liki1Kämpfer für die Utopie

Am 22. Dezember jährte sich zum 40. Mal der Tod von Felix Likiniano, bekannter baskischer Antifranquist. Mit seiner Lebenspartnerin Kasilda Hernáez teilte er anarchistische Ideale, war Mitglied der CNT. Er erlebte den Oktober-Aufstand 1934, den Militärputsch 1936, den Spanienkrieg, den Widerstand gegen den National-sozialismus und die Gründung der antifranquistischen Widerstands-Organisation ETA, deren Anagramm er 1977 entwarf. Likiniano und Hernáez lebten auch nach dem Ende des Franquismus in Baiona.

40 Jahre nach dem Tod von Felix Likiniano (22.12.2022) erinnert der Historiker Iñaki Egaña an das Leben und Wirken einer der bedeutenden Persönlichkeiten der baskischen Linken des 20. Jahrhunderts.

Felix Likiniano (Geburtsname: Félix Liquiniano Heriz) wurde im Dorf Eskoriatza in Gipuzkoa geboren, seine Familie zog jedoch bald ins benachbarte Arrasate-Mondragon. Er war der Sohn von Pedro José und Máxima und hatte drei Schwestern und zwei Brüder, die ebenfalls Pionier*innen bei der Verbreitung des Anarchismus in Gipuzkoa waren. Bruder José Antonio war Mitglied der CNT, er starb im August 1936 im Alter von nur 19 Jahren in Peñas de Aia im Kampf gegen die Requeté-Karlisten aus Navarra (Franco-Unterstützer). Bruder Eduardo hätte die Hauptfigur eines Romans von John le Carré sein können, als er sich in die faschistische Falange-Organisation einschleuste, bis seine Strategie aufflog, nachdem die Anarchisten eine Ladung Gewehre aus Iruñea gestohlen hatten.

Asturien-Revolution

Der im Januar 1909 geborene Felix trat der CNT bei, als er 1930 in der Kaserne von Loiola in Donostia (San Sebastian) seinen Militärdienst ableistete. Genau diese Kaserne stürmte er im Juli 1936 zusammen mit anderen Genossen, um nach dem faschistischen Militärputsch (am 18. Juli 1936) Waffen zur Verteidigung zu holen. Im Jahr 1934 war er anlässlich der Oktober-Revolution (vor allem in Asturien) verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er die asturischen Bergarbeiter unterstützt hatte. Mit der Amnestie nach dem Wahlsieg der Volksfront im Februar 1936 wurde er aus dem Gefängnis entlassen und ließ sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Kasilda in Donostia nieder. Mit einem klaren Ziel: Aktionsgruppen vorzubereiten, wie es auch die Kommunisten praktizierten, um sich dem drohenden Faschismus entgegenzustellen.

Die baskischen anarchistischen Aktionsgruppen hatten maximal 20 Mitglieder und gaben sich auffällige Namen: Los Desesperados (die Verzweifelten), La Buena Voluntad (der gute Wille), Los Tarzanes Libertarios (die libertären Tarzane) ... In der gipuzkoanischen Hauptstadt schuf das Likiniano-Paar seine eigene Gruppe mit Namen Dinamita (Dynamit). Der anarchistischen Tradition folgend. Jahre zuvor hatte eine Gruppe namens Los Justicieros (die Gerechtigkeitskämpfer) mit Buenaventura Durruti (2) und Gregorio Suberviola (3) in Donostia ein Attentat gegen König Alfons XIII. verübt, das jedoch scheiterte. Die Anarchisten hatten dazu einen Tunnel gegraben, so wie es ETA 1973 tat, um das Leben des damaligen spanischen Präsidenten und desginierten Franco-Nachfolgers Admiral Luis Carrero Blanco zu beenden.

Krieg und Franquismus

liki2Nach dem militärischen Aufstand der Generäle um Franco und Mola (Juli 1936) nahmen Eduardo, Felix und Kasilda an der Verteidigung von Donostia (San Sebastian) teil. Vom CNT-Hauptquartier in der Calle Larramendi aus hielten sie zusammen mit zweihundert Jugendlichen den Einmarsch der Militärs in die Stadt auf und richteten später ihr Hauptquartier in der Franziskanerkirche im  Stadtviertel Egia ein. Die Kriegswirren und die Flucht brachten Eduardo nach Bilbao, im September 1937 wurde er mit den baskischen Bataillonen auf dem Rückzug in Santoña (Kantabrien) von franquistischen Truppen festgenommen. Er sollte seine Strafe im Gefängnis Puerto de Santa María in der Provinz Cadiz verbüßen. Felix und Kasilda hingegen überquerten die Grenze nach Frankreich und reisten von Hendaia (frz: Hendaye) nach Barcelona, wo sie an der Aragon-Front wieder in den Kampf eingriffen. Sie überlebten, wie sie später sagten, nur durch Zufall. Der Tod verfolgte sie zwei Jahre lang.

Konzentrationslager in Frankreich

Im Jahr 1939 (bei Kriegsende) flohen beide von Girona nach Perpignan und wurden dort im Konzentrationslager am Strand von Saint Cebrià interniert. Auf Vermittlung des baskischen Ministers Telesforo Monzón (damals im Exil) wurden die Basken aus Argeles-sur-Mer und Saint Cebrià im französischen Katalonien in das Lager Gurs in Bearne verlegt, wenige Kilometer von Zuberoa im französischen Baskenland entfernt. Felix und Kasilda fuhren weiter nach Baiona, wo der Sitz der baskischen Regierung aufgegeben worden war. Mit dem dortigen Archiv machten sie ein Feuer, das eine Nacht lang brannte, um zu verhindern, dass die anrückenden Nazis Franco über den Inhalt der Dokumentation informieren konnten.

Weiter ging es nach Bordeaux, wo sie keine Wohnung hatten, und schließlich nach Lorient in der Bretagne, wo Felix am Bau eines U-Boot-Stützpunkts für die Nazis arbeitete. Die Persönlichkeit des Paares kam wieder zum Vorschein: In Erinnerung an die Infiltration seines Bruders Eduardo freundete sich Felix mit den Besatzern an, von denen er eine Fülle von Informationen erhielt, die er nach England und später direkt an die Résistance weiterleitete. Von Lorient aus zog das Paar nach Paris, wo sie Kontakte zur klandestinen CNT knüpften, 1943 zogen sie nach Biarritz in das Haus, in dem beide den Rest ihres Lebens verbrachten. Felix starb im Dezember 1982, Kasilda zehn Jahre später im August 1992.

Während des Franco-Regimes machte der Anarchismus durch seine Spaltung von sich Reden. Felix Likiniano, Manuel Chiapuso und Cándido Armesto waren die treibenden Kräfte der Gründung einer baskischen CNT. Bis dahin waren Gipuzkoa, Araba und Bizkaia in die CNT-Nord und Nafarroa in die CNT-Aragon eingebunden. Sie versuchten sogar, der baskischen Regierung im Exil beizutreten. Eine Libertäre Partei zu gründen, gelang ihnen allerdings nicht. Felix begann, auf dem Campingplatz in Biarritz zu arbeiten.

Anfänge von ETA

Auf dem Campingplatz empfing er die ersten ETA-Flüchtlinge, mit denen er anfangs wenig Kontakt hatte. Doch die nächste Flüchtlingswelle führte zur Zusammenarbeit mit den neuen Flüchtlingen. Seine Worte waren symptomatisch: "Wir haben zwei Jahrzehnte lang darauf gewartet, dass der Kampf und der Sturz Francos von außen kommt, und schließlich kommt er von innen. Außerdem kommen sie aus meiner Stadt, Arrasate, und sprechen Baskisch“. Auf seinem Campingplatz sammelten sich die Attentäter des Anschlags gegen Admiral Carrero Blanco zu einem historischen Bild, mit Argala (4) in der Gruppe.

Nach dem Tod des Diktators Franco, der mit der Pensionierung Likinianos zusammenfiel, wurde Felix etwas berechenbarer. Ein morgendlicher Spaziergang an der Strandpromenade von Biarritz, ein Besuch in der Buchhandlung Nafarroa, um Neuigkeiten zu suchen und um sein Haus weiter mit Büchern zu füllen, danach ein paar Txikitos (Gläser Wein) und einen Tortilla-Pintxo mit Kasilda.

Postfranquismus

liki340 Jahre danach begann er, gelegentlich die Grenze Richtung Süden zu überqueren. Samstags kam er in den Stadtteil Amara Viejo in Donostia, wo er sich mit einer Gruppe von ANV-Mitgliedern (5) aus Kriegszeiten traf: Pepe García, Sansinenea, Calvillo und Isidro Susperregi, der später von der Polizei bei einer Demonstration für die Amnestie getötet wurde. Bei den Zusammenkünften nahm auch Marcos Azkarate teil (Vater von Miren Azkarate, ehemalige Sprecherin der baskischen PNV-Regierung), der während des Krieges Kommandeur eines PNV-Bataillons war und später als ETA-Kurier verhaftet wurde. Im Sommer war auch Manuel Chiapuso dabei, der von der Sorbonne-Universität, wo er lehrte, nach Biarritz und Donostia kam.

Felix Likiniano und Kasilda Hernáez gehörten einer Generation an, die den Krieg und den Nationalsozialismus überlebte und sich mit den neuen Generationen verbunden fühlte, die der baskischen Gesellschaft das Gefühl und die Würde des Kampfes für kollektive und soziale Rechte zurückgab. Likiniano gab nie ein Interview, er teilte seine Gedanken mit anderen, die auf der Seite der "Verlierer" des Krieges standen, ohne deshalb eine endgültige Niederlage anzuerkennen: Telesforo Monzón, Miguel Amilibia, Marc Legasse, Lezo Urreztieta, Eli Gallastegi, Piarres Larzabal, Kepa Ordoki und anderen.

Zu seiner Beerdigung auf dem Friedhof von Biarritz kamen Dutzende von illegalen Flüchtlingen, von denen einige später verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Familie, das Flüchtlingskomitee, die Alternative KAS, die Partei Herri Batasuna, der Kulturverein Donosti Berri (wo er sich samstags mit seinen Freunden traf), die CNT und Joseba Merino (der zwei Jahre später den Polizei-Hinterhalt von Pasaia überlebte) (6) schrieben Nachrufe für ihn in der linken Tageszeitung "Egin" (7).

Der Künstler

Likiniano hat Hunderte von Bildern gemalt, von denen einige 2014 zum ersten Mal in Donostia ausgestellt wurden. Im November 2022, kurz vor dem Jahrestag seines Todes (am 22. Dezember 1982), wurde in Baiona (frz: Bayonne) eine weitere Ausstellung seiner Werke eröffnet. Für das Jahr 2023 ist eine Tournee durch das Baskenland vorgesehen, bei der sein künstlerisches Werk gezeigt werden soll.

Im September 2022 wurde der Dokumentarfilm des Regisseurs Juan Felipe "Kasilda, el eco de otros pasos" gezeigt, in dem die Beziehung zu Félix über den Film hinausgeht. 1994 veröffentlichte die kürzlich verstorbene Pilar Iparragirre das Buch "Felix Likiniano, miliciano de la utopía" (Felix Likiniano, Milizionär der Utopie). In diesem Werk enthüllte Felix Likiniano selbst die tiefgreifendsten Aspekte seines Denkens und vor allem seiner revolutionären Praxis.

ANMERKUNGEN:

(1) "Felix Likiniano, miliciano de la utopía" (Felix Likiniano, Milizionär der Utopie), Tageszeitung Gara, 2022-12-22 (LINK)

(2) Buenaventura Durruti (14. Juli 1896, León / 20. November 1936, Madrid), spanischer Anarchist, Syndikalist und Revolutionär. Als gewählter Führer einer republikanischen Kolonne war er eine der zentralen Figuren im Spanienkrieg.

(3) Suberviola Baigorri, Gregorio (Morentín, Navarra, 9.5.1896 / Barcelona, 13.3.1924. Anarcho-syndikalistischer Aktivist. Mit Durruti und anderen zusammen Teil der Aktionsgruppe "Los Justicieros", die im Jahr 1920 ein Attentat auf König Alfons XIII. vorbereitete. Im August 1922 in Barcelona Gründung neuer Aktionsgruppen: "Crisol" und "Los Solidarios".

(4) “Argala”, José Miguel Beñarán Ordeñana (Arrigorriaga, Euskadi, 7.3.1949 / Anglet, Frankreich, 21.12.1978). Legendärer ETA-Aktivist, beteiligt an der “Operation Menschenfresser“, bei der am 20.12 1973 in Madrid der designierte Franco-Nachfolger Carrero Blanco ermordet wurde. Artikel Baskultur.info (LINK)

(5) ANV: “Acción Nacionalista Vasca“, deutsch: Baskische Nationalistische Aktion, baskisch: Eusko Abertzale Ekintza. 1930 gegründete Partei mit baskisch-nationalistischer Ideologie, eine der ersten links-orientierten baskischen Parteien. An der ersten baskischen Regierung beteiligt, die während des Spanienkriegs gebildet wurde, während der Franco-Diktatur verboten. Während der Transition erneut legalisiert, zwischen 1978 und 2001 Teil der links-baskischen Koalition Herri Batasuna. 2008 erneut verboten. Nachfolge-Organisation: Herritar Batasuna.

(6) “Pasaia-Hinterhalt“: Polizei-Falle gegen linkes Aktions-Kommando, bei der im Hafen von Pasaia vier Militante regelrecht liquidiert wurden.

(7) Tageszeitung "Egin" (baskisch: Machen), publizistischer Ausdruck der linken baskischen Unabhängigkeits-Bewegung, 1977 gegründet, 1998 von der spanischen Justiz geschlossen und verboten. Nachfolge-Zeitung: Gara (Wir sind).

ABBILDUNGEN:

(1) Felix Likiniano (txalaparta)

(2) Felix, Kasilda (gordegia)

(3) ETA-Symbol (wikiwand)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-12-25)

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