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Steinzeit-Kunst in den Vorpyrenäen

Neue Forschungs-Technologien ermöglichen immer neue und spektakuläre Entdeckungen aus der Urzeit. In Höhlen, die längst bekannt und erforscht schienen, gibt es interessante neue Funde. Zuletzt bei Urdazubi, im Norden Navarras, in den Pyrenäenausläufern direkt vor der Grenze zum nördlichen Baskenland Iparralde. Schon länger bekannt waren die Malereien der Alkerdi-Höhle, nun wurden in Alkerdi-2 ungewöhnliche Gravuren gefunden, die aus der Altsteinzeit stammen und ungefähr 25.000 Jahre alt sind.

Bereits vor einiger Zeit wurden in der Alkerdi-Höhle nahe Urdazubi (Nord-Nafarroa) Höhlenmalereinen gefunden. In einer schwer zugänglichen Galerie wurden nun Gravuren gefunden, die aus noch länger zurückliegenden Zeiten stammen.

Alkerdi-2 beherbergt bekanntermaßen die älteste paläolithischen Darstellungen in Navarra, nun wurde eine weitere wichtige Entdeckung gemacht: eine ungewöhnliche Serie von Höhlengravuren, die 25.000 Jahre alt sind und Bisons, Auerochsen, Pferden und vier Gemälde von Schamlippen beinhalten. Die Generaldirektion für Kultur (Institut Principe de Viana) und die Stadtverwaltung von Urdazubi (nahe der spanisch-französischen Grenze) präsentierten eine Reihe von Gravuren und Malereien, die in der Höhle Alkerdi-2 der Stadt gefunden wurden und für die paläolithische Kunst aus der Altsteinzeit eher ungewöhnlich sind. (1)

Die Funde bestehen aus einem Dutzend eingravierter Darstellungen von Figuren, darunter Wisente, Auerochsen, Pferde und vor allem vier Vulven. Sie sind durch mindestens fünf Reihen von Doppellinien verbunden, die mit roter Farbe gezeichnet sind. Die neu entdeckten Gravuren befinden sich in einem Netz von engen Galerien, erreichbar durch einen fast unzugänglichen Gang. Alle Darstellungen befinden sich an einer tiefen Stelle des Hohlraums, zwei Stockwerke unter dem heutigen Eingang. Die Figuren entsprechen den typischen grafischen Konventionen der Gravettien-Kultur (vor 28.000 bis 20.000 Jahren) und des kontinentalen Europa (2). Mit anderen Worten: Sie unterscheidet sich von der Kunst der Halbinsel, wo ähnliche Beispiele sehr selten sind.

alkerdi2Die Studie

Die vorläufige Studie, koordiniert von Diego Garate, einem Spezialisten für prähistorische Höhlenkunst von der Universität Kantabrien, wurde kürzlich auf der Europäischen Konferenz zum Kulturerbe in Urdazubi vorgestellt. Nach Angaben der Regierung von Navarra sind die Expert*innen der Ansicht, dass es sich um eine außergewöhnliche Fundstätte handelt, die sich zwar noch im Forschungsstadium befindet, aber ungewöhnliche Merkmale der paläolithischen Höhlenkunst aufweist. Olivia Rivero, von der Universität Salamanca und Mitglied des Forschungsteams, betonte, dass "die technologische Untersuchung der gravierten Rillen zeigt, dass die Person, die sie angefertigt hat, nicht über die Fähigkeiten eines Künstlers verfügte; in diesem Sinne scheint es sich um ein unerfahrenes Individuum gehandelt zu haben, das nicht in der Lage war, kontinuierliche und sichere Striche zu setzen".

Diego Garate bestätigte, dass dieses scheinbar unbedeutende Detail große Auswirkungen auf die künftige Erforschung und Interpretation der Höhlenkunst hat, denn "im Allgemeinen schienen die Wände denjenigen vorbehalten zu sein, die über künstlerische Fähigkeiten verfügten, so als ob der Zugang zu ihnen beschränkt wäre. Doch diese neue Galerie hat uns völlig aus der Bahn geworfen". Die neuen Funde gesellen sich zu den schwarzen und roten Malereien und Gravuren, die 2016 gefunden wurden im Rahmen desselben Projekts, das zur Entdeckung von Alkerdi-2 als der zweiten paläolithisch dekorierten Höhle im Baskenland führte. (1)

"Die Gravuren haben einen sehr eigentümlichen, expressionistischen Stil" – Olivia Rivero, Mitglied des Forschungsteams

Die Stimme von Olivia Rivero, Professorin für Vorgeschichte an der Universität von Salamanca und Mitglied des Forschungsteams der Höhle Alkerdi 2, klang gestern glücklich. Es war nicht umsonst. Die im Jahr 2014 begonnene Arbeit trägt bedeutende Früchte, wie die entdeckten Gravuren. Die Expertin weist darauf hin, dass die Entdeckung der Höhle Alkerdi-2 bestätigt, dass es in diesem Gebiet im Norden Navarras über Jahrtausende hinweg eine bedeutende urzeitliche Siedlung gab. (3)

Was für eine Entdeckung!

Als Alkerdi-2 entdeckte wurde, ist deutlich geworden, dass die hier entdeckte Kunst viel älter war als die aus der Höhle Alkerdi-1. Die neue Galerie hat die Zahl der Figuren erhöht. Bis jetzt hatten wir drei in Alkerdi-2, ein vollständiger Bison und Skizzen. Jetzt gibt es eine komplette Galerie mit Bisons, Pferden und Schamlippen mit ganz besonderen Merkmalen, die uns in Beziehung setzen zur französischen Gravettien-Kultur vor 27.000 Jahren. So wird das höhere Alter deutlich, die Funde zeigen die Fernbeziehungen zu Orten in den Pyrenäen oder Frankreich.

alkerdi3Stammen die Maler aus diesen Gebieten?

Alkerdi zeigt uns, dass dies ein Anknüpfungspunkt mit dieser französischen Kultur ist. Bisher gab es auf der Iberischen Halbinsel keine Beispiele dieser Kunst aus der Zeit vor 27.000 Jahren, die so eigentümliche, erkennbare und identifizierbare Merkmale aufweisen.

Welche Merkmale sind das?

Diese Kunst hat einen expressionistischen Anteil. Denn paläolithische (altsteinzeitliche) Kunst ist immer naturalistisch, die Tiere sind so dargestellt, dass man sie erkennt. Selbst wenn es sich nur um die Linie des Pferderückens handelte, suchten sie nach dem realen Bild des Tieres. Innerhalb dieses Naturalismus, in der Zeit vor etwa 27.000 Jahren, übertreibt die Kunst die Merkmale. In Alkerdi sehen wir übertriebene Schnauzen bei den Pferden, Unverhältnismäßigkeit bei den Figuren, große Bäuche. Sie ist weniger starr und origineller, was sie attraktiver macht. Erst im Paläolithikum wurde auf diese Weise Kunst gemacht, die wir nur an einigen wenigen Stellen in Burgund, in den Pyrenäen und in Alkerdi sehen.

Gab es einen Meister, der diese Art der Malerei lehrte?

Das ist unsere Hypothese, dass die paläolithische Kunst erlernt wurde und dass in dieser Periode die Tendenz bestand, Tiere auf diese Weise zu malen. Die Künstler folgten diesen Vorbildern und ahmten sie nach. Und sie gaben ihnen diesen originellen Touch.

Waren sie Lehrlinge?

Der Künstler, der die Gravuren anfertigte, wusste, wie man die Figuren anfertigt. Er kannte den Standard, aber er hatte Schwierigkeiten mit dem Untergrund, der zu hart war. Man konnte sehen, dass er hängen blieb beim Gravieren, das viel Kraft erforderte. Der Autor schaffte es nicht, durchgehende Linien zu ziehen. Das sehen wir an den Haltepunkten.

Die Gravuren wurden in einem schwer zugänglichen Gebiet gefunden. Haben Sie nach einem solchen Ort gesucht?

Es scheint so. Wer aus der Zugangslücke herauskommt, findet die Schamlippen, die den Beginn des dekorierten Sektors zu markieren scheinen. Es scheint, dass die Künstler durch denselben Ort gegangen sind und dass sie nach diesem verborgenen Ort gesucht haben.

alkerdi4Wie sieht dieser Ort aus?

Die Höhle ist kompliziert, man muss viele, zum Teil schwierige Stellen durchlaufen. Um zu den Gravuren zu gelangen, muss man durch eine engen Luke, danach kann man aufrecht stehen, es handelt sich um eine relativ bequeme Galerie. Die Schamlippen erscheinen zuerst, beim Weitergehen sieht man die Bisons und Pferde, die in derselben Zone zu finden sind. Es gibt parallele Striche, die mit zwei mit rotem Pigment getränkten Fingern auf die Wand gemalt wurden, immer paarweise.

Warum wurden gerade diese Standorte ausgewählt?

Sicherlich hatten sie ein Motiv, aber wir wissen nicht genau, was es war. Sie haben bewusst nach diesen Orten gesucht. Im Falle dieser Galerie scheint alles gleichzeitig dekoriert worden zu sein. Wahrscheinlich war es ein und dasselbe Individuum, das alle Figuren geschaffen hat, wir wissen nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Es war ein einmaliges Ereignis, wer weiß, ob es mit einer Art Ritual verbunden war, aber das wissen wir nicht mehr.

Wird Alkerdi weitere Überraschungen bieten?

Die Höhle ist riesig, es gibt noch viel zu entdecken. Es wäre nicht verwunderlich, wenn neue Entdeckungen auftauchen würden.

Fest steht, dass es in diesem Gebiet eine bedeutende Siedlung gab.

Das steht fest. Sie waren lange Zeit dort, von der ersten Phase vor 27.000 Jahren bis zur letzten Phase vor 15.000 Jahren. Sie haben Kunst produziert und sind in andere Regionen gezogen. Es war eine wichtige Enklave. (3)

ANMERKUNGEN:

(1) “Localizan un conjunto insólito de grabados rupestres de 25.000 años en la cueva Alkerdi-2“ (In der Höhle Alkerdi-2 wurden ungewöhnliche Höhlengravuren gefunden, die 25.000 Jahre alt sind) Tageszeitung Gara 2021-09-30 (LINK)

(2) Gravettien ist die wichtigste archäologische Kultur des mittleren Jungpaläolithikums (Altsteinzeit) in Europa. Jäger und Sammler des Gravettien haben ihre Spuren in weiten Teilen Europas (auf den Gebieten des heutigen Belgiens, der Niederlande, Englands, Wales, Frankreichs, Deutschlands, Österreichs, Tschechiens, Polens, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens, Moldawiens und der Ukraine) bis nach Sibirien hinterlassen. Datierungen von Fundstellen des Gravettien reichen etwa von 30.500 bis 22.000 v. Chr. Das Gravettien folgt auf das Aurignacien und fällt in die Abkühlungsphase vor dem zweiten Kältemaximum der Weichsel-/ bzw. Würm-Kaltzeit. Das ältere Gravettien ist durch rückengestumpfte Klingen und Gravette-Spitzen definiert. Regionale Ausprägungen des älteren Gravettiens sind das Périgordien IV (SW-Frankreich) sowie das Pavlovien in Mähren, Niederösterreich und der Slowakei. (Wikipedia)

(3) “Olivia Rivero, miembro del equipo investigador: Los grabados tienen un estilo muy peculiar, expresionista" (Olivia Rivero, Mitglied des Forschungsteams: Die Gravuren haben einen sehr eigentümlichen, expressionistischen Stil) Tageszeitung Diario de Navarra, 2021-10-01 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Alkerdi-Höhle (terrae antiqve)

(2) Urdazubi-Urdax (senditur)

(3) Gravuren Alkerdi (Rivero-Garate)

(4) Alkerdi-Höhle (Diario de Navarra)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-10-05)

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