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Tragisches Ende eines Fußballfestes

Nach dem Ende des Europacup-Spiels Bilbao gegen Schalke führt ein unnötiger Polizeieinsatz vor einer Gaststätte zum Tod des Bilbao-Fans Iñigo Cabacas. Aus nächster Nähe schießt ein baskischer Polizist in die in eine Sackgasse gedrängte Menge. Es kann jeden treffen. Cabacas stirbt vier Tage später. Politik und Justiz sind bis heute nicht in der Lage, das Geschehen aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ein baskischer Polizei- und Justiz-Skandal geht in eine weitere Runde.

Vor 6 Jahren starb der Fußballfan Iñigo Cabacas in Bilbao an den Folgen eines aus nächster Nähe abgefeuerten Gummigeschosses. 6 Jahre danach steht die juristische Aufarbeitung der rechtswidrigen Schüsse noch aus.

cabacas002Trotz der Ansetzung eines Prozesses sechs Jahre nach dem Tod von Iñigo Cabacas ist der Fall bereits zum Alptraum für alle Beteiligten geworden. Insbesondere für die Eltern des Toten, dessen Freundinnen und Freunde. Was in den vergangenen sechs Jahren geschah, hat zusätzlichen Schaden verursacht: emotionaler, moralischer, juristischer und politischer Art.

Zur Erinnerung: am 5.April 2012 spielte Schalke 04 ein Europacup-Spiel in Bilbo. Vor und während des Spiels gab es keine nennenswerten Zwischenfälle, für die Polizei eigentlich ein perfekter Tag. Nach dem Spiel wurde der Polizei angeblich eine Schlägerei unter Bilbao-Fans gemeldet. Eine Polizeitruppe wurde geschickt. Als sie ankam, war von Spannung nichts (mehr) zu spüren. Das teilte der Einsatzführer vor Ort seinem Chef im Büro mit. Doch tragischerweise spielte sich das Geschehen vor einer bekannten linken Kneipe ab.

Für die Kenner*innen der Szene in Bilbao war schnell klar, dass der Polizeichef die Gelegenheit nutzte, alte Rechnungen zu begleichen. Dem Untergebenen vor Ort gab er den Befehl „mit allem, was wir haben in die Sackgasse reinzugehen, in dem sich die Herriko-Kneipe befindet“. Für den Fußballfan Cabacas war dies das Todesurteil. Denn die Polizisten auf der Straße mussten gegen besseres Wissen einem unnötigen Einsatzbefehl nachkommen. Als sie der feiernden Fanmenge gegenüber standen und der Schießbefehl kam, hätten sie in die Luft schießen können, über die Köpfe weg (wie es im Dienstplan steht) oder sonstwohin. Doch entgegen dem eindeutigen Verbot, Gummikugeln aus kürzester Distanz gezielt auf Personen zu schießen taten sie genau das. Cabacas wurde am Kopf getroffen. Er war nicht als Hooligan oder Fußballwilder bekannt, im Gegenteil. Doch leider stand er in der ersten Reihe und kam nicht weg.

cabacas003Die Politik zeigte sich von Beginn an wenig interessiert an einer Aufklärung, weil das Schaden angerichtet hätte am Polizeikonzept. Deutlich wurde dies, als der Innensenator den Eltern Schweigegeld anbot, was diese empört ablehnten und öffentlich machten. Einzig konkrete Maßnahme war, vorläufig die Gummigeschosse aus dem Verkehr zu ziehen. Die Polizeigewerkschaft fordert – trotz europäischem Verbot – deren erneuten Einsatz. Die Polizei selbst hatte aus verständlichen Gründen noch weniger Interesse an Aufklärung. Dass gravierendste Fehler mit Todesfolge gemacht worden waren, lag auf der Hand. Die Justiz irrte orientierungslos durch die Gegend, ohne Anhaltspunkte und klare Linie – die Polizei boykottierte die Ermittlungen gegen sich selbst. Doch die Volksbewegung aus Eltern, Freund*innen, Antifaschist*innen, linken Ultras und vielen anderen Fußballfans gab sich nicht geschlagen. Unermüdlich wurde mobilisiert, Filme gedreht, Pressekonferenzen abgehalten. Das Thema blieb in der Öffentlichkeit.

Bewegung gab es, als über dunkle Kanäle der Polizeifunk der tödlichen Nacht in den Medien erschien. Wenn vorher bereits von unsinnigen Entscheidungen des Polizeichefs ausgegangen werden musste, blieben nach der Veröffentlichung vollends keine Zweifel mehr: der Beamte hatte sich völlig vergriffen, entweder in der Einschätzung der Lage, oder aus Rachsucht. Eine Richterin lud 10 Polizisten vor, die geschossen haben könnten. Übrig blieben drei. Der Todesengel im Chefsessel wurde befördert.

cabacas005Der für den Schießbefehl Verantwortliche versuchte, seine missliche Lage mit einer Offensive zu verbessern. Wegen der öffentlichen Bekanntgabe seines Namens verklagte er die publizierende Zeitung, die Anwält*innen und die Eltern des Toten. Offenbar fand auch die baskische Regierung dieses Vorgehen übertrieben und gab keine Rückendeckung. Die Richter im Verfahren sahen es ähnlich und wiesen die Schmerzensgeld-Forderung von unglaublichen 770.00 Euro zurück.

Danach sah die Richterin keinen Grund, einen Prozess anzusetzen, weil es keine konkreten Angeklagten gab. Derselben Meinung war die Staatsanwaltschaft schon lange. In Frage kamen sowieso nur die Polizisten auf der Straße, der Befehlsgeber wurde nie mit einbezogen in das Verfahren, obwohl gerade er der Ausgangspunkt war für das folgende Geschehen. Dass nun doch ein Prozesstermin für Oktober festgelegt wurde, versteht niemand wirklich. Zu befürchten ist, dass das Verfahren zur selben Farce wird wie es die Ermittlungen schon waren. Die Solidaritäts-Bewegung Iñigo Cabacas wird alles tun, das zu verhindern.

Die Solidaritäts-Bewegung Iñigo Cabacas hat 2013 einen Dokumentarfilm zu den Ereignissen erstellt. „Iñigo Cabacas. Crónica de una herida abierta” (I.C. Chronik einer offenen Wunde). Der Film weist Untertitel in sechs Sprachen auf (Link).

ABBILDUNGEN:

(1) Iñigo Cabacas (privat)

(2) Cabacas Mobilisierung (FAT)

(3) Cabacas Mobilisierung (FAT)

(4) Team Athletic Bilbao (Presse)

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