identität mit Decknamen übereinstimmt, wie die Guardia Civil ihr dies zur Aufrechterhaltung von Kontakten mit der ETA-Führung zuschreibt. Die Anwaltshelferin Naia Zuriarrain schilderte Folter und Misshandlungen während der 5-tägigen Kontaktsperre-Haft. Beide wurden unter Folter zu “gewünschten Aussagen“ gezwungen, die sie nach der Kontaktsperre wieder zurücknahmen.

"Ich habe nie mit ETA kommuniziert“, sagte die Gefangenen-Anwältin. “Ich habe niemanden für ETA rekrutiert. Ich habe mich nicht am Eintreiben von Revolutionssteuer beteiligt. Ich habe niemals Informationsziele an ETA weitergegeben, um Anschläge zu verüben", fügte Zulueta hinzu. Sie bestritt, der Organisation Informationen gegeben zu haben, um Angriffe auf das Gericht durchzuführen. "Das wird mir seit 2010 vorgeworfen, die Medien wiederholen es ständig. Es nicht wahr, es gibt keine Unterlagen, die das beweisen." - "Ich habe nie eine Waffe angefasst. Sie sollen einen einzigen Fingerabdruck aus dem Waffenversteck vorlegen, das sie angeblich gefunden haben."

ZURIARRAINS FOLTER-AUSSAGE

Die zweite Tagesaussage war von Naia Zuriarrain, die ebenfalls von Folter berichtete. Sie habe als Computer-Technikerin in der Anwaltskanzlei gearbeitet. Bereits auf der Fahrt nach Madrid wurde sie bedroht. "Sie sagten mir, dass es Konsequenzen haben würde, wenn ich dem Gerichtsmediziner etwas erzähle, und es gab Konsequenzen." Sie wurde nackt ausgezogen, Schaumstoff an ihren Arm geklebt, kaltes Wasser über ihren Kopf gegossen, Plastiktüten über ihren Kopf gestülpt, um ihr den Atem zu nehmen. "Ich dachte, ich würde ertrinken."

Sie musste auswendig lernen, was sie laut Polizei sagen sollte, dafür wurden Proben gemacht. "Meine Aussagen entsprechen nicht der Wahrheit", sagte sie und betonte, dass sie dem Ermittlungsrichter gesagt habe, was passiert sei. Dann prangerte sie die erlittene Folter an. Die Beschwerde wurde eingestellt. Auch Anwalt Jon Enparantza bestritt jegliche Verbindungen zu ETA. Seine belastenden Aussagen wurden unter Folter erzwungen. Er bestritt, sich mit ETA-Führer David Pla in Donostia getroffen zu haben, um Anweisungen zu erhalten, Pla sei zur fraglichen Zeit im Gefängnis gewesen.

Julen Zelarain gab an, dass er zum Zeitpunkt der Operation 13/13 im Gefängnis von Huelva inhaftiert war. Seine Zelle im andalusischen Gefängnis wurde nicht durchsucht, er wurde diesbezüglich auch nicht verhört. Tatsächlich wurde ihm die Anklageschrift erst Jahre später zugestellt, als er noch im Gefängnis war. Er wundert sich über seine Verwicklung in dieses Verfahren, da er zum Zeitpunkt der Ereignisse in Isolationshaft saß, insgesamt sechs Jahre lang. Er kalkuliert, dass seine Zelle in dieser Zeit bis zu zweitausend Mal durchsucht wurde, da dies eine tägliche Praxis war. Bei keiner dieser Gelegenheiten wurden bei ihm Dokumente mit Bezug zu ETA beschlagnahmt.

Saioa Agirre: "Sie sagten mir, dass ich nach der Folter nicht mehr Mutter werden könnte". Sie wurde sexistisch belästigt, während ihr Fragen gestellt wurden. "Meine Aussage wurde von der Guardia Civil verfasst. Sie haben es geschrieben. Ich weiß nicht mehr, was da stand. Das sind Lügen", sagte sie und wies darauf hin, dass sie den Untersuchungs-Richter Fernando Grande-Marlaska (heute Innenminister) über diese Ereignisse informiert habe. Sie erhielt Drohungen, um ihre Falsch-Aussage vor dem Richter zu bestätigen.

RÜCKBLICKE: * (1982) In Getxo, Bizkaia wird der Alianza-Popular-Politiker Alberto Lopez von ETA erschossen. * (1985) Der politische Flüchtling Fernando Egileor stellt fest, dass an seinem Auto eine 2-Kilo-Bombe befestigt ist. Die ultrarechten GAL-Todesschwadronen bekennen sich zu dem fehlgeschlagenen Attentat. * (1986) In Renteria verursacht eine Bombe gegen ein Kulturlokal großen Schaden.

(2021-07-15)

LEGALISIERUNG NACH HUMANITÄREN TATEN

Für die Hunderttausende von Migrant*innen, die auf der Suche nach einem etwas besseren Leben nach und durch Europa irren, ist es immer schwieriger geworden, Papiere zu erhalten und “legalisiert“ zu werden. Denn die “Festung Europa“ legt die Hürden immer höher und weist aus, wenn es nur irgendwie geht. “Heiße Abschiebungen“ werden solche genannt, die Menschen betreffen, die gerade eben den Fuß auf den “verbotenen Boden“ gestellt haben und ohne jegliche Dokumentation wieder deportiert werden können.

juli75x15Ins kalte Wasser sprang kürzlich ein Senegalese. Nicht im tödlichen Mittelmeer, sondern im bizkainischen Bilbao. Freiwillig und doch nicht. Denn auf der Brücke neben dem Altstadt-Markt war ein alter Mann schwach geworden und ohnmächtig über das Geländer in den Fluss gestürzt. Der afrikanische Schwimmer sprang prompt hinterher, rettete den Alten und wird nun in der Presse als Held gefeiert.

Zwei andere Senegalesen waren ebenfalls in humanitärer Mission unterwegs. Als in Galicien nachts ein Schwuler angegriffen wurde, gingen sie dazwischen und halfen den Begleiterinnen des Opfers. Der Fall ging dennoch tragisch aus, denn die Aggressoren schlugen das Opfer tot, im wahrsten Sinne des Wortes. Auch hier wurden die Zufallshelfer, die nicht wegschauten, zu den traurigen Helden der Geschichte.

Was haben beide Momente gemeinsam? Außer, dass es Männer aus dem Senegal waren? Des Volkes Stimme, hier wie dort, forderte von den Behörden, dass den Helden Papiere ausgestellt werden und ihr Aufenthalt in spanischen Landen legalisiert werde. Des Volkes Stimme bekam das Gewünschte und die drei Migranten ihre Papiere. Das ist gut und schlecht. Denn nicht immer fällt vor dir gerade ein Alter über das Geländer, nicht jeden Tag läuft dir ein homophobes Tötungskommando über den Weg, dem du dich entgegen stellen kannst. Was ist mit all jenen, denen dieses fragwürdige “Glück“ nicht widerfährt? Haben sie weniger Recht, legal im gewünschten Land zu leben, zu arbeiten und eine Familie zu gründen? “Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, sagte Theodor Adorno einst. Aber wer weiß schon heute noch, wer das war. Wir gönnen den Senegalesen von Herzen ihre Papiere, weisen das Prozedere jedoch entschieden zurück.

RÜCKBLICKE: * (1979) Vor einem linken Lokal in Madrid wird eine Frau mit einer Autobombe getötet, fünf Jahre später werden zwei Mitglieder der ultrarechten Fuerza Nueva für das Attentat verurteilt. * (1997) Rechte Angriffe auf linke Kneipen: in Barakaldo brennt es, in Berriozar explodiert ein Sprengkörper, in Astrabudua fliegen Steine; bei der Fiesta in Bilbo-Santutxu werden Personen angegriffen, in Deustu das Fahrzeug einer Barkeeperin verbrannt, in Zornotza fliegt ein Molotow-Cocktail in die Wohnung von Angehörigen eines politischen Flüchtlings. * (1998) Ein Richter des spanischen Sondergerichts Audiencia Nacional verordnet die Schließung der links-baskischen Tageszeitung EGIN (Machen) wegen angeblicher Zusammenarbeit mit ETA. Die Leitung wird verhaftet und später zu Haft verurteilt.

(2021-07-14)

TOD EINES LIEFERANTEN

Vor genau 40 Jahren starb der aus Galicien stammende Lieferant Ovidio Ferreira in der Altstadt Bilbo an den Folgen von vier Tage zuvor erlittenen Schussverletzungen. Ein ETA-Kommando hatte in Basauri gegen einen Guardia Civil im Ruhestand ein Attentat durchgeführt. Mit geraubten Fahrzeugen flüchteten die vier Attentäter durch die Altstadt Bilbao. Von Zivilpolizisten beobachtet nahm die Nationalpolizei die Verfolgung auf. In der Barrenkale Barrena Straße fielen Schüsse, die den Lieferanten Ovidio Ferreira im Kopf trafen.

juli75x14In den Protokollen der Polizei ist von “Schusswechsel“ die Rede, bei denen Ovidio ins Kreuzfeuer geriet, die Flüchtenden hätten den Lieferanten als Schutzschild benutzt. Augenzeug*innen hingegen erzählen, die Flüchtenden hätten zu keiner Zeit geschossen. Ovidio starb somit durch Kugeln der spanischen Polizei. Dennoch wurde er aufgenommen in die Liste der Opfer von ETA. Doch im Gegensatz zu der großen Mehrheit der ETA-Opfer erfährt Ferreira keine jährliche Ehrung durch die (rechten) Opferverbände (AVT, COVITE), keine Stadtverwaltung gibt Geld für Blumen aus. Vielmehr sind es Aktivist*innen der baskischen Linken, die an sein Schicksal als Polizeiopfer erinnern. In den vergangenen Jahren übernahm diese Arbeit die Etxebarrieta Memoria Taldea, benannt nach dem ersten toten Aktivisten der 1959 entstandenen Untergrund-Organisation.

Das Beispiel des Galiciers Ovidio Ferreira stellt einmal mehr die Liste der ETA-Opfer in Frage. Der fehlende Respekt nach seinem Tod durch Polizeischüsse macht deutlich, dass es letztlich nicht um Konflikt-Opfer und ihre Würdigung geht, sondern um deren Funktionalisierung für politische Zwecke. Längst ist die Familie entweder nach Galicien zurück gegangen oder die Eltern leben nicht mehr. Außer einer von der baskischen Linken angebrachten Gedenktafel in der Todesstraße verbindet nichts mit Ovidio. Die an ihn erinnern tun dies uneigennützig, ohne zu wissen, wie Ovidio selbst sich politisch definierte.

RÜCKBLICKE: * (1789) Mit dem Sturm auf die Bastille beginnt die Französische Revolution. Wenige Jahre später führt Napoleon einen Besetzungskrieg gegen die baskischen Provinzen. * (1977) Etwa 200.000 Menschen demonstrieren in Bilbao gegen den Weiterbau des AKW Lemoiz (Lemoniz) an der bizkainischen Küste. * (1982) Der PNV-Sympathisant Joseba Elosua wird in Irun von einem Polizisten und einem ultrarechten Gruppe angeschossen. * (1986) Eine Bombe in Madrid gegen einen Bus mit Zivilgardisten fordert 12 Tote und mehr als 70 Verletzte. * (1997) Als Vergeltung für den Tod von Miguel Angel Blanco werden linke Kneipen in Miranda, Berriozar, Ermua, Erandio und Txantrea angegriffen, die Büros von Herri Batasuna in Pamplona und Donostia erleiden Schäden. * (2001) Innerhalb weniger Stunden tötet ETA in Leitza und Leaburu einen rechten Stadtrat und einen Polizisten.

(2021-07-13)

DIE FREUNDIN IN PALÄSTINA

Sie ist das freundliche Gesicht Palästinas im Baskenland, auf ihren Besuchen in Euskal Herria in den vergangenen 20 Jahren schloss sie eine große Zahl von Freundschaften, immer bereit, von der Situation in Palästina und ihrer Arbeit als Gesundheits-Helferin zu berichten. Juana Ruiz stammt aus Madrid und zog aus Liebe nach Palästina, nachdem sie während des Studiums in Spanien ihren Mann Elias kennengelernt hatte. Die heute als Juani Rishmawi bekannte Frau ist Projekt-Koordinatorin für die NGO Health Work Committees (HWC) und lebt seit 30 Jahren in Bethlehem.

juli75x13Seit Elias und Juani beschlossen, gemeinsam in Palästina zu leben sind mehr als dreißig Jahre vergangen, das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Health Work Committees leistet eine enorm wichtige Funktion für die palästinensische Bevölkerung, sie betreut zwei Krankenhäuser, ein Dutzend Kliniken und mehrere über die palästinensischen Gebiete verteilte Primär-Versorgungs-Zentren, mit Krebs-Vorsorge-Untersuchungen. Ein lokales Gesundheits-Netzwerk, das fast 400.000 Menschen erreicht.

Wahrscheinlich war diese vorbildliche humanitäre Arbeit der WHC der Grund, weshalb Juani nun inhaftiert ist. Denn der israelische Staat hat keinerlei Interesse an der Versorgung der palästinensischen Bevölkerung. Deutlich wurde dies zuletzt während der Pandemie, als der Staat zum weltweiten Vorbild für umfassende Impfung wurde und in Palästina so gut wie keine Impfstoffe ankamen.

VERHAFTUNG

Am Morgen des 13. April wurde sie in ihrem Haus in Beit Sahour bei Bethlehem verhaftet, ohne jegliche rechtliche Garantien und ohne die Anschuldigungen zu kennen. Seitdem wurde sie, wie es üblich ist bei Palästinensern, die mit willkürlichen Verhaftungen konfrontiert sind, unter Militär-Gerichtsbarkeit gestellt: Isolationshaft, endlose Verhöre, ständige Gefangenen-Transporte.

Am 2. Juni sollte der Prozess stattfinden, vorgeworfen wird ihr die Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation und die Umleitung von Geldern ihrer NGO an die historische linke Organisation PFLP, die im palästinensischen Parlament vertreten ist, von der Besatzungsmacht jedoch als terroristisch betrachtet wird. Der Prozess wurde auf Antrag ihrer Anwältin verschoben, weil sie ihre Mandantin erst am Tag vor der Verhandlung sehen konnte und keinerlei Vorbereitung möglich war.

Rishmawis Geschichte war die Chronik einer angekündigten Verhaftung, da ihre NGO, wie viele andere im sozialen und politischen Gefüge Palästinas, seit Jahren unter den Schikanen der Besatzungs-Armee leidet: Schließung von Einrichtungen, Razzien, mutwillige Zerstörung von Einrichtung, Inhaftierung von Mitarbeitern. So wurde das Hauptquartier der Health Work Committees in Ramallah wenige Tage vor Rishmawis Verhaftung am 8. März von der Armee des israelischen Regimes gestürmt und geplündert. Bei der Razzia wurde der Leiter der Buchhaltung, Tayseer Abu Sharbak, verhaftet, er befindet sich seitdem in Verwaltungshaft, eine Formel des israelischen Apartheid-Rechtssystems, die es erlaubt, Palästinenser ohne Recht auf einen Prozess zu inhaftieren und ohne über die erhobenen Vorwürfe zu informieren.

Der Prozess am 27. Juli wird entscheidend für die persönliche Zukunft dieser unermüdlichen humanitären Arbeiterin sein. Im schlimmsten Fall, obwohl sie Europäerin ist, droht ihr eine harte auf die palästinensische Bevölkerung zugeschnittene Militärgefängnis-Strafe. Gleichzeitig geht es um die Zukunft der Solidarität mit Palästina und die Tätigkeit aller humanitären Organisationen, die auf palästinensischem Gebiet tätig sind.

Auch im israelischen Regime weiß man sehr gut, dass Juana Ruiz eine Referenz innerhalb der Solidaritäts-Gemeinschaft im Baskenland, in Spanien und Europa ist. Mit der Repression gegen Juani wird die Bedrohung und Einschüchterung der Solidaritäts-Bewegung angestrebt. Bis zum 27. Juli liegt es in der Hand der spanischen Regierung, diplomatische Hebel in Bewegung zu setzen, um sie zu befreien. An der Bewegung wird es liegen, der Strategie der Angst des zionistischen Regimes nicht nachzugeben.

RÜCKBLICKE: * (1954) Tod der mexikanischen Malerin Frida Kahlo. * (1980) Die Polizei erschießt in Aia ein ETA-Mitglied. * (1983) In Donostia stirbt ein ETA-Mitglied bei der versehentlichen Explosion eines Sprengkörpers. * (1993) Im Exil stirbt der aus Zalla stammende baskische Flüchtling Juan Miguel Bardesi. * (1994) Der deportierte Baske Luis Zuloaga stirbt im Exil in Venezuela. * (1997) ETA erschießt den PP-Politiker Miguel Angel Blanco aus Ermua/Gipuzkoa, nachdem ihre Forderungen nicht erfüllt wurden. Als Reaktion kommt es zu starken Mobilisierungen gegen die baskische Linke, und zu einer Art Pogrom-Stimmung. Lokale und Einzelpersonen werden angegriffen.

(2021-07-12)

STEIGENDE STROMPREISE

Manche sprechen von Raub mit vorgehaltener Waffe. Sie haben Recht. Ausgerechnet in einer Wirtschaftskrise, die vor allem die Armen mit aller Wucht trifft, steigen die Energiepreise um enorme Raten. Die Regierung hat reagiert. Aber anstatt die räuberischen Unternehmen zu verstaatlichen und den Markt zu kontrollieren, hat sie die Mehrwertsteuer auf Strom gesenkt, um die Teuerung auszugleichen. Doch die Kapitalisten satteln drauf und die Rechnung steigt weiter.

juli75x12Mit anderen Worten: Die Regierung verzichtet auf Steuer-Einnahmen von Seiten der Verbraucher, die gleichzeitig von den Stromkapitalisten verschärft geschröpft werden. Nichts anderes also als ein Finanz-Transfer von öffentlich zu privat, eine staatliche Subvention für die superreichen Aktionäre und Vorständler, die Millionen absahnen. Bezeichnend für diese Unternehmen ist, dass dort eine Reihe von ehemaligen Ministern aus den Parteien PPSOE (zynische Bezeichnung von PP und PSOE) zu finden sind, die alle durch die Drehtür von der Politik ins kapitalistische Establishment abgewandert sind. Sie haben die Macht, über die Kosten des Stroms zu entscheiden, die Regierung hat das Nachsehen. Auf der einen Seite die Macht, auf der anderen die Regierung, das ist Kapitalismus.

Das offizielle Bulletin erinnert daran, dass die Stromrechnung eines durchschnittlichen Verbrauchers in den ersten Juli-Tagen 27,70 Euro erreichte, ein Anstieg von 7,6% gegenüber dem gleichen Zeitraum im Juni, als sie 25,74 Euro betrug. Laut dem Stromrechnungs-Simulator der Nationalen Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) erfolgt dieser Anstieg trotz der Senkung des Mehrwertsteuer-Satzes für Strom von 21% auf 10%. Somit stellt diese Steuer im Juli bisher eine Belastung von 4,81 Euro dar, im Vergleich zu 4,47 Euro im letzten Monat. Mit Blick auf den Juli 2020 steigt die Rechnung um 63,1%, denn im letzten Jahr wurden für Licht an diesen Tagen 16,98 Euro bezahlt. Der Anstieg ist sehr ähnlich wie im Juni, der bei 64,6% lag.

Rückblicke: * (1512) Der kastilische Herzog von Alava mobilisiert Tausende von Soldatengegen das Königreich Navarra: 5.300 Speerwerfer und 6.200 Fußsoldaten. Unter dem Vorwand, durch Navarra zu marschieren, um Frankreich anzugreifen, wird Navarra angegriffen. Aus Kastilien werden 15.000 Soldaten gegen die 100.000 Bewohner*innen des Königreichs eingesetzt. * (1937) Picassos “Guernica“ wird im spanischen Pavillon in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt, obwohl die Weltausstellung bereits am 25.Mai begann. * (1945) Der Nazi-Feldmarschall und Kriegsverbrecher Wolfram von Richthofen, verantwortlicher Organisator des im Spanienkrieg eingesetzten Luftwaffen-Verbands Legion Condor und mitverantwortlich für die Vernichtung der baskischen Stadt Gernika am 26. April 1937, stirbt in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Bad Ischl, Österreich. * (1998) Die beiden baskischen Fußballer Bixente Lizarazu und Didier Deschamps werden mit Frankreich Fußball-Weltmeister: 3:0 gegen Brasilien. * (2014) Tod des baskischen Bildhauers, Filmregisseurs und Malers Nestor Basterrextea, im Alter von 90 Jahren.

(2021-07-11)

HOMOPHOBIE IN BILBAO

"Der Typ beleidigte zwei Freunde, weil sie sich küssten, und fing an, uns zu verfolgen und zu schlagen" – das Horror-Erlebnis von fünf Freunden in der Altstadt Bilbao. Die Stadtpolizei identifizierte den Täter eines homophoben Angriffs auf eine Gruppe von Teenagern am Samstagabend. So sehr sich die Stadtverwaltung auch Mühe geben mag: Homophobie ist nach wie vor viel zu lebendig in den Straßen von Bilbao, vor allem junge Menschen leiden unter den Folgen. Denn die vielen Gay-Friendly-Kampagnen geben sich nett im Schaufenster, kommen aber nicht an die kaputten Hirne der falsch Erzogenen.

juli75x11Eine Woche nach dem Totschlag von Samuel in Galicien erlebte die Hauptstadt Bizkaias eine erneute homophobe Aggression gegen eine Gruppe von Teenagern zwischen 16 und 19 Jahren, die nachts unterwegs waren. Gegen Mitternacht waren sie unterwegs, um "in aller Ruhe" etwas trinken zu gehen. Doch eine homophobe Unperson kreuzte ihren Weg. Ein Kuss auf der Straße führte zu Beleidigungen, die Begriffe "Schwuchteln" und "Hurensöhne" waren zu hören.

EINES VON ZEHN OPFERN MACHT ANZEIGE

Der Beleidigungen gingen weiter, einer aus der Freundesgruppe stellte den Aggressor zur Rede. Ein zweiter begann, die Szene zu filmen. "Er war wie ein Verrückter, rannte uns hinterher und versuchte zu treten. Die Jagd verlagerte sich 200 Meter zum Arenal-Platz, wo der Aggressor ab- und eine Streife der Stadtpolizei auftauchte. Aufgrund des Videos konnten die Beamten den Typen identifizieren. Ein Krankenwagen wurde angefordert. Einer der Angegriffenen erlitt eine Angstattacke. Bislang wurde keine Anzeige erstattet, eine amtliche Anzeige ist jedoch wahrscheinlich. "Alle ermutigen dich, eine Anzeige zu machen, aber wenn es dir selbst passiert, ist es nicht so einfach."

LA CORUÑA

Die Coordinadora 28J, Gay-Gruppen wie EHGAM, die historische Vereinigung der LGTBI-Bewegung Bizkaia, die seit 44 Jahren die Pride-Demonstration in Bilbao organisiert, hatte zuvor zu einem Protest aufgerufen, um das schreckliche Verbrechen von La Coruña anzuprangern, bei dem ein Schwuler 24-Jähriger von einer homophoben Meute erschlagen wurde. Sie erinnerten an andere Episoden von Angriffen gegen das LGTBI-Kollektiv, wie die kürzlichen Gruppenangriffe von Basauri oder Amorebieta. Während der letzten Ausgabe der Pride, vor nur zwei Wochen, prangerten sie an, dass die Zunahme von Hassreden von Faschisten und Machos hinter der Zunahme der Angriffe auf die LGTBI-Gemeinschaft steckt, weil dadurch "bestimmte Haltungen legitimiert" werden.

50 HASS-AGGRESIONEN 2020

Das Koordinationskomitee wird nach Rücksprache mit den Opfern des Geschehens in der Altstadt Bilbao eine Protestaktion gegen diese neue Aggression organisieren. Die baskische Beobachtungsstelle LGTBI+, die sich aus neun Verbänden zusammensetzt, hat den Angriff öffentlich verurteilt. In den ersten fünf Monaten des Jahres wurden 11 “Hassvorfälle“ im Zusammenhang mit Transphobie und Homophobie gemeldet. Im Jahr 2014 waren es 14, aber bereits 2018 waren 39 Straftaten im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung und Identität zu verzeichnen. Im darauffolgenden Jahr waren es 13 Fälle, im Jahr 2020 waren es 50. Noch ein langer Weg bis zum amtlichen “gay-friendly“, das von der kritischen Schwulen-Gruppe “Intifada Marika“ als “Pink-Washing“ bezeichnet wird.

RÜCKBLICKE: * (1997) ETA entführt den PP-Politiker Miguel Angel Blanco aus Ermua/Gipuzkoa, um die spanische Regierung zu zwingen, die baskischen Gefangenen ins Baskenland zu verlegen. * (2010) Die baskischen Fußballer Xabi Alonso, Fernando Llorente und Javi Martinez werden mit der spanischen Auswahl in Südafrika Fußball-Weltmeister: 1:0 gegen Holland.

(2021-07-10)

DIE NOTWENDIGE FLEISCH-DEBATTE

Der spanische Konsum-Minister Garzón (Podemos) hat eine hitzige Debatte um Fleisch-Produktion und -Konsum eröffnet. Zwischen denen, die das Fleisch in allen Varianten verherrlichen, und jenen, die vor Gefahren für Gesundheit und Umwelt warnen. Schwer zu sagen, ob es Zufall ist, dass der Minister die Debatte ausgerechnet in der Pandemie lostrat, oder Absicht. Letzteres wäre dringend angesagt. Denn wir (oder besser gesagt, jene, die dazu bereit waren) haben in den vergangenen 20 Monaten zur Kenntnis genommen, dass Pandemien durch Zoonosen entstehen können, dass Coronavirus sehr wahrscheinlich durch eine Zoonose in China entstand, eine Viren-Übertragung von Tier auf Mensch. Aus dieser Erkenntnis lässt sich leicht ableiten, dass die aktuelle Art der (kapitalistisch-industriellen) Produktion von Lebensmitteln, vor allem Fleisch, schädlich, antiökologisch und in der Perspektive tödlich ist.

Zur Erinnerung: Was ist eine Zoonose? Zoonosen sind von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten, sagt Wikipedia. Die Definition der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) besagt einschränkend, dass Zoonosen Infektionskrankheiten sind, die auf natürliche Weise zwischen Mensch und anderen Wirbeltieren übertragen werden können. Nun, ganz so “natürlich” ist die Sache dann doch nicht. In früheren Zeiten waren die Lebenswelten von Tier und Mensch deutlicher voneinander getrennt. Aber mit dem Anwachsen der Weltbevölkerung, der massiven Ausbreitung von Städten, und der weltweiten Landflucht wurden die Grenzen verwischt, die Zoonosen nahmen zu und sind in den vergangenen 30 Jahren zu einer Regelmäßigkeit geworden, auch wenn Covid dabei eine besondere Dimension annahm.

juli75x10VON ZOONOSE KEINE REDE

Bezeichnend bei der aktuellen Debatte ist, dass genau dieser Zusammenhang in der Argumenteschlacht nicht vorkommt, der Begriff Zoonose taucht gar nicht erst auf. Auf Seite der Fleisch-Fraktion ist das selbstverständlich; auf der Öko-Seite ist das Verschweigen fatal und weist auf eine reduzierte gesundheitlich-ökologische (und antikapitalistische) Perspektive hin. Dabei wissen die Fleischer durchaus, was ihnen vorgeworfen wird: dass zum Beispiel die Viehwirtschaft mit der Methan-Produktion zum Treibhauseffekt beiträgt. Angeführt wird erst einmal, der Sektor beschäftige 2,5 Millionen Personen – als ob das ein qualitatives Argument wäre, demnach müsste die Autoindustrie noch wesentlicher sein für das Überleben der Menschheit. 9 Milliarden Euro an Export sei doch eine gute Nachricht für die Wirtschaft. Im Staat werden 54 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr verzehrt, im Baskenland mit der Txuleta- und Sagardotegi-Tradition sicher mehr.

ANTIBIOTIKA, WASSER, TREIBHAUSEFFEKT

Die Anwendung von Antibiotika in der Viehzucht habe nach dem Verbot stark nachgelassen, heißt es auf der Pro-Seite – die Gegenseite behauptet das Gegenteil. Von Kritikerinnen werde behauptet, dass zur Herstellung von einem Kilo Fleisch 15.000 Liter Wasser notwendig seien, unterschlagen werde aber, dass 90% davon Regenwasser sei. Widersprochen wird dem Argument, die Viehwirtschaft sei für den Klimawandel mitverantwortlich. "Nur 7,8% der Treibhausgas-Emissionen unseres Landes sind auf Tierhaltung zurückzuführen, während Verkehr 27% und Industrie 20% ausmachen. Was soll also mit der Verdauung der der Kühe schon sein? … eine der Argumentationslinien des Ministers. “Methan ist Teil des biogenen Kreislaufs, es wandelt sich nach 12 Jahren in CO2 und Wasser um und wird von Pflanzen bei der Photosynthese aufgenommen. Methan ist also nicht die Wurzel, sondern trägt zur Entschärfung des Problems bei“, sagt ein Fleischverteidiger. Ausgesprochen zynisch, von “nur“ 7,8% zu sprechen und noch schlimmere Verschmutzer als Ausrede zu benutzen.

FLEISCHKONSUM ZÜGELN

Ein baskischer Ernährungs-Spezialist stimmt dem Minister ohne Vorbehalt zu, der habe ja nicht zum Verbot von Fleischkonsum aufgerufen. Es sei erwiesen, dass Fleischkonsum zu chronischen Krankheiten führe: Magen, Darm, Herz, Übergewicht. "Vor hundert Jahren hat ein Viehbauer nicht jeden Monat ein Schwein geschlachtet, sondern mit drei Familien einmal im Jahr. Das wurde ersetzt durch den Supermarkt, mit einem Wagen voller Aufschnitt, Hähnchen, Eier, Fisch, Steaks und Hamburgern, für eine Woche Konsum. Selbstverständlich nur in den entwickelten kapitalistischen Ländern, in Afrika sieht es anders aus. Fleisch ist nicht schlecht und verursacht keinen Krebs, aber wir können seinen Konsum nicht verzehnfachen". Außerdem sei der Mehr-Konsum von Fleisch mit einem drastischen Weniger-Konsum von Obst und Gemüse verbunden. “Das verringert die Widerstandskräfte gegen Viren.“

"Die mediterrane Diät gibt es nicht mehr: Wir sind dazu übergegangen, Fleisch nicht zu besonderen Anlässen zu essen, sondern dreimal am Tag. Einmal ist genug. Damit meine ich nicht nur Fleisch, sondern Lebensmittel von tierischem Ursprung, wie Käse, Kaninchen oder Geflügel, Fisch. Zwei Spiegeleier decken den täglichen Bedarf. Rotes Fleisch: zwei- bis dreimal im Monat ist mehr als genug". Diesen Ratschlägen gegenüber steht eine starke Lobby, die verkaufen will. 300.000 Farmen, Rinder allein kommen auf 6,5 Millionen Stück, hauptsächlich im Norden. Schafe im Baskenland und in Kastilien, Schweine und Geflügel in Aragonien und Katalonien, iberische Schweine in der Extremadura.

80% DER FLÄCHE FÜR TIERNAHRUNG

Eine Ökologin von Greenpeace warnt: 80% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Welt wird für die Produktion von Nahrung für Tiere und nicht für Menschen genutzt. Sieben von zehn Litern Frischwasser haben das gleiche Ziel. Die Viehzucht im Staat ist für 67% der Emissionen aus dem landwirtschaftlichen Sektor verantwortlich, nach Daten des Ministeriums für ökologischen Übergang. Sie wettert gegen industrielle Schweinefarmen, die für 31% des in die Atmosphäre freigesetzten Methans verantwortlich sind und nur von Mülldeponien übertroffen werden. Schweine sind für fast die Hälfte der Treibhausgase verantwortlich, die von der Viehwirtschaft ausgestoßen werden und zwischen 2000 und 2018 um 7% gestiegen sind. Greenpeace ist besorgt über die Wasserverschmutzung durch Nitrate, gegen Spanien wurde bereits ein Vertragsverletzungs-Verfahren der Europäischen Kommission eingeleitet, zur Eindämmung der Einleitungen aus intensiver Schweine- und Geflügelhaltung. Einer der schlimmsten Fälle ereignet sich in Segovia, wo 360 Einwohnerinnen seit Jahren kein Trinkwasser mehr zu sich nehmen können, weil Nitrate ins Grundwasser sickern.

RÜCKBLICKE: * (1934) Erich Mühsam, Anarchist, Schriftsteller, Politiker wird von den Nazis im KZ Oranienburg ermordet. * (198) In Basauri erschießt ein ETA-Kommando einen Zivilgardisten im Ruhestand. * (1981) Der Zeitungsverkäufer Ovidio Ferreira wird bei einer Verfolgung von ETA-Leuten in der Altstadt Bilbao von der Nationalpolizei angeschossen. Er stirbt vier Tage später.

(2021-07-09)

BASKISCHE KORRUPTION

Wie berichtet funktioniert die Korruption im Baskenland mit anderen Methoden, auf anderen Wegen. Man greift nicht direkt in öffentliche Kassen und bedient sich (wie PP oder PSOE im spanischen Staat), sondern sucht dezentere Wege. Einer besteht darin, bei der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen zu bescheißen. Weil erst Angebote eingeholt werden, bevor die Vergabe entschieden wird, haben sich Unternehmen zusammengeschlossen, um sich abzusprechen: ein gutes Angebot und zwei teure, sodass klar ist, wer den Auftrag bekommt – anschließend Rotations-Prinzip. Das Ganze flog vor Kurzem auf, es gab Strafen und Ausschlüsse von künftigen Ausschreibungen. Unklar blieb die Rolle der öffentlichen Stellen bei diesem Stinkespiel.

juli75x09Im Februar 2021 geschah folgendes: Zwei Abgeordnete der links-liberalen Koalition EH Bildu bekamen Ausschreibungs-Unterlagen in die Hände, die mit dem Kürzel eines Anbieter-Vertreters bezeichnet waren. Die Abgeordneten schöpften Verdacht, dass eine Absprache im Spiel war, und gingen zum Notar, um zu bezeugen, dass sie bereits wüssten, wer den Zuschlag erhalten wird. Die von EH Bildu sind beileibe keine Hellseher, aber sie hatten Recht, der Auftrag ging an das gewünschte Ziel (in diesem Fall ein bekannt-berüchtigtes Rüstungs-Unternehmen, von denen es im Baskenland viel zu viele gibt).

Nun steht die Regierung, bzw. der zuständige Senator, im Regen. Inflagranti heißt das, oder: auf frischer Tat ertappt. Aber weit gefehlt, dass hier jemand unlautere Handlungen eingesteht. Sofort wird eine Dolchstoß-Legende gestrickt, um “den bösen Willen der Linken“ zu demonstrieren und sie ins Abseits zu stellen. Die Ausschreibe-Praxis hat neben dem Vorteil für die Unternehmen für die Parteien selbst noch einen Zusatz-Vorteil: gelegentlich lassen sie großzügige Spenden in die Parteikassen fließen.

Ein Clan aus Araba ging vor zehn Jahren so weit, auch ohne vorheriges Kartell bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen anschließend bei den Unternehmen anzurufen und “drei Prozent freiwillige Kommission“ zu verlangen, für die eigene Tasche in diesem Fall. Bis eine Unternehmerin die Faxen dicke hatte und Anzeige erstattete (der Fall de Miguel). Bei ETA war hieß diese Praxis “Revolutionssteuer“, die von den Bürgerlichen als “miese Erpressung“ tituliert wurde, obwohl sie nicht der privaten Bereicherung diente. Einige Christdemokraten zeigten sich lernfähig. Der Komplott-Clan (darunter hochrangige Politiker der PNV) wurde zu empfindlichen Haftstrafen verurteilt, die derzeit vor spanischen Instanzen nachverhandelt werden. Also von wegen “die saubere baskische Politik“!

RÜCKBLICKE: * (1976) Im Verlauf der Fiestas in Santurtzi und einer Demonstration für die Amnestie der politischen Gefangenen (acht Monate nach Francos Tod) wird eine Passantin von Rechtsradikalen der Gruppe Legionarios de Cristo Rey erschossen. * (1979) Die Nazi-Gruppe Odessa bekennt sich zu einer Autobombe gegen die Nazi-Verfolger Beate und Serge Klarsfeld in Frankreich. * (1980) Bei der Explosion einer ferngesteuerten Bombe gegen einen Konvoi der Guardia Civil stirbt ein Beamter in La Rioja. * (1985) In Donostia werden zwei Zivilgardisten von einem ETA-Kommando im Auto erschossen.

(2021-07-08)

HOMOPHOBIE

Vor wenigen Tagen wurde der Christopher Street Day begangen. Und keine ganze Woche ist es her, dass in A Coruña eine Gruppe junger Rohlinge nachts einen schwulen Jugendlichen auf brutalste Art zu Tode geprügelt hat. Nachrichten wie diese finden nicht nur regional, sondern landesweit ihren Widerhall durch Demonstrationen, Kundgebungen und emotionale Teilnahme. Seit vergangenem Montag zensiert eine Internet-Plattform dauerhaft den Account von vier Jugendlichen, die ein Video veröffentlichten, in dem sie zwischen Gelächter und Spott über das "Totschlagen von Homosexuellen" fabulieren. Innerhalb weniger Stunden kursierte das Video bereits in anderen Plattformen und scharf kritisiert.

juli75x08Viele haben die Verbreitung des Videos angeprangert und fordern eine Verurteilung der Verantwortlichen. "Diese Haltungen sind unerträglich. Wir können nicht zulassen, dass solche Situationen in unserer Gesellschaft durchgehen. Das Trans- und LGTBI-Gesetz ist notwendig, um beklagenswerte Handlungen wie diese zu beenden, unsere allerschärfste Verurteilung", ließ die Podemos-Partei in ihrem sozialen Netzwerk verlauten. In dem 40-Sekunden-Fragment ist ein inszeniertes Gespräch zwischen vier Jugendlichen zu sehen. "Was glaubst du, wie viele Homosexuelle du runter kriegst?", fragt einer. "Was soll das heißen: runterkriegen?", ist die Gegenfrage. "Sie mit bloßen Händen töten", sagt kichernd ein Dritter. "Stell dir vor, du schlägst ihn mit der Faust und zwingst ihn zu Boden ", sagt der vierte.

"ES GIBT KEINEN IMPFSTOFF"

Tage zuvor “diskutierte“ eine Gruppe junger Leute (einige identisch) über die angebliche "Heilung" von Schwulen. "Dafür gibt es keine Impfstoffe, was ist besser, der Impfstoff für Brustkrebs oder für Schwule? Die sind verflucht krank“, ruft einer in scherzhaftem Ton in die Debatte.

Die Haltung ist nicht neu, auch nicht die daraus folgende Brutalität. Wer solche Sätze sagt, bringt sich selbst in Handlungszwang, wie in A Coruña oder eine Woche zuvor in Basauri, mit dem alleinigen Unterschied, dass es dort nicht zum Totschlag kam. Wo Erziehung versagt, Eltern keine Ahnung haben, die Kirche ein übles Spiel spielt und ultrarechte Eltern gegen alle Arten von Aufklärung in der Schule vorgehen (mit der Begründung, Aufklärung sei Indoktrinierung), helfen auch noch so “progressive“ Gesetze der Regierungen in Madrid, Gasteiz oder sonstwo nicht. Vor allem holen sie keine Toten ins Leben zurück. Gegen Homophobie zu agieren ist praktizierter Antifaschismus.

RÜCKBLICKE: * (1497) Der portugiesische Seefahrer und Eroberer Vasco da Gama setzt Segel in Richtung Indien. * (1563) In Mexiko gründet der aus Eibar stammende baskische Eroberer Francisco de Ibarra das Dorf Nueva Vizcaya, heute Victoria de Durango, Hauptstadt des Bundesstaates Durango. * (1978) German Rodriguez während der Fiesta San Fermin in Pamplona/Iruña bei einer Demonstration in Stierkampfarena erschossen. * (2014) Mairead Maguire und Adolfo Pérez Esquivel, beide Friedensnobelpreisträger, fordern zusammen mit hundert Professor*innen aus den USA und Kanada die US-amerikanische Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch auf, den ehemaligen spanischen NATO-Generalsekretär Javier Solana und alle mit der CIA oder der US-Regierung verbundene Personen aus dem Vorstand auszuschließen. Der Brief bleibt unbeantwortet.

(2021-07-07)

KRANKE HIRNE, KRANKE MACHOS

In der feministischen Bewegung existiert ein Protokoll, dass keine patriarchale Gewalttat ohne Antwort bleibt: Auf jeden Gewaltakt soll zumindest eine Kundgebung folgen. Leider ist zu befürchten, dass dieses Protokoll die Bewegung überfordert, weil so viele Demonstrationen überhaupt nicht durchgeführt werden können. Gleichzeitig laufen wir Gefahr, dem Problem gegenüber müde und gleichgültig zu werden, weil sich die Nachrichten in ihrer Häufigkeit und Regelmäßigkeit zu einer Tagesroutine entwickeln.

juli75x07Ein Mann ersticht in Süd-Navarra seine Schwägerin, in Anwesenheit von deren Kindern. In Alicante werden mehrere Männer vor Gericht gestellt, die in angeblich alkoholisiertem Zustand eine Mehrfach-Vergewaltigung begingen, die Täter sind geständig und erwarten eine Strafe bis zu 18 Jahren. Solche neuen Strafmaße sind dennoch kein Hinderungsgrund, weitere Taten dieser bestialischen Art zu praktizieren

In Orkoien, ebenfalls Süd-Navarra, wurde gegen eine weitere Vergewaltiger-Gruppe verhandelt. Einer hatte über Internet ein Date verabredet, fünf kamen zur geplanten Massenvergewaltigung. Der Begriff “untermenschlich“ drängt sich auf. Tiere vergewaltigen nicht, schon gar nicht mehrfach. Obwohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wurde das Opfer vor Gericht erneut zum Opfer gemacht, vor allem die Befragungen durch die “Verteidigung“ sind häufig völlig intolerabel und produzieren erneut machistische Höhepunkte. Das hat besonders deutlich der sogenannte “Manada-Prozess“ in Iruñea gegen fünf vergewaltigende Andalusier gezeigt. Dem Opfer wurde unter anderem vorgeworfen, sich zu schnell von dem Gewaltakt erholt zu haben und wieder ein normales Leben zu führen, das ergab eine Bespitzelung durch Privatdetektive.

Ein besonders perfider Mord ereignete sich kürzlich in Teneriffa, im ganzen Land war der Fall tagelang Thema Nummer eins. Wechselnde Kinderbetreuung bei einem Paar in Trennung. Der Mann erscheint nicht zum Übergabetermin der Kinder, sie werden vermisst. Nach Tagen stellt sich heraus, dass er die Kleinkinder ermordete, mit seinem Schiff aufs Meer fuhr, um die Leichen dort mit schweren Gewichten zu versenken. Die Polizei fand sie trotzdem. Ein perfekt geplanter Mord, bei dem es dem Macho offenbar um den größten denkbaren psychologischen Schaden für die Frau ging, schlimmer als sie selbst umzubringen.

Die Rolle der Kirche in dieser Patrirchal-Gesellschaft machte ein Bischof in seiner Reaktion auf den kanarischen Doppelmord deutlich: die Frau sei schuld am Tod der Kinder, weil sie sich von dem (gewalttätigen) Mann getrennt habe. Nur kranke Hirne produzieren solchen Dreck. Leider jeden Tag.

RÜCKBLICKE: * (1975) Ein ETA-Kommando tötet in Deba einen Busfahrer und angeblichen Polizeispitzel. *(1985) Flucht des ETA-Gefangenen Joseba Sarrionandia während eines Konzerts im Gefängnis. Lange Zeit lebt er an einem unbekannten Ort in Lateinamerika, 2016 tritt er eine Arbeitsstelle in der Universität Havanna an. Sarrionandia ist heute einer der bekanntesten baskischen Philologen, Schriftsteller, Poeten und Übersetzer. Seine Flucht ist der Ursprung des bekannten Kortatu-Songs “Sarri, Sarri“. * (2008) Während der San-Fermin-Fiestas von Pamplona wird die Krankenschwester Nagore Laffage von einem Arztkollegen vergewaltigt und mit einer Vielzahl von Messerstichen umgebracht. Das Urteil ist milde, es stellt sich heraus, dass der Mörder Mitglied des ultrakatholischen Opus Dei ist.

(2021-07-06)

GERICHT ERKLÄRT ENTLASSUNGEN FÜR UNGÜLTIG

Es ist nur einer von vielen Streiks, die im Verlauf der Pandemie begonnen haben, und einer, die einen erfolgreichen Ausgang hatten. Das Oberste Baskische Gericht erklärte heute die Entlassungen beim Unternehmen Tubacex für ungültig und zwingt die Betriebsleitung zur Wiedereinstellung. 129 Arbeiter*innen sollten entlassen werden. Danach begann ein harter Ausstand, der den Streikenden mehrfach Polizeiprügel einbrachte. Denn im Gegensatz zur Justiz steht die baskische Regierung immer auf Seiten der Kapitalisten.

juli75x06Tatsächlich ist es ein empfindlicher Schlag gegen die Tubacex-Werke von Llodio und Amurrio (nahe Bilbo, in der Provinz Araba). Das Urteil gegen die Entlassung von 129 Beschäftigte bedeutet, dass der Hersteller von Edelstahlrohren die Kündigungen zurücknehmen muss, weil sie nicht rechtmäßig sind. Die Richter*innen erklärten die Entlassungen für nichtig mit der Begründung, sie verstießen gegen das so genannte "Verbot von Entlassungen aufgrund von Problemen, die sich aus der Wirtschaftskrise von Covid ergeben". Wie Tubacex hat eine ganze Reihe von Firmen versucht, im Schatten der Pandemie zu rationalisieren und Belegschaften zu reduzieren. Noch kann Berufung beim Obersten Spanischen Gerichtshof einlegt werden.

Der Prozess war in zwei Verfahren aufgeteilt: der von TTI (102 Entlassungen) und der von Aceralava. Beide Kammern entschieden schon in der Vergangenheit eher arbeiterfreundlich, sodass die Gewerkschaften nicht enttäuscht wurden. Der Beschluss ist ein Schlag für das Unternehmen, das im Juli 2020 eine Reduzierung von 500 Mitarbeitern in allen 20 Zentren weltweit (20% der Belegschaft) mit insgesamt 2.500 Mitarbeiter*innen angekündigt hat. Das Management hat versucht, in den baskischen Werken eine Lohnkürzung auszuhandeln und warnt vor Unwirtschaftlichkeit der Werke. Die sind durch den unbefristet ausgerufenen Streik seit 146 Tagen stark beeinträchtigt.

Nach dem Urteil müssen die Leute wieder eingestellt werden, obwohl Tubacex es wie PCB machen könnte, die Tochtergesellschaft von ITP Aero. Deren Entlassungen wurden ebenfalls für nichtig erklärt, man entschied sich aber dafür, den Arbeitern die Gehälter zu zahlen und sie zu Hause zu lassen. Der Unterschied besteht darin, dass in diesem Fall ein unbefristeter Streik vorliegt und, wie die Gewerkschaft ELA erläutert, der Streik als Druckmittel aufrecht erhalten werden soll, um das Urteil definitiv durchzusetzen.

Das Unternehmen hat bereits angekündigt, beim Obersten Gerichtshof in Berufung zu gehen. Es sei "unverständlich, dass nicht berücksichtigt wurde, dass der Öl- und Gassektor, auf den die Firmen-Produkte ausgerichtet sind, von der Energiewende betroffen ist. Unverständlich, dass die heikle Situation der Tubacex-Werke in Araba in den letzten Jahren nicht als strukturell betrachtet wird".

RÜCKBLICKE: * (1945) In Iruñea-Pamploma wird die Bergfestung San Cristobal (Ezkaba) geschlossen, die als Gefängnis benutzt wurde. 1938 kam es hier zu einer Massenflucht von 1.600 Gefangenen.

(2021-07-05)

GERNIKA-PLATZ + SPANISCHE ALLEE

Die LINKE Steglitz-Zehlendorf und die Vereinigte Linke Berlin fordern die Umbenennung der “Spanischen Allee“, deren Name zurück geht auf eine Ehrung aus der Nazizeit für die Legion Condor, die nazideutsche Luftwaffen-Staffel, die unter anderem 1937 Gernika vernichtete. Die “Spanische Allee“ ist im südwestlichen Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf zu finden. Bis 1939 hieß die lange Straße Wannsee Allee. Doch als die Nazis mit ihrer Condor-Luftwaffe aus dem siegreich beendeten Spanienkrieg zurückkehrten, ließen sich die Gelegenheit nicht nehmen, ein faschistisches Denkmal für die Folgezeit einzuweihen. In Form eines neuen Namens für die Straße.

juli75x05Trotz Nicht-Interventions-Pakt, waren die Nazis von Kriegsbeginn an maßgeblich beteiligt auf der Seite der Putschisten-Generäle. Erst mit einer Luftbrücke aus Marokko, die den Krieg erst möglich machte. Später mit Bombeneinsätzen der Legion Condor, die während des gesamten Krieges (1936-1939) hunderte oder tausende von Orten bombardierte: Albacete, Jaén, Madrid, Barcelona. Allein im Baskenland waren mehr als 120 Orte betroffen, zum tragisch-bekannten Beispiel wurde die baskische Stadt Gernika, die mit einem Massaker an der Zivilbevölkerung praktisch vernichtet wurde.

Ein anderer Verlauf des Spanienkrieges hätte die Weltgeschichte verändert. Denn als im April 1939 die letzten republikanischen Einheiten aufgerieben waren und die Lefgion Condor nach getaner Arbeit nach Hause fahren konnte, lagen bie den Nazis die Pläne für verschiedene Angriffskriege bereits in den Schubladen. Am 6. Juni 1939 zogen die Condor-Militärs mit einer Parade durch die umbenannte Allee, in Anwesenheit von Hermann Göring, dem Kommandeur der Luftwaffe, aber auch unter den Augen von Francos Generälen Queipo de Llano und Yagüe. Sie sahen die Piloten der Todes-Schwadron vor ihren Augen vorbeiziehen, dazu militärische Einheiten von Francos Armee. So gesehen ist die Spanische Allee nicht nur eine Hommage an die Legion Condor, sondern auch das Siegel der Freundschaft zwischen dem NS-Regime und der Franco-Diktatur.

KEINE WEITERE VERHERRLICHUNG

Die LINKE im Bezirk fordert seit Jahren die Beseitigung der Reste von Bezeichnungen, die mit Antisemitismus und dem NS-Regime verbunden sind. Im Hinblick auf die anstehenden Kommunalwahlen fordern sie die Umbenennung der “Spanischen Allee“ sowie des “Hindenburgdamms“ (der den Reichspräsidenten der Weimarer Republik ehrt, der Adolf Hitler zum Kanzler machte). Für die LINKE-Kandidatin zum Bezirksbürgermeisteramt wäre "Hitlers sogenannte “Machtergreifung“ nicht möglich gewesen ohne jene, die ihm den Weg ebneten. Hindenburg wurde auf Partei-Initiative bereits aus der Liste der Ehrenbürger Berlins gestrichen, im Bezirk soll mit der gleichen Konsequenz mit dem Hindenburgdamm verfahren. Weil der Name der Allee nicht eindeutig auf die Nazis hinweist (viele kennen deren Geschichte gar nicht mehr), entgeht der Name dem in der Bundesrepublik geltenden Verbot nazistischen Symbolen und Namen. “Im Fall der Spanischen Allee ist es eine Schande, dass mehr als 80 Jahre nach der Zerstörung Gernikas die Täter und Förderer dieser Gräueltat immer noch geehrt werden."

Bereits 2019 beantragte die Stadtratsfraktion in der Bezirksverordneten-Versammlung Steglitz-Zehlendorf die Umwidmung der Straße, damit zumindest die Verbindung zur Legion Condor aufgehoben wird. Für die Maßnahme stimmte die SPD zusammen mit Die LINKE, während CDU, die liberale FDP und die rechtsextreme AfD dagegen stimmten. Was zu erwarten war; aber auch die Grünen, die sich zumindest nach außen hin als Antifaschisten geben. "Der Verzicht auf die Spanische Allee als Zeichen der Solidarität in einem vereinten Europa wäre ein wichtiges Zeichen dafür, dass Steglitz-Zehlendorf sich für ein solidarisches Zusammenleben der Völker einsetzt. Die Blockade von CDU und FDP, vor allem aber der Grünen in dieser Frage, kann nur als parteipolitische Strategie gewertet werden, die den Antrag ablehnt, nur weil er eine Initiative von Die Linke ist", so die Kandidatin.

Die Vereinigte Linke Berlin erinnert daran, dass es in Deutschland eine Mythisierung der Entnazifizierung gibt. Tatsache ist, dass es immer noch Elemente gibt, die mit dem Nazi-Regime verbunden sind und die beseitigt werden müssen, Akte zu Ehren von Nazis wie Rudolf Hess, die Wiederkehr faschistoider Reden und die Leugnung des Holocaust. Tatsache ist, dass es in Berlin und den ehemaligen Bundesländern der DDR immer noch eine wichtige Gemeinschaft aus dem spanischen Staat gibt, die mit dem republikanischen Exil verbunden ist. "Weil wir republikanische und antifaschistische Werte lebendig halten wollen, werden wir nicht aufhören, bis die Spanische Allee nicht mehr eine Hommage an die Legion Condor ist." (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (1811) Venezuela erklärt sich als erstes südamerikanisches Land von Spanien unabhängig. * (1946) Berlin wird in vier alliierte Zonen aufgeteilt. * (1962) Algerien erklärt seine Unabhängigkeit von Frankreich. * (1978) ETA tötet einen Straßenverkäufer, dem Spitzeldienste für die Guardia Civil vorgeworfen werden. * (1991) Nelson Mandela wird zum Vorsitzenden des ANC gewählt.

(2021-07-04)

INLANDS-TOURISMUS BOOMT

Der Binnen-Tourismus ist in diesem Sommer auf dem Weg zu historischen Zahlen, Reisebuchungen im staatlichen Rahmen übersteigen um 60% das Niveau von 2019, also vor der Pandemie. Reisen ins Ausland hingegen sind aufgrund der fortwährenden Unsicherheit nicht attraktiv und erleiden ähnliche Einbrüche wie 2020. Eine große Zahl von Landsleuten machen Urlaub “zu Hause“. Dieser Satz beschreibt perfekt, was sich in der Sommersaison abspielen wird. Weder der Covid-Pass noch die Lockerung der Beschränkungen reichen aus, um Reisewillige zu überzeugen, die Angst vor plötzlichen Änderungen der Kriterien in potenziellen Zielländern weicht nicht.

juli75x04Nach vorliegenden Daten kam es in den letzten 15 Tagen zu einem Anstieg der Buchungen für Reisen im Staatsgebiet um 60 % im Vergleich zu 2019, als die Coronavirus-Krise noch nicht ausgebrochen war. Nach dem bisherigen Buchungsverhalten im Juni, bleiben spanische Urlauberinnen, die in den Vorjahren nach außerhalb reisten, diesen Sommer im Lande. 75% entscheiden sich für Inlandsreisen, verglichen mit 33% vor zwei Jahren. Italien und Portugal sind die einzigen Ziele, die ein signifikantes Volumen an bestätigten Buchungen aufweisen. Doch auch sie verzeichneten Rückgänge von 85% bzw. 36 %. Andalusien und Valencia sind die am schnellsten wachsenden Reiseziele und verdoppeln die Zahlen von 2019 mit 95% und 85%. Es folgen die Kanarischen Inseln, die Balearen und Katalonien mit Abweichungen von 22%, 62% und 55%.

RÜCKBLICKE: * (1776) Dreizehn nordamerikanischen Kolonien unterzeichnen die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika. * (1987) Ein Gericht in Frankreich verurteilt Klaus Barbie, den "Schlächter von Lyon" und Chef der Gestapo, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft. * (1982) Bei einem Attentat mit Autobombe stirbt in Aurritz (Burguete, Navara) ein Zivilgardist vor einer Diskothek.

(2021-07-03)

STREIK IM GUGGENHEIM

Die streikenden Reinigungskräfte des Guggenheim-Museums klagen, dass Museumsleitung und Stadtverwaltung Bilbao das Streikrecht nicht respektieren. Mittels der Inszenierung einer sommerlichen Strandszene auf dem Vorplatz des Museums haben Gewerkschafts-Sprecherinnen mitgeteilt, dass der Streik bis zum 15. Juli verlängert wird. Die Reinigungskräfte des Guggenheim-Museums in Bilbao streiken weiterhin für die Abschaffung des bestehenden Lohngefälles und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Nach teilweise mehr als 20 Jahren Reinigungsdienst kommen sie mit den aktuellen Gehältern des Subunternehmens, bei dem sie angestellt sind, nicht mehr über die Runden. Miniarbeitsverträge und unerträgliche Arbeitsbelastung verschlechtern ihre Arbeitsbedingungen erheblich.

juli75x03Das Museum wie auch die Firma Ferrovial (die den Zuschlag für diese Dienstleistung erhielt) erkennen das Recht der Angestellten auf Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen nicht an und negieren die Existenz des Lohngefälles. Dazu wird von Seiten der Verantwortlichen die übliche klassistische und verächtliche Behandlung praktiziert. Deshalb haben die Streikenden beschlossen, den am 11. Juni ausgerufenen Ausstand bis zum 15. Juli zu verlängern. Sie stellen fest, dass ihr Streikrecht verletzt wird, indem das Subunternehmen die Streikenden ersetzt. Ferrovial Services reinigt die Innenbereiche, die normalerweise von den Streikenden bearbeitet werden. Das Guggenheim-Museum nutzt zusammen mit der Stadtverwaltung von Bilbao die stadteigenen Maschinen, um die Außenarbeiten durchzuführen, die ebenfalls in die Zuständigkeit des streikenden Personals fallen.

Es ist klar, dass für die öffentlichen Institutionen (Stadtverwaltung Bilbao, baskische Regierung, Provinzrat Bizkaia), sowie für das Kuratorium des Guggenheim-Museums und für das Unternehmen Ferrovial Services die 19 Personen, aus denen sich das Reinigungspersonal zusammensetzt, unbedeutend sind, wie es bei allen Leiharbeitskräften in jedem öffentlichen Dienst der Fall ist. Die Gewerkschaft ist der Meinung, dass das Guggenheim Museum als international bekannte Institution ein Beispiel für gleichen Lohn und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sein sollte.

RÜCKBLICKE: * (1976) Der ehemalige Falangist Adolfo Suarez (mittlerweile bei der UCD-Partei) wird vom spanischen König als Ministerpräsident der zweiten post-franquistischen Regierung eingesetzt, ohne vorhergehenden Wahlvorgang. * (1979) Der Dt. Bundestag beschließt, die Verjährung bei Mord und Völkermord endgültig aufzuheben und beendet damit die Nachkriegs-Verjährungs-Debatte. Damit sollen später entdeckte NS-Verbrecher noch verfolgt werden können. * (2002) AN-Richter Garzon macht Batasuna für die Schäden der Kale-Borroka regresspflichtig und beschlagnahmt den Parteibesitz. * (2005)In Spanien tritt das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Kraft. * (2006) Das Europäische Parlament beschließt den offiziellen Gebrauch der galicischen, katalanischen und baskischen Sprache in offiziellen Dokumenten.

(2021-07-02)

HEIMATNAHE VERLEGUNG VON POLITISCHEN GEFANGENEN

Vor zehn Jahren hat die bewaffnete Organisation ETA das Ende ihrer Aktionen bekannt gegeben, vor 5 Jahren wurden die Waffen übergeben, vor zwei Jahren kam die Auflösungs-Erklärung. Was blieb (und bleibt) ist die Frage der politischen Gefangenen. Die Dispersion wurde fortgeführt, das heißt, die Gefangenen wurden so weit wie möglich von ihrer Heimat entfernt eingesperrt, bevorzugt in Andalusien, Galicien, Extremadura und Madrid. Oder auch auf den Kanaren.

juli75x02Für Gefangene ist es relativ egal, in welchem Gefängnis sie eingesperrt sind, Mauern, Zäune und Wärter sind überall dieselben. Nicht egal war es für die Angehörigen, die jedes Wochenende Besuche machen. Sie mussten teilweise (im Fall von Andalusien) 2.000 Kilometer Weg in Kauf nehmen, für einen Besuch von 40 Minuten, hinter einer dicken Glasscheibe, mit schlechtem Telefon und Nebengeräuschen von anderen Besuchsgesprächen. Weil Tausende von Besuchs-Kilometer Unfallgefahren beinhalten, war die Dispersion am Ende eine zusätzlich Strafe für alle Beteiligten: finanziell und psychisch.

Zumindest was Andalusien betrifft ist damit nun Schluß. Gestern verkündeten die Strafvollzugs-Behörden die Rückverlegung der letzten vier Gefangenen aus Cadiz in Gefängnisse im Norden der Halbinsel. Die postfranquistische Rajoy-Regierung hatte in dieser Hinsicht keinen Finger gerührt. Erst mit der Sanchez-Regierung (Sozialdemokraten mit Podemos) kam seit Juni 2019 Bewegung in die Geschichte. Jede Woche wurde die Verlegung von fünf Gefangenen bekannt gegeben, in die drei baskischen Gefängnisse von Basauri, Martutene und Zaballa, oder in umliegende wie Logroño, Santander, Zaragoza, Palencia oder Salamanca.

Mit der Verlegung verbunden ist auch die freundlichere Gefahren-Einstufung der Gefangenen. Bislang waren alle im sog. “ersten Grad“. Als besonders gefährliche Insassen hatten sie wenig Rechte und erfuhren viel Repression, Isolierung, Besuchsverbot und andere Schickanen. Viele wurden nun in den “zweiter Grad“ eingestuft, was ein halbwegs normales Gefängnisleben beinhaltet. Manche sogar in den “dritten Grad“, was das Recht zu Ausgängen beinhaltet. Vorzeitig entlassen wurde bislang keine und keiner. Dafür sorgt die Lobby der ultrarechten “Opfer-Verbände“, die sich seit Jahrzehnten zum Sprachrohr der ETA-Opfer postulieren (“die sollen im Gefängnis verfaulen“). Dabei fühlen sich beileibe nicht alle Opfer von diesen Ultras vertreten. Andere Verbände agieren ohne Rache-Ansinnen und laute Töne, sie versuchen sich mit Annäherung und Versöhnung. Besonders im Baskenland selbst.

Mit der Entscheidung vom ersten Juli gibt es keine baskischen politischen Gefangenen mehr in andalusischen Gefängnissen (2011 gab es in Andalusien 146). Gleiches wurde vorher in Galicien, Extremadura, den Kanarischen Inseln, Ceuta und Melilla praktiziert. Die letzten vier Gefangenen aus Cádiz werden nach León, Logroño, Zaragoza und Salamanca gebracht, maximal 400 Kilometer entfernt. Die Angehörigen werden es zu schätzen wissen, in den vergangenen 30 Jahren sind 16 Besucher*innen bei Unfällen auf den Besuchswegen ums Leben gekommen.

RÜCKBLICKE: * (1839) Bei einer Revolte auf dem US-amerikanischen Sklavenschiff La Amistad gelingt es den afrikanischen Sklaven unter Sengbe Pieh, das Schiff unter ihre Kontrolle zu bringen. * (1961) Der nordamerikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger Ernest Hemingway (geb. 1899) nimmt sich das Leben. Hemingway war ein großer Freund des Baskenlandes, von Stierkämpfen und von den Fiestas von Pamplona, die er einige Male besuchte. * (1950) Bei der Fußball-WM in Brasilien erzielt der Baske Telmo Zarra in der Endrunde ein legendäres Tor gegen England. * (2000) Die beiden nordbaskischen Fußballer Didier Deschamps und Bixente Lizarazu gewinnen mit dem französischen Team nach der Welt-Meisterschaft (1998) auch die Europa-Meisterschaft, mit 2:1 gegen Italien.

(2021-07-01)

MEHR TABAK UND ALKOHOL

Mit der Pandemie stiegen in der baskischen Bevölkerung die Ausgaben (und selbstverständlich auch der Konsum) für und von Tabak und Alkohol um stattliche 25%. Im Jahr 2020 wurde generell weniger Geld ausgegeben, dennoch wurde in den baskischen Haushalten mehr für Wohnung und Versorgung bezahlt, und aufgrund der Einschränkungen in der Gastronomie mehr für Lebensmittel, Alkohol und Rauchwaren. Weniger Ausgaben wurden für Hotels, Restaurants, Freizeit, Kultur und Mode getätigt. Die durchschnittlichen Ausgaben pro Haushalt betrugen nach Angaben von Eustat (klassenübergreifend) 31.498 Euro, also 8,5% weniger als im Vorjahr. Eine Bilanz nach Klassen und Einkommensschichten liegt nicht vor, dabei ergäbe sich eine Schere zwischen den Armen (mit noch weniger Ausgaben) und den Reichen (die ungestört weiter konsumieren konnten).

juli75x01Die Ausgaben für Restaurants und Hotels brachen um 40% ein. Für Freizeit wurde 30% weniger investiert sowie 23,7% weniger für Mode und Schuhe. Das höchste Wachstum erfuhren alkoholische Getränke und Tabakwaren, für die 24,6% mehr ausgegeben wurde. Dabei zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen den Provinzen. Gipuzkoa verzeichnete im Durchschnitt die höchsten Ausgaben pro Haushalt (33.508 Euro pro Jahr), mit einem Rückgang von 6,1% im Vergleich zu 2019. Hier stiegen die Ausgaben für alkoholische Getränke und Tabakwaren um 54,9% (Einfluss von französischen Touristen), in Araba waren es dagegen 16,2% und in Bizkaia nur 10,8%.

In Bizkaia erreichten die Ausgaben pro Familie 31.113 Euro, 10,1% weniger. Hier wurden die Ausgaben für Restaurants und Hotels um 42% reduziert, für Kleidung und Schuhe um 30% (im Vergleich zu 19% in Gipuzkoa), für Freizeit und Kultur gingen die Ausgaben um 28,8% zurück, für Transport um 26,2% (in Gipuzkoa nur 13,5%). Araba verzeichnete den niedrigsten Ausgaben-Schnitt pro Haushalt (28.580 Euro), mit einem Rückgang von 8,1%. In diesem Gebiet sanken die Ausgaben für Restaurants und Hotels um 34,7%, für Freizeit und Kultur um 33,3%. Der Rückgang im Transportwesen (-30,4 %) war doppelt so hoch wie in Gipuzkoa, fiel aber bei Bekleidung und Schuhen (-15,0 %) deutlich geringer aus.

Wohnen, Versorgung und Brennstoff waren die Hauptausgaben der Familien, hier wurden 38% des verfügbaren Geldes ausgegeben, das sind 4,4% mehr. Für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke wurden 16% ausgegeben. Im vergangenen Jahr stieg auch der Konsum für Internet. Mittlerweile tätigen fast vier von zehn Familien ihre Einkäufe und insgesamt 10,1% ihrer Gesamtausgaben über dieses Medium. Baskische Familien tätigen bereits 4,7% ihrer Ausgaben im Internet mit einem Volumen von 1,35 Milliarden Euro. Jeder fünfte Euro wird für Freizeit und Kultur ausgegeben, dabei ragen die Ausgaben für audiovisuelle, fotografische und Informatik-Geräte heraus. 18% werden für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke, 17% für Kleidung und Schuhe bezahlt. Die Anmietung von Unterkünften hat an Gewicht verloren, vorher waren es 93,5% der Online-Ausgaben, jetzt sind es 68,1%. Die auf diesem Weg eingekauften Catering-Leistungen gewinnen an Bedeutung. Sie machen 6,5% der Online-Ausgaben aus und stiegen im Jahr 2020 auf 31,9%.

Die Umfrage hat auch bestätigt, dass Alleinleben teuer ist. Haushalte mit nur einem Mitglied gaben 2020 durchschnittlich 20.459 Euro aus. Zwei-Personen-Haushalte erreichten 15.623 Euro Ausgaben pro Person. Haushalte mit 3 Personen gaben 11.785 Euro pro Mitglied aus. Alle, die von Selbstständigkeit und Einkünften aus Vermögen und Kapital leben, gaben mehr aus, 23% über dem Durchschnitt. Kein Wunder. (QUELLE)

RÜCKBLICKE: * (1949) Papst Pio XII. exkommuniziert Kommunisten und ihre Sympathisanten. * (1997) Nach 232 Tagen Entführung lässt ETA den Industriellen Cosme Delclaux frei, nach Zahlung eines hohen Lösegeldes. * (1997) Die Guardia Civil befreit den von ETA entführten Gefängnis-Beamten José Antonio Ortega Lara, der 532 Tage in einem unterirdischen Verließ in Arrasate-Mondragon verbringen musste. Ortega Lara ist Gründungsmitglied der neofaschistischen Partei Vox.

ABBILDUNGEN:

(0) Collage FAT

(1) Mehr Drogen

(2) Politische Gefangene

(3) Guggenheim-Streik (ecuador etxea)

(4) Tourismus boomt

(5) Legion Condor

(6) Streik gegen Entlassungen

(7) Patriarchat

(8) Homophobie

(9) Baskische Korruption

(10) Fleisch-Debatte

(11) Solidarität

(12) Strompreis

(13) Juani Rishmawi

(14) Tod eines Lieferanten

(15) Senegal-Migranten

(16) Folter

(17) Kinderarmut

(18) Lucio Urtubia

(19) Virginia Carracedo

(20) Pepe Mujica

(21) Memoria-Gesetz

(22) Legion Condor

(23) Gegen Frauen

(24) Ohnungsnot durch Tourismus

(25) Rechtsextreme in Navarra

(26) Faschismus-Aufarbeitung

(27) Franco-Stiftung

(28) Müll in Senegal

(29) Bazahlung nach Geschlecht

(30) Vetternwirtschaft

(31) Sklavenhandel

(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-07-01)

 

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